Wirtschaftskrise, Pandemie, der Zentralbanker Covid 19: Das Wahre an den „Verschwörungstheorien“ und die Aufgabe der Linken

Von Conrad Schuhler

Wir befinden uns 2022 noch in einer globalen Wirtschaftskrise, sie wird weiter andauern, und zur Krise der Produktion wird eine heftigere Inflation treten. Darüber sind Politik und Wirtschaft sich weitgehend einig. Der Internationale Währungsfonds (IMF) meldet für 2021 einen Rückgang des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 5,5%, 2022 beträgt das „Negativ-Wachstum“ 4,1%, 2023 geht es um weitere 3,2% zurück.

Zur aktuellen Konjunkturprognose für Deutschland fiel der Süddeutschen Zeitung dennoch der Titel ein: „Vieles wird gut“. Tags darauf noch eins drauf: „Die Inflation ist besser als ihr Ruf“. Die Wahrheit sieht anders aus.

1. Die anhaltende Krise

Statt der „erwarteten kräftigen Erholung“, meldet das ifo-Institut, würde es 2022 nur um 2,5 % nach oben gehen. Im 2. Quartal 2020 war das BIP im Euroraum um 15% abgestürzt, bis Anfang 2022 hatte man das Niveau von 2019 noch nicht erreicht. In Deutschland soll 2022 ein Wachstum von 3,7% erzielt werden, das 2023 wieder auf 2,9% sinken würde. Die Inflation soll schneller steigen: 2022 auf 3,1%, 2023 auf 3,3%Der aktuelle Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung spricht von einem preisbereinigten Wachstum von 3,6 % für 2022 und davon, in diesem Jahr wieder das Vorkrisenniveau zu erreichen.

Die Erholung besteht also in einer Zementierung der Stagnation, die seit der Finanzkrise 2008 den Wirtschaftsverlauf in der Welt und vor allem in den entwickelten Industriestaaten bestimmt. Während Produktion und Einkommen stagnieren, wächst die Armut kräftig – von 2008 bis 2020 gibt es 12 % mehr Arme in Deutschland, Ende 2011 waren es 13,4 Millionen Menschen, gut 16 % der Bevölkerung.

So einhellig dieser Datenbefund ist, so verschieden und kontrovers sind die Meinungen über die Ursachen und dementsprechend über die Verfahren, wie aus der Krise herauszukommen ist. Auch die linkskeynesianische „AG Alternative Wirtschaftspolitik“ bleibt in ihrem „Memorandum 2021“ wie der mediale Mainstream bei der Feststellung stehen, der wirtschaftliche Einbruch sei „pandemiebedingt“[1].

Zwar warnen die linken Keynesianer eindringlich: „Es darf kein Zurück zum überholten Entwicklungs- und Wachstumspfad vor der Pandemie geben.“[2] Sie verlangen „einen sozial-ökologischen Umbau und eine Demokratisierung der Wirtschaft“, nur so sei „die Corona-Krise und ihre Folgen zu überwinden“[3]. Zur Ausbreitung der Pandemie habe die „aggressive Globalisierung“ wie auch der „Raubbau an natürlichen Ressourcen“ und die „Vernichtung der Artenvielfalt“ beigetragen, die auch „sehr wahrscheinlich die Entstehung von Zoonosen vorantreibt“[4]. Doch dass die Pandemie und ihre Bekämpfung in das Konzept eines „Katastrophen-Kapitalismus“ passen könnte, der die Pandemie zur Legitimierung der Krise und der Bekämpfungsmaßnahmen nutzt, wird von ihnen nicht erwogen. Stattdessen werden von den ideologischen Leitmedien die Erklärungen, die den Kapitalismus als Quelle des Übels einschätzen unisono als „Verschwörungstheorien“ abgetan, sowohl intellektuell – „Verschwörung“ – als auch moralisch – „verantwortungslos“, „Eigensucht statt Gemeinwohl“ – diskreditiert.

2. Die Hauptargumente der „Verschwörer“

Wir können dabei zwei Hauptstränge der Argumente erkennen. Der erste, grundsätzliche Ansatz wird von Kees van der Pijl geliefert[5]. Für ihn hat die heute weltweit herrschende Oligarchie den Ausbruch der Covid 19-Virenerkrankung zum geplanten Anlass genommen, Anfang 2020 einen globalen Ausnahmezustand auszurufen. Im Jahr 2008 war mit der Finanzkrise die Spekulationsmaschine zum Stillstand gekommen. Weltweit brachen Unruhen aus – Arabischer Frühling, Occupy Wall Street, die Gelbwesten in Frankreich. Streiks, Unruhen, Massenmigration, regierungsfeindliche Demonstrationen haben seither alle Rekorde gebrochen – bis die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Pandemie-Notstand ausrief. Mit dem Ausnahmezustand von Covid 19 sind die Bewegungen gegen die wachsende Ungleichheit in der Welt und in den einzelnen Gesellschaften in ihrer ganzen Vielfalt eingefroren worden. Da der Kapitalismus nicht mehr in der Lage ist, einen rationalen Klassenkompromiss wie im „Sozialstaat“ herbeizuführen, hat er stattdessen begonnen, mittels worst-case-Szenarien zu regieren. Die – reale oder eingebildete – Bedrohung wird zum idealen Deckmantel für die Etablierung der Überwachungsgesellschaft, ohne auf offene Gewalt zurückgreifen zu müssen. Dieses Vorgehen führt zu noch vollkommenerer Unterwerfung der Bevölkerung, insbesondere auch der kosmopolitischen Kader in den Großstädten unter die Kommandos der Regimes, als dies Angst vor dem Terrorismus, Angst vor Putin oder die Drohung des Klimawandels oder ähnliche worst-case-Drehbücher vermögen. Naomi Klein hat schon 2007 diese Strategie des globalen Kapitalismus definiert als „Katastrophenkapitalismus“, der Erschütterung oder Katastrophen braucht, um Legitimation für seine verschärften Ausbeutungsmaßnahmen herzustellen. (Naomi Klein: The Shock-Doctrine. The Rise of Disaster Capitalism. Deutsch: Die Schock-Strategie. 2009) Die Bekämpfung einer bislang unbekannten und hochgefährlichen Infektionskrankheit hat sich als wichtigste Stütze der Legitimität der kapitalistischen Regierungen erwiesen, nur vergleichbar mit der Implosion des Realsozialismus. Die Gates-Stiftung war, wie auch die Rockefeller-Stiftung, seit Jahren eine treibende Kraft hinter den Plänen einer „biopolitischen Machtergreifung“, der Errichtung eines auf einer Vireninfektion aufbauenden „Katastrophenkapitalismus“[6].

Fabio Vighi präzisiert die Analyse in einem interessanten Punkt. Die im Rahmen der Pandemiebekämpfung verordneten Lockdowns führen zu einem Rückgang der Beschäftigung und der den Konsumenten zur Verfügung stehenden Geldmenge. Dieser Rückgang von Produktion und Konsum sei gewollt, verringert er doch die Nachfrage der Unternehmen der realen Wirtschaft nach Krediten. Zudem wurden gleichzeitig die Zinsen für Repo-Kredite, die zur Bedienung dieser Kreditwünsche zur Verfügung stehen, erhöht, so dass die Nachfrage nach Geld über das Bankensystem erschwert wurde, eine zentrale Maßnahme in dem Moment, da die staatlichen Ausgaben enorm erhöht wurden und es dennoch zu keiner entsprechenden Inflation kommen sollte. Die Zentralbank vergibt ihre Kredite direkt an die öffentlichen oder privaten Kreditnehmer, wodurch die Banken und ihre Zinserhöhungen bei verstärkter Nachfrage nach Krediten umgangen wird. Die Pandemie liefert also die Rechtfertigung, weiter für die Finanzierung der Kapitalisten mit Krediten zu sorgen, doch sollen diese vom realen Sektor weitgehend ferngehalten werden, die gestiegene Geldmenge soll vor allem die Vermögen der am Finanzsektor Beteiligten weiter anschwellen lassen. Die Geldmenge nimmt zu, aber das zusätzliche Geld landet nicht in der Nachfrage nach Gütern, die im Warenkorb gelistet sind, die Inflation bleibt gemäßigt, nur die Vermögenskonten der Reichen nehmen weiter zu.

Die Hauptthesen der „Verschwörer“ lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

  • Die Wirtschaftskrise ist nicht die Folge der Pandemie-Lockdowns, sondern das Ergebnis einer langfristigen Stagnation, die planmäßig inszeniert und genutzt wird, um die weitere Erhöhung der Staatsschulden und die Installierung eines Überwachungs- und Gefügigkeitsregimes zu rechtfertigen. Die Wirtschaft kann nur noch durch noch mehr öffentliche Kredite am Laufen gehalten werden; die Anerkennung der staatlichen Direktive von Seiten der Bevölkerung kann nur noch durch „Schocks“, durch Angst vor Katastrophen wie der Virenpandemie aufrechterhalten werden.
  • Dass die enorme staatliche Geldvermehrung nicht zu einer Hyperinflation führt, liegt an den gezielten politischen Maßnahmen, die Gelder im Finanzsektor verbleiben zu lassen.
  • Die Pandemie ist nicht naturwüchsig entstanden, sondern wurde herbeigeführt – entweder real durch Entweichen des Virus aus dem Labor oder durch die Durchsetzung eines Narrativs, also einer medialen Erfindung. Hinter diesem Plan steckt an vorderster Stelle die Stiftung von Bill Gates, daneben und dahinter die großen Pharma-Konzerne. Die wirtschaftlichen Maßnahmen wurden schon Monate vor dem Bekanntwerden des Virus Ende 2019 von dem weltgrößten Vermögensverwalter BlackRock entwickelt und schon im August 2019 von der Finanzministerkonferenz der G7 in Jackson, Hole/USA übernommen.
3. Was ist dran an diesen Verschwörungstheorien?

Wir stellen das Ergebnis der Prüfung der Fakten und Argumente voran:

  • Nicht das Virus, sondern die langfristige Stagnation und der Krisencharakter des kapitalistischen Systems führten zur Wirtschaftskrise 2020 ff.
  • BlackRock hatte schon vier Monate früher das Anti-Krisen-Programm (Going Direct) vorgestellt, bevor das Virus im Dezember 2019 erstmals auftauchte.
  • Das Virus wurde nicht von Bill Gates in die Welt gesetzt, aber seine Entstehung und Verbreitung sind Folge eines skrupellosen globalen Kapitalismus.
  • Die Krisen können wir nur überwinden, wenn wir das herrschende kapitalistische System soweit einschränken und überwinden, dass die Prinzipien der sozialen Gleichheit, der Demokratie, der Nachhaltigkeit und der internationalen Solidarität, einer gemeinsamen Menschheit zu den Richtlinien der Politik werden.

Zu 1) Die langfristige Stagnation und die periodischen Krisen im Kapitalismus führen zur Krise 2020 ff – nicht das Virus.

Der Kapitalismus ist ein krisengeschütteltes System, das alle sieben bis zehn Jahre einen scharfen Wirtschaftseinschnitt erlebt, wonach es sich wieder in jährlichen Wachstumsraten „erholt“, um dann sofort wieder abzustürzen. Ein wichtiger Faktor für die Länge des Konjunkturzyklus ist die Haltedauer der Investitionsgüter, die in der Aufschwungsphase dem Produktionsapparat hinzugefügt werden und bis zu ihrem „natürlichen“ oder künstlichen Ende (durch neue Erfindungen) genutzt (abgeschrieben) werden. In der langen Frist wird das Wachstum immer geringer, es kommt zur Stagnation. Die empirischen Daten belegen überzeugend diesen krisenhaften Prozess der kapitalistischen Entwicklung. Seit Jahrzehnten weisen die Wachstumsphasen ein immer geringeres Tempo auf. Von 1950 bis 1960 betrug das jährliche Wachstum in Deutschland 8,2 %; von 1960 bis 1970 4,4 %; von 1970 bis 1980 2,9 %. 1982 gab es ein „Minuswachstum“, anschließend zügige Wachstumsraten bis zum nächsten Minus 1993. Im nächsten Jahrzehnt dasselbe Spiel, doch lag hier das Höchstwachstum nur bei 2,9 % (2000). 2002/2003 zwei Jahre hintereinander ein Minus: – 0,3 und – 0,7%. Nach fünf Wachstumsjahren dann 2009 ein Minus von – 5,7 % (2009). Wieder einige Jahre Wachstum. Insgesamt stieg das BIP von 1991 bis 2019 um 1,4 % pro Jahr. 2018 war es noch bei 1,3, 2019 war es auf 0,6 % gefallen. Für das nächste Jahr erwartete man das Schlimmste (siehe das nächste Kapitel).

Drei Hauptursachen sind verantwortlich für dieses langfristig nach unten weisende Wirtschaftsmodell. Zum einen die simple Tatsache, dass die Menschen nicht genügend hohe Masseneinkünfte beziehen, um die von ihnen hergestellten Massenprodukte auch zu kaufen. Nun fragen nicht nur die Privaten nach Konsumwaren, sondern die Unternehmen nach Investitionen und der Staat pflegt einen eigenen „Konsum“. 2019, im Jahr vor der Pandemie, findet das BIP in Deutschland folgende Verwendung: privater Konsum: 51 %, staatlicher Konsum 20 %, Bruttoinvestitionen 21 %. (Bollinger, a.a.O., 10) Es fehlen 6 %, die durch die gesamte inländische Nachfrage der Verbraucher, der Unternehmen und des Staates nicht abgesetzt werden. 6 % des deutschen BIP entsprechen 206 Milliarden Euro. Sie sind der Außenbeitrag, der Überschuss der Exporte über die Importe. Das deutsche Modell beruht auf dem Abschöpfen der ausländischen Nachfrage. Nun gilt aber für jedes kapitalistische Land der dumme Fakt, dass die inländische Nachfrage stets die inländische Produktion nicht kaufen kann. Der Importüberschuss der Handelspartner Deutschlands senkt also deren inländische Nachfrage, vergrößert den Grundwiderspruch, dass die Schöpfer der Werte nicht das Einkommen beziehen, um sich diese Werte auch anzueignen. Dieses Problem wird – unser zweiter Punkt – umso größer, je ungleicher die Einkommensverteilung ausfällt. Denn je höher das Einkommen, desto niedriger die Konsumquote der Einkommensbezieher (eine der nützlichen Lehren Keynes’). Wer 100.000 Euro im Monat verdient, gibt für den Konsum seines/ihres Haushalts prozentual weniger aus als eine/r, der/die 3000 Euro zur Verfügung hat. Zur Wurzel des Übels gehört die Ungleichheit an Einkommen und Vermögen, die in der globalen Wirtschaft ein globales Phänomen ist und sich in allen Teilen der Welt als stabil erweist, in ihren oberen Spitzen sich sogar vergrößert. Die reichsten 10 % der Weltbevölkerung beziehen 52 % des globalen Einkommens, die gesamte untere Hälfte der Bevölkerung verdient nur 8,5 % davon. Im Durchschnitt hat ein Mitglied der oberen 10 % ein Jahreseinkommen von 87.200 Dollar, während ein Mitglied aus der unteren Hälfte auf 2.800 Dollar kommt. Reiche verdienen 81mal mehr als die untere Hälfte der Weltbevölkerung. Beim Vermögen sind die Unterschiede noch krasser. Hier verfügen die Reichen über das 188fache. Die reichsten 0,01 %, das sind rund 80.000 Menschen, nennen 11 % des Weltvermögens ihr Eigen. Den Rest teilen sich rund 8 Milliarden Menschen.[7] Die Ungleichheit zieht sich durch alle Weltregionen. Am wenigsten krass fällt sie in Europa aus, wo die obersten 10 % über 36 % des Einkommens und über knapp 60 % des Vermögens verfügen. Nordamerika liegt, die Ungleichheit betreffend, beim Einkommen hinter Ostasien an dritter Stelle und beim Vermögen hinter Süd-Südostasien an vierter Stelle. Es folgen jeweils Russland/Zentralasien und Sub-Sahara. Herausragend ist die Tatsache, dass auch die am weitesten entwickelten kapitalistischen Regionen – Europa, Nordamerika – ein absurd hohes Maß an Ungleichheit und damit an Krisenpotential aufweisen. https://wir2022.wid.world/executive-summary/ Im Übrigen zeigt die globale Tatsache gewaltiger sozialer Ungleichheit, dass das deutsche Verfahren eines Exportmodells, das nur zu Lasten der übrigen Teilnehmer am Handelssystem funktionieren kann, damit zum baldigen Scheitern verurteilt ist.

Der dritte Faktor einer langfristigen Stagnations- und Krisentendenz des Kapitalismus liegt in der Tatsache, dass nicht nur der Konsum die notwendige Nachfrage beschränkt, sondern dass auch die Investitionen im Verhältnis zur Wertschöpfung zurückbleiben. Bessere Ausbildung der Arbeitskraft, bessere Infrastruktur, Demokratisierung der Patentrechte, allgemein: vernünftigere Eigentumsordnungen, der technische Fortschritt führen zu rationalerer Wertschöpfung, können dafür sorgen, dass dieselbe Wertschöpfung mit einem geringeren Einsatz von Kapital und Arbeit hergestellt werden kann. Dort wird das Solowsche Residuum des technischen Fortschritts erläutert.) So haben wir in Deutschland von 2012 bis 2019 eine akkumulierte Jahreswachstums-rate des BIP von 21 %, ein gutes Prozent über den addierten Investitionen und Löhnen. So hoch ist das „Solowsche Residuum“, das dem aus vielen Quellen gespeisten „technischem Fortschritt“ zuzuschreiben ist.

Fazit: Aus den strukturellen Gründen eines neoliberalen Kapitalismus, der die gesellschaftliche Wertschöpfung und ihren Zuwachs höchst ungleich verteilte, sank die Gesamtnachfrage und Gesamtproduktion. Die Reichen verschoben den zusätzlichen Profit in den Finanzsektor, da für die reale Produktion zu wenig Massenkaufkraft vorhanden war. Für 2020 gingen Wissenschaft und Medien schon vor dem Ausbruch der Pandemie von einem scharfen Einbruch des BIP aus, zu dessen Wiederaufrüstung tiefgreifende Maßnahmen zu ergreifen wären.

Zu 2) BlackRock schlägt schon vier Monate vor dem Auftauchen des Corona-Virus die „going direct“- Strategie vor und setzt sie im gesamten G7-Rahmen durch.

Ein zentraler Bestandteil der „Verschwörungstheorien“ ist die Behauptung, der Staat und die Pharma-Industrie und sonstige Kapital-Strategen wie Bill Gates oder BlackRock hätten die Pandemie lange geplant und inszeniert. John Titus und Kees van der Pijl[8]. sehen besonders BlackRock am Werk. Tatsächlich hat das BlackRock Investment Institute einen detaillierten Plan vorgelegt, wie die aktuelle Krise mit einem gewaltigen Staatsschulden-Programm zu bekämpfen ist, und dies am 15. August 2019, vier Monate vor der ersten Information des Auftretens eines Covid-19-Virus in Wuhan/China.

Zu diesem Termin im Sommer 2019 gab das Institut des größten Vermögensverwalters der Welt ein „white paper“ heraus: „Dealing with the next downturn: From unconventional monetary policy to unprecedented policy coordination“ (Mit dem nächsten Abschwung umgehen: Von unkonventioneller Geldpolitik zu beispielloser Politik-Koordinierung.) Darin heißt es:

„Eine beispiellose Antwort ist nötig, wenn die Geldpolitik erschöpft und die Fiskalpolitik alleine nicht genug ist. Diese Antwort wird wohl „going direct“ einbeziehen. „Going direct“ bedeutet, dass die Zentralbank Wege findet, Geld direkt in die Hände von Ausgebern (spenders) aus dem privaten und öffentlichen Sektor zu übermitteln. „Going direct“ kann auf verschiedene Weise organisiert werden, sodass 1) der Weg über das Zinssystem umgangen wird, da dieses traditionelle Zentralbankverfahren erschöpft ist und dass 2) die Politikkoordination verstärkt wird, sodass die ausgeweitete Staatsfinanzierung nicht zu einem entgegenwirkenden Anwachsen der Zinsraten führt.“

Das 13-seitige „white paper“ enthält eine Vielzahl konkreter Vorschläge, wie dieses Ziel – eine enorme Ausweitung der öffentlichen Kredite, ohne dass dadurch der Zins erhöht – dadurch erreicht wird, dass die Geschäftsbanken als Zinstreiber aus dem Markt genommen werden, indem der Staat bzw. die Zentralbank die Kredite direkt an die Kreditnehmer vergibt, womit der Staat Volumen und Preis des zusätzlichen Geldes bestimmen kann. BlackRock wird zur zentralen Instanz der im Weißbuch verlangten neuen Koordination der Fiskal- und Geldpolitik. Präsident Biden ernennt Anfang Januar 2020 den bisherigen Chef der BlackRock-Abteilung für nachhaltige Investitionen, Brian Deese, zu seinem offiziellen Wirtschaftsberater[9] und die Zentralbank betraut BlackRock mit der Abwicklung des Going Direct-Programms, das insgesamt 3,5 Billionen Dollar umfasst, dreieinhalbmal so viel wie 2008/2009, als die Fed eine Billion an neuem Staatsgeld auf den Markt warf.

Die strategischen Institutionen des Kapitals deuteten den drohenden Absturz mithin schon weit früher, als die Lockdowns in der Pandemie dann die Legitimation für ihre Krisenpolitik lieferte. Die Pandemie war nicht die Ursache, aber sie war einmal der Brandbeschleuniger der Krise, zum anderen liefert sie das Alibi der Regimes für das wirtschaftspolitische Versagen und für die Ächtung des Protests als asozial und dumm. Drittens verschaffte sie den Maßnahmen, die BlackRock federführend für die US-Regierung und die ganze G7-Finanzpolitik dirigierte, die nötige Legitimation.

Im Januar 2021 feiert das BlackRock Investment Institute in einem „Davos Briefing“ den Erfolg dieser Strategie: „Der Anstieg der Staatsverschuldung auf Rekordniveau war das Ergebnis einer neuen Zusammenarbeit zwischen Finanz- und Geldpolitik und eine notwendige Reaktion auf die durch Covid-19 ausgelöste Krise. Es könnte für Regierungen politisch schwierig werden, die umfangreichen finanzpolitischen Unterstützungsmaßnahmen zurückzufahren, und die gefühlte Sicherheitsprämie für das Halten von Staatsanleihen könnte sich unter Umständen in Luft auflösen. Auf kurze Sicht machen uns diese Dynamiken allerdings keine Sorgen: Denn der Druck auf die Zentralbanken, ein stabiles Niedrigzins aufrechtzuerhalten und die Kosten für die Aufnahme von Schulden zu begrenzen, ist erheblich.

Mittlerweile sind sich die Analysten von BlackRock ihrer Sache nicht mehr so sicher. Die Eindämmung der Zinsen könnte auch „schiefgehen“ (go wrong). Die Zentralbanken könnten gezwungen sein, gegen die Inflation, die mittlerweile 7% erreicht hat, „aggressiv“ vorzugehen, ihre Zinsrate erhöhen, das Wachstum stoppen: „ein klassisches Stagnationsszenario, schlecht für Anleihen und für Aktien“.

Zu 3) Nicht Bill Gates hat das Virus freigesetzt, der Kapitalismus als Struktur bildet den Kontext des biopolitischen Notstands.

Zu den kruden Elementen der Verschwörungstheorien gehört die Behauptung, dass Bill Gates und die Pharma-Konzerne dafür gesorgt hätten, das Virus frei zu setzen, um dann mit den von ihnen kontrollierten Impfstoffen Milliarden Dollar zu scheffeln. Dies ist der blanke Unsinn, allerdings wie jede erfolgreiche Verleumdung mit Bezügen zur Wirklichkeit. Bill Gates hat vor Jahren schon vor einer biopolitischen Katastrophe gewarnt. 2015 sagte er: „Wenn in den nächsten Jahrzehnten mehr als 10 Millionen Menschen sterben, ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich eher um ein hochinfektiöses Virus als um einen Krieg handelt.“ Seit Jahrzehnten setzt sich die Bill & Melinda Gates Foundation, mit 47 Milliarden Dollar die größte Stiftung der Welt, für die Bekämpfung von „Armut, Krankheit, Ungleichheit rund um die Welt“ ein und hat im Kampf gegen Polio, Meningitis und Masern beträchtliche Erfolge aufzuweisen. Vorwürfe der Verschwörungstheoretiker weist die Stiftung entschieden zurück: „Es ist tief verstörend, dass Leute Desinformationen verbreiten, wo wir stattdessen zusammenarbeiten sollten, um Leben zu retten…Wir ermutigen die Leute, verlässliche Quellen der Information wie medizinische Fachleute und die wissenschaftliche Gemeinde zu konsultieren.

Diese Quellen bezeugen in der Tat, dass die Gates-Stiftung sich seit Jahrzehnten gegen Virenkrankheit einsetzt, mit großen Zahlungen an zahlreiche Hilfsorganisationen und auch als der größte Einzelspender an die Weltgesundheitsorganisation (WHO), an die die Gates Foundation 2019 mit 367 Millionen Dollar weit mehr gezahlt hat als Deutschland (214 Mio. Dollar). Auch ist die Stiftung führend in der finanziellen Unterstützung von Teams, die die Entwicklung von Impfstoffen untersuchenDoch geht diese Investitionstätigkeit einher mit der Durchsetzung von Impfstrategien und der monopolistischen Verwertung der Impfstoffe, die nicht nur zu öffentlicher Kritik, sondern auch zu Gerichtsklagen geführt hat.

Dennoch steckt nicht Bill Gates als Milliardär-Instanz in der Wurzel des Übels, sondern das kapitalistische System, das den Kontext für die Entstehung der Pandemie wie für das Versagen der privaten und der Gesundheitseinrichtungen liefert. In den Worten von David Harvey, des US-amerikanischen Geografen und Ökonomen:

„Das Kapital verändert die Umweltbedingungen seiner eigenen Reproduktion, aber es tut dies in einem Kontext unbeabsichtigter Konsequenzen (wie dem Klimawandel) und vor dem Hintergrund autonomer und unabhängiger evolutionärer Kräfte, die die Umweltbedingungen ständig neugestalten. Von diesem Standpunkt aus gesehen gibt es so etwas wie eine echte Naturkatastrophe nicht. Viren mutieren zwar ständig. Aber die Umstände, unter denen eine Mutation lebensbedrohlich wird, hängen vom menschlichen Handeln ab… Wenn ich es anthropomorph und metaphorisch ausdrücken wollte, würde ich schlussfolgern, dass Covid-19 die Rache der Natur für über vierzig Jahre grober und missbräuchlicher Misshandlung der Natur durch einen gewalttätigen und unregulierten neoliberalen Extraktivismus ist.“ [10]

Es war dieser skrupellose Umgang des neoliberalen Kapitalismus mit der Natur – der Abbau von Rohstoffen und Wäldern, die Vergiftung des Bodens, die Reduzierung der Artenvielfalt – der die Virenmutationen und -übertragungen von Tier auf Menschen möglich machte, und es ist die Globalisierung des Kapitalismus und der Gesellschaft, die aus der Vireninfektion eine globale Pandemie macht. Und es ist die kapitalistische Zurichtung der Befriedigung sozialer Bedürfnisse wie Gesundheit, Wohnen, Verkehr, Arbeit, die die Pandemie zur Katastrophe machen. „Die Behörden und Gesundheitssysteme waren fast überall auf verlorenem Posten. Vierzig Jahre Neoliberalismus in Nord- und Südamerika sowie in Europa hatten die Öffentlichkeit völlig entblößt und schlecht auf eine Gesundheitskrise dieser Art vorbereitet, obwohl frühere Schreckensszenarien wie SARS und Ebola reichlich Warnungen und überzeugende Lektionen darüber lieferten, was zu tun ist. In vielen Teilen der vermeintlich ´zivilisierten´ Welt wurden den lokalen Regierungen und den regionalen/staatlichen Behörden, die bei Notfällen dieser Art immer die vorderste Verteidigungslinie bilden, dank einer Sparpolitik, die Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche finanzieren soll, die Mittel entzogen.“[11]

Die Strategen des globalen Kapitals inszenieren nicht die Katastrophen, auch nicht die Covid-19-Pandemie. Sie antizipieren die Krisen, die ihr System verursacht, und nutzen sie skrupellos für die Zustimmung der Gesellschaft für ihre Notstandslösungen aus, die aus Austerität und Demokratie-Abbau bestehen.

4. Eine kurze Schlussbemerkung: Pandemie und Krise bleiben noch eine Weile – doch wo bleibt die Linke?

In der Pandemie sehen wir der x-ten Mutation des Virus entgegen. Und sollte Covid-19 überstanden sein, dann lauern schon die nächsten Viren. Wir leben in einer Epoche relativ schnell aufeinander folgender Epidemien, sagt uns neben vielen anderen die Bill & Melinda Gates Foundation voraus. Möglicherweise, fügen wir hinzu, fallen die Pandemien sowie 2020 zusammen mit den Krisen des kapitalistischen Konjunkturzyklus. Jedenfalls bleibt Covid-19 fürs erste, und wir sehen uns den Programmen der kapitalistischen Regierungen gegenüber, die ihre Bevölkerungen zunehmend in Verwirrung und Angst versetzen.

Es sind zwei Momente, die auf der volkswirtschaftlichen Seite als Problemlösungen angeboten werden: einmal die Eindämmung der Inflation, zum zweiten die Rückführung der globalen Wertschöpfungsketten unter dem Stichwort der Deglobalisierung.

Tatsächlich ist die Inflation ein wirtschaftliches Problem erster Ordnung, weil sie die Kaufkraft dezimiert, damit die effektive Nachfrage und damit wiederum die Investitionsneigung verringert. Die Inflation in den USA beträgt im Januar 2022 über 7 %, in Deutschland nach 5,3 % 2021 nun über 3 %. Allein für Strom und Heizung muss die deutsche Durchschnittsfamilie 2022 über 2000 Euro mehr ausgeben als im Vorjahr – Geld, das für andere Ausgaben fehlt. Die US-Zentralbank FED hat bereits bekanntgegeben, dass sie 2022 den Leitzins in drei Schritten erhöhen, den Ankauf von Anleihen (100 Milliarden $ jeden Monat) einstellen und stattdessen Anleihen zum Kauf anbieten wird. Dadurch wird die Geldmenge verkleinert, vor allem die Vermögenswerte schrumpfen. Die drei großen Börsen sind deshalb in den ersten drei Wochen des neuen Jahres gekippt: der Dow Jones ist um 11 %, der Nasdaq um 15 % und der S%P 500 um 18 % zurückgegangen. Die EZB weigert sich bisher, die Zinserhöhung zu vollziehen, wird sich aber nicht lange dem Druck aus den USA und den eigenen Ländern entziehen können. Die Zins-, also Preiserhöhung für Geld verringert zwar die Inflation, sie lässt aber die Investitions- und Verschuldungsneigung von Haushalten und Unternehmern weiter schrumpfen. Sie verkleinert also ebenfalls die effektive Nachfrage, leitet die nächste Krise ein. (Ideen der Modern Monetary Theory, der Staat könne sich beliebig verschulden, da er als primärer Geldschöpfer in eigener Währung nicht bankrottgehen könne, lassen wir unerörtert, da sie nicht handlungsleitend sind für die fraglichen Regierungen).

Die Deglobalisierung ist genauso wenig ein Lösungskonzept. Über die Hälfte des Welthandels geht heute zurück auf die globalen Wertschöpfungsketten, ein Drittel sogar auf den Handel innerhalb der einzelnen Konzerne. Deren Produktion leidet empfindlich, wenn an einer vielen nationalen Standorte die Produktion eines Teils des Produkts ausfällt. Die Verteilung der Produktionsstandorte findet statt unter dem Prinzip der Kostenminimierung. Der einzelne Standort wird dort platziert, wo die Arbeitskräfte am besten und billigsten und die politischen und rechtlichen Bedingungen optimal für die Konzerne sind. Diese werden sich einer Deglobalisierung mit ihrer großen politischen Kraft widersetzen. Sollten sie dazu gezwungen werden, wird es die Produktion verteuern und die Konjunktur dämpfen. Auch dieser Schritt wäre nicht hilfreich, um eine Krisenentwicklung zu verhindern.

Aus dem System heraus wird die strukturelle Krisenqualität des kapitalistischen Systems mit diesen Maßnahmen nicht abgeschafft werden. Die Krisen gehören zum Kapitalismus und er perfektioniert sich darin, Pandemien oder sonstige globale Katastrophen zur ständigen Legitimierung verschärfter Maßnahmen zu Demokratieabbau und sozialer Ungleichheit zu instrumentalisieren.

Die Linke hat das offenbar noch nicht hinreichend durchschaut. Sonst wäre es unerklärlich, dass sie den offenbar vorhandenen Protest gegen das Coronaregime rechten Hetzern überlässt, die schon einmal den Popanz des „jüdischen Finanzjudentums“ in die Welt setzten, an deren Stelle sie heute „Gates und seine Milliardärsclique“ und ähnliche Hassbilder wirken lassen. Dass es um eine Systemfrage geht, ob öffentliche Güter kommodifiziert werden oder öffentlich-demokratisch kontrolliert – ob Natur und Menschen Rohstoffe der Mehrwerterzeugung bleiben, oder nach menschlichen Maßstäben von den Menschen selbst „genutzt“ und organisiert werden – das sind Systemfragen: Kapitalismus oder Sozialismus, Sozialismus oder Barbarei. Es ist die Aufgabe der Linken, dies in der Bewegung gegen die Corona-Lockdown-Maßnahmen klarzumachen und den rechten Propagandisten dort Paroli zu bieten. Zu den Aufgaben der Linken gehört im selben Atemzug, der Propaganda grüner und sozialdemokratischer Politiker entgegenzutreten, die die Verantwortung der kapitalistischen Profitwirtschaft hinter virologischen und volkswirtschaftlichen Wissenschaftsmysterien verschwinden lassen wollen.

 

Anmerkungen:

[1] Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik: Memorandum 2021. Corona – Lernen aus der Krise! Alternativen zur Wirtschaftspolitik.
[2] a.a.O. S. 2
[3] a.a.O.
[4] a.a.O., S. 1
[5] Kees van der Pijl: Die belagerte Welt.
[6] ebd.
[7] Alle Zahlen: Lucas Chancel, Thomas Piketty, Emmanuel Saez, Gabriel Zucman: World Inequality Report 2022. Executive Summary.
[8] Kees van der Pijl: Die belagerte Welt.
[9] https://www.blackrock.com/corporate/insights/blackrock-investment-institute/publications/global-macro-outlook/august-2019
[10] zitiert nach Christian Fuchs: Verschwörungstheorien in der Pandemie. Tübingen 2021. Wie über Covis-19 im Internet kommuniziert wird. S. 13.
[11] a.a.O., S. 15. Siehe auch: David Harvey: Anti-Capitalist Politics in the Time of COVID-19.

 

 

 

 

 

 

Der Beitrag erschien am 27.01.2022 auf https://www.isw-muenchen.de/ 

und wird hier mit freundlicher Genehmigung der Redaktion gespiegelt.Bild: Imago / Sascha Steinach