Statt die krank machenden Arbeitsbedingungen zu verändern, bläst der Versicherungskonzern HUK-Coburg zur Jagd auf Kranke. In der Hamburger Niederlassung zum Beispiel filterten Führungskräfte unter den 200 Beschäftigten sieben Kolleg/innen mit längeren oder häufigeren krankheitsbedingten Fehlzeiten heraus. Die erschienen – weil ohne Unterhaltspflichten – wohl für eine personenbedingte Entlassung besonders geeignet. Im April 2017 erhielten sie – obwohl langjährig, bis zu 34 Jahre beschäftigt – die Kündigung, obwohl der Betriebsrat widersprochen hatte.
Kündigung wäre nur aus wichtigem Grund möglich
Bei einigen von ihnen scherte sich die Geschäftsleitung auch nicht um den geltenden Manteltarifvertrag, nach dem „Angestellten, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und dem Unternehmen mindestens zehn Jahre angehören, sowie Angestellten, die dem Unternehmen 25 Jahre angehören, nur aus wichtigem Grund gekündigt werden“ kann, also nur dann, wenn es einen Grund zur fristlosen Entlassung gibt.
Und weil der ganze Betrieb mitkriegen sollte, woher der Wind weht, verbreitete der Arbeitgeber die Nachricht von den Entlassungen durch Rundschreiben. Anschließend wurden weitere zwei Dutzend Beschäftigte zu „Personalgesprächen“ vorgeladen und erhielten nach internen Berichten die Ansage, auch sie müssten mit Kündigung rechnen, wenn sie ihre Fehlzeiten nicht reduzierten.
Mit alledem habe die Geschäftsleitung der HUK-Coburg in Hamburg „ein unerträgliches Klima der Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes geschaffen“, stellte der ver.di-Fachgruppenvorstand Versicherungen der Landesbezirke Hamburg und Nord in einem Protestschreiben an HUK-Coburg-Personalvorstand Sarah Rössler fest. Dabei seien es doch „zum großen Teil die Arbeitsbedingungen selbst und der ungeheure Arbeitsdruck, die zu den Krankheiten führen – besonders zu physischen und psychischen Überlastungen“, lautet die Analyse der Gewerkschaftsvertreter.
So hat dann auch das Hamburger Arbeitsgericht der Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse (HUK) mit Sitz im fränkischen Coburg erst einmal einen Strich durch die Rechnung gemacht: Drei unterschiedliche Kammern des Gerichts gaben allen vier vorliegenden Kündigungsschutzklagen statt und verurteilten das Unternehmen dazu, die Kläger/innen jeweils zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen. Zur Begründung führten die Richter/innen in allen Fällen an, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt, weil ein „Betriebliches Eingliederungsmanagement“ (BEM) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) jeweils nicht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden sei.
Konzern geht in Berufung
Doch auch nach den Entscheidungen des Hamburger Arbeitsgerichts erhält der HUK-Coburg-Konzern, der sich nach außen hin gern arbeitnehmer- und gewerkschaftsfreundlich darstellt, den Druck auf seine bundesweit 10.000 Beschäftigten aufrecht und legt Berufung zum Landesarbeitsgericht ein. Die erste Verhandlung dort ist für den 8. März 2018 angesetzt.
Aktenzeichen: 12 CA 142/17, 9 Ca 190/17, 15 Ca 223/17 und 15 Ca 224/17
Quelle: ver.di news Bild: dgb-rechtsschutz