Russlands Kriegswirtschaft

Krieg kostet. Der Staat, der ihn führt, bezahlt ihn mit Geld, das er nicht übrig hat. Also mit Schulden, für die er bürgt und Zinsen zahlt – mit noch mehr Schulden.

Früher hieß das Kriegskredite. Die Abrechnung erfolgte mit dem Frieden. Der hat auch dem Sieger zwar keinen Gewinn gebracht – um Beute in dem Sinn führt der bürgerliche Staat seine Kriege nicht. Gebracht hat ihm sein Sieg allenfalls Entschädigungsleistungen des Verlierers. Für den war seine Niederlage auf jeden Fall der Ruin.

So geht es im modernen Kapitalismus nicht mehr zu. Da erfolgt die Abrechnung nicht erst am Ende, sondern von Beginn an permanent: Die Schulden für den Krieg werden als unproduktive Unkosten in die Schöpfung und Zirkulation des nationalen Kreditgelds eingepreist. Der Effekt heißt Inflation: Verteuerung des Lebens für alle, die die steigenden Preise nicht machen, sondern zahlen. Gespart wird außerdem an dem, was Löhne und Staatshaushalt für deren Überleben leisten. Mit ihrer permanenten Verarmung bezahlt der Staat, was sein Krieg ihn kostet. Ob „die Wirtschaft“, die die Löhne zahlt und die Preise macht, trotz Entwertung des verdienten Geldes noch wächst oder ob sie schrumpft, ist außerdem sehr die Frage. Das entscheiden das Wirtschaftswachstum und die Konkurrenz zwischen den Nationen ums bessere Geld. Die hört nämlich auch im modernen Krieg nicht auf, wird nur – teilweise – vertagt und geht im Frieden erst recht wieder los. Darüber können auch militärische Sieger ökonomisch kaputtgehen.

Russlands Kriegswirtschaft ist ein extravagantes Lehrstück über diese politökonomische Errungenschaft.

Die „spezielle Militäroperation“ in der Ukraine beginnt Russland mit dem Einsatz seiner überlegenen Streitkräfte, die laut den einschlägigen Statistiken die zweitmächtigsten der Welt sind. Dafür unterhält es einen leistungsfähigen „militärisch-industriellen Komplex“, der die russischen Streitkräfte mit allen erforderlichen Waffengattungen bis hin zu den strategischen Abschreckungswaffen ausstattet, die Russland zu der autonomen Kriegführung auf dem Niveau einer militärischen Weltmacht befähigen. Den finanziellen Aufwand dafür hat es, wie es sich für einen modernen Staat gehört, als festen Posten in seinem Haushalt verbucht. Die Unterstützung der Ukraine durch die NATO-Staaten, die ihren Stellvertreter kontinuierlich und mit immer mehr und immer wuchtigeren konventionellen Waffen ausstatten, hat die „spezielle Militäroperation“ allerdings in einen ausgewachsenen Abnutzungskrieg überführt. Und so steht Russland vor der Herausforderung, die nötige militärische Überlegenheit vor Ort permanent zu erneuern und gleichzeitig seine Abschreckungsmacht gegen die NATO aufrechtzuerhalten. Dieser Kriegsaufwand beansprucht seine Ökonomie in neuer Weise: Der Staat stellt auf Kriegswirtschaft um.

 I. Staatlicher Rüstungsbedarf und seine Konsequenzen für die etablierten Markt- und (Re)Produktionsverhältnisse 

Der Staat hat zunächst einen enormen Bedarf sowohl an Soldaten als auch an militärischen Gebrauchsgütern. Er benötigt in praktisch allen konventionellen Waffengattungen, die auf dem Schlachtfeld zum Einsatz kommen, einen Nachschub, der ihn befähigt, es mit der vom Westen ausgestatteten Ukraine aufzunehmen. Das betrifft Fahrzeuge, Waffen, Munition, eine entsprechende Ausrüstung der Soldaten, aber auch eine kriegstaugliche Infrastruktur im weiteren Umfeld der Front und eine Unmenge an Energie. Russlands Bedarf an Gewaltmitteln geht dabei über die quantitative Ausweitung der Produktion von – teils älterem – Kriegsgerät hinaus. Gefordert ist eine komplette Modernisierung der Rüstungsproduktion: Von Drohnen über Drohnenabwehr, Hyperschallraketen und intelligente Bomben bis hin zur vollständigen Vernetzung der verschiedenen Waffensysteme durch neue Möglichkeiten der elektronischen Kriegführung – inklusive der Fähigkeit, die beim Gegner stören zu können – braucht Russland die gesamte Palette der neuesten Kriegsgeräte und -techniken. Der Verschleiß auf dem Schlachtfeld sorgt zudem für permanent steigenden Bedarf, sodass der Rüstungssektor auf alte Lagerbestände zugreifen, seine vorrätig gehaltenen Produktionspotenzen ausschöpfen, sich neue verschaffen und in die voll ausgelastete Drei-Schicht-Produktion übergehen muss. [1]

Der Staat bestellt und bezahlt das Benötigte mit seinem Geld. So werden das Militär, der Aufwand für die Front-Infrastruktur und die Waffenproduktion mit der dem Kriegszweck entsprechend organisierten, massiven staatlichen Kaufkraft zum zentralen Bezugspunkt der restlichen Wirtschaft und treten zugleich in Konkurrenz zu ihr: Die angeworbenen Soldaten fallen als Arbeitskräfte aus, die Rüstungsproduktion zieht Metalle, Vorprodukte, Maschinen, Werkzeuge etc. sowie Arbeitskräfte aus anderen Branchen auf sich, sorgt darüber für Mangel an vielen Stellen und so marktwirtschaftlich konsequent für flächendeckend steigende Preise. [2] Dadurch, dass sie höhere Preise bezahlen, werden Rüstungsunternehmen zu besonders geschätzten Kunden und bevorzugt beliefert. Davon profitieren zwar einige Unternehmen, aber die höheren Kosten – im Besonderen die stark gestiegenen Lohnkosten für Facharbeiter – belasten wiederum an vielen Stellen die etablierten Geschäftsrechnungen und funktionierenden Geschäftsbeziehungen. Dort leiden die Unternehmen unter den hohen Preisen, den längeren Lieferzeiten oder sogar dem Totalausfall von eingeplanten Lieferungen. Kompensationsversuche gehen mit Qualitätsverlust und wiederum höheren Kosten einher. Die betroffenen Unternehmen können weniger absetzen, ihre Rentabilität sinkt und sie müssen im schlimmsten Fall ihre Produktion einstellen. Die Störungen setzen sich fort bei Kunden aus anderen Branchen bis hin zum Endverbraucher. Insgesamt kämpft Russland also mit erheblichen Disruptionen in der gesamten nationalen Ökonomie

II. Materielle Grundlage der Kriegswirtschaft und die Wirkungen des Sanktionsregimes

Ererbte und ausgebaute Industriepotenzen, Verfügung über natürliche Reichtümer und die Resultate der Teilnahme am Weltmarkt

Der Staat kann sich die benötigten Gewaltmittel auf der Grundlage einer nationalen Ökonomie beschaffen, die ihrerseits über die Mittel und die industrialisierte Leistungsfähigkeit verfügt, den Kriegsbedarf durch eine nationale Produktion zu decken – Russland gehört zu den wenigen Ländern mit einer eigenständigen Rüstungsindustrie und der entsprechenden industriellen Grundlage. Denn nach den Verwerfungen der Transformationsjahre hat es Russland mit dem Projekt der Neuaufstellung seiner Industrie durchaus geschafft, viel ehemalige industrialisierte Masse nicht nur zu erhalten, sondern auszubauen und zu erneuern. Es verfügt über eine Schwerindustrie, viel verarbeitendes Gewerbe, insbesondere Maschinenbau, und kann in einigen Bereichen, wie der Atomindustrie, sogar Hochtechnologie auf weltmarkttauglichem Niveau herstellen. Letzteres gilt auch für den Rüstungssektor, dessen konkurrenzfähige Produkte von Raketenabwehr bis zu Kampfflugzeugen Russland zum zweitgrößten Waffenexporteur gemacht haben, der mit seinen Fortentwicklungen als nationaler Technologietreiber gewirkt hat. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer Branchen, die für den großen nationalen Markt produzieren – IT, zivile Luftfahrtindustrie, Fahrzeugbau, Bauwirtschaft, Leichtindustrie und eine Lebensmittelindustrie, die eine vom feindlichen Ausland unabhängige Versorgung gewährleistet. [3] Zusammen mit den Institutionen, die im Bereich Forschung & Entwicklung das benötigte Wissen ermitteln und weitergeben, bilden sie eine breite Basis weiterer staatlich erhaltener und geförderter Produktivkräfte.

Diesem Projekt kam als Sondervorteil zugute, dass Russland als das größte Flächenland der Welt über fast alle natürlichen Quellen der Produktion verfügt, [4] mit denen es einerseits den inländischen Bedarf kostengünstig decken und die es andererseits auf dem Weltmarkt verkaufen konnte. Vor allem die russischen Energie-Rohstoffe, aber auch andere weltweit gefragte Bodenschätze – Uran, Palladium, Titan, Nickel usw. – sowie Erzeugnisse der Landwirtschaft sorgten als Exportschlager Russlands für reichliche Devisenvorräte und verschafften ihm für seine industriepolitischen Zwecke eine solide internationale Zahlungsfähigkeit.

Mit diesen verdienten Devisen hat sich Russland erstens den Zugang zu auswärtiger Technologie wie Industrieanlagen, IT-Technologie, Werkzeugmaschinen etc. verschafft, die es selbst nicht konkurrenzfähig produzieren konnte, was zugleich mit der Hoffnung auf Technologietransfer verbunden war und komplementär um den Aufbau lokaler Produktion ergänzt wurde. Die permanent zufließenden Rohstoffeinnahmen haben zweitens den „Rohstoffgiganten“ genannten Unternehmen eine Kapitalgröße verschafft, die ganzen Zulieferindustrien Wachstum [5] und dem russischen Finanzkapital eine große und zugleich sehr solide Basis für sein Kreditgeschäft gestiftet hat. [6] Als durch den Rohstoffreichtum fundierter Finanzplatz hat sich Russland für die internationalen Finanzmärkte nach beiden Richtungen hin geöffnet: Russische Kapitale haben mit weltweiten Anlagen ihre Kapitalkraft gesteigert, und die Attraktivität als „emerging market“ hat umgekehrt für einen Import westlichen Kapitals gesorgt, der Russland zu einem Spekulationsobjekt des internationalen Kredits gemacht hat.

Mit dieser Integration in den Weltmarkt hat sich Russland von den weltweiten Geschäftskonjunkturen abhängig gemacht, was es in den Krisen der letzten Dekaden öfter schmerzlich erfahren musste und was zusammen mit den auch damals schon laufenden Boykott- und Sanktionsmaßnahmen des Westens die nationale Entwicklung gebremst und beschädigt hat.

Das westliche Sanktionsregime und seine Folgen

Genau diese Abhängigkeit vom Weltmarkt macht sich der Westen, der als Aufsichtsmacht über ihn agiert, zunutze, um Russland die Fähigkeit zur Kriegführung zu nehmen. Der Krieg findet zwar außerhalb Russlands und nur vereinzelt auf russischem Gebiet statt, dafür hat Russland es mit einem Wirtschaftskrieg neuer Qualität zu tun, der den Zweck verfolgt, Russlands Ökonomie zu ruinieren.

Das betrifft zunächst den Boykott russischer Importe von allen Teilen, die für die Kriegsproduktion erforderlich sind oder im Verdacht stehen, das zu sein. Vorprodukte für die Waffenproduktion, Dual-Use-Güter, Elektronik, Werkzeug, Ersatzteile, Produktionsmittel und komplexe Industrieanlagen werden auf die Sanktionslisten gesetzt, die der Westen mit der Androhung von sekundären Sanktionen für den Rest der Welt verbindlich zu machen versucht. [7]

Die Kombination aus russischer Not und üppigen Devisenreserven ist für einige Drittstaaten allerdings weiterhin attraktiv, sodass Russland mit Parallelimport, Lieferantenaustausch und massenhaftem Schmuggel den Importboykott – auf reduziertem Niveau – umgeht. Das verweist die westlichen Staaten umso mehr auf die zweite Front ihres Wirtschaftskrieges: Mit allerlei Sanktionen, Importverboten bei sich und Preisdeckeln versuchen sie „Russlands Kriegskasse“ auszutrocknen und schränken russische Exporte ein, was neben Stahl, Weizen und Düngemitteln vor allem Öl und Gas betrifft. [8]

Für beides, die Sanktionierung des Imports wie des Exports, wird Russland vom internationalen Zahlungssystem SWIFT ausgeschlossen. Zusammen mit weiteren Sanktionen im Finanzbereich [9] soll Russland die internationale Zahlungsfähigkeit genommen werden. Das schließt den Ausschluss des Rubels von den internationalen Devisenmärkten und die Aufkündigung von dessen Konvertibilität ein – was den Warenhandel zwar nicht im Ganzen unterbindet, seine Fortsetzung aber für Russland kompliziert und immer teurer macht. Darüber hinaus verliert Russland damit seinen Status als Spekulationsobjekt des internationalen Finanzkapitals, was in Kombination mit dem Einfrieren russischen Vermögens im Ausland, dem massenhaften politisch angeordneten Kapitalabzug und dem Verbot von Investitionen in Russland die Finanzmacht russischer Kapitale massiv einschränkt.

Der dadurch verursachte Kapitalmangel sorgt zusammen mit dem Mangel an benötigten Importprodukten an vielen Stellen für eine Gefährdung, Um- und Einstellung der Produktion. Das wiederum zerrüttet das etablierte Verhältnis der Branchen, lässt flächendeckend die Preise und Kosten steigen und sorgt für Mangel bei den einen Unternehmen, [10] für Überproduktion mit Absatzschwierigkeiten [11] bei den anderen. Nicht zuletzt führt die Einschränkung des russischen Zugangs zu westlichen Produktionsmitteln dazu, dass die noch nicht zerstörten Produktionszusammenhänge auf Verschleiß fahren müssen. Für den Erhalt seiner nationalen Kriegsproduktion steht der Staat vor der Aufgabe, seiner Wirtschaft eine belastbare materielle Grundlage zu verschaffen. Seine Mittel dafür sind Geld und Kredit.

III. Geld- und Kapitalbedarf für eine leistungsfähige nationale Kriegsökonomie

Das betrifft in erster Linie die Umstellung auf Kriegsproduktion im engeren Sinne. Benötigte Waffen und Infrastruktur müssen in Rubel bezahlt und das Militär unterhalten werden; Rüstungsproduzenten brauchen sicheren Zugriff auf den vorhandenen nationalen Ressourcenreichtum und die Kapazitäten der industriellen Basis. Das erledigt der Staat per Versorgung der maßgeblichen Akteure mit dem nötigen Kapital, dessen Umfang sich an folgenden Momenten bemisst: Erstens müssen die vorliegenden Produktionspotenzen aktiviert werden, es muss also für die Umstellung vorhandener Fabriken, für die Neuinbetriebnahme alter Fabriken – stellenweise kommt es zur Revitalisierung alter russischer „Rust Belts“ – und für den bevorzugten Zugriff des Rüstungssektors auf die benötigten Dual-Use-Güter, Ressourcen etc. gesorgt werden. Zweitens braucht es die Fortentwicklung von Kriegstechnologie und überhaupt der gesellschaftlichen Produktivkräfte. Die Regierung identifiziert strategisch wichtige Bereiche, aktualisiert Entwicklungsstrategien, lässt nationale Alternativen zu westlicher Technologie erarbeiten und forciert deren Entwicklung; lauter Vorhaben, die sie unter dem Ideal der Technologiesouveränität schon längst ins Auge gefasst hatte, die jetzt aber eine neue Dringlichkeit erfahren. [12] Durch den Krieg und die Produktionsumstellung entsteht drittens ein höherer Bedarf nach neuen Infrastrukturbedingungen. Das betrifft die Abteilung Transport und Logistik, aber auch die Energieversorgung, die nötigen Behausungen für die neu verteilten Arbeitskräfte und nicht zuletzt den kriegsgerechten Ausbau der Front und der entsprechenden Zugänge.

In diesem Bedarf eingeschlossen sind auch Notwendigkeiten, die sich der Sicherstellung der nationalen Versorgung insgesamt verdanken. Der Staat muss für Ersatz der gestörten Produktionszusammenhänge sorgen, seine Abhängigkeit von Importen, so gut es geht, verringern, [13] die weggebrochenen europäischen Absatzmärkte durch eine Umstellung der Logistik nach Osten [14] kompensieren sowie mit Unterstützungsleistungen verschiedener Art die belasteten Geschäftsrechnungen aufrechterhalten; teils dadurch, dass er die Stundung von Zahlungsverpflichtungen erlaubt, um die Zahlungsfähigkeit der Unternehmen sicherzustellen, teils mit Steuerentlastungen, teils mit direkten Zahlungen aus seinem Haushalt und anderen Quellen, indem er Subventionen zur Verfügung stellt oder gleich als „Großinvestor“ einspringt. [15]

IV. Die staatliche Geldbeschaffung …

… durch Besteuerung der nationalen Kapitalakkumulation

Der Staat beschafft sich die Mittel zur Finanzierung des Haushalts durch gesetzlichen Zugriff auf die Gelderträge, die seine kapitalistische Gesellschaft unter seiner Hoheit zustande bringt. Dem gesteigerten Bedarf nach seinem ökonomischen Machtmittel trägt er zunächst dadurch Rechnung, dass er die Steuern erhöht. [16] Darin eingeschlossen sind auch die Rüstungsunternehmen und die ihnen zuarbeitenden Firmen, deren Gewinne zwar allein dadurch zustande kommen, dass der Staat sie bezahlt, die sein egalitärer Blick aber gleichwohl als Teil des Ensembles von Geldverdienern kennt, die ihm mit ihrer firmeneigenen Bereicherung als Quelle seiner Macht dienen. In dem Maße, wie sich der russische Staat am verdienten Geldreichtum seiner Gesellschaft bedient, strapaziert er diese Quelle zugleich. Er schädigt die schon belastete Ökonomie, auf deren Leistungsfähigkeit er für seinen Krieg verwiesen bleibt und deren Kapitalmangel er zugleich in Rechnung stellt, weswegen er den Zugriff wiederum begrenzt und an vielen Stellen mit Sonderbedingungen entschärft.

Eine außerordentlich strapazierbare Geldquelle findet er in den Rohstoffunternehmen vor: Die Erlöse, die sie an sich ziehen, stehen in einem besonders vorteilhaften Verhältnis zu den geringen Kosten, die für den Abbau und Transport der Rohstoffe nötig sind. Im Vergleich zu den Unternehmen aus der produzierenden Industrie können sie enorme Gewinnspannen erzielen. Insofern sie dabei nicht für den internen Markt produzieren, sondern auf den Weltmarkt exportieren, erlösen sie viele Devisen, denn die Sanktionen haben die Einnahmen aus dem Export zwar insgesamt verringert, aber weil die russischen Rohstoffe für viele Länder als unerlässliche Versorgungsquelle für Energie fungieren, findet Russland nach wie vor Abnehmer.

Neben ihrer Nutzung als Finanzquelle halten die Einnahmen aus dem Export trotz aller Finanzsanktionen Russlands Zugang zum Weltmarkt, seine internationale Zahlungsfähigkeit, weiter aufrecht. Dafür organisiert der Staat einen internen Währungstausch, der sowohl den Importnotwendigkeiten seiner Ökonomie als auch dem Kapitalwachstum der Rohstoffunternehmen und in der Konsequenz der Bedienung seines Finanzbedarfs Rechnung trägt. [17]

Die Steuern und Abgaben, die der Staat auf die in Rubel umgetauschten Deviseneinnahmen der Rohstoffkonzerne erhebt, machen etwa ein Drittel der Gesamteinnahmen seines Haushalts aus und decken rechnerisch ungefähr die Kriegsaufwendungen – jedenfalls die offiziell angegebenen. Darüber hinaus benutzt er die Einnahmen der Rohstoffunternehmen als Mittel für die Finanzierung diverser staatlicher Fonds, prominent des National Wealth Fonds (NWF), eines auf Rohstoffeinnahmen basierenden staatlichen Sondervermögens, das zu großen Teilen in russischen Wertpapieren angelegt ist und dem Staat dazu dient, die Abhängigkeit seiner Haushaltsplanung von der Volatilität des Weltenergiemarktpreises für Öl und Gas zu relativieren. [18] Seit Beginn des Krieges greift er vermehrt auf diese Mittel zurück, um beispielsweise kostspielige Infrastrukturprojekte oder direkt seinen Haushalt zu finanzieren, was die liquiden Mittel des Fonds mehr und mehr aufzehrt. Außerdem verpflichtet der Staat die Energiekonzerne zum Einsatz ihrer Kapitalmacht für verschiedene von ihm definierte Zwecke: von der Verordnung, die Industrie und letztlich auch die Bevölkerung flächendeckend mit Strom und Wärme zu günstigen Preisen zu versorgen, über die Inanspruchnahme für die Instandhaltung und den Ausbau der Infrastruktur bis hin zur Erschließung des „Fernen Ostens“ mit Pipelines, Straßen usw. [19]

… durch Mobilisierung des Nationalkredits

Zur Deckung des Geld- und Kapitalbedarfs seiner für die Kriegsproduktion beanspruchten und vom Westen sanktionierten Wirtschaft bleibt der Staat nicht auf die Gelderträge beschränkt, die der Geschäftsgang seiner Gesellschaft hervorbringt und von denen er sich einen Teil abgreift. Für seine eigene Finanzierung wie für die Ausstattung der Wirtschaft mit Kapital steht ihm das nationale Kreditgewerbe zur Verfügung – dessen Fähigkeit, die Macht des Geldes, das durch erfolgreiche kapitalistische Geschäfte noch gar nicht geschaffen worden ist, gegen Zins verfügbar zu machen. [20]

Dieses Gewerbe ist freilich von den durch Krieg und Wirtschaftskrieg verursachten Zerrüttungen des nationalen Wirtschaftslebens, vieler einzelner Kapitalkreisläufe und der Reproduktion des Kapitals des Landes insgesamt, naturgemäß besonders betroffen. Der Kreislauf der Kredite – Vorschüsse, die sich durch erfolgreiche Geschäfte der Schuldner, insgesamt durch Akkumulation des Kapitals verwerten und so die Macht des Sektors zur Kreditschöpfung steigern – funktioniert angesichts des Durcheinanders neuer und alter Anforderungen nicht mehr bedarfsgemäß. Kriegswichtige Industrien brauchen Vorschüsse in ungewohnter Größenordnung, andere bieten nicht mehr die gewohnten Erfolgsaussichten. Die Sicherheit von Zins- und Tilgungszahlungen ist nicht mehr wie bisher zu haben; das be- oder verhindert sogar Kreditschöpfung und -vergabe. Wo Geschäfte weiterlaufen, akkumulieren u.U. unbediente Forderungen, die als wertlos abgeschrieben werden müssen. Überall da, wo der Staat gewinnbringende Produktion anheizt, durch Preisdiktate und -kontrollen beschränkt oder an fehlender Kaufkraft scheitern lässt, ist er als Herr und Gestalter des nationalen Kreditgeschäfts gefordert. Er erfüllt diese Aufgabe – keineswegs ohne neue Störungen und Ungleichgewichte zu verursachen – mit dem Einsatz des gesamten Repertoires staatlicher Kreditbewirtschaftung: mit Aufträgen an die Großbanken, die ohnehin ihm gehören, zu zinsgünstiger Kreditvergabe; durch Spezialbanken mit besonderen Finanzierungsaufgaben; mit Eingriffen ins Kreditgeschäft mittels Subventionen, Garantien etc. [21] Vor allem gibt er seinen Banken per Anpassung seiner Bankenvorschriften und mit den günstigen Refinanzierungsbedingungen durch seine Notenbank die Lizenz, die Kreditschöpfung von der Bindung an verfügbare Einlagen sehr weitgehend zu befreien. [22] Lauter Maßnahmen, die davon zeugen, dass die Einlagen, Einnahmen und Sicherheiten, mit denen das Kreditgewerbe im idealen Normalfall im Großen und Ganzen seinen Kreditkreislauf bewerkstelligt, den neuen Leistungsanforderungen überhaupt nicht genügen. Mit seinen Interventionen tritt der Staat selbst mit eigenen Finanzmitteln als Investor, Kreditgarant, letztlich als Schöpfer der Kreditschöpfungsmacht des Finanzkapitals der Nation in Aktion. [23]

Die Leistungen des Finanzsystems nutzt der Staat auch für sich: Die bleibende Lücke zwischen den Haushaltseinnahmen und den – auch gerade durch die staatlichen Kreditsubventionen gestiegenen – Ausgaben deckt er, ganz nach den Regeln kapitalistischer Staatskunst, seinerseits bei seinen Kreditinstituten mit Anleihen (OFZ), die die in Anspruch genommene Finanzmacht der Banken nicht aufzehren, sondern dadurch stärken, dass der Schuldner, der Staat, schlicht mit seiner souveränen Macht als Garant ihres Werts darin steckt. [24] Sein Machtwort stiftet die Sicherheit und damit das finanzkapitalistische Wachstum, das ihm für seinen Geldbedarf als Finanzmasse zu Gebote steht: als Kreditmasse, die er selbst in seiner Eigenschaft als Nationalbank, kraft seiner Geldhoheit, mit der Emission von Kreditzeichen in Zahlungsfähigkeit verwandelt, nämlich als Rubel zirkulieren lässt. Damit befähigt er die Banken zu ihrer Geschäftstätigkeit, einschließlich der Finanzierung der staatlichen Haushaltsdefizite.

In Gestalt der Notenbank macht der Staat durch sein Machtwort Schulden zu Zahlungsmitteln, die ihm zum freien Verfügen über Reichtum und Bevölkerung des Landes dienen. Mit dem Einsatz seiner Rubel als flächendeckend wirksames, im Lebensprozess seiner Gesellschaft omnipräsentes Kommandomittel übt er seine Herrschaft aus, betätigt sich als Gewaltmonopolist, der seine Nation jahrelang Krieg führen lässt. Putins neues Russland: mit seiner Kriegswirtschaft ein Musterexemplar der innigen Symbiose von Kapitalismus und Staatsgewalt.

V. Zerrüttung und Bewährungsprobe des russischen Kriegskapitalismus

Das ändert allerdings nichts daran, dass die Kreditmassen, mit denen der Staat seine Gesellschaft bewirtschaftet, durch die damit zustande gebrachte Akkumulation kapitalistischen Reichtums nicht in auch nur annähernd gleicher Größenordnung als vorweggenommene Mehrung kapitalistischer Wachstumsmacht ökonomisch gerechtfertigt, als „abstrakter Reichtum“ in Wert gesetzt werden. Der Staat bezahlt mit Schulden und lässt seine Gesellschaft mit Schulden bezahlen, die zum überwiegenden Teil nicht zukünftigen kapitalistischen Ertrag repräsentieren, sondern bloßen staatlichen Konsum, und zwar einen denkbar unproduktiven – auch wenn mancher technologische Kollateralnutzen dabei herausspringt –: Die geschaffenen und bezahlten Gebrauchswerte werden auf gegenwärtigen und zukünftigen Schlachtfeldern verbraucht; ihr in Rubel bezifferter und zirkulierender Wert wird unproduktiv verzehrt.

Derart „über seine Verhältnisse“ zu leben, ist im Prinzip zwar keinem modernen kapitalistischen Staatswesen fremd. Allemal verbraucht der Fiskus Zahlungsmittel, die ein von ihm gar nicht einzulösendes, zur Einlösung auch gar nicht vorgesehenes Versprechen auf zukünftige Verzinsung und Tilgung in national geschaffenem und verdientem Geld repräsentieren, also nichts als ein staatliches Machtwort beziffern. In dem Maß, in dem die kommerzielle Verwendung solcher Zahlungsmittel ohne Aussicht auf Schaffung eines Gegenwerts als Konkurrenz um relativ knappe Güter, also als Teuerung wirksam wird, verbucht die Statistik das Ergebnis als Entwertung des nationalen Kreditgelds, die die verschiedenen konkurrierenden Marktteilnehmer sachgerecht unterschiedlich trifft und insgesamt für eine prozentuale Minderung des nationalen Kapitalwachstums steht. So auch in Russland; und so gewöhnlich wie überall in vergleichbaren kapitalistisch wirtschaftenden Ländern gehen auch dort die Zuständigen damit um: Sie errechnen eine Inflationsrate – im russischen Fall von ca. 10 % –; sie diagnostizieren als Grund eine „Überhitzung“ des Geschäftslebens durch einen unerwünschten „Geldüberhang“; die zuständige Notenbank versucht dem durch Verteuerung der Liquidität, die die Bankenwelt bei ihr abruft, entgegenzuwirken.

Zu diesem Zweck erhöht die Notenbank den Leitzins auf um die 20 %, was durch die dadurch bewirkte Verteuerung der Kreditkosten die Zunahme an zusätzlicher Zahlungsfähigkeit und die damit einhergehenden Preissteigerungen drosseln und so die Solidität der nationalen Kreditschöpfung wiederherstellen soll – mit dem widersprüchlichen Effekt, dass das nicht bloß die Verschuldung des Staates selbst verteuert, sondern die Zahlungsfähigkeit der russischen Unternehmen noch weiter überfordert, die fortlaufend unter der steigenden Zinslast leiden. Deshalb flankiert der Staat die Maßnahmen seiner Zentralbank mit einer Ausweitung seiner Kreditsubventionen, die die Inflationsbekämpfung wiederum relativieren. [25] Dieser Widerspruch vollzieht sich in Russland in Form eines Dauerstreits zwischen der Notenbankchefin, die sich über die Sabotage ihrer Geldpolitik durch die staatlichen Unterstützungsleistungen beschwert, und verschiedenen Unternehmervertretern, die vor einer drohenden Insolvenzwelle warnen.

Mit dem wirklichen Grund der Sache – dem Verhältnis zwischen staatlich autorisierter Schöpfung von Zahlungsfähigkeit allein für unproduktiven Staatsverbrauch und der wirklichen erweiterten Reproduktion der Macht des kapitalistischen Reichtums – hat es in Russlands Kriegswirtschaft allerdings seine besondere Bewandtnis. Mit dem Kredit, den er schöpft und schöpfen lässt und als Zahlungsmittel verwendet, finanziert der Staat eben keine irgendwie nützlichen, indirekt produktiven Vorleistungen, sondern Zerstörung, buchstäblich das Verpulvern eines ganzen Waren-Arsenals. Die dafür aufgewandten Gelder mindern die Reproduktion des notwendigen produktiven Reichtums der Nation im Ganzen. Kapitalwachstum findet schon noch statt; was an Kapitalvorschuss von Staats wegen in das Wachstum der entsprechend kreditierten kriegswichtigen Firmen und Branchen hineinfließt, macht sich aber nicht durch Verkauf an andere Kapitale, also in Beiträgen zu deren Reproduktion und Akkumulation bezahlt, sondern vermehrt allein die staatlichen Verbindlichkeiten, wirkt bezogen auf den gesamtgesellschaftlichen Kapitalkreislauf als unproduktive Aufblähung des nationalen Kapitalvorschusses. Dem steht kein Fortgang des nationalen Produktionsprozesses gegenüber, sondern dessen Rückgang, eine Minderung der Macht des Kapitals zu Reproduktion und Wachstum. Denn was der Staat sich für seinen Krieg an Ressourcenverbrauch leistet, fehlt für die Erhaltung dieser Macht, was sich für die betroffene Firmenwelt als nicht bzw. nur mit entwertetem Geld bezahlbare Teuerung darstellt. Dieser Schaden findet in der 10-prozentigen – oder wie auch immer bezifferten – russischen Inflationsrate seinen überhaupt nicht adäquaten Ausdruck.

Russlands Rubel-Kapitalismus hält das aus, offensichtlich, schon im vierten Jahr. Die staatlichen Rechnungen gehen auf, weil eine Geldquelle zur Verfügung steht, die unverhältnismäßig viel mehr Geld einbringt, als ihre Betätigung an Vorschuss kostet: die – schon erwähnte – Ausfuhr von Energieträgern und anderen weltgeldwerten Naturstoffen. Das wirkt, bezogen auf das rechnerische Verhältnis zwischen Kapitalvorschuss und Ertrag auf nationaler Stufe, wie ein enormes Plus an Kapitalproduktivität, rechtfertigt insoweit die Staatsschulden, mit denen der Krieg und die Beschaffung einer wachsenden Masse an tauglichen Kriegsmitteln finanziert werden. Eine wirkliche Kompensation dieses unproduktiven Aufwands ist das allerdings nicht. Dem Staat ersparen diese Einnahmen ein Quantum Vermehrung seiner Schuldtitel, für deren Wert er allein mit seiner Geldhoheit einsteht. Was er damit bezahlt, die Kosten des Kriegs und die Geschäfte seiner Rüstungsindustrie, wird dadurch nicht produktiv, mehrt die Produktivkraft des nationalen Kapitals nicht nur nicht, sondern entzieht ihm die nötigen materiellen Mittel. Das im Export so wohlfeil verdiente Geld fehlt überall da, wo es für Investitionen in die Erhaltung und Steigerung der Akkumulation des nationalen Kapitals nicht nur vorgesehen war, sondern nötig ist, verplant und unerlässlich für den Status des russischen Kapitalismus als potenter Teil des Weltgeschäfts, als Macht an den Weltmärkten nicht nur für Öl und Gas, sondern für Technologie, für Geld und Kapital. Dass die Überschüsse aus dem Exportgeschäft, die Russland trotz aller westlichen Sanktionen einnimmt, rechnerisch – wie es heißt – den Kosten seiner Kriegführung entsprechen, ist schön für das Verhältnis, in dem die Nationalbank in ihren Bilanzen der Schaffung von Liquidität Devisen gegenüberstellen kann und nicht nur explodierende Verbindlichkeiten – in letzter Instanz – der Staatsmacht. An der Minderung der Wachstumsmacht des nationalen Gesamtkapitals durch den weit überproportional wachsenden Anteil der kriegsnotwendigen Akkumulation von Kredit im „militärisch-industriellen Komplex“ ändert das nichts.

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Russlands Kriegswirtschaft ist eine harte Probe auf die Leistungsfähigkeit des nationalen Kapitalismus als materielle Basis der kostspieligen Selbstbehauptung russischer Weltmacht im Ukraine-Krieg gegen den Reichtum, den der Westen dort in den Verschleiß der russischen Militärmacht investiert. Konsequenterweise verlangt dieser Kapitalismus für den Bestand, also die Wiederherstellung und Steigerung seiner ökonomischen Macht, ein Kriegsergebnis, das der nationalen Rubel-Ökonomie den Status einer Wirtschaftsmacht verschafft, die die Weltmärkte für kapitalistisches Wachstum umfassend zu ihrem Vorteil bewirtschaftet. Wenn die Produktivkraft des nationalen Kapitals Russland zum Erfolg als kriegerisch konkurrenzfähige Weltmacht befähigen soll, dann muss ein Sieg her, der den nationalen Kapitalismus nachhaltig vor seiner Ruinierung bewahrt, also im Weltvergleich dominant macht. Auch darum kämpft Russland in der Ukraine.

 

Anmerkungen:

[1]„Arme Regionen wie Tschuwaschien erleben einen Boom, weil sowjetische Fabriken für das Militär wieder anlaufen… Am stärksten ist der Effekt in ‚Rust Belt‘-Regionen wie Tschuwaschien in Zentralrussland, wo 1,2 Millionen Menschen leben und wo sowjetische Fabriken wiederbelebt wurden und rund um die Uhr für den Krieg arbeiten… Um die Nachfrage zu befriedigen, kehren einige zu den Arbeitsplätzen zurück, die sie zuletzt in den 1990er Jahren, als die Sowjetunion zusammenbrach, inne hatten… Sie sind in ihren Sechzigern, aber sie kommen zurück, weil es wirklich lukrativ ist.“ (FT, 14.7.24)

[2]Neben der Neuausrichtung der Geschäfte vieler Unternehmen auf den Rüstungssektor sorgt z.B. auch der an die Familien gesandte Soldatensold für eine beachtliche Kaufkraftsteigerung in wirtschaftlich sonst eher abgehängten Gebieten. Der Verschleiß des Menschenmaterials an der Front und die Flucht von fast einer Million oft gut ausgebildeter Fachkräfte ins Ausland machen sich als eine besonders lohntreibende Konkurrenz um fähige Arbeitskräfte bemerkbar: Je nach Einschätzung fehlen in der gesamten Wirtschaft drei bis fünf Millionen Arbeitskräfte.

[3]Die autarke Versorgung des Volkes mit Lebensmitteln und eine entsprechende Aufstellung der Landwirtschaft gehört zu den großen Projekten des russischen Kriegsherrn im letzten Jahrzehnt:

 „Wir haben natürlich begonnen, die Wirtschaft umzustrukturieren. Denn das, was wir früher aus den europäischen Ländern durch Importe erhielten, wurde uns in vielen Bereichen verwehrt, und wir waren gezwungen, Geld in die Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktion im Land zu investieren, so wie im Jahr 2014, als bestimmte Beschränkungen für den Kauf westlicher, europäischer, vor allem landwirtschaftlicher Waren eingeführt wurden… Und heute sind wir bei allen wichtigen landwirtschaftlichen Produkten, bei allen wichtigen Nahrungsmitteln, völlig autark.“ (Putin auf der Valdai-Konferenz, Herbst 2023)

[4]Durch weitere Explorationen erwartet Putin noch viel kapitalistischen Nutzen: „Dies deutet darauf hin, dass es in der Rohstoffindustrie immer noch jede Menge Möglichkeiten für vielfältiges Wachstum gibt, einschließlich knapper strategischer Rohstoffe, die in der Wirtschaft der Zukunft gefragt sind. All dies ist nicht nur ein Garant für die Ressourcensouveränität des Landes, sondern auch die Grundlage für die Produktion neuer Materialien, Mikroelektronik und vielversprechender Energiequellen, für die Förderung heimischer Umwelt-, Naturschutztechnologien und wissenschaftlicher Entwicklungen, für die Schaffung von Qualitätsarbeitsplätzen, die Umsetzung der natürlichen Wettbewerbsvorteile des Fernen Ostens auf einem neuen Niveau und in ganz Russland.“ (Putin, September 2023)

[5]Darunter fallen Teile des nationalen Maschinen- und Anlagenbaus, die die benötigte Fördertechnik liefern, die Schwerindustrie für entsprechende Infrastruktureinrichtungen wie Pipelines und auch der IT-Sektor in Sachen passender Sensorik, Navigationssysteme, moderner Bohrtechnologie oder der Überwachung der Logistik.

[6]Ein finnisches Forschungsinstitut thematisiert das große Übergewicht der sehr solventen Exportunternehmen im russischen Kreditgeschäft, wenn es das zum Klumpenrisiko erklärt: „Große Exportunternehmen, die in der Regel über eine ausgezeichnete Bonität und eine gute Schuldendienstfähigkeit verfügen, sind attraktive Bankkunden. Andererseits hat diese Situation zu einer Anhäufung von Kreditrisiken geführt. Das Verhältnis der Bankkredite der fünf größten Unternehmen Russlands zum Gesamtkapital des inländischen Bankensektors lag Ende 2021 bei 36 %.“ (BoFIT, Weekly Revue, 7.7.24)

[7]Im Automobilsektor dominierten westliche Firmen den russischen Markt nicht nur durch den Export, sondern auch durch Fertigung vor Ort. Sie hinterlassen nach ihrem sanktionsbedingten Rückzug aus Russland zwar einige Fabriken, aber nicht das zur Produktion nötige Kapital und liefern auch die Bausätze nicht mehr, die in diesen Fabriken bisher zusammenmontiert worden sind. Die Flugzeugindustrie wurde nach dem Ende der Sowjetunion bis auf ihren militärischen Zweig und die Produktion von ein paar Modellen größtenteils stillgelegt und durch die Produkte von Airbus und Boeing ersetzt. Die im Westen geleasten Maschinen werden zwar beschlagnahmt und in russisches Eigentum überführt, die zum Weiterbetrieb nötigen Inspektionen und Ersatzteile bleiben den Fluggesellschaften aber entzogen, was nicht nur das geschätzte Risiko, sondern auch die tatsächliche Anzahl der Unfälle steigen lässt. In der Energieindustrie führt der Entzug westlicher Technik – z.B. Gasturbinen von Siemens – dazu, dass russische Kraftwerke nur mit Kapazitätsverlusten laufen, was die Netzleistung senkt und die Kosten steigen lässt; die fehlenden Ersatzteile und Wartungen führen wiederum zu erhöhtem Verschleiß und Ausfällen. Die russischen Ersatzprodukte haben oft erhebliche Qualitätsmängel; das betrifft nicht nur fertige industrielle Produkte, sondern die ganze Palette von industriellen Vorprodukten – angefangen bei Schrauben bis hin zu Kugellagern.

[8]Indem die europäischen Hauptabnehmer nur noch einen Teil der bisherigen Lieferungen und in Zukunft überhaupt keine fossilen Brennstoffe mehr aus dem Land beziehen wollen, greifen sie Russlands wichtigste Devisenquelle an. Vor allem in China und Indien hat Russland zwar neue Abnehmer gefunden, die einen großen Teil der weggefallenen Einnahmen aus Europa ersetzen. Dieser durch das Sanktionsregime erzwungene Schwenk nach Osten versetzt Russland aber in Bezug auf den Preis in eine schwache Verhandlungsposition. Die Not, neue Partner zu brauchen, wird von denen für ordentliche Preisnachlässe ausgenutzt, senkt also in Kombination mit den sanktionsbedingten Schwierigkeiten, das Öl mit unversicherten Tankern über die Weltmeere zu transportieren und dafür Zahlungen zu empfangen, den geldwerten Ertrag, für den die Energieträger exportiert werden. Usw.

[9]Die westlichen Sanktionen im Bereich Finanzen betreffen so gut wie alles, was eine moderne Finanzindustrie für ihre Geschäfte braucht: Russisches Staatsvermögen als Refinanzierungsquelle des russischen Finanzmarkts wird eingefroren, ebenso private Vermögen Putin-naher Oligarchen; staatliche Exportkredit- und Investitionsgarantien werden storniert; die meisten russischen Banken werden vom SWIFT-Zahlungsabwicklungssystem ausgeschlossen; Beschränkungen für Bank- und Kryptoguthaben, den Wertpapierhandel und Ratingdienste werden eingeführt; Kreditkarten- und Bezahldienste werden gesperrt; Versicherungs- und Rückversicherungsverträge werden verboten, ebenso Dienstleistungen wie Treuhandschaft, Wirtschaftsprüfung, Buchführung, Steuer- und Unternehmensberatung.

[10]Besonders benötigt sind moderne Chips, Steuerungselektronik und spezialisierte Mikroprozessoren. Daneben fehlen z.B. präzise CNC-Werkzeugmaschinen und Maschinen-Steuerungssysteme. Diese Defizite wirken sich auf die Produktionsfähigkeiten vieler Schlüsselbranchen aus.

[11]Seit dem Wegfall der europäischen Märkte hat insbesondere die russische Metallbranche mit Absatzschwierigkeiten der produzierten Güter (Stahl, Aluminium, Nichteisenmetalle) zu kämpfen. Das lässt die Preise geschäftsgefährdend sinken, was auch die Geschäftskalkulationen der Zulieferer durcheinanderbringt und überall für ein Aufschieben von Investitionen und Modernisierung sorgt.

[12]„Unter diesen Umständen ist es von entscheidender Bedeutung, die Arbeitsproduktivität zu steigern und die Industrie, den agroindustriellen Komplex, den Dienstleistungssektor und viele andere Wirtschaftsbereiche sowie den sozialen Bereich mithilfe digitaler Technologien und der Automatisierung von Produktions- und Verwaltungsprozessen zu modernisieren… Wir haben keine große Wahl – entweder müssen wir Arbeitskräfte aus dem Ausland importieren oder die Arbeitsproduktivität steigern.“ (Putin, 2025)

[13]„Ich möchte noch ein paar Zahlen nennen. Im Jahr 1999 erreichte der Anteil der Importe 26 Prozent des BIP – wir importierten fast 30 Prozent von allem aus dem Ausland. Letztes Jahr waren es nur noch 19 Prozent des BIP, oder 32 Billionen Rubel. Und bis 2030 müssen wir ein Importniveau von höchstens 17 Prozent des BIP erreichen.“ (Putin, 29.2.24)

[14]Der Handel mit den asiatischen Staaten, vor allem mit China, gilt als ökonomische ‚lifeline‘ der russischen Wirtschaft: „Russlands Abhängigkeit vom Handel mit Asien stieg 2023 stark an, während seine Geschäfte mit den europäischen Märkten einbrachen. Der Anteil Asiens an den russischen Exporten und Importen stieg laut Daten der russischen Zollbehörde auf 72 % bzw. 68 %.“ (Reuters, 12.2.24)

[15]Neben dem Geld ist die Gewalt des Rechts das Mittel des Staates, um für die Fortsetzung der Produktion nach seinen Prioritäten zu sorgen: Wo Unternehmen mit als kritisch definierten Gütern auf dem für sie noch erreichbaren Weltmarkt mehr Geld verdienen könnten als mit der Belieferung des Heimatmarktes, da erlässt der Staat Exportbeschränkungen und -verbote; und wo ausländische Unternehmen ihre Produktion nicht weiterführen bzw. ihr Kapital aus dem Land schaffen wollen, zwangsverpflichtet er sie auf die Fortsetzung der Produktion oder enteignet und verstaatlicht sie gleich ganz. Mit seinen die Finanzsanktionen ergänzenden Antwortmaßnahmen wie der Blockierung ausländischer Dividenden- und Kapitalrückflüsse oder Devisenverkehrsbeschränkungen sorgt Russland für die Abschottung seiner nationalen Produktion wie des Finanzmarkts gegen ausländischen Einfluss.

[16]Das sogenannte Flat-Tax-Steuersystem mit einheitlichem Einkommenssteuersatz von 13 %, das Russland für internationale Investoren attraktiv machen sollte, wird abgeschafft und die Besteuerung, gestaffelt nach Einkommen, auf bis zu 22 % erhöht. Die Steuern auf Unternehmensgewinne werden von 20 auf 25 % angehoben.

[17]Bis zum Ausbruch des Ukraine-Kriegs war der Rubel eine „free floating“-Währung, in seinem Wert also davon abhängig, wie die internationalen Währungshändler Angebot und Nachfrage nach Rubel für Kursänderungen ausnutzten. An die Stelle dieser praktischen Bewertung tritt unter den Bedingungen der Finanzsanktionen und mit dem Ausschluss vom Zahlungssystem SWIFT ein vom Staat orchestrierter interner Devisenmarkt. Die Exporteure verpflichtet er dazu, einen Teil ihrer im Ausland verdienten Devisen nach ein paar Tagen an der Moskauer Börse zu verkaufen. Für die Importeure vergibt er Lizenzen, die festlegen, welche Firmen in welchem Ausmaß berechtigt sind, die benötigten Waren aus dem Ausland zu kaufen. Der Wechselkurs hängt dann sowohl von den Rohstofferlösen abzüglich aller Sanktionskosten wie von der inneren Nachfrage nach Devisen auf Basis der genehmigten Importbedürfnisse ab. Mit dem Ziel, den Wechselkurs stabil und letztlich funktional für die entgegengesetzten Interessen von Importeuren (ein hoher Rubelkurs macht die Importe billiger) und Exporteuren (ein niedriger Kurs erhöht den Rubelgewinn und damit nebenbei die Fiskalabgaben) zu halten, greift der Staat in diesen Markt per Zentralbank und Finanzministerium mit Käufen und Verkäufen ein.

Der weitgehende Ausschluss von der Dollar-Weltökonomie sorgt nicht nur für eine Neuverteilung der eingenommenen Devisen – im Prinzip weniger Dollar und mehr Yuan –, sondern stellt infrage, ob und inwiefern diese Devisen für Russland auch tatsächlich Zugang zu den Importmärkten gewährleisten. Im Bemühen, dieses Problem in den Griff zu bekommen, zeigt sich Russland erfinderisch, von der Dollar-Finanzierung mittels Schattenbanken an den US-Aufsichtsbehörden vorbei über die neue Praxis, den Handel über andere Kreditgelder wie den Yuan, der für Russland auch nicht universell einsetzbar ist, abzurechnen, bis hin zu projektierten Versuchen, ganz neue Zahlungswege und -mittel einzuführen. Letztlich wirken all diese Momente als Verteuerung der Transaktionskosten – ein bleibender Schaden durch das westliche Sanktionsregime.

[18]Der Staat plant seinen Haushalt mit den Steuereinnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft. Diese Planung basiert auf der Annahme eines bestimmten Ölpreises. Fallen die Einnahmen aufgrund höherer Preise höher aus, überweist der Staat die Differenz zu seiner Planung an den NWF. Sinkt der Preis auf dem Weltmarkt, werden Einnahmedefizite mithilfe dieses Fonds ausgeglichen.

[19]Ein besonders deutliches Beispiel ist Rosneftegas: Das Unternehmen ist eine Aktien-Holding und hält Anteile an den Erdgas- und Mineralölkonzernen Gazprom (ca. 11 %) und Rosneft (ca. 50 %), befindet sich aber zu 100 % in Staatsbesitz. Die Anteile an der Gewinnausschüttung von Gazprom und Rosneft landen deswegen nicht in der Staatskasse, sondern bei Rosneftegas, worauf die Regierung selbstverständlich als ihren erweiterten Haushalt zugreift: „Für solche Dinge, für die nach allen Streitereien und Gerangel in der Regierung kein Geld bleibt, die aber eine Finanzierung benötigen, werden wir Mittel von Rosneftegas verwenden.“ (Putin, 2016)

[20]Das russische Finanzgewerbe besteht fast ausschließlich aus inländischen Banken, von denen diejenigen, die den wesentlichen Marktanteil abdecken (über 70 % der Aktiva), größtenteils oder ganz in Staatshand sind. Der russische Kapitalmarkt, das Geschäft mit Wertpapieren aller Art, war bereits vor Beginn des Krieges nicht besonders groß und hat durch den Ausschluss aus dem Weltfinanzmarkt noch weiter an Bedeutung verloren, weshalb die Finanzierung durch Aktien und Anleihen in Russland eine untergeordnete Rolle spielt. Die Ausstattung der Wirtschaft mit Kapital erfolgt im Wesentlichen durch die Kreditvergabe der russischen Banken.

[21]Das betrifft prominent die Rüstungsindustrie, deren Absatz durch den kaufkräftigen Bedarf des Staates zwar gesichert ist, allerdings zu Preisen, die er festlegt und mit Blick auf seinen Haushalt knapp kalkuliert. Damit sichergestellt ist, dass diese Firmen trotzdem Kredite zu tragbaren Zinsen erhalten, macht er den Banken, die wegen der nötigen Geheimhaltung als Kontrollinstanz eine entsprechende Lizenz bekommen haben, die Vorgabe – teils per gesetzliche Verpflichtung, teils in Form von Angeboten –, sie zu günstigen Konditionen zu kreditieren.

Daneben unterhält der Staat eine Vielzahl an Förderprogrammen, um auch zivile Bereiche seiner Wirtschaft wie beispielsweise die Landwirtschaft, den Wohnungsbau oder den Infrastrukturausbau mit zinsgünstigen Krediten zu versorgen. Unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen können russische Banken daran teilnehmen und mithilfe verschiedener Kreditstützungsmechanismen daran verdienen.

[22]Die Zentralbank hat die Anforderungen an die Qualität der zu hinterlegenden Sicherheiten herabgesetzt, die vorgeschriebenen Eigenkapitalquoten wurden gesenkt und die formalen Kriterien für Kreditprüfungen und Dokumentationspflichten gelockert. Banken, die zinsgünstige Kredite vergeben, erhalten dafür in Form von niedrigen Refinanzierungszinsen vereinfachten Zugang zu Refinanzierungsmitteln der Notenbank; auch die Bewertung notleidender Kredite wurde temporär entschärft, um Bankbilanzen zu entlasten.

Die Zentralbank dokumentiert in einem Bericht von 2024:

 „Aufgrund des beispiellosen Ausmaßes der Sanktionen während der Krise von 2022 hat die Bank von Russland die umfangreichsten regulatorischen Lockerungsmaßnahmen in der Geschichte umgesetzt. Die Freigabe aller Kapitalpuffer ging mit dem Verzicht auf Verlustrückstellungen, mit Zahlungsaufschüben für Kreditnehmer usw. einher. Diese Maßnahmen trugen dazu bei, einen reibungslosen Marktbetrieb und eine nachhaltige Kreditvergabe der Banken aufrechtzuerhalten.“ (Report on the Bank of Russia’s anti-crisis measures, Bank of Russia, 2024)

In der Auflistung ihrer Neuregelungen finden sich unter anderem: ein Moratorium für die Anerkennung negativer Neubewertungen von Wertpapieren, die Aussetzung der Neubewertung von Derivaten, die Möglichkeit der Nichtanerkennung einer verschlechterten Schuldendienstqualität für bestimmte Kategorien von Kreditnehmern, die Veränderung der Risikokennzahlen für bestimmte Kategorien von Kreditnehmern, die Freigabe von makroprudenziellen Puffern (eine Art Krisenrücklagen), die Reduzierung der makroprudenziellen Puffer für neue Kredite und die Aufhebung der Basler Puffer für Kapitaladäquanzquoten.

Zugleich wird die Refinanzierung dieser Kreditvergabe massiv ausgeweitet:

 „Der Bedarf der Banken an Liquiditätshilfen der Zentralbank im Zusammenhang mit den massiven Bargeldabhebungen wurde durch Repo-Geschäfte und Kredite, die mit nicht marktfähigen Vermögenswerten besichert waren, mehr als gedeckt. In einigen Fällen wurden Repo-Auktionen ohne Begrenzung durchgeführt. Bei Repo-Geschäften verwendete die Bank von Russland vorübergehend die vor Beginn der Sanktionskrise geltenden Preise für Sachanlagen. Wie in früheren Krisen lockerte die Bank von Russland vorübergehend die Anforderungen an die Sicherheiten. Die Senkung der erforderlichen Reservesätze erleichterte ebenfalls die Freigabe von Liquidität.“ (Ebd.)

Ein Teil der Maßnahmen wird wegen der wachsenden Sorge um die Finanzstabilität 2024–2025 wieder zurückgenommen, viele Maßnahmen bleiben.

[23]Das führt zu einer massiven Ausweitung des Kreditvolumens, vor allem in der Abteilung Unternehmenskredite. Um das genaue Ausmaß, die besondere Beschaffenheit, Stabilität und Nachhaltigkeit wird von allen Seiten schon deshalb heftig gestritten, weil die Frage, wie Russland diesen Krieg finanziert, mit der Frage nach den Erfolgsaussichten interessiert verwechselt wird. Hier eine Stellungnahme aus dem westlichen Anti-„Alarmisten“-Lager:

 „Nach Angaben der Zentralbank beträgt der Gesamtanstieg der Unternehmenskredite seit 2022 nicht mehr als 300 Milliarden. Das ist weit weniger als die von Alarmisten genannten 415 Milliarden. Noch wichtiger ist, dass etwa zwei Drittel davon darauf zurückzuführen sind, dass Unternehmen nach der groß angelegten Invasion in der Ukraine Fremdwährungsschulden durch Rubelschulden ersetzt haben. Diese neuen Rubelkredite sind zwar zu höheren Zinssätzen verzinst, eliminieren aber Währungsrisiken. Darüber hinaus können sie nicht als Kriegskredite betrachtet werden. Vor allem ist es falsch, dieses Geld zu den offiziellen Ausgabenzahlen hinzuzufügen: Alle Kreditsubventionen sind bereits in den Haushaltsdaten enthalten, beispielsweise im staatlichen Rüstungsprogramm, dem Programm zur Unterstützung von KMU, landwirtschaftlichen Erzeugern und anderen.“ (The Bell, 17.1.25)

[24]Die offizielle russische Staatsverschuldung – im Wesentlichen eine Inlandsverschuldung – ist im internationalen Vergleich gering und auch seit der Umstellung auf Kriegswirtschaft nur moderat, auf etwa 20 % des BIP, gestiegen. Dem demonstrativen Stolz der Regierung, die Kriegswirtschaft ohne großen Anstieg der Neuverschuldung des Staatshaushalts zu finanzieren, steht die politökonomische Wahrheit gegenüber, dass sie die nationale Verschuldung in Form der von der Notenbank ins Werk gesetzten Schöpfung von Rubelkredit von bisherigen Schranken befreit hat und rekordverdächtig steigen lässt.

[25]„In Anbetracht der beträchtlichen Ausweitung der zinsverbilligten Kredite gewinnt die Frage nach ihren Auswirkungen auf die Volkswirtschaft im Allgemeinen und auf die Steuer- und Geldpolitik im Besonderen zunehmend an Bedeutung… Die subventionierten Kredite, die im Rahmen dieser Regelung vergeben werden, führen auch zu einer Ausweitung der Geldmenge und verzerren die Umsetzung der Geldpolitik. Da diese Kredite jedoch zu individuellen Bedingungen vergeben werden, ist diese Form der subventionierten Kreditvergabe weniger transparent, was eine Bewertung ihrer Auswirkungen auf den Geldumlauf und die Inflation erschwert. Insbesondere gibt es keine einheitlichen Statistiken über diese Art der Kreditvergabe…“ (Bank of Russia, Monetary Policy Guidelines for 2024–2026, 1.11.23)

 

 

 

 

 

 

Der Beitrag erschien  im GEGENSTANDPUNKT Heft 3 -25 https://de.gegenstandpunkt.com/ cco.

Bildbearbeitung: L.N.