Im Jahresdurchschnitt 2020 waren von den bei der Bundesagentur (BA) gemeldeten offenen Stellen über 28 Prozent ein Leiharbeitsverhältnis, damit war fast jeder dritte über die BA zu besetzende Arbeitsplatz ein Leiharbeitsplatz. Bei den Vollzeitstellen werden sogar Werte von mehr als 40 Prozent erreicht. Die Beschäftigten in der Leiharbeit sind überdurchschnittlich häufig auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen. Während von allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 1,6 Prozent ihren Lohn mit Arbeitslosengeld II aufstocken, liegt die Quote bei den Leiharbeitskräften bei 5,9 Prozent. Der Leiharbeitsmarkt umfasst offiziell knapp 950.000 Beschäftigte, ihr Entlassungsrisiko ist fast sechsmal so hoch wie im Durchschnitt alle Branchen.
Was diese Arbeitsverhältnisse mit Menschen machen können, sei hier an einem Beispiel aufgezeigt.
Arbeitsüberlassungsbranche überfrachtet die Vermittlungsagenturen mit Angeboten an Arbeitsstellen
Vor 8 Jahren wurde wieder einmal an der Vermittlungspraxis der BA Kritik laut. Ihr wurde der Vorwurf gemacht, dass sie den erwerbslosen Menschen viel zu häufig nur Jobs in der Leiharbeit anbiete und sich entsprechend ihre Vermittlungserfolge überdurchschnittlich stark auf die Vermittlung in die Leiharbeit begründeten. Statt auf die Qualität der neuen Jobs zu achten, wäre die BA in erster Linie an hohen Vermittlungsquoten interessiert.
Da die Kritik aus den eigenen Reihen der BA kam, hatte sie entsprechendes Gewicht. Es wurde eingeräumt, dass es bei der Zusammenarbeit mit der Leiharbeitsbranche „Fehlentwicklungen“ gebe und schnelle Besserung versprochen.
Doch getan hat sich bis heute wenig. Im Gegenteil, es zeigt sich, dass die Jobangebote aus der Verleihbranche für die Arbeitsvermittlung in den Agenturen und Jobcentern nicht an Attraktivität verloren haben. Alle aktuellen Anfragen, seien es parlamentarische oder die von Initiativen, wurden so beantwortet, dass die BA immer noch fast ein Drittel der von ihr betreuten erwerbslosen Menschen auf Stellen in der Leiharbeitsbranche vermittelt.
Die boomende Leiharbeitsbranche weiß die verlässliche Zulieferrolle der Jobcenter und Arbeitsagenturen zu schätzen. Falls die erwerbslosen Menschen das Spiel verderben, erhalten sie empfindliche Sanktionen, wenn sie ein Arbeitsangebot der Arbeitsvermittlung ohne rechtlich akzeptierten Grund ablehnen. So ist die Arbeitsüberlassungsbranche nicht nur dankbare Abnehmerin, sondern füttert die Vermittlungsagenturen geradezu mit Angeboten an Arbeitsstellen.
Leistungsangebot der Leiharbeitsfirmen an die Unternehmen
Die Leiharbeitsfirmen haben in den vergangenen Jahren die Wandlung von der kleinen Klitsche zum „all-inclusiv-Betrieb“ vollzogen, der eine eigene Unterfirma in einem Unternehmen bildet und mittlerweile den Gesamtbetrieb berät und damit lenkt.
Das wird auch durch die Angebotspalette der Leiharbeitsfirmen deutlich, aus der im Folgenden zitiert wird:
„Wir sorgen für Ihre Flexibilität!
Zeitarbeit als flexible Form der Beschäftigung hat sich zu einem unverzichtbaren Bestandteil des Wirtschaftsprozesses entwickelt. Kurzfristige Personalengpässe, betriebliche Veränderungen, ein großes Auftragsvolumen oder Produktionsspitzen, wir können kurzfristig die Personalstärke Ihrer Auftragslage anpassen und Ihnen die optimale Personallösung bieten.
Legen Sie die Besetzung Ihrer offenen Stellen in unsere Hände. Unsere Mitarbeiter werden sorgfältig ausgewählt und auf die speziellen Bedürfnisse unserer Kunden vorbereitet.
Mit Kompetenz und sozialer Verantwortung können wir Ihnen unsere motivierten Mitarbeiter zeitnah zur Verfügung stellen, so dass Sie sich auf Ihr Kerngeschäft konzentrieren können.
Möchten Sie mehr über Arbeitnehmerüberlassung wissen, freut sich unser Team über Ihre Kontaktaufnahme!
Inhouse Services
unterstützt Unternehmen mit großem Bedarf an flexiblem Personal. Damit werden nicht nur kurzfristige Engpässe optimal abgedeckt, denn wir koordinieren auch das komplette Personalmanagement. Vom Rekrutieren geeigneter Mitarbeiter bis zur Personaleinsatzplanung.
Unsere Leistungen
- Prozessaufnahme in Ihrem Unternehmen
- Umsetzung der Personalprozesse: Rekrutierung, Auswahl, Einweisung, Betreuung, Beurteilung der Mitarbeiter vor Ort
- Personalplanung und Poolmanagement
- Prozesscontrolling und Zeiterfassung
- Optimierungsmaßnahmen z. B. Verringerung der Krankenquote, Verbesserung der Produktivität
- Koordination von Mitarbeitern weiterer Personaldienstleister (Masterfunktion)
On-Site-Management
ist ein spezieller Service den wir zur Verfügung stellen, wenn dauerhaft ein größeres Volumen an Mitarbeitern benötigt wird. Wir stellen Ihnen einen Personalmanager zur Seite, der für Sie die Personalbeschaffung und die Personalführung übernimmt. Dieser Personalmanager betreut Sie ganz persönlich vor Ort und wird mit Ihnen die gewünschten Lösungen flexibel umsetzen.
Try & hire
kombiniert die Arbeitnehmerüberlassung und die Personalvermittlung. Wir stellen Ihnen im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung einen Mitarbeiter für eine vereinbarte Dauer zur Verfügung und erst danach entscheiden Sie, ob der Kandidat zu Ihrem Unternehmen passt und es zu einer Festanstellung kommt. So sinkt das Risiko einer personellen Fehlentscheidung, so dass sowohl Kunde aber auch der Bewerber von diesem Instrument besonders profitieren.
Outsourcing
bietet Ihnen alle Vorteile der klassischen Auslagerung, ohne dass Sie Ihr “Know-how“ verlieren. Alle Leistungen werden vor Ort erbracht, sämtliche Prozesse können so jederzeit wieder in Ihr Unternehmen integriert werden.
Als strategischer Partner übernehmen wir Outsourcing im Rahmen von Dienst- oder Werkverträgen sowohl unbefristete Aufgaben als auch zeitlich befristete Aktionsprojekte bei Kunden aus Handel, Logistik und Produktion.
Unsere Leistungen
- Kompetente Beratung durch Ihren persönlichen Ansprechpartner und die Outsourcing-Spezialisten
- Prozessanalyse und Schnittstellendefinition
- Erstellung eines individuellen Umsetzungskonzeptes
- Partnerschaftliche Festlegung von Leistungs- und Vertragsinhalten
- Auswahl und Einarbeitung der Mitarbeiter
- Durchgängige Mitarbeiterbetreuung
- Permanentes Prozess- und Leistungscontrolling
- Regelmäßige Qualitätsüberprüfung“
In der engen Zusammenarbeit mit der Arbeitsverwaltung und den Auftragsunternehmen sind die Leiharbeitsfirmen allmächtig geworden und für die meisten Beschäftigten dort die einzige Möglichkeit, durch diese Arbeit den Lebensunterhalt, wenn auch oft unter dem Existenzminimum, zu bestreiten.
Konkrete Arbeits- und Lebenssituation einer Leiharbeiterin
Eine 24-jährige Frau, gelernte Pflegeassistentin, hat in den vergangenen 3 Jahren immer wieder zwischen Leiharbeit und Erwerbslosigkeit gewechselt. Sie lebt alleine und hat keine familiären Kontakte oder einen Freundeskreis. Aktuell ist sie bei einer Leiharbeitsfirma beschäftigt, die neben der Beschäftigung im Gesundheitsbereich auch Servicepersonal für Catering, Restaurants oder private Feiern, inkl. Notfalldienst anbietet.
Seit Jahren hat sie wechselndes Einkommen, immer unter dem Existenzminimum bzw. der Pfändungsfreigrenze. Derzeit liegt diese Grenze bei 1259,99 Euro netto.
Das Besondere an ihrer Arbeit ist, dass sie im gesamten Ruhrgebiet eingesetzt wird und entsprechend höhere Fahrtkosten, monatlich über 120 Euro, aufbringen muss. In ihrem Arbeitsvertrag steht, dass die Wegezeit nur dann zu vergüten ist, wenn sie die Dauer von 1,5 Stunden für die einfache Fahrt tatsächlich überschreitet.
Es ist üblich, dass sie in der Woche an 5 Tagen an verschiedenen Orten (heute hier…) und an 5 verschiedenen Arbeitsstellen (morgen dort…) arbeitet. Es kommt vor, dass sie einspringt, wenn abends noch zusätzlich wegen einer Erkrankung ein Büffet aufgebaut werden muss. Dort bedient sie das Buffet und nachts muss noch abgebaut werden.
Der „Notfalldienst“ kann konkret so aussehen, dass auch mal ein größerer Umzug von ihr tatkräftig ausgeführt wird. Auch das gibt der Arbeitsvertrag her, dort steht, dass „der Mitarbeiter an verschiedenen Einsatzorten im Ruhrgebiet bei Kundenbetrieben beschäftigt wird“. Und zu den Tätigkeiten steht dort. „Aus der Einsatzanweisung vor Beginn des Einsatzes in einem Kundenbetrieb können sich abweichende oder ergänzende Tätigkeiten ergeben.“
Weil ihr Einkommen zu gering ist, musste sie immer wieder kleine Kredite aufnehmen, auf Pump Waren aus dem Versandhandel beziehen und die laufenden Zahlungen für Radio- und Fernsehgebühr einstellen. Mit der Zeit ist ihr Schuldenberg auf 12.000 Euro angewachsen. Von dem derzeit 1.045 Euro Entgelt müssen neben den Wohnkosten auch noch 388 Euro Raten gezahlt werden.
Ein paar Mal hatte sie ungeschickt Einkäufe in der Fußgängerzone getätigt, ohne zu zahlen und wurde erwischt. Als „Wiederholungstäterin“ erhielt sie vom Staatsanwalt eine saftige Geldstrafe in Höhe von 360 Euro. Hier sprang die Leiharbeitsfirma ein und gab ihr das Geld als Vorschuss, das dann am Monatsende wieder fehlte, aber für die Firma war es so besser, als dass die Frau die Ersatzfreiheitsstrafe absitzen musste und nicht einsetzbar war.
Mittlerweile hatte sie eine Abhängigkeit von den leistungssteigernden „mothers little helpers“ entwickelt, ohne die gar nichts mehr geht.
Kurz vor dem völligen psychischen und physischen Ende machte ihr Körper nicht mehr mit und sie klappte auf dem Weg zur Arbeit zusammen.
Die Zeit im Krankenhaus nutzte sie, um sich „neu zu orientieren“. Die Neuorientierung sieht so aus, dass sie eine Leiharbeitsfirma sucht, die sie als Pflegeassistentin arbeiten lässt. Toll wäre es, wenn sie über einen längeren Zeitraum am gleichen Ort an ein Pflegeheim ausgeliehen würde und nicht mehr „heute hier, morgen dort…“ unterwegs sein müsste.
Wieso wieder Leiharbeit? Die Frau hat keine anderen Arbeitsverhältnisse kennengelernt und weiß nichts von GUTER ARBEIT.
Die menschenverachtende Leiharbeit ist zu einem eigenständigen System des Arbeitsmarktes geworden. Sie befeuert die atypische Beschäftigung und den gesamten Niedriglohnsektor. Dabei ist sie eingebettet in die Arbeitsvermittlung der BA und abgesichert und legitimiert durch das Sanktionsregime der Jobcenter.
Quellen: miese jobs, destatis, www.handelsblatt, Leiharbeitsfirmen, Berichte von Betroffenen Bild: pixabay - coo