Barbara Emme wurde unter dem Namen Emmely weltbekannt. Ihr Name ist vielen Gewerkschaftern mit dem Erfolg ihrer Klage gegen eine sogenannte Verdachtskündigung der Firma Kaiser´s bekannt geworden. Sie sollte entlassen werden, da sie ihr nicht gehörendes Pfand Bons im Wert von insgesamt 1,30 Euro zum eigenen Vorteil eingelöst hatte. Aber dieser erstrittene Erfolg war es nicht, der diese Person ausmachte, sondern dass sie gradlinig und allen Ratschlägen und Warnungen zum Trotz, unbeirrt sich für ihre Rechte einsetzte.
Barbara Emme arbeitete seit 1977 im Einzelhandel. Angefangen hatte bei der DDR Handelskette Handelsorganisation (HO) und arbeitete nach der Wende bis zum Zeitpunkt der Kündigung 15 Jahre lang in der Kaiser’s-Filiale in Berlin.
Die Verdachtskündigung wurde im Februar 2008 fristlos ausgesprochen, weil sie zwei verlorene Leergut Bons im Gesamtwert von 1,30 Euro eigenmächtig eingelöst haben sollte. In Wirklichkeit ging es aber eher darum, dass Barbara Emme sich an den Streiks im Einzelhandel Ende des Jahres 2007 beteiligt hatte. Sie wurde danach nur noch zur Spätschicht eingeteilt und im Januar 2008 von einer Feier der Beschäftigten ausgeschlossen.
Kaiser´s entlässt Barbara Emme mit der Begründung, dass er ihr nicht mehr als Kassiererin vertrauen könne und weist auf den großen Schaden hin, der durch Diebstahl und Unterschlagung seitens der eigenen Mitarbeiter dem Unternehmen jährlich entstehen würde.
Da sie langjähriges ver.di-Mitglied war, wandte sie sich an ihre Gewerkschaft und bat um Unterstützung. Doch die sie betreuenden Gewerkschaftssekretärin sah in einer Klage gegen eine Verdachtskündigung dieser Art wenig Aussicht auf Erfolg, da es eine gefestigte Rechtsprechung geben würde, woran kaum zu rütteln sei.
Immer wieder verwies man sie auf den sogenannten Bienenstichfall aus dem Jahr 1984. Einer Angestellten wurde damals fristlos gekündigt, weil sie ein Stück Bienenstich ohne Erlaubnis des Arbeitgebers verzehrt hatte. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied, die Kündigung erfolgte zu Recht.
Kaum ein Jurist hielt es für möglich, erfolgreich gegen eine jahrzehntelange Rechtsprechung erfolgreich an zu gehen.
Aber Barbara Emme ließ sich nicht Bange machen, ihr ging es nicht ums Geld, sondern ums Prinzip und sie glaubte an ihr Recht. Sie wollte auch keinen Vergleich, sie wollte ihren Arbeitsplatz zurück und sie wollte an die Öffentlichkeit gehen.
Doch ohne ver.di. Weil der ver.di-Rechtsschutz sich gegen eine Öffentlichkeitsarbeit zum Fall ausgesprochen hatte und die Leiterin des Fachbereichs Handel von ver.di Berlin-Brandenburg meinte Barbara Emme werde „für politische Ziele benutzt“.
Also die typische Gewerkschaftsfunktionärsnummer, wenn es an der Basis rumort und Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb „aus dem Ruder“ laufen.
Barbara Emme besann sich auf ihre Rechtschutzversicherung und heuerte einen guten Anwalt an. „Fast 50 Jahre lang hatte kaum jemand an dieser Rechtsprechung gerüttelt. Doch gab es schon immer gewichtige Argumente gegen diese Rechtsprechung, die im Grunde nur mit der von den Nazis entwickelten Ideologie des ´personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses` begründet werden konnte. Rechtsstaatlichen Mindeststandards entsprach sie nie,“ so der Anwalt Rolf Geffken.
Das Vorgehen von Barbara Emme passte vielen nicht. Ihr wurde nun vorgeworfen, sie habe im Laufe des Verfahrens ihre Darstellung des Sachverhaltes geändert und Kolleginnen belastet. Hierzu ermittelte die Staatsanwaltschaft Berlin wegen Vortäuschens einer Straftat, sie musste die Ermittlungen aber ohne Anhaltspunkte für eine Straftat abschließen.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zeigte ebenfalls Härte, es ließ noch nicht einmal die Revision gegen sein eigenes Urteil zu. Erst durch intensive Öffentlichkeitsarbeit und Skandalisierung durch die vielen Unterstützer konnte beim Bundesarbeitsgericht die Zulassung der Revision erreicht werden und das führte schließlich zu einer positiven Einzelfallentscheidung führte.
Den höchsten Richtern war vor Augen geführt worden, dass selbst die „gefestigtste“ Rechtsprechung keinen Bestand haben kann, wenn ihr jeglicher Konsens in der Gesellschaft fehlt.
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 10.Juni 2010 -2AZR 541/09-Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.Februar 2009 – 7Sa 2017/08) entschied, dass die Kündigung unwirksam ist.
Zwölf Tage nach dem Urteil arbeitete sie in einer neuen Filiale, wie gewünscht in Wohnortnähe. 2014 wurde Barbara Emme in den Betriebsrat gewählt. Sie saß auch bis zuletzt an der Kasse des Supermarkts und zog die Waren des täglichen Bedarfs über den Scanner.
In den letzten fünf Jahren baute sie ein großes Netzwerk auf. Als Koautorin schrieb sie zwei Bücher, wurde zu Podiumsdiskussionen eingeladen. Sie flog zur Weltfrauenkonferenz nach Venezuela und reiste nach Paris, um sich dort mit Gewerkschaftern zu treffen. Bei der Stiftung „Menschenwürde und Arbeitswelt” arbeitete sie im Vorstand und begleitete Menschen bei ihren Arbeitsprozessen vor Gericht.
Noch Anfang März 2015 lud sie mit anderen zu einer Veranstaltung der Dienstleistungs-gewerkschaft ver.di ein, um die aktuelle Situation im Einzelhandel zu diskutieren.
Barbara Emme ist am 16. März 2015 gestorben.
„Wer aufgehört hat zu kämpfen, hat schon verloren!” Das war ihr Leitsatz.
Quellen: BAG, Rolf Geffken
Bild: scharf links.de