Annington die Wohnungskrake – Betongold für Spekulanten

Stoppt_Final_web_01In den vergangenen Jahren ist auf dem deutschen Wohnungsmarkt ein neuer Immobilienriese entstanden, der nicht nur auf dem Immobilienmarkt sondern auch auf der politischen Ebene immer wieder für Schlagzeilen sorgt und die Mieter und deren Vertreter zur Gegenwehr herausfordert.

Deutschlandweit ist die Deutsche Annington durch ständige Aufkäufe und Übernahmen anderer privater, gemeinnütziger oder genossenschaftliche Wohngesellschaften mit ihren rund 350.000 Wohnungen an 550 Standorten präsent. Für den Konzern arbeiten 3.850 Mitarbeitern. Mit rund 126.000 Objekten bildet Nordrhein-Westfalen einen Schwerpunkt im Bestand des Immobilienriesen.

Zurzeit ist der Konzern bemüht, sein Image zu verbessern, auch dadurch, dass vor drei Jahren das Investorenimperium in eine Aktiengesellschaft gewandelt und an die Börse gebracht wurde. Angestrebt wird sogar der Aufstieg in die erste Börsenliga, in den DAX 30.

Besonders litten und leiden die Mieter unter dem Wohnungsriesen, der für den rüden Umgang mit seinen Mietern bekannt wurde und bundesweit Schlagzeilen machte.

Der Konzern

Ihren Namen leitete die Deutsche Annington von ihrer britischen Schwestergesellschaft Annington Homes ab, die im Zuge von Privatisierungen vom Britischen Verteidigungsministerium Häuser und Wohnungen der britischen Streitkräfte übernommen hatte.
Einer breiten Öffentlichkeit wurde bei uns die Deutschen Annington mit der Privatisierung der Eisenbahnerwohnungsgesellschaften (EWG) durch das Bundeseisenbahnvermögen (BEV) bekannt, indem sie im Jahr 2001 zehn dieser Unternehmen mit insgesamt rund 65.000 Wohnungen übernahm.
Ursprünglich waren die EWG reine Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften, die für die Arbeiter, Angestellten und Beamte der damaligen Reichsbahn erschwinglichen Wohnraum bauten. Darunter befanden sich viele Siedlungen, die damals modellhaft waren und heute unter Denkmalschutz stehen. Die ältesten dieser Eisenbahnerwohnungsgesellschaften blicken auf eine fast 100-jährige Geschichte zurück.

Im Jahr 2003 kaufte die Deutsche Annington die Heimbau AG in Kiel, die rund 10.000 Wohnungen in Schleswig-Holstein bewirtschaftete.
Im Dezember 2004 übernahm sie 4.500 ehemalige Werkswohnungen von den RWE. Man munkelte von einem Kaufpreis von 225 Millionen Euro; das wären durchschnittlich 50.000 Euro pro Wohnung gewesen.
Im August 2005 erwarb die Deutsche Annington die Viterra AG mit 152.000 Wohnungen von der E.ON AG, für knapp 7 Milliarden Euro; das sind durchschnittlich rund 46.000 Euro pro Wohnung. Mit diesen Zukäufen stieg die Deutsche Annington zum größten deutschen Immobilienunternehmen mit insgesamt rund 230.000 Wohnungen auf.

Im März 2012 änderte die Deutsche Annington Immobilien GmbH ihre Rechtsform, von der GmbH zur AG.
Seit Juni 2012 firmiert der Wohnungskonzern als Deutsche Annington Immobilien SE und ist seit dem 11. Juli 2013 börsennotiert. Den raschen Erfolg an der Börse konnte sie im September 2014 mit der Listung im M-Dax unterstreichen.

Im Februar 2014 gab die Deutsche Annington bekannt, ihr Portfolio (Bestand an Wertpapieren eines Anlegers bzw. Unternehmens) um 41.000 Wohneinheiten zu vergrößern. Gemeint war der Kauf von rund 11.500 Wohnungen von ihrem Konkurrenten DeWAG (Firmensitz in Stuttgart) und von rund 30.000 Wohneinheiten der Vitus-Gruppe, durch den der Wohnungskonzern seine Präsenz besonders in der Region Norddeutschland ausbauen konnte.
Im September 2014 erfolgte eine weitere Portfolioerweiterung um 5.000 Wohneinheiten von der CitCor Residential Group, die ihre Wohnungen vorwiegend in Berlin und Umgebung hatte.

Im Dezember 2014 wurde bekannt, dass die Deutsche Annington das Konkurrenzunternehmen Gemeinnützige Aktien-Gesellschaft für Angestellten-Heimstätten (GAGFAH) für 3,9 Milliarden Euro übernimmt, mit deren 144.000 Wohneinheiten. Damit gehören dem Konzern nun rund 350.000 Wohnungen.

Auf der letzten Hauptversammlung wurde auch der Namenswechsel beschlossen. Aus Annington wird im September 2015 Vonovia.
Mit dem neuen Namen möchte Annington einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen und erwartet eine Verbesserung des angeschlagenen Images, entstanden als die Immobilienfirma noch im Besitz von Finanzinvestoren war.
Zur Verbesserung des Images gehört sicherlich auch, dass Burkhard Ulrich Drescher, der frühere Oberbürgermeister von Oberhausen, in den Aufsichtsrat berufen wurde.

Das Geschäft

Der deutsche Markt ist für die Deutsche Annington deshalb interessant, da er eine hohe Rendite verspricht, weil deutsche Immobilien im internationalen Vergleich meist in einem relativ guten baulichen Zustand, die Preise verhältnismäßig niedrig sind und der Anteil des Wohneigentums in Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern noch immer vergleichsweise gering ist.
Die Annington kauft, so wie es die anderen internationalen Private Equity-Gesellschaften auch machen, Immobilien mit vergleichsweise geringem Eigenkapitaleinsatz. Dabei kommt dann der „Leverage-Effekt“ ins Spiel, wodurch der Zugang zu günstigem Fremdkapital und sichere Mieteinnahmen die Refinanzierung der Käufe und eine hohe Eigenkapitalrendite ermöglichen soll. Der Levage-Effekt ist die Hebelwirkung der Finanzierungskosten des Fremdkapitals auf die Eigenkapitalverzinsung. So kann durch den Einsatz von Fremdkapital die Eigenkapitalrendite der Investition gesteigert werden. Das funktioniert aber nur, wenn ein Anleger das Fremdkapital zu günstigeren Konditionen aufnimmt, als die Investition an Gesamtkapitalrentabilität erzielt. Das Management der Annington sichert sich aber noch zusätzlich ab und strebt weitere Renditesteigerungen durch Veränderungen der Wohnungsbewirtschaftung (z.B. durch Personalabbau, die Verringerung von Leerstand-Quoten, Mieterhöhungen und die Auslagerung von Leistungen) durch die Veräußerung von Forderungen, Verbriefung, Portfolio-Umschichtungen und die Privatisierung von Wohnungen an. Bei einem Unternehmen dieser Größenordnung ist eben die gesamte Palette der Finanzmarktzockerei möglich.

Laut dem Konzern sind der Börsengang und die Listung im M-Dax im September 2014 das deutliche Zeichen für eine Änderung in der rüden Geschäftspolitik. Angestrebt wird sogar der Aufstieg in die erste Börsenliga, in die DAX 30 Unternehmerschaft. Es soll der Eindruck vermittelt werden, dass Annington, demnächst Vonovia, ein ganz normales Unternehmen ist, das die Interessen von Mietern und Anlegern unter einen Hut bringt. Es soll sich nicht mehr um ein Unternehmen von Finanzinvestoren handeln sondern um eine der größten deutschen Aktiengesellschaften, die sogar Aktien in Streubesitz vorweisen kann.

Bei der letzen Hauptversammlung der Annington-Immobilien SE konnte sie für das Geschäftsjahr 2014 eine Dividende in Höhe von 78 Cent pro Aktie ausschütten. Dies entspricht einer Steigerung von 11,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Aktie selbst verbuchte einen Zuwachs von über 55 Prozent im Verlauf des Jahres 2014.

Der Vorstand der Deutschen Annington Immobilien

• Rolf Buch ist seit dem 1. April 2013 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Annington. Er war zuvor Vorstandsmitglied der Bertelsmann SE und Vorstandsvorsitzender der Arvato AG (eine Bertelsmann Tochter).
• Thomas Zinnöcker ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Annington und als Chief Risk Manager (CRO) unter anderem zuständig für die Integration sowie Akquisitionen und Verkauf. Früher war er Mitglied der Geschäftsführung der Deutsche Telekom Immobilien und Service GmbH danach stand er an der Spitze der GSW Immobilien AG.
• Klaus Freiberg ist seit dem1. Februar 2010 Mitglied des Vorstandes der Deutschen Annington und verantwortet als Chief Operating Officer (COO) das Property Management (Kundenservice, Bewirtschaftung und Vermietung der Immobilien). Von 1995 bis 2010 war er in unterschiedlichen führenden Funktionen bei der Arvato Gruppe (Bertelsmann) tätig. Dort übernahm und optimierte er unter anderem die Service-Center der Deutschen Post sowie der Deutschen Telekom.
• Stefan Kirsten ist seit dem 1. Januar 2011 Mitglied des Vorstandes der Deutschen Annington und ist als Chief Financial Officer (CFO) verantwortlich für den Bereich Finanzen. Bevor er zu Annington kam, war er Chief Executive Officer des Handels- und Immobilienkonzerns Majid Al Futtaim Group LLC in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Davor war er unter anderem Finanzvorstand bei der Metro AG und der ThyssenKrupp AG.
• Gerald Klinck ist seit dem 1. April 2015 im Vorstand der Deutschen Annington Immobilien SE und verantwortet als Chief Controlling Officer die Finanzgeschäfte des Konzerns nach innen. Dies beinhaltet die Bereiche Controlling, Portfolio Controlling, Bewertung, Zentraler Einkauf sowie das WEG-Geschäft. Klinck kam 2011 zur GAGFAH GROUP. Seine erste Station war 1997 die HSH NordbankAG, dann wurde er in die Geschäftsführung bei der HSH N REALESTATE CONSULTING GmbH berufen. 2006 wechselte er zur GEHAG GmbH, die in der DEUTSCHE WOHNEN AG aufging.

Aufsichtsrat der Deutschen Annington Immobilien

• Wulf H. Bernotat, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Strom- und Gasunternehmens E.ON, ist der Aufsichtsratsvorsitzende.
• Burkhard Ulrich Drescher, Geschäftsführer der Innovation City Management GmbH in Bottrop. Von 2006 bis 2009 CEO der Gagfah Group. Bis 2006 Mitglied des Vorstands der RAG Immobilien AG. Zuvor war Burkhard Ulrich Drescher Oberstadtdirektor und Oberbürgermeister von Oberhausen.
• Edgar Ernst, Präsident der deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung, leitet den Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats der Deutschen Annington. Er blickt auf eine 17-jährige Vorstandserfahrung zurück, wovon er den Großteil als Finanzvorstand der Deutschen Post tätig war.
• Florian Funck, Mitglied des Vorstandes der Franz Haniel & Cie. GmbH.
• Hildegard Müller, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft. Als frühere Staatsministerin im Bundeskanzleramt und ehemaliges Aufsichtsratsmitglied verschiedener Unternehmen, darunter der West LB.
• Clara-Christina Streit, ehemalige Senior Beraterin bei Mc Kinsey & Company, hat den Vorsitz des Finanzausschusses des Aufsichtsrats der Deutschen Annington. Mit mehr als 20 Jahren Beratungserfahrung, überwiegend im Finanzsektor, bringt sie eingehende Kenntnisse im Bereich der Finanz- und Kapitalmärkte mit. Sie hält verschiedene Aufsichtsratsmandate.
• Klaus Rauscher, ehemaliger CEO der Vattenfall Europe AG.
• Christian Ulbrich, Mitglied des Global Executive Board und CEO EMEA von Jones Lang LaSalle, Inc. („ein Dienstleistungs-, Beratungs- und Investment-Management-Unternehmen im Immobilienbereich. Das Unternehmen bietet spezialisierte Dienstleistungen für Eigentümer, Nutzer und Investoren, die im Immobilienbereich Wertzuwächse realisieren wollen. Der Jahresumsatz beträgt 3,9 Milliarden Dollar“)

Die Mieter

Mieterschützer gingen in der Vergangenheit immer wieder an die Öffentlichkeit und prangerten die Skandale bei Annington mit ihrem ausgeprägten Gewinnstreben an:
– ständige Unsicherheit der Mieter darüber, wer wann welcher Eigentümer/Vermieter ist oder sein wird
– andauernden Stress, über den Kauf ihrer eigenen Wohnung nachdenken zu müssen
– Druckausübung für Erwerb von Wohnungseigentum auf die Mieter
– vernachlässigte Wohnanlagen
– mangelnde Instandhaltung der Wohnungen
– Modernisierungstaus
– abwälzen der Modernisierungskosten auf die Mieter
– teure und unsinnige Wärmedämmungsmaßnahmen
– unerreichbare Hausverwaltungen
– „Schimmelbuden“
– nicht nachvollziehbare Nebenkostenrechnungen mit neu erfundenen Betriebskostenarten
– vieles was früher mit der Miete abgegolten war, muss nun extra bezahlt werden z.B. Hausmeisterkosten
– Weiterverkauf von früheren Sozialwohnungen
– Versorgungsverträge mit Unitymedia wurden gekündigt und die Anschlüsse auf die Deutsche Multimedia Service GmbH (DMSG), eine Tochterfirma der Deutsche Annington, in Zusammenarbeit der Deutschen Telekom, umgestellt
– Kosten für die Kabel-TV-Versorgung wurden nicht auf die Betriebskosten umgelegt und überhöhe Gebühren bei unsauberer Inkasso-Praxis.

Aufgrund der bisherigen Erfahrung sind die Mieter und deren Vertreter sehr skeptisch gegenüber dem neuen Außenbild, das sich Annington geben will.
Sicherheitshalber gibt es seit dem 1. Mai 2015 eine beim Deutschen Mieterbund (DMB) in Düsseldorf angesiedelte und bundesweit tätige Stelle, die speziell die großen Immobilienunternehmen ins Visier nehmen wird.

Die Beschäftigten

Nach Angaben der Annington sind zurzeit deutschlandweit 5.700 Menschen an 550 Standorten beschäftigt.
In der Vergangenheit war die Fluktuation recht hoch, da es immer wieder Umstrukturierungen gab. Mal wurden auf einmal 500 Mitarbeiter entlassen, so im Dezember 2005 oder die Zahl der Beschäftigten sank langsam auf 1.385 Personen, wie im Dezember 2006. Bis Ende 2009 wurde dann die Anzahl der Mitarbeiter weiter um 20 Prozent auf 1.097 reduziert.
Immer wieder kam es zu Entlassungswellen und 2008 wurde die gesamte Verwaltung in Bochum zentralisiert und „verschlankt“.

Im Laufe des Jahres 2009 stellte die Annington ihr Auskunftssystem für Mieteranfragen auf ein Mietercenter um, alle ortsnahen Servicecenter wurden geschlossen.
Im Oktober 2011 gründete sie eine unternehmenseigene Handwerkerorganisation, die Deutsche TGS, mit mittlerweile mehr als 2.000 Mitarbeitern. Hier wird nicht nach Tarif bezahlt und mehrheitlich unsichere Arbeitsverhältnisse geschaffen.

 

An dem Beispiel Annington lässt sich Vieles deutlich machen. Vor allem, wie das Geschäft mit dem Wohnen abläuft und wie nach den Wohnungen auch die Wohnungsunternehmen selbst zur Handelsware geworden sind.

So können dann die Fusionen immer weitergehen, nicht nur bei Annington.                         Der zweitgrößte Immobilienkonzern, die Deutsche Wohnen AG hatte Anfang 2015 ein Übernahmeangebot für die österreichische conwert-Gruppe mit 25. 000 Wohnungen veröffentlicht. Ein ewiger Übernahmekandidat ist auch immer wieder die frühere Landesentwicklungsgesellschaft NRW, die mittlerweile auch börsennotierte LEG Wohnen.

Das Beispiel Annington zeigt auch, dass der Wandel von der reinen Zockerei mit den verbrieften Großkrediten hin zu diversen Anleihen mit unterschiedlichen Laufzeiten zwar das Geschäftsrisiko für die Wohnungskonzerne streut, aber noch lange nicht eine Versicherung gegen den Absturz ist.

Aber je größer ein Wohnungskonzern wird, desto „systemrelevanter“ wird er auch.

Beim Absturz zahlt dann der Staat. Versprochen.

Quellen: WAZ, Annington, Mieterverein Dortmund, Deutscher Mieterbund
Bild: Mieterbund NRW