Zur Psychologie des Mitläufers: Ein Versuch über linkes Mitläufertum auf einen Text von Peter Brückner

Von Wilfried Schwetz

Im Jahr 1969 veröffentlichte Peter Brückner in einem Sammelband zur politischen Psychologie einen kleinen, feinen Text zur »Psychologie des Mitläufers« i. Bei diesem handelte es sich um eine aktualisierte Version eines Beitrags gleichen Titels für das Jugendinstitut der UNESCO von 1964. Obwohl 1969 aktualisiert, bezieht er sich nicht auf die damalige politische Situation zur Hochzeit der Studentenbewegung. Ausgangspunkt von Peter Brückners Überlegungen ist vielmehr der Normalzustand der politischen Passivität breiter Bevölkerungskreise als »Ausdruck der gleichen psychodynamischen Strukturen, die bei beschreibbaren Veränderungen im sozialen Feld in eine unmittelbar bedrohliche Erscheinung umschlagen können, in die des Mitläufers« (S. 57).

Referenzpunkt war natürlich das »Dritte Reich«, das zur Zeit der Ursprungsversion noch nicht einmal 20 Jahre zurück lag. Er fragt somit, wie aus passiven Massen unter geeigneten Bedingungen Unterstützer autoritärer und verbrecherischer Verhältnisse werden können. In diesem kurzen Text finden sich so viele bedenkenswerte Einsichten und Thesen, daß er geradezu dazu einlädt, sich auf ihn stützend über das Phänomen des linken Mitläufertums während der Corona-Zeit Gedanken zu machen. Das meiste Gesagte kann man bruchlos auf den aktuellen Ukraine-Konflikt übertragen.

Auch wenn ich selbst weder Sozialpsychologe noch Peter-Brückner-Experte bin, möchte ich mich daran versuchen. Die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen damals und heute sind dabei nicht so wichtig, besonders weil das wesentliche strukturelle Element unverändert geblieben ist: die Kontinuität der Kapitalherrschaft.

Zwei Arten von Mitläufern

Peter Brückner unterscheidet zwei Arten von Mitläufern, die sich ähneln, aber an entscheidender Stelle sich auch unterscheiden: einmal die Masse der Mitläufer, die sich aus der allgemeinen Bevölkerung speist, und der Mitläufer in gehobener Position. Besonders die Ausführungen, die Peter Brückner zu letzteren macht, sind für die Analyse des linken Mitläufertums von Ergiebigkeit – was aber nicht heißt, daß seine Aussagen zur ersten Gruppe für sie nicht gelten würden, weshalb diese zunächst ausgiebig vorgestellt werden sollen.

Charakteristik und Genese des Mitläufers (Typ 1)

In Bezug auf einen »Meinungsgegenstand« unterscheidet Brückner vier virtuelle Gruppen: Anhänger, Ablehner, Indifferente und Nicht-Informierte. Als Mitläufer bezeichnet er Personen, die sich: […] politisch passiv und indifferent verhalten, solange kein Monopolist die Öffentlichkeit beherrscht, die sich aber einer einmal installierten monopolistischen Ideologie erst anpassen und dann bei gleichzeitiger Mobilisierung angleichen. (S. 57)

Die Gruppe der politisch Indifferenten innerhalb einer Bevölkerung stellt somit das Reservoir für den Mitläufer dar.

Der Prozeß der Verwandlung verläuft unter dem Druck der Monopolmeinung dergestalt, daß für eine Person ein Meinungsgegenstand zunächst »in sich stimmiger, runder, bruchloser, widerspruchsfreier« (S. 58) wird, um dann in einem zweiten Schritt die eigene Distanz zum ihm völlig aufzugeben; er erscheint ihm nun bruchlos, die Einstellung wird affirmativ. Die Person ist vom Indifferenten zum Anhänger geworden, wobei sie sich erstmalig politisiert hat, also aus ihrer indifferenten Position herausgetreten und zu einem aktiven Vertreter der neuen Meinung geworden ist.

Ist der progagandistische Meinungsdruck sehr stark, tritt dieser Prozeß massenhaft und mit wachsender (!) Geschwindigkeit auf; aus Indifferenten werden Anhänger, aus einigen Ablehnern Indifferente, von denen wiederum später einige ebenfalls Anhänger werden. Die Gruppe der Ablehner schrumpft schnell. So kann aus einer bisherigen Meinung unter vielen bei entsprechend hohem Propagandadruck in kurzer Zeit die Mehrheitsmeinung werden.

Dieser Prozeß konnte während der vergangenen Jahre ausgiebig studiert werden. War mit dem Aufkommen der ersten Meldungen über eine gefährliche Epidemie in China noch große Skepsis verbunden, ob an der Sache überhaupt etwas dran sei, schrumpfte diese Skepsis in den Folgemonaten und die Unterstützung der Corona-Erzählung stieg steil an, besonders im Verlauf des ersten »Lockdowns«. Vorangetrieben wurde dies durch eine massive Angst- und Schockprogpaganda von WHO, Regierungen, privaten und staatlichen Medien.

Eine Schlüsselrolle spielten dabei die Bilder gestapelter Särge im italienischen Bergamo, die ein Massensterben suggerieren sollten. Wer darauf hinwies, daß sich Särge natürlich stapeln, wenn man Transporte in Krematorien im Ausland und auch Beerdigungen verbietet, wurden schon damals als antiwissenschaftlicher Verschwörungtheoretiker gescholten, kaltherzig dazu. Innerhalb von Wochen hatte sich das, was eine Corona-Verschwörungstheorie sei, um 180 Grad gedreht (Annalena hätte von 360 Grad gesprochen), denn noch kurz vorher galten als Verschwörungstheoretiker diejenigen, die vor einer heraufziehenden Gefahr durch den chinesischen Virus gewarnt hatten.ii

Unter der Wucht der Propaganda wurde die These, Corona sei eine tödliche Pandemie gigantischen Ausmaßes, zur Mehrheitsmeinung. Wir konnten es alle in unserer Umgebung beobachten: erst schien diese These immer stimmiger (»könnte vielleicht doch etwas dran sein«), dann wurde sie übernommen (»eine schreckliche Seuche«) und die verordneten Maßnahmen aktiv unterstützt (»wir müssen alle an ihrer Eindämmung mitwirken«).

Ein ähnlicher Vorgang spielte sich bei der Frage der »Impfung« ab. Auch hier wandelte sich die anfängliche Skepsis gegenüber einem in die Zellgenetik eingreifenden, völlig neuartigen und ungetesteten mRNA-Mittel unter dem Druck der Progaganda, und zwar ausschließlich für diese Mittel und keine anderen, in eine verbreitete Zustimmung. Allerdings war der Erfolg nicht total, es verblieb eine recht große Gruppe unbeirrt bei ihrer Ablehnung.

Dennoch: Gerade in linken Kreisen schlossen sich die meisten der Meinung, die »Impfung« sei notwendig, wirksam, ungefährlich und daher alternativlos, an. In noch größerem Ausmaße als die normale Bevölkerung transformierte sie zu Mitläufern der Pharmaindustrie und des hinter ihr stehenden Kapitals. Geradezu bizarre Formen des Einschwenkens auf Regierungskurs konnte man bei vielen linken Intellektuellen in der Frage eines allgemeinen Impfzwangs (wiederum nur mit den mRNA-Mitteln, keinen anderen) beobachten – immerhin eine tief in die persönliche Autonomie eingreifende Gewalthandlung. Die Wandlung folgte obigen Bahnen.

Der Autor dieser Zeilen hat es selbst erlebt: Die gleiche Person, die zu Beginn der »Impfungen« auf die Voraussage, die Logik des Systems liefe auf einen allgemeinen (möglichst globalen) Impfzwang hinaus, dem vehement entgegentrat (»niemand zwingt dich doch zu der Impfung«) und ins Reich der Verschwörungstheorien verwies, endete wenige Monate später, wahrscheinlich nicht zufällig genau in dem Moment, als dieser im Bundestag beschlossen werden sollte, bei der Aussage: »Es hätte niemals gesagt werden dürfen, es werde nie eine Impfpflicht geben«. Man merke: Nicht der Impfzwang war der Fehler des staatlichen Umgangs mit Corona, sondern die frühere Versicherung, es werde keinen geben. Diese Wandlung war kein opportunistisches Mit-den-Wölfen-Heulen, sondern die neue Überzeugung dieses radikalen Linken.

Die Gruppe der Skeptischen und Ablehner war in der Tat schnell geschrumpft. Allerdings nicht so, wie Peter Brückner es konstatierte. Sein oben zitierter Satz geht folgendermaßen weiter: Die Gruppe der unbeeinflußbaren Ablehner schrumpft mehr oder weniger rasch auf die Minorität solcher Personen, die eine lange Tradition bewußter Politisierung hinter sich haben, die also Indifferenz im Politischen als die Erscheinung kannten, an deren Überwindung (…) sie sich abmühten, oder die ihrerseits einer Ideologie mit absoluten Monopolanspruch verbunden sind. (S. 58)

Ob diese Aussage den Realitäten in vergangenen Epochen jemals entsprach, sei dahingestellt, aber bezüglich der Corona-Erzählung hat sie definitiv, auf jeden Fall was »links« betrifft, nicht gestimmt, und zwar in beiden Varianten nicht. Die unbeeinflußbaren Ablehner speisten sich eben gerade nicht aus solchen politaktivistischen Kreisen, sondern kamen im Gegenteil aus Kreisen, die dem Politischen bisher fern gestanden hatten. Wieso gerade letztere eine größere Resilienz gegen die Corona-Monopolmeinung entwickelten als praktisch die gesamte, sonst so hyperkritische Linke, ist ein wichtige Frage, der noch nachgegangen werden muß. (Ich sehe darin eine Analogie zum Rekrutierungsfeld der französischen Gelbwesten).

Ursachen der Anpassung

Peter Brückner bietet zur Erklärung für die Herausbildung des Mitläufers sowohl sozialpsychologische als auf psychoanalytische Gründe. Kurz gesagt verortet er die Ursache in einer Ich-Schwäche der mitlaufenden Person, bei gleichzeitigem Vorhandensein einer autoritären Instanz, der man sich unterwerfen kann, die abweichende Meinungen eliminiert und für ideologische Eindeutigkeit sorgt.

Nach Peter Brückner äußert sich Ich-Schwäche bei »pluraler Öffentlichkeit und in relativ friedfertigen Zeiten in der reflexionslosen Abtretung von Autonomie an verschiedene Anbieter« (S. 59). Der Ich-schwache Mensch bleibt indifferent und passiv, indem er die Wahrnehmung seiner Interessen an andere Instanzen abtritt und sich nicht weiter kümmert.

Dies ändert sich in Krisenzeiten und wenn (gleichzeitig) eine neue, starke Monopolmeinung auftritt: Es bereitet Angst, an den kollektiven Stimmungen des eigenen Milieus nicht teilzuhaben. (…) Mit dem Erscheinen des Monpolisten und der rasch über das soziale Feld hinweglaufenden Anhängerfront wird Abständigkeit gleichzeitig wachsend zur Quelle von Angst. Die Änderung der Distanz zum Meinungsgegenstand, die Annäherung, mindert Angst, hat daher den Charakter des regulativen Bedürfnisses. (S. 59)

Je mehr sich also die Corona-Erzählung in der Gesellschaft ausbreitete, desto mehr empfand sich der bisher Indifferent-Passive, mehr noch der Ablehner, von seiner Umgebung getrennt. Dies erzeugte Angst und Verunsicherung, auch Selbstzweifel, ob man denn nicht selbst falsch liegen und alle anderen recht haben könnten. Es wurde also immer schwieriger, die eigene Skepsis aufrecht zu erhalten. Streit mit Freunden, Bekannten, Familie, Kollegen, Druck von Vorgesetzten und Auftraggebern taten ein übriges, die eigene Position zu zermürben, den Leidensdruck zu maximieren.

Jenseits der offenen Opposition bieten sich in dieser Situation drei Auswege an:

  1. sich wegducken und irgendwie durchkommen, so wenig Zugeständnisse machen wie möglich; dies unter Beibehaltung der früheren Position;
  2. dem Druck irgendwann nachgeben, zu kapitulieren. Dies meinte zumeist, sich die Spritze geben zu lassen, obwohl man es nicht wollte;
  3. seine Meinung der Mehrheitsmeinung anzugleichen und ins Lager der Befürworter zu wechseln.

Die erste Option setzt eine recht große innere Stärke voraus, die zweite dürften die meisten als eine schmähliche Niederlage empfunden haben – die man sich später schönreden mag, indem man dann doch ins Lager der Anhänger übertritt oder die man als solche auch weiterhin empfindet – was wiederum einer großen Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und damit innerer Stärke bedarf. Nicht wenige Gesprächspartner haben sich im vergangenen Jahr in letzterer Richtung geäußert: daß sie dem Druck nicht mehr standgehalten und aufgegeben hatten, das jetzt aber tief bereuten. Die dritte Option ist zweifellos die einfachste, denn sie bringt einen wieder in Einklang mit seinem sozialen Umfeld. Die dritte Option scheidet meines Erachtens auch den Mitläufer vom einfach nur Gehorsamen.

Angst vor Mehrdeutigkeit

Nach Peter Brückner versuchen Ich-schwache Menschen Mehrdeutigkeit, innere Verunsicherung, wie auch die »Einsicht in ihre eigenen Bedürfnisse« zu vermeiden, weil solche stark angstbesetzt sind. »Gerade an Mehrdeutigkeiten entzündet sich die Angst der Ich-Schwäche besonders leicht« (S. 60). Und was könnte mehrdeutiger sein, als Fragen wie: Wie gefährlich ist das Corona-Virus, wie gefährlich für mich persönlich? Nutzen die beschlossenen Maßnahmen etwas oder nicht? Schützten die mRNA-Stoffe vor Ansteckung und Krankheit, sind sie gefährlich oder harmlos?

Solche Mehrdeutigkeiten beseitigt der neue, autoritäre Monopolist, indem er abweichende Meinungen unterdrückt. Die Welt wird wieder klar und eindeutig. Zumindest solange man nicht anfängt, nach abweichenden Meldungen zu suchen und kritisch auf die angebotene Einheitsmeinung zu schauen. Dann käme die Mehrdeutigkeit und die daraus folgende Verunsicherung zurück. Genau aus diesem Grunde werden alternative Sichtweisen ignoriert und von sich gewiesen. Bei den Kunstaktionen unserer kleinen Gruppe haben uns wiederholt Leute zu verstehen gegeben, absichtlich keine alternativen Quellen aufzusuchen als die offiziellen, weil diese sie nur irritieren würden.

Beide Phänomene: Der Unwille zur Selbstreflexion und das Verschwinden irritierender, weil abweichender Informationen, kommt dem Bedürfnis des Ich-Schwachen »nach Verleugnung, Verdrängung von Innerlichkeit« (S. 60) entgegen.

Tabuisierung des Todes

Der Verdrängung von Innerlichkeit kommt beim Corona-Komplex eine gar nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Mit Corona, mit der Drohung eines angeblich hypergefährlichen Virus’, drängte die eigene Vergänglichkeit mit Macht in die Psyche und zwang zur Auseinandersetzung mit der Möglichkeit, an dem Virus schwer zu erkranken und zu sterben. Hier war nun die größtmögliche Innerlichkeit berührt: das eigene Verhältnis zu Krankheit und Tod, damit die letzten Fragen der eigenen Existenz und ihre Einordnung ins »große Ganze«.

Der Monopolist versprach auf all diese Fragen eine eindeutige Antwort: das Virus ist supergefährlich, die Maßnahmen nutzen, ohne die Spritze wirst du sterben, aber keine Angst, sie ist harmlos; wenn du folgsam bist, wird alles gut – wenn da nur nicht diese Schwurbler wären!

Wenig erstaunlich ist, daß man sich von der Gefahr eines Impfschadens nicht irriteren ließ, die Unsicherheit wäre sofort wieder da gewesen; dann doch lieber dem Monopolisten glauben. Im Grunde stand die Frage im Raum, zu wie vielen Opfern man bereit war, welche Zumutungen und Einschränkungen man hinnehmen, und zwar auf Dauer (das »neue Normal«), ob man sich fremden Diktaten unterwerfen, der autoritären Kontrollgesellschaft Tür und Tor öffnen will. Selbstmord aus Angst vor dem Tod gewissermaßen. Nur um auch die kleinste Möglichkeit auszuschließen, an Corona zu sterben – oder ob nicht doch etwas Unsicherheit vorzuziehen sei. Menschen, denen vor solcher Innerlichkeit bange war, dürften sich vor dem Hintergrund einer massiven Angstpropaganda für die Seite des Monopolisten entschieden haben.

Gesellschaftliche Bedingungen und Ich-Schwäche

Ich-Schwäche entwickelt sich als Ergebnis von vielfältigen Sozialisationsprozessen in Familie, Kindertagesstätte, Schule, Freundeskreis – nicht zuletzt im Arbeitsleben. Nach außen hin ist unsere Gesellschaft weniger autoritär als in früheren Zeiten. Das ist meines Erachtens nur scheinbar so, die erzwungenen Anpassungsprozesse sind nur andere, überall muß man sich Autoritäten und der Gewalt der Verhältnisse unterwerfen, heute lediglich weniger direkten Befehlen folgen, sondern sich durch Selbststeuerung in eine funktionierende Maschine verwandeln.

Der Anpassungsdruck ist eher größer als früher. Das Diktum Herbert Marcuses von der »repressiven Toleranz« trifft heute weit mehr ins Schwarze als zur Zeit seiner Entstehung in den 60er-Jahren. Gleichzeitig gibt es mehr (ökonomische) Unsicherheit, soziale Milieus, die früher Unterstützung auch seelischer Art gaben, sind vielfach verschwunden, der Mensch ist tendenziell atomisiert und steht allein. Dem sind Linke wie Nicht-Linke ausgesetzt.

Es ist also anzunehmen, daß auch bei Linken, jüngeren Linken zumal, ein gehöriges Maß an Verunsicherung, Verdrängung innerer Nöte, Frustration und richtungslose Wut, Gefühlen der Sinnlosigkeit, Vereinzelung und dem Bedürfnis nach Einklang mit der sozialen Umgebung besteht. Zudem glauben als Folge der allgemeinen Klimahysterie viele, der Untergang der Welt stünde unmittelbar bevor. Bedingungen, die die Massenpsychologie eines Mattias Desmet als den Stoff identifiziert hat, aus dem Vermassungsprozesse entstehen.

Unter diesen Bedingungen ist es schwer, Ich-Stärke auszubilden. Ich-Stärke, die auch ein gelassenes Verhältnis zur potentiellen Bedrohung durch ein Virus beinhaltet und die dadurch erzeugte Verunsicherung aushält. Gerade Linke, denen so viel an ihrem abgeklärten Weltbild ohne Geist und Sinn liegt, hatten damit offenbar Schwierigkeiten.

Die meisten Menschen vertrauten ihrem gesunden Menschenverstand, ihrer inneren Stimme nicht mehr, entweder weil sie diese nicht hören konnten oder sie aus Angst vor Irritation nicht hören wollten. Nach meiner Einschätzung Linke noch erheblich weniger als die allgemeine Bevölkerung. Sie trauten sich nicht in ihr Inneres zu horchen, um dort nach dem rechten Umgang mit dem Corona-Komplex zu forschen, die angebotene Erzählung mit ihrem ganzen Wesen zu prüfen. Dort, und nur dort, hätten die Menschen, und nicht nur die ohne Expertenwissen, eine Antwort finden können. Bei den allermeisten Menschen, die widerständig geblieben waren und mit denen ich gesprochen habe, waren es nicht alternative Informationen, keine kritische Prüfung der Fakten, noch nicht einmal eine skeptische Grundhaltung, die dazu geführt hatte. Sie »wußten« einfach, daß an der Sache etwas nicht stimmen konnte und die mRNA-Spritze schlecht ist.

Autoritäre Charaktere

Ein wichtiger Grund für die Leichtigkeit der Konversation zum neuen Monopolisten ist darin begründet, daß es sich dabei um eine autoritäre Ordnung handelt. Dadurch macht sie Menschen, die sich nach Autorität sehnen, ein attraktives Angebot. Die Welt wird nicht nur angstmindernd eindeutig, sie bietet auch »eine Möglichkeit, an Herrschaft durch Unterwerfung teilzuhaben, sich selbst also unter Verabsolutierung der Delegation aufzuwerten« (S. 59). War der verunsicherte Mensch ein unbedeutendes Rädchen in der großen Gesellschaftsmaschine, wird er nun quasi Teil des Herrschaftsapparates, er hält ein Quäntchen Macht in seinen Händen. Oft nur symbolisch, häufig gibt es aber auch neue Rollen und Aufgaben zu erfüllen: als Schaffner, der im Feldwebelton die Corona-Ordnung durchsetzt, als Denunziant oder in vergleichbarer Blockwartfunktion. Jeder kleine prekäre Schreiberling mutiert gefühlt zum Mitglied der Chefredaktion, wenn er ins Corona-Horn trötet.

Vor Corona war die BRD formal demokratisch und liberal verfaßt. Dies war das Bild, das die Mehrheit der Bevölkerung vom Land hatte; und sich selbst betrachteten sie ebenso. Die Wirklichkeit sah zwar anders aus, denn die Ansichten der breiten Bevölkerung spielen in Politik und Wirtschaft keine Rolle. Dennoch traf diese Ansicht in vielen Bereichen, besonders denen der persönlichen Lebensführung, durchaus zu, die demokratischen und rechtsstaatlichen Institutionen funktionierten halbwegs.

Solange dies so war, konnte eine Ich-schwache, daher politisch indifferente Person, nicht einfach zum offenen Anhänger einer autoritären Kontrollgesellschaft mutieren. Denn damit hätte sie sich von der Mehrheitsmeinung entfernt. Jemand, dem der Gleichklang mit den »kollektiven Stimmungen des eigenen Milieus« (S. 59) ein dringendes Bedürfnis ist, kann sich von so einem allseits geteilten Ideal erst dann verabschieden, wenn die Stimmung in Richtung Autoritarismus gekippt ist – selbst dann nicht, wenn die Person bereits eine starke charakterliche Disposition und Sympathien in diese Richtung gehabt haben sollte.

Autoritärer Charakter und Sündenböcke

Durch die Etablierung der neuen Monopolmeinung wurde die Konversion nicht nur erleichtert, sie ist jetzt auch notwendig geworden. Die Notwendigkeit ergibt sich aus einem weiteren angstbesetzten Mechanismus, der für Peter Brückner auch dafür verantwortlich ist, daß so viele ursprüngliche Mitläufer schließlich Anhänger werden. Die neue monopolistische Herrschaft bietet den Unterdrückten stets jemanden an, an denen sie ihre aufgestauten Aggressionen abreagieren können: die Sündenböcke. Die Sündenböcke des Corona-Regimes, das sind die Zweifler und Ablehner, die vom Monopolisten zum Feind erklärt worden sind.

Der Indifferent-Passive steht immer in der Gefahr, wegen seines fehlenden Enthusiasmus für die Sache in das Feindeslager einsortiert zu werden. Aus dieser potentiell gefährlichen Position versucht er herauszukommen: »Er tendiert daher zu einer für andere bedrohlichen Maximierung seiner Überzeugungsstärke, er rettet sich in Aktivität« (S. 60). Das heißt: er macht aktiv mit, denunziert, geriert sich als Blockwart. Dennoch behält er, trotz aller Identifikation, häufig Schuldgefühle gegenüber dem Monopolisten, weil er nicht von Anfang an dabei gewesen ist, sondern zuvor der damaligen Mehrheitsmeinung angehangen hat. Also in das Hohelied der liberalen, demokratischen, die Autonomie der Person beteuernde Ordnung eingestimmt, der jetzigen Monopolmeinung also fern gestanden hatte (trotz eventuelle Sympathien zu ihr), eben weil (!) sie keine Mehrheitsmeinung war.

Nach Peter Brückner erleben deshalb die Mitläufer nach ihrer Konversation rückwirkend ihre damaligen »Konflikte als schuldhaft, sie haben nicht rasch genug erkannt, daß der Monopolist es so gut mit ihnen meinte, sie waren schlecht und bös, undankbar. Sie müssen es wieder gut machen« (S. 60). Ergebnis ist: »Die Verwandlung des Passiven und/oder Indifferenten in Mitläufer, schließlich in überzeugungsstarke Anhänger« (ebenda).

Überspitzt auf die politische Linke gemünzt: Wir haben nicht erkannt, welche guten Menschen Bill Gates, Anthony Fauci und Klaus Schwab sind, sondern sie immer für ausgemachte Erzschurken gehalten. Wir wollten nicht sehen, wie sehr sich Regierung und EU-Kommission um das Wohlergehen der Menschen sorgen, wie moralisch integer sich die Pharmaindustrie um die Entwicklung sicherer Impfstoffe bemüht. Und wir wollten nicht wahrhaben, daß unter den heutigen globalen Herausforderungen das Beharren auf Grundrechte und auf Autonomie über den eigenen Körper einfach nicht mehr zeitgemäß ist, sondern deren Beschränkung richtig, die Bindung von Freiheitsrechten an den Impfstatus, Impfpässe und Kontaktverfolgung notwendig ist; und dies muß natürlich auch für Beschäftigte und kleine Selbständige gelten. Wie konnten wir nur früher glauben, das sei ein unzulässiger Eingriff in die Rechte von Beschäftigten? Nein, Kolleg:*/_Innen, Kund:*/_Innen und Besucher:*/_Innen haben ein Recht darauf, daß die neue Ordnung durchgesetzt wird, das ist gelebte Solidarität, was wir früher unter Solidarität verstanden haben, war ein ausgemachter Quark. Aber unsere Verwirrung ist nun vorbei, wir haben die wahren Zusammenhänge erkannt. Das könnt Ihr uns wirklich glauben! Deshalb werden wir in Zukunft tatkräftig dabei helfen, die Feinde der Menschheit, allesamt Rechte und Nazis, dingfest zu machen, sie aus ihren Positionen zu entfernen und sie überall, wo sie auftauchen, an ihren Veranstaltungen und Manifestationen zu hindern.

Zugegeben, etwas krass formuliert. Aber in die Richtung muß es schon gegangen sein, wenn man sich die Aktionen der Antifa so anschaut, anders kann man sich das nicht erklären.

Kein Weg zurück mehr

Die Verwandlung in einen überzeugungsstarken Anhänger bleibt nicht ohne Folge: Der Verwandelte kann nicht so einfach zurück! Zunächst einmal verzichtet er »nun in seinen autonomen Funktionsresten auf jede Realitätsprüfung angebotener Informationen« (S. 60) Der Mitläufer glaubt alles, was der Monopolist sagt und nichts, was der Monopolmeinung widerspricht. Auch wenn sie vor seinen Augen geschieht, zum Beispiel, wenn ein bisher gesunder Mensch kurze Zeit nach der Genspritze aus heiterem Himmel tot umfällt. Würde er anders handeln, käme die angstbesetzte Mehrdeutigkeit zurück (wie oben gezeigt).

Zum anderen besteht nun, nach Durchsetzung der autoritären Monopolmeinung, die reale Gefahr, vom Monopolisten ins Feindeslager einsortiert zu werden, sollte er wieder zum Zweifler oder gar Ablehner werden. Es drohen in jedem Fall Prestige- und Statusverlust: die gerade glücklich ergatterte neue Position wäre wieder weg, die schöne Drittmittelfinanzierung könnte man knicken. Je nach Grad des Autoritarismus der neuen Ordnung drohen aber noch härtere Konsequenzen, denn Abtrünnige werden in der Regel besonders unnachgiebig verfolgt; ein Karriereende wäre unter Umständen noch die harmloseste Folge.

Gefahren entstehen aber auch aus dem eigenen unmittelbaren sozialen Umfeld heraus. Unterstützung und Ablehnung der Corona-Erzählung hat in den vergangenen Jahren zu tiefen Zerwürfnissen in Familien, Freundschaften und Kollegenkreisen geführt. Solche Zerwürfnisse zu vermeiden, scheinen Linke in besonderem Maße bestrebt gewesen zu sein.

Denn viele linke Milieus sind sehr eng, ihre Mitglieder verbleiben häufig lange in ihnen, es bestehen teils langjährige Arbeitszusammenhänge, jeder kennt jeden. Der Gruppenzusammenhang ist stark, die ideologischen Glaubensinhalte werden teils intensiv gelebt, die stark aktivistischen Teile leben auch manchmal zusammen. Abweichung führt schnell zur Exkommunikation, zur Einordnung in das Feindeslager. Vollkommen unbeachtet blieb bei der mitlaufenden Linken, daß dieser »Feind« haargenau demjenigen entsprach, der vom Monopolisten als Feind, als Sündenbock angeboten wurde. So konnte es geschehen, daß Menschen, mit denen man noch wenige Wochen zuvor (beispielsweise) gegen neue Polizeigesetze demonstriert hatte, nun als Rechte denunziert, aus der Gruppe ausgeschlossen und fortan bekämpft wurden. Eine bessere Lektion darüber, wie Progrome entstehen, kann man kaum finden. Jeder, der so etwas erlebt hat, braucht keine Geschichtslektionen mehr zu 1933 fortfolgende.

Kurz: Nicht wenige linke Milieus haben eine Tendenz zum Sektenhaften, zu Rigorosität und Gruppenzwang. Besonders ausgeprägt ist dies bei Vertretern von Ideologien, die selbst einen Monopolanspruch auf Welterklärung erheben.

Es bedarf somit einer ausgeprägten Ich-Stärke in einer solchen Situation standhaft zu bleiben oder gar den Rückzug anzutreten. Denn: Hat sich der verunsicherte (linke) Mensch erst einmal aufgegeben, sich der Corona-Erzählung ergeben, fühlt er sich besser. Er ist zum Mitläufer geworden und handelt entsprechend. In Peter Brückners Worten:

Die vom Monopolisten offerierten Stereotype, Normen und so weiter. gehen als Sollwerte in die Verhaltenssteuerung des früher einmal Passiven, Indifferenten ein – Sollwerte, die sich verfestigen, weil nach ihrer Übernahme Angst und Unsicherheit geringer werden, das Selbstwertgefühl zunimmt. (S. 61)

Wie oben bereits angedeutet, verbleiben aber Schuldgefühle: Die qualitativ oft noch spürbare, obwohl tief verschleierte Gebrochenheit vom Mitläufer zum Monopolisten läßt ihn kompensatorisch eher besonders dogmatisch, unbeweglich und starr sein – der Anhänger der ersten Stunde behält eher Reste von Souverä