Die Wortschöpfung Industrie 4.0 soll die vierte industrielle Revolution nach Mechanisierung, Massenfertigung und Computerisierung der Produktion zum Ausdruck bringen.
Bei der vierten industriellen Revolution geht es darum, dass die individuellen Konsumenten und ihre Wünsche, die Produkte, die Produktionsanlagen und die übrigen Unternehmensfunktionen alle über das Internet verbunden werden.
Durch automatische Verarbeitung von Unmengen digitaler Daten sollen Einkauf, Produktion, Transport und Vertrieb gesteuert werden. Je höher der Grad der Automatisierung und Digitalisierung aller Prozesse, desto besser funktioniert das. Der Mensch mit seiner geringen Datenverarbeitungskapazität und Datengeschwindigkeit ist bisher noch für viele Tätigkeiten unentbehrlich. Die Bemühungen gehen derzeit aber dahin, immer mehr von diesen Tätigkeiten computergesteuerten Maschinen und Fahrzeugen zu überantworten.
Aber bei den Crowdworkingfirmen ist das nicht der Fall, die werden immer dann aktiv, wenn bei anderen Unternehmen große Mengen an Daten, Inhalten, Texten oder Adressen bearbeitet werden müssen, dies nicht automatisiert erfolgen kann und dafür menschliche Arbeit und vor allem menschliche Intelligenz notwendig ist.
Für die Arbeit, die komplett übers Netz abgewickelt wird, hat sich der Begriff Crowdworking etabliert.
Der Erfinder von Crowdworking ist der Internet-Händler Amazon. Bereits im Jahr 2005 stellte Amazon die erste Crowdworking-Website in das Netz. Bei der Amazon Mechanical Turk Webseite können Firmen und auch Einzelpersonen Beschäftigungsangebote einstellen, die dann von den registrierten Nutzern, der Crowd, abgearbeitet werden. Diese Seite wird mittlerweile weltweit von Unternehmen und Arbeitssuchenden genutzt, über 500 000 Menschen aus fast 200 Nationen sind dort angemeldet. Die Plattformen haben die alleinige Macht über das Regelwerk und die Strukturen des Marktes, den sie selbst geschaffen haben. Immer wieder nutzen die Konzerne diese einseitige Macht aus, auf Kosten der Anbieter.
Wer als Crowdworker arbeitet, muss vor allem eines können, er muss sehr schnell arbeiten, denn hier handelt es sich um Akkordarbeit. Egal was man macht, gezahlt wird nur für erledigte Arbeiten. Crowdworkingfirmen werden immer dann aktiv, wenn bei anderen Unternehmen große Mengen an Daten, Inhalten, Texten oder Adressen bearbeitet werden müssen und dies nicht automatisiert erfolgen kann. Sie übernehmen dies für die anderen Unternehmen mit ihrem großen Netzwerk mit Leuten, die von zu Hause aus über der Online-Plattform arbeiten.
Die Beschäftigten sind nicht mehr fest angestellt sondern werden vielmehr nach Stunden, Projekten und Ergebnissen bezahlt. Die Grenzen zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen verschwimmen. Die wirtschaftlichen Risiken für den Arbeitnehmer sind erheblich, die Gefahren der Prekarisierung liegen auf der Hand. Diese Leute erhalten z.B. für eine recherchierte Adresse 5 Cent, für einen kleinen Text zwischen 1,50 und 3 Euro. Das macht dann einen Stundenlohn von 2 bis 3 Euro ohne rechtliche Absicherung. Wenn das Arbeitsergebnis nicht gefällt, gibt es auch keinen Arbeitslohn.
Die Crowdworker erledigen mittlerweile die ganze Bandbreite von digitalen Arbeiten für Industrie, IT, Forschung und Entwicklung und die öffentliche Verwaltung. Crowdworking wird ebenso wenig wie Werkverträge oder Leiharbeit eine Randerscheinung bleiben, bei der zunehmend liquiden und weltweit vernetzten Arbeitsorganisation in Produktion und Dienstleistungsbereich. Die Menschen arbeiten hier hoch individualisiert zu Bedingungen, die durchweg unsozial und höchst unfair sind. So sind die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Plattformen oft rechtswidrig und sie entsprechen in keiner Weise den marktüblichen Umgangsformen.
Bei einer Beschäftigtenbefragung der IG Metall mit 514.134 Beschäftigten im Jahr 2013 gab nur etwas mehr als die Hälfte der Befragten an, dass ihr Betrieb nie erwarte, dass sie außerhalb ihrer normalen Arbeitszeit erreichbar sein müssen. Von den Beschäftigten, die ihre Tätigkeit auch von zu Hause aus erledigen könnten, würde auch jeder zweite der Befragten dies gerne tun.
Für die Gewerkschaften wird die Entwicklung im Sektor Industrie 4.0 eine ihrer zentralen Herausforderungen der nächsten Jahre sein mit dem Auftrag, auch diese neue Form von Arbeit zu fairen Bedingungen zu gestalten.
Hinzu kommt, dass in einer immer stärker digitalisierten Arbeitswelt die Datensicherheit ein immer höheres Gut wird. Für die Sicherung der Daten sind zertifizierte Prozesse erforderlich, mit qualifiziertem Personal und einer vertrauenswürdigen Technik, die Arbeitnehmern vor willkürlicher Überwachung und Kontrolle tatsächlichen Schutz bieten.
In der digitalen Welt wird ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung immer wichtiger.
Erste zaghafte Schritte dazu gibt es schon. Der Europäische Gerichtshofs hat im Mai 2015 klargestellt, dass es ein Recht auf die Löschung von persönlichen Daten zum Schutz der Privatsphäre gibt. Wenn das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von Europäern berührt wird, gelten europäische Standards, auch dann, wenn die Daten in den USA liegen. Auch das Europäische Parlament hat jetzt die Arbeitsrealität der digitalen Gesellschaft in einer Resolution aufgegriffen: Es fordert Regierungen und Tarifpartner auf, sich die problematischen Arbeitsbedingungen von Solo-Selbstständigen der digitalen Arbeitswelt, die sich im Netz um Arbeitsaufträge bewerben, zu kümmern.
In Frankreich ist man schon etwas weiter. Dort wurde im April 2014 per Gesetz für rund eine Million Beschäftigte der „Tech-Industrie“ festgelegt, dass niemand verpflichtet werden kann, nach 18 Uhr und vor neun Uhr E-Mails zur Kenntnis zu nehmen und zu bearbeiten.
Es ist höchste Zeit, dass die Politik und die Gewerkschaften eine Vorstellung von digitaler Arbeit entwickeln und anfangen, die Rechte der im Netz Beschäftigten zu regeln.
Zu überlegen ist auch, dass der Gesetzgeber die Crowd-Beschäftigten wegen der spezifischen wirtschaftlichen und sozialen Situation kurzfristig unter einen besonderen Schutz stellt. So könnte in einem „crowd-Schutz-Gesetz“, das vor allem Regelungen zur Vergütung (Stück- bzw. Stundenentgelte, Sonderzahlungen), zur sozialen Absicherung (Krankheit, Kurzarbeit, Kündigung, Insolvenz etc.) sowie zum Arbeitsschutz enthält. So etwas ähnlich bietet das Heimarbeitsgesetz (HAG) heute schon und könnte genutzt werden
Hier ist Eile geboten, denn Industrie 4.0 ist schon Realität und dort wird der Konkurrenzkampf der Unternehmen am härtesten ausgetragen.
Wahrscheinlich wieder auf dem Rücken der Beschäftigten.
Quellen: Ossietzky, Böckler, IGM
Bild: zeit.de