Immer wenn eine Wahlperiode zu Ende geht, wird der Sozialbericht der Bundesregierung vorgelegt.
Während die Schere zwischen Arm und Reich sich weiter öffnet, schwadroniert der Sozialbericht der Bundesregierung von dem „Sozialschutz ist auf einem soliden Niveau“, dem „Sozialschutz in Deutschland im europäischen Vergleich angemessen“ und dem Sozialstaat als „wesentlicher Garant für individuelle Freiheit, soziale Gerechtigkeit und solidarisches Miteinander“.
Die Bundesregierung verweist darauf, dass die Sozialhilfeausgaben immer stärker ansteigen und bringt damit die organisierte Unternehmerschaft auf den Plan, die ihre zu hohe Belastung durch Sozialabgaben beklagen und mal wieder die Senkung der „Lohnnebenkosten“ von der Politik fordern.
Verschwiegen wird, dass die eigentliche Belastung die Sozialleistungsempfänger und die prekär Beschäftigten bei uns tragen und die soziale Sicherung für immer mehr Menschen nicht mehr gewährleistet ist.
Vor dem Hintergrund von
· rund 2,5 Millionen arbeitslosen Menschen gemäß offizieller Statistik,
· über 7 Millionen Menschen, die mit Arbeitslosengeld und/oder Hartz-IV-Leistungen auskommen müssen,
· knapp 6,39 Millionen Menschen, die in einem Hartz-IV-Haushalt leben, darunter über 2 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren,
· 1,1 Millionen Beschäftigte, die ergänzende Hartz IV-Leistungen erhalten, da sie von ihrer Arbeit nicht leben können,
· vorgelagerte Systeme wie die Renten- oder die Pflegeversicherung, die nicht mehr in der Lage sind, soziale Sicherheit zu gewährleisten, so dass die Betroffenen eine Sozialhilfeleistung in Anspruch nehmen müssen,
· einer Gesetzliche Rentenversicherung so umgebaut wurde, dass sie nicht mehr vor Altersarmut schützt
und einer Sozialen Pflegeversicherung, die nur einen Teil der anfallenden Kosten deckt schwadroniert der Sozialbericht der Bundesregierung von dem „Sozialschutz ist auf einem soliden Niveau“, dem „Sozialschutz in Deutschland im europäischen Vergleich angemessen“ und dem Sozialstaat als „wesentlicher Garant für individuelle Freiheit, soziale Gerechtigkeit und solidarisches Miteinander“.
Aus der Pressemitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS):
„Mit dem Sozialbericht dokumentiert die Bundesregierung Umfang und Bedeutung der sozialstaatlichen Leistungen und die in diesem Kontext ergriffenen Reformen in der jeweiligen Legislaturperiode. Er besteht aus zwei Teilen: Teil A gibt einen umfassenden Überblick über Maßnahmen und Vorhaben der Gesellschafts- und Sozialpolitik. Teil B widmet sich dem Sozialbudget, mit dem die Bundesregierung in regelmäßigen Abständen über Umfang, Struktur und Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben der einzelnen Zweige der sozialen Sicherung in der Bundesrepublik Deutschland informiert. Dabei wird die ansonsten übliche jährliche tabellarische Berichterstattung des Sozialbudgets durch eine ausführliche Beschreibung der einzelnen Sicherungssysteme ersetzt und durch eine Vorausschau auf die künftige mittelfristige Entwicklung der Sozialleistungen ergänzt.
Die zentralen Ergebnisse für 2016 sind:
- Der Sozialschutz ist auf einem soliden Niveau: Für Sozialleistungen wurden insgesamt 918 Mrd. Euro ausgegeben. Gegenüber 2015 stiegen die Leistungen um rund 33 Mrd. Euro bzw. rund. 3,7 %.
- Der Zuwachs fällt etwas höher aus als das Wirtschaftswachstum. Die Sozialleistungsquote – das Verhältnis der Leistungen zum BIP – ist mit 29,3 % gegenüber dem Vorjahr (29,2 %) leicht gewachsen.
- Im Mittelpunkt steht der Schutz vor den zentralen Lebensrisiken: Mehr als 80 % der Sozialleistungen bzw. gut 720 Mrd. Euro dienten zur Absicherung der Risiken Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Invalidität, Alter und Tod.
- Der Sozialschutz in Deutschland ist auch im europäischen Vergleich angemessen: Deutschland lag 2014 (letzte verfügbare Daten) auf dem neunten Platz der EU-28 Länder mit einer Sozialleistungsquote leicht über dem EU-Durchschnitt. Deutlich höhere Sozialleistungsquoten wiesen z. B. Frankreich oder Dänemark auf.
Nach den Ergebnissen einer Modellrechnung zur Entwicklung der Sozialleistungen bis 2021 wird die Sozialleistungsquote im Jahr 2017 um 0,5 Prozentpunkte auf 29,8 % steigen. Dieser Anstieg ist Folge von gesetzlich geregelten Leistungsverbesserungen in verschiedenen Bereichen der gesetzlichen Krankenversicherung, mit denen eine gut erreichbare Versorgung der Patientinnen und Patienten auf hohem Niveau gestärkt wird. Dazu kommt die Neuregelung in der Pflegeversicherung durch das zweite Pflegestärkungsgesetz 2016, mit der ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt wurde. Zudem hat die hohe Rentenanpassung zum 1. Juli 2016 zum Anstieg der Sozialleistungen beigetragen, da sie 2017 als volles Jahr wirkt.
Der Sozialbericht 2017 verdeutlicht nicht nur die Verflechtung des Sozialen mit einer Vielzahl von Politikbereichen. Es zeigt sich auch, wie wichtig der Sozialstaat für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland ist. Er ist seit fast 70 Jahren ein wesentlicher Garant für individuelle Freiheit, soziale Gerechtigkeit und solidarisches Miteinander. Er hat sich als belastbar und flexibel bewiesen – immer dann, wenn es darum ging, auf soziale, wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen angemessene Antworten zu finden.
Für die Zukunft wird es darauf ankommen, die bewährten Prinzipien des Sozialstaats – Absicherung von individuellen Lebensrisiken, Organisation von Solidarität sowie Eröffnung von Chancen zur gesellschaftlichen Teilhabe für alle – aufrecht zu erhalten und weiterzuentwickeln. Wie die Bundesregierung diesem Anspruch in der vergangenen Legislaturperiode gerecht geworden ist, dokumentiert der vorliegende Bericht“.
Für die Zukunft reicht es nicht das Lippenbekenntnis, die „bewährten Prinzipien des Sozialstaats aufrecht zu erhalten und weiterzuentwickeln“ zu wiederholen. Um der fortschreitenden Verarmung und Verelendung entgegenzutreten, muss ein radikaler Wechsel in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik erfolgen. Es muss u.a. kurzfristig
- Arbeit wieder existenzsichernd
- der Mindestlohn auf 12 Euro die Stunde erhöht
- systematische Niedriglohnbeschäftigung wie Leiharbeit abgeschafft
- die gesetzliche Rente gestärkt und armutsfest gemacht
- die Altersarmut bekämpft
- die Abschläge bei der Erwerbsminderungsrente entfernt
- die Pflegeversicherung von der Teilkostendeckung zur Pflegevollversicherung weiterentwickelt
werden und Schluss sein mit den „Reformen“ die die Umverteilung von unten nach oben erst ermöglichen.
Quelle: BMAS Bild: Sozialberatung Oldenburg Der Sozialbericht 2017 kann hier http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/a-101-17-sozialbericht-2017.pdf;jsessionid=9834954173008B3CE2E22F66D659A57A?__blob=publicationFile&v=2 heruntergeladen werden.