Die neue Wohnungsnot ist hausgemacht

WohnungsnotjpgDerzeit fehlen mindestens 4 Millionen Sozialwohnungen in Deutschland. Laut Mieterbund wird bis 2017 der Fehlbedarf um weitere 825.000 Sozialwohnungen steigen. Mittlerweile wohnen nur noch 9 Prozent der Mieter in Wohnungen von Genossenschaften oder von Stiftungen. Der Sozialwohnungsbau in den Ländern ist faktisch zum Erliegen gekommen und für Finanzinvestoren lohnt sich der Aufkauf ganzer Pakete von Mietwohnungsbeständen, begleitet von den großzügigen Gewinnversprechen der Hedgefonds.

Auch in Dortmund ist der Bedarf an bezahlbaren Wohnraum weiterhin gestiegen, bei ständig sinkender Anzahl von geförderten Wohnungen. So hat fast die Hälfte aller Dortmunder aufgrund ihres Einkommens einen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein, aber seit 2006 ist die Zahl der geförderten Wohnungen von knapp 38 000 auf 28 000 Ende 2014 gesunken. Die Prognose des Dortmunder Wohnungsamtes geht davon aus, dass es im Jahr 2021 nur noch rund 20 000 geförderte Wohnungen geben wird und der Bestand sich damit in 15 Jahren halbiert hat.

Als Folge der neoliberalen Politik der vergangen Jahre hat sich auch die Bundesregierung aus der Wohnungspolitik weitgehend zurückgezogen und sie den „freien Kräften“ des Marktes – hier des Wohnungsmarktes – überlassen. Große Teile des Wohnungsbestands der öffentlichen Hand sowie öffentlicher Unternehmen wurden privatisiert und von den neuen Eigentümern unter Finanzmarktaspekten optimiert. Das zu einer Zeit, in der es immer mehr Geringverdiener gibt, die wie auch die wachsende Zahl von Zuwanderern, auf preisgünstigen Wohnraum angewiesen sind.

Wie der Name schon sagt, ist der Wohnungsmarkt nicht nach sozialem Bedarf, sondern nach den Regeln der kapitalorientierten Marktwirtschaft ausgerichtet. Das hat zur Folge, dass der Markt die Preise von Grundstücken, die Miethöhe und die Preisentwicklung von Immobilien bestimmt.

Durch die Mietzahlung wird kein Anteil am Wohneigentum erworben sondern Miete ist eher der Gebrauch einer Wohnung für eine festgelegte Zeit. Sie ist so etwas Ähnliches wie eine Zinszahlung für das angelegte Kapital, das in der Immobilie steckt. Im Mietpreis sind enthalten, die

  • Zinsen für das investierte Baukapital
  • der Anteil der Kosten beteiligter Unternehmen, die den Bau hergerichtet haben
  • der Anteil für Verwaltungs- und Erhaltungsaufwendungen
  • der Anteil für Kosten der Modernisierung

und ein zusätzlicher Betrag für die Grundstücknutzung.

Besonders der letzte Kostenanteil wird immer wieder für die höheren Mieten des einen Objekten gegenüber einem anderen angeführt, nach dem Motto: „hohe Grundstückpreise verantworten hohe Mieten“. Stimmen tut es aber nicht, denn die Kosten für die Nutzung des Grundstücks und der Grundstückspreis werden hauptsächlich von der Lage des Grundstücks bestimmt.

Ein einfacher Vergleich von gleichartigen Wohnungen, aber in unterschiedlichen Lagen einer Region oder auch innerhalb der gleichen Stadt zeigt dies oder der Vergleich einer älteren Wohnung mit einer jüngeren Wohnung mit gleicher Ausstattung und Lage in einer Stadt. Obwohl hier der Grundstückspreis für die ältere Wohnung im Vergleich mit den heutigen Preisen um einiges niedriger war, sind doch die Mieten identisch.

So sind für die Mietkalkulation wohl mehr die Marktbewertung von Bedeutung und das Spiel von Angebot und Nachfrage. Wenn z.B. das Wohnumfeld aufgewertet wird, hat sich nichts am ursprünglichen Grundstückspreis geändert, wohl aber etwas am Preis für die Nutzung dieses Grundstücks. Ähnlich ist es, wenn durch starken Zuzug das Wohnungsangebot knapper wird und die Nachfrage steigt.

In den vergangenen Jahren wurde auch deutlich, dass die Wohnungsmarktwirtschaft eng mit der allgemeinen Finanzlage verwoben ist. Da die früheren Renditebereiche für Investoren nicht mehr viel einbringen, haben auch große und internationale Großinvestoren den Wohnungsmarkt aufgemischt, weil die Immobilienpreise in Deutschland als recht niedrig angesehen werden. Die hohen Renditen werden aber nicht nur durch die Mieteinnahmen und die fehlenden Investitionen in den Wohnungsbestand sondern durch die Weiterverkäufe der Gebäude und Grundstücke mit Aufschlag erzielt. So ein Investor kann sogar mit seiner Verfügungsgewalt über den Wohnungsbestand die wachsende Wirtschaftskraft einer ganzen Region über den Mietzins abschöpfen ohne selbst investieren zu müssen oder ein Risiko zu tragen. Er hat natürlich kein Interesse an einem „entspannten“ Wohnungsmarkt und einkommensschwachen Menschen sind für ihn als Mieter völlig uninteressant.

Die Entwicklung des Wohnungsmarktes in den letzten Jahren ist dadurch gekennzeichnet, dass

  • beim Wohnungsneubau ein Tiefpunkt erreicht ist und der Bestand an Sozialwohnung kontinuierlich um 100.000 Einheiten pro Jahr zurück geht
  • nach dem Boom des Wohnungsbaus zwischen 2005 und 2008 der Bund sich immer mehr aus der Verantwortung für den Bau von Wohnungen zurückgezogen und mit der Förderalismusreform 2006 sie auf die Bundesländer abgewälzt hat
  • die Bundesländer selbst ihre Kosten der Wohnungsraumförderung zwischen 2002 und 2010 von 2,5 Milliarden Euro auf 0,5 Milliarden Euro jährlich zurück gefahren haben
  • mehr und mehr die Mittel für den Wohnungsbau in die Förderung von Wohneigentum umgeschichtet werden, so dass mittlerweile die Förderung des Erwerbs von bestehenden Wohnungen die Förderung von neu gebauten Wohnungen übersteigt
  • ein Rückgang und ungenügender Ersatz der Sozialwohnungen 2002 von 2,5 Millionen auf 2010 auf 1,7 zu verzeichnen ist
  • bei Neuvermietungen die Miete zwischen 12 bis über 40 Prozent steigt
  • seit Mitte der 1990er Jahre die Bauleistung rückläufig ist, mit rund 215.000 Baufertigstellungen im Jahr 2013 wird nur noch die Hälfte der notwendigen Einheiten gebaut
  • die Förderung der Sozialwohnungen von 32.000 im Jahr 2010 auf 16.000 im Jahr 2012 verringert wurde, dabei müssen jährlich ca. 100.000 Mietsozialwohnungen fertiggestellt werden, um die Anzahl der Sozialwohnungen nicht weiter zu senken und besondere Bedarfe in benachteiligten Stadtteilen abzudecken
  • von den rund 41 Millionen Wohnungen bundesweit nur rund 12 Prozent (also etwa 5 Millionen Wohnungen) im Besitz von sozialwirtschaftlich ausgerichteten Trägern sind. Nur die Hälfte von ihnen (also 6 Prozent) sind in kommunaler Trägerschaft
  • die unteren 20 Prozent der Menschen, die ein Einkommen beziehen, mittlerweile über 40 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Miet- und Heizkosten verwenden müssen
  • neben der ungenügenden Einkommensentwicklung und den steigenden Mieten der enorme Anstieg der Energiekosten die Wohnungsnot verschärft. Zwischen den Jahren 2005 und 2014 erhöhten sich die Kosten für Haushaltsenergie um 49 Prozent. Mittlerweile leben 2,9 Millionen Menschen in Haushalten, die zeitweise Energierückstände hatten und 1,6 Millionen, die bei der Mietzahlung ins Stocken geraten sind. Diese Menschen sind permanent von der Wohnungslosigkeit bedroht
  • seit dem Jahr 2005 auch große, internationale Großinvestoren den Wohnungsmarkt in Deutschland für sich entdeckt haben und sich nicht mit den Mieteinnahmen begnügen sondern sehr daran interessiert sind, Gebäude und Grundstücke weiterzuverkaufen, um die Renditeversprechen erfüllen zu können. Allein der Großinvestor Deutsche Annington hat in Deutschland derzeit rund 350 000 Wohnungen in seinem Besitz.

Um ein Ansteigen der Wohnungsnot vor allem in den Ballungsräumen zu verhindern, müssten als erste Maßnahme jährlich 100.000 Sozialwohnungen gebaut werden.

Die Wohngelderhöhung, die aber erst im Jahr 2016 kommen wird, verschafft dem einzelnen Mieter vielleicht etwas Luft, aber Wohnraum schafft sie nicht.

Auch wenn im gleichen Jahr die Mietpreisbremse eingeführt wird, darf zwar die Miete nur für angespannte Wohnungsmärkte höchsten 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, das gilt aber nicht für Erstvermietungen im Neubau und nicht für Anschlussvermietungen nach einer Modernisierung. Auch sie wird keinen neuen Wohnraum schaffen.

Wichtig ist, dass der mit der Einführung des Wohngelds 1965 geschaffene Wechsel von der Objekt- zur Subjektförderung rückgängig gemacht wird und Objekte – der Bau von Sozialwohnungen – gefördert werden.

Ebenso muss der kommunale und gemeinnützige Wohnungsbau im Vordergrund stehen.

Vor allen Dingen muss der Bund sich wieder mehr einbringen, für den notwendigen Bau von Wohnungen sorgen und für die Wohnungspolitik Verantwortung zeigen.

 

Quelle: Memorandum 2015, WAZ

Bild: stadtmission-nuernberg.de