Wer muss worauf verzichten? Verbreitung materieller Entbehrungen in Nordrhein-Westfalen

Von Thomas Müller und Eva Munz

„Auch in Nordrhein-Westfalen gibt es Haushalte, die es sich aus finanziellen Gründen nicht leisten können, jährlich mindestens eine Woche Urlaub woanders als zu Hause zu verbringen oder unerwartete Ausgaben aus eigenen Finanzmitteln zu bestreiten. Mit der Verbreitung solcher Mangelsituationen in Nordrhein-Westfalen befasst sich dieser Beitrag. Wie hängen geringes Einkommen und materielle Entbehrungen zusammen? Sind Haushalte mit Kind(ern) öfter betroffen als andere?

Ob materielle Entbehrungen vorliegen oder nicht, hängt stark mit der Einkommenssituation zusammen. Einkommensarme Personen sind überdurchschnittlich häufig von den erfragten Mangelsituationen betroffen. Am häufigsten verbreitet ist dabei der Mangel an finanziellen Reserven, um unerwartet anfallende Ausgaben zu bestreiten.

Es lässt sich aber nicht direkt von der Einkommensarmut auf das Vorliegen materieller Entbehrung schließen. So zählt die Mehrheit der einkommensarmen Personen nicht zu denjenigen mit materiellen Entbehrungen im Sinne der EU-Definition. Zugleich treten materielle Entbehrungen durchaus auch bei Personen auf, die nicht einkommensarm sind.

Leben Kinder im Haushalt, so werden auch unter der Bedingung von Einkommensarmut vergleichsweise selten Mangelsituationen in den elementaren Bereichen Ernährung und Mobilität in Kauf genommen. Dafür sind Personen aus Haushalten mit Kind(ern) überdurchschnittlich häufig von einer sehr angespannten Finanzsituation betroffen: Es sind häufig keine finanziellen Reserven vorhanden, die unerwartete Ausgaben oder eine Woche Urlaub pro Jahr erlauben würden; auch Zahlungsschwierigkeiten sind stärker verbreitet.

Interessant wäre es, neben den haushaltsbezogenen Mangelsituationen auch die Mangelsituationen in Bezug auf die persönliche materielle Ausstattung und soziale Teilhabe differenziert nach Einkommenssituation und Haushaltstyp zu betrachten. Auch dazu gibt es Fragenkomplexe in EU-SILC. Für eine differenzierte Analyse reichen die Fallzahlen leider nicht aus. Erste Anhaltspunkte zur Verbreitung diesbezüglicher Mangelsituationen können die Auswertungen zum Sozialbericht NRW 2016 geben (MAIS 2016: 222f).

Zukünftig sind fachlich und räumlich tiefere Auswertungsmöglichkeiten auf Basis der Datenquelle EU-SILC zu erwarten. Ab dem Jahr 2020 wird EU-SILC im Zuge einer Neukonzeption des Systems der Haushaltserhebungen in der amtlichen Statistik in den Mikrozensus integriert. EU-SILC wird dann statt wie bisher mit freiwilliger Auskunftserteilung mit Auskunftspflicht erhoben, zudem wird der Stichprobenumfang gegenüber dem Status quo mehr als verdoppelt. Außerdem ist absehbar, dass aufgrund von Qualitätsanforderungen der EU für EU-SILC in zukünftigen Erhebungen Ergebnisse bis auf die Ebene der Regierungsbezirke (NUTS-2) ausgewertet werden“.

Mehr Informationen und Datei herunterladen: Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW), Geschäftsbereich Statistik https://webshop.it.nrw.de/gratis/Z259%20201757.pdf

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