Zum hundertsten Jahrestag des Sturms auf die Bastille, der als das Symbol für die französische Revolution gilt, trafen sich am 14. Juli 1889 rund 400 Delegierte sozialistischer Parteien und Gewerkschaften aus zahlreichen Ländern zu einem internationalen Kongress in Paris. Die Versammelten verabschiedeten eine Resolution des Franzosen Raymond Felix Lavigne, in der es hieß:
“Es ist für einen bestimmten Zeitpunkt eine große internationale Manifestation zu organisieren, und zwar dergestalt, dass gleichzeitig in allen Städten an einem bestimmten Tage die Arbeiter an die öffentlichen Gewalten die Forderung richten, den Arbeitstag auf acht Stunden festzusetzen (…). In Anbetracht der Tatsache, dass eine solche Kundgebung bereits von dem amerikanischen Arbeiterbund für den 1. Mai 1890 beschlossen worden ist, wird dieser Zeitpunkt als Tag der internationalen Kundgebung angenommen.“
So wurde die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung zum Ausgangspunkt für den Feiertrag 1. Mai in Europa. Im Jahr 1889 war noch keine Rede von einer Wiederholung oder gar einer Institutionalisierung dieses Feiertags.
In den USA war dies aber schon der Fall. Der US-amerikanische Arbeiterbund hatte schon im Jahr 1890 den 1. Mai als Feiertag ausgewählt. Der Hintergrund dafür war, dass die US-amerikanischen Gewerkschaften zum Ende des Bürgerkriegs 1865 erstmals die Forderung nach der Einführung des Achtstundentags erhoben. Bis in die 1860er Jahre waren in den meisten US-Betrieben Arbeitszeiten von 11 bis 13 Stunden Normalität, erst dann konnten sie den Zehnstundentag als Regelarbeitszeit durchsetzen. Es vergingen aber noch fast 20 Jahre, bis die Gewerkschaften in den USA 1884 die allgemeine und verbindliche Durchsetzung einer täglich achtstündigen Arbeitszeit in Angriff nahmen und um ihre Forderung auch kämpfen wollten. Sie beschlossen, ab dem 1. Mai 1886 dafür einen mehrtägigen Generalstreik auszurufen.
Und warum gerade der 1. Mai? Weil dieser Tag in den USA traditionell als “Moving day”, als Stichtag für den Abschluss oder die Beendigung von Verträgen gilt und an dem man auch oft den Arbeitsplatz und die Wohnungen wechselte.
Der Achtstundentag sollte in die neuen Verträge aufgenommen werden. Dafür traten am 1. Mai 1886 rund 400.000 Beschäftigte aus 11.000 Betrieben der USA in den Streik. Aber mit nur mäßigem Erfolg: nur für 20.000 Arbeiter konnte der Achtstundentag wirklich durchgesetzt werden. Im Dezember 1888 erklärten in St. Louis die versammelten Gewerkschaftsdelegierten, dass am 1. Mai 1890 erneut Streiks und Kundgebungen zur Arbeitszeitverkürzung durchgeführt werden sollten.
Der Kampf um die Arbeitszeitverkürzung war nun nicht mehr auf die USA begrenzt. Auch die französischen Gewerkschaften forderten wie o.g. jetzt auch die Einführung des Achtstundentags.
Der Beschluss des Pariser Kongresses, den Kampf um den Achtstundentag als internationale Aktion zu führen, fiel in Deutschland zeitlich in eine große Streikwelle hinein. Bis Dezember 1889 hatten 18 Gewerkschaften ihre Absicht erklärt, am kommenden 1. Mai zu streiken und das in einem Klima und zu einem Zeitpunkt, in dem noch das Sozialistengesetz galt. Trotz der drohenden Sanktionen beteiligten sich am 1. Mai 1890 in Deutschland etwa 100.000 Arbeiterinnen und Arbeiter an den Streiks, Demonstrationen, Kundgebungen und sogenannten Maispaziergängen.
Erst nach Kriegsende, mit der Revolution von 1918, wurde in Deutschland die alte Forderung der Arbeiterbewegung nach einem Normalarbeitstag von 8 Stunden erfüllt. Die Wochenarbeitszeit betrug nun 48 Stunden.
Die Arbeitszeitverkürzung hatte aber nicht lange Bestand. Die wirtschaftlichen Krisen führten mit dazu, dass ab 1923 die Arbeitszeitordnungen so viele Ausnahmen zuließen, dass man von einem Achtstundentag in Deutschland nicht mehr sprechen konnte.
Der 1.Mai wurde ab 1933 schließlich zum „Tag der nationalen Arbeit“ umfunktioniert und offiziell zum Feiertag erklärt. Schon einen Tag später, am 2.Mai 1933 besetzte die SA überall in Deutschland die Gewerkschaftshäuser. Die Gewerkschaften wurden verboten und viele Aktivisten verfolgt und ermordet.
Die Durchsetzung des Achtstundentags und eine Maifeier, die auch ihren Namen verdient, konnten erst nach der NAZI-Diktatur wieder angegangen werden. Der 1. Mai 1948 wurde zum ersten Mal nach dem Kriegsende in Westdeutschland wieder festlich begangen.
Mit der Forderung „40 Stunden sind genug“ gingen die Gewerkschaften 1955 auf die Straße.
Doch erst in den 1960er Jahren gelang es, schrittweise den Achtstundentag und die 5-Tage-Woche zu verwirklichen.
Am 1. Mai 2020 sollten wir uns an den internationalen Kongress in Paris vor 130 Jahren erinnern, bei dem sich rund 400 Delegierte sozialistischer Parteien und Gewerkschaften am 14. Juli 1889 aus zahlreichen Ländern trafen, um die Arbeitszeitverkürzung zu fordern und bereit waren, dafür zu kämpfen.
Unsere Forderung lautet heute: Eine 30-Stundenwoche bei vollem Personal- und Lohnausgleich!
Quellen: DGB, IG Metall Bild: emg-online.com