Sechs Monate nach Inkrafttreten des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro lockert Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) die Dokumentationspflichten. Sie macht damit einen Kotau vor der organisierten Unternehmerschaft und deren politischen Arm im Parlament und gibt dem Quengeln der Arbeitgeber über zu viel Bürokratie nach.
Die Arbeitszeit muss nicht mehr aufgezeichnet werden, wenn das monatliche Arbeitsentgelt mindestens 2000 Euro brutto beträgt und in den vergangenen zwölf Monaten regelmäßig gezahlt wurde. Es ist davon auszugehen, dass der Anteil der dokumentationspflichtigen Arbeitsverhältnisse durch die Absenkung der Bruttogrenze massiv sinken wird. Kontrollieren wird die Einhaltung der Lohnuntergrenze auch nicht der Zoll, wie ursprünglich vorgesehen, sondern sollen dies nun die für die Arbeitszeit zuständigen Landesbehörden machen, die aber nur auf eine Anzeige hin tätig werden dürfen. Konkret wird das heißen, dass gar nicht erst überprüft wird, ob der Mindestlohn eingehalten wird oder nicht.
Die Dokumentationspflicht über die Arbeitszeit stand von Anfang an bei den Arbeitgebern wegen des angeblich großen Aufwands in der Kritik, es war von einem „Bürokratie-Monster“ die Rede. In Wahrheit gab es die Dokumentationspflicht auch schon vor dem Mindestlohn und die Arbeitgeber wehren sich nur gegen diese nachvollziehbare Kontrolle der Arbeitszeiten, vor allem, die der geringfügig Beschäftigten. Auch weil die Dokumentationspflicht in allen Branchen gilt, in denen die Schwarzarbeit am häufigsten ist, etwa im Baugewerbe und in der Gastronomie, ist sie ihnen ein Dorn im Auge. Arbeitgeber und Wirtschaftsverbände forderten vehement, das Mindestlohngesetz zu überarbeiten und vor allem die Dokumentationspflicht zu lockern.
Im Folgenden wird die Pressemitteilung des Bundesarbeitsministeriums vom 30.06.2015 wiedergegeben:
„Änderungen bei der Aufzeichnungspflicht
Seit Einführung des Mindestlohngesetzes müssen Arbeitgeber die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigen bis zu einer Gehaltsgrenze von 2.958 € dokumentieren – jedenfalls in einigen Branchen. Hiermit soll verhindert werden, dass über zu lange Arbeitszeiten letztlich das Mindestlohngesetz umgangen wird. Künftig soll diese Grenze bei 2.000 Euro liegen, allerdings nur, wenn das Arbeitsverhältnis schon länger besteht und der Lohn in den vergangenen zwölf Monaten regelmäßig bezahlt wurde. Zudem entfallen die Aufzeichnungspflichten bei der Beschäftigung von Ehepartnern, Kindern und Eltern des Arbeitgebers. Die Änderung soll über den Verordnungsweg erfolgen, das Mindestlohngesetz bleibt unberührt. Die endgültige Entscheidung fällt nach der Sommerpause.
Klarstellung zur Auftraggeberhaftung
Gemeinsam mit dem BMF wird das BMAS gegenüber den Behörden der Zollverwaltung klarstellen, dass sowohl bei der zivilrechtlichen Haftungsfrage als auch bei der Anwendung der Bußgeldvorschriften ein „eingeschränkter“ Unternehmerbegriff zugrunde gelegt wird, wie ihn das BAGfür die zivilrechtliche Haftung im AEntG entwickelt hat. Danach übernimmt ein Unternehmen nur die Verantwortung für beauftragte Unternehmen, wenn eigene vertraglich übernommene Pflichten weitergegeben werden.
Keine Kontrolle der Aufzeichnungen durch den Zoll mehr
Die Aufzeichnung von Überstunden nach dem Arbeitszeitgesetzsoll nicht mehr durch den Zoll überprüft werden. Die nach dem Arbeitszeitgesetz bestehenden Verpflichtungen sollen zwar bestehen bleiben, aber – wie früher – ausschließlich durch die zuständigen Behörden kontrolliert werden.
Keine Aufzeichnungspflichten bei der Beschäftigung von Familienangehörigen
Das BMAS wird zudem bei der Beschäftigung von Ehegatten, eingetragenen Lebenspartnern, Kindern und Eltern des Arbeitgebers auf die Einhaltung der Aufzeichnungspflichten verzichten.
Abweichung von der Höchstarbeitszeit nach § 3 ArbZG
Im Zusammenhang mit der Arbeitszeitaufzeichnungspflicht wurde von einzelnen Branchen die tägliche Höchstarbeitszeit nach § 3 des ArbZG von zehn Stunden für zu kurz befunden. Dies betrifft vor allem das Schaustellergewerbe, das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie die Landwirtschaft. Das BMAS hat auf diese Kritik reagiert und Kontakt mit der Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) der Länder aufgenommen. Diese hat daraufhin folgenden Beschluss gefasst (insb. zu den §§ 14, 15 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG):
- Bei Anträgen der Schaustellerbranche und bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG können Arbeitszeiten bis max. zwölf Stunden positiv beschieden werden, da die Betriebe des Schaustellergewerbes insoweit als Saisonbetriebe angesehen werden können.
- Auch für Betriebe der Landwirtschaft und der Hotel- und Gaststättenbranche, soweit sie im Einzelfall als Saisonbetrieb eingeordnet werden können, kommen – vorbehaltlich tariflicher Regelungen – Ausnahmen nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG infrage. Ein Ausgleich auf eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden kann bei Saisonarbeitskräften auch durch den Nachweis von beschäftigungslosen Zeiten oder Zeiten mit geringerer Beschäftigung erfüllt werden.
Definition des Ehrenamtes
Das BMAS hat zudem eine gemeinsame Initiative mit dem BMJ angekündigt, die Definition des Ehrenamtes im BGB klarer zu fassen. Damit soll die im MiLoG vorgesehene Ausnahme für ehrenamtliche Arbeit künftig besser zu handhaben sein“.
Die Beschäftigten sind nun wieder gezwungen, selbst aktiv werden, wenn ihr Betrieb den Mindestlohn unterläuft. Auf Kontrollen werden sie sich nicht verlassen können. Deshalb ist die Mindestlohn Hotline des DGB unbedingt weiter zu führen.
Es muss Druck gemacht werden, dass die arbeitgeberfreundlichen Änderungen am Mindestlohn zurück genommen werden.
Der Mindestlohn muss endlich so, wie ursprünglich geplant, bundesweit und für alle ohne Ausnahme gelten und umgehend auf zehn Euro erhöht werden.
Der Mindestlohn kann nur dann durchgesetzt werden, wenn die „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ beim Zoll die Einhaltung überprüft und dass dafür notwendigen Personal eingestellt und vorgehalten wird.
Weitere Informationen: https://gewerkschaftsforum.de/die-mindestlohntrickser-die-kreativitaet-der-arbeitgeber-ist-beachtlich/
Quelle: BMAS
Bild:t rudy-talks.de