Neue Schuldenfallen durch öffentliche Gläubiger – die Drangsalierung armer Schuldner am Beispiel Dortmund

Anfang Oktober 2019 berichtete die Lokalpresse darüber, dass 70.000 Dortmunder einen negativen Schufa-Eintrag haben, das wären schon 12,5 Prozent der Bevölkerung oder jeder achte Dortmunder der bei der Schutzgemeinschaft für Kreditsicherung (Schufa) einen negativen Eintrag haben und damit bei Kreditaufnahmen, Handyverträgen und der Wohnungssuche benachteiligt sind.

Solide Aussagen zur Überschuldung in der Stadt lassen sich von den Schufa-Einträgen nicht ableiten, denn die Schulden der Bürger bei den öffentlichen Gläubigern stellen ein größeres Problem dar, als vielen Menschen bekannt ist. Für die Betroffenen sind das Schulden, deren Eintreibung richtig heftig ausgestaltet ist, tragbare Regulierungs- und Rückzahlungsmöglichkeiten werden zunehmend ignoriert.

Lieber wird sofort das gesamte Marterpaket ausgerollt, die Lohn- und Kontopfändung ausgebracht, die Vermögensauskunft abgenommen und der Eintrag in das Schuldnerverzeichnis vorgenommen. Der überschuldete Mensch kommt an sein Geld auf der Bank nicht mehr ran, riskiert seinen Arbeitsplatz durch die Lohnpfändung zu verlieren und seine Vermögenssituation kann beim Amtsgericht im Schuldnerverzeichnis eingesehen werden.

Die Schufa

In den Augen vieler Verbraucher ist die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (Schufa) ein Datenkrake, der auf undurchsichtige Weise zu Bewertungen kommt, die sich direkt auf ihr Leben auswirken können.

Ein negatives Ranking bei der Schufa kann dazu führen, dass Banken ihren Kunden keinen Kredit gewähren, sie einen höheren Zinssatz zahlen müssen oder dass Telekommunikationsfirmen sich weigern, ihnen einen Internetanschluss bereitzustellen.

Verschuldete Menschen haben oft einen unglaublichen Respekt vor der „Institution“ Schufa, die eigentlich das Geschäftsmodell der Bewertung der Kreditwürdigkeit verfolgt. Sie wissen nicht wie die Bewertungen zustande kommen und fühlen sich ihr völlig ausgeliefert. Sie haben diese Angst zu Recht, da die Schufa durch das sogenannte Scoring zu ihren Bewertungen kommt. Das erstellte Profil wird mit einer geheimen Formel berechnet und es ist unklar, welche Daten in welcher Gewichtung ins Scoring einfließen. Verbraucherschützer meinen entschlüsselt zu haben, dass Bürger besser bewertet werden, je weniger Konten oder Handyverträge sie haben und dass häufige Umzüge eher zu einer negativen Bewertung beitragen.

Rund zehn Prozent der 70 Millionen Menschen in Deutschland, die nach Angaben der Schufa dort ein Profil haben, haben einen oder mehrere negative Einträge. Eine Überprüfung der Einträge findet allerdings nicht statt, Fehleinträge sind so durchaus möglich. Zu den möglichen Falscheinträgen im Schufa-Algorithmus kommen noch fehleranfällige Schnittstellen bei den rund 9.000 Vertragspartnern wie Banken, Telekommunikationsanbietern und Versandhändlern hinzu.

Fast jeder Vermieter will die Schufa-Auskunft zur Bewertung der Kreditwürdigkeit des künftigen Mieters sehen. Versandhändler und Banken rufen sie ab, ohne dass der Betroffene etwas mitbekommt. Die Datenauskunft soll Aufschluss darüber geben, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass jemand seine Rechnungen begleichen, die Miete zahlen oder einen Kredit bedienen kann.

Die Schufa sieht sich selbst als Dienstleister, der den Unternehmen zu soliden Geschäftsabschlüssen verhelfen will.

Es gibt zwar neben der Schufa noch weitere Auskunfteien wie etwa Creditreform oder Arvato Infoscore, doch für die meisten Verbraucher ist die Schufa die bekannteste und manche Menschen halten sie sogar für eine Behörde.

Das Unternehmen

Die Schufa ist eine privatwirtschaftliche deutsche Wirtschaftsauskunftei in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft mit dem Geschäftssitz in Wiesbaden. Zu den Aktionären gehören Kreditinstitute, Handelsunternehmen und sonstige Dienstleister.

Im Geschäftsjahr 2018 erwirtschafteten die rund 900 Beschäftigten bei der Schufa Holding AG einen Umsatz von über 190 Millionen Euro.

Im vergangenen Jahr verfügte die Schufa über 943 Millionen Einzeldaten zu 67,7 Millionen natürlichen Personen und zu 6 Millionen Unternehmen. Die Schufa bearbeitet jährlich mehr als 165 Millionen Anfragen zur Kreditwürdigkeit. Davon gehen 2,5 Millionen Auskünfte an Verbraucher, die ihre Daten einsehen wollen. Die Schufa ist eine reine Datensammelstelle und verlässt sich dabei auf die Angaben ihrer Vertragspartner. Sie speichert beispielsweise schon dann Daten, wenn man ein Konto eröffnet.

Die Schufa selbst erhebt keine Daten und führt keine Recherchen durch. Vertragspartner der Schufa im europäischen Binnenmarkt sind beispielsweise Banken, Bausparkassen, Versicherungen, Versandhandelsunternehmen, Leasinggesellschaften, Kaufhäuser, Telekommunikationsunternehmen und Inkassounternehmen. Kreditvermittler gehören nicht mehr zu den Vertragspartnern der Schufa. Zusätzlich wertet sie die Schuldnerverzeichnisse der deutschen Amtsgerichte aus, in die Schuldner eingetragen werden, die eine Vermögensauskunft abgeben mussten.

Die Vertragspartner der Schufa erhalten von der Schufa zwei Arten von Auskünften zurück, die A-Auskunft und die B-Auskunft. Die B-Auskünfte enthalten nur Angaben darüber, ob sich der Kunde vertragstreu verhalten hat und beispielsweise die Raten ordnungsgemäß zahlt. Die A-Auskünfte sind umfassender. Für Kreditvergabe, Führung eines Girokontos und die Ausgabe von Kreditkarten erhalten die Vertragspartner (hier hauptsächlich die Banken) neben den B-Auskünften Informationen über die gesamte Belastung der Schuldner

Scoring

Die Schufa kommt zu ihren Bewertungen durch das sogenannte Scoring. Um das Kreditprofil des einzelnen Menschen zu erstellen, rechnet sie mit einer geheimen Formel.

Wie der Score-Wert letztendlich zustande kommt, wird von der Schufa nur vage verraten. Demnach bekommt sie von Tausenden Unternehmen Daten über das Zahlungsverhalten von Kunden. Also darüber, ob etwa Kredite beantragt oder zurückgezahlt oder ob Rechnungen aktuell beglichen werden. Diese Daten stellt die Schufa mithilfe eines „etablierten und geprüften“ Rechenmodells den Daten anderer Kreditnehmer und zwar „Hunderttausenden“ gegenüber.

Die einzelnen Score-Werte werden je nach Branche und aufgrund unterschiedlicher Daten berechnet. So können Scores sich bei ein und demselben Verbraucher unterscheiden, je nachdem ob eine Bank oder ein Versandhändler Auskunft über die Kreditwürdigkeit haben möchte.

Der Score-Wert ist abhängig vom Zweck, für den er angefragt wird – so erhalten beispielsweise Versicherungen andere Scorewerte als Mobilfunkanbieter. In die Score-Werte gehen unter anderem die Anzahl der Wohnungswechsel und die Anzahl der Bankkonten ein.

Der einzelne Kunde wird nicht nach seinen persönlichen Daten bewertet, sondern nach den Daten einer Vergleichsgruppe mit ähnlichen Daten. Der Score soll rein statistisch prognostizieren, ob ein bestimmter Kreditvertrag sich ähnlich entwickeln wird wie die Kreditverträge von Vergleichspersonen in der Vergangenheit. Wichtige Daten, wie fester Arbeitsplatz und hohes Einkommen werden nicht berücksichtigt, weil die Schufa zu Vermögen und Beruf keine Daten sammeln darf.

Der Score (Punktestand) wird dann mit einem Prozentwert zwischen eins und Hundert angegeben, den der Computer ermittelt hat.

Auch wer sich nichts zuschulden kommen lässt, kann einen schlechteren Score erhalten und seine Bonität angezweifelt werden. Der Grund dafür ist das Prognoseverfahren der Schufa. Je niedriger der Wert, desto schlechter ist die finanzielle Prognose. Die Prognose betrifft die prozentuale Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls. Ein hoher Wert sagt aus, dass die Rückzahlung etwa eines Kredits sehr wahrscheinlich ist, ein niedriger, dass die Rückzahlung fraglich sein kann.

Das genaue Scoring-Verfahren ist unter Verschluss. Es basiert angeblich „auf einem logistischen Regressionsmodell, das die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Zufallsereignisses mit zwei möglichen Ausgängen modelliert“.

Das geheimnisvolle Scoring hat schon dazu geführt, dass

  • es durchaus möglich ist, dass die Schufa einen Verbraucher gar nicht kennt und führt und der erst durch die Anfrage des Unternehmens in die Datenbank kommt.
  • das Einholen von Kreditangeboten als äußerst negatives Merkmal in das Scoring einfließt, wenn die Bank bei der Schufa-Anfrage den Anfragegrund „Anfrage Kredit“ statt „Anfrage Kreditkondition“ angibt. Diese Praxis ist inzwischen verboten, wirkt aber im Alltag immer noch nach.
  • Informationen aus sozialen Medien, z. B. Facebook, genutzt und auch Daten zur Wohngegend bei den Berechnungen herangezogen werden. Die Schufa bestreitet das zwar und versichert, dass dies in fast 99 Prozent der Berechnungen nicht der Fall sei.
  • Telekommunikations-Unternehmen ihren Kunden mit einem Schufa-Eintrag drohten und diesen dann vornahmen, wenn die Kunden wegen ausbleibender Leistungen den Vertrag kündigten. Bei widersprochenen Forderungen darf zwar gemäß § 28a Abs. 1, S. 1 Ziff. 4 Bundesdatenschutz keine Datenübermittlung und auch nach den Schufa-Richtlinien kein Eintrag erfolgen, die Schufa prüft dies aber nicht selbst.
  • der Betroffene, vorzugsweise über einen Anwalt, der Schufa einen Widerspruch eingereicht hat, dann löscht die Schufa den Eintrag zwar, der Rufschaden bleibt aber meistens bestehen. Strafanzeigen gegen das meldende Unternehmen wegen Verleumdung gemäß § 187 Strafgesetzbuch werden von den Staatsanwaltschaften regelmäßig eingestellt mit der Begründung, dass der Verursacher, also die einzelne Person in dem Unternehmen kaum zu ermitteln sei.
  • im Ergebnis der Schufa eine sehr hohe Fehlerquote hatte. Dies attestierte das Bundesverbraucherschutzministerium zuletzt 2009 als es eine Studie über die Fehlerquoten verschiedener Auskunfteien erstellte.
  • die Stiftung Warentest für ihre Zeitschrift Finanztest schon 2003 eine Untersuchung durchgeführt und herausgefunden hat, dass 69 Prozent der Daten unvollständig, veraltet oder falsch waren.
  • das Amtsgericht Hamburg (Aktenzeichen 9 C 168/01) die Schufa dazu verurteilte, es zu unterlassen, den Score-Wert eines Kaufmanns an ihre Vertragspartner weiterzugeben. Das Urteil betrifft jedoch nur diesen Einzelfall. Wer verhindern will, dass die Schufa den persönlichen Score-Wert weitergibt, muss ihr das unter Verweis auf das Urteil selbst untersagen

und

wenn es verhindert wird, den Score-Wert der Schufa an ihre Vertragspartner weiterzugeben, dann bei der Schufa-Abfrage kein Score-Ergebnis erscheint. Der Bankangestellte wird dann keinen Kredit geben, seine Vorgabe lautet: ohne Score keinen Kredit.

Intransparenz

Die Schufa steht seit ihrem Bestehen in der Kritik, vor allem wird ihr Intransparenz vorgeworfen. Besonders beim Scoring ist es unklar, welche Daten in welcher Gewichtung einfließen.

Die Schufa selbst sieht die Algorithmen, die zur Bewertung des Scores führen, als „schützenswertes Geschäftsgeheimnis“ an. Dieses sei „nicht jedermann gegenüber offenzulegen“. Sie verweist auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), der die Klage einer Frau abgewiesen hatte. Der BGH bestätigte am 28. Januar 2014 (AZ VI ZR 156/13) ein Urteil des Landgerichts Gießen, demzufolge der Informationsumfang der Schufa-Auskunft zum Score den Anforderungen des neuen Datenschutzgesetzes – BDSG – genügt und die genaue Scoreberechnung als Geschäftsgeheimnis betrachtet werden kann.

Als Bonbon für die Verbraucher gab es noch etwas Positives obendrauf: der BGH legte fest, dass ein durch eine Bonitätsauskunft der Schufa Betroffener einen Anspruch auf eine kostenlose Auskunft darüber hat, welche personenbezogenen, insbesondere kreditrelevanten Daten dort gespeichert sind.

Ein wenig Licht in die Geheimniskrämerei und ein wenig Bewegung in der sturen Haltung der Schufa versprechen sich viele Betroffene durch das Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung im Mai 2018.

In einer ersten Reaktion passte die Schufa ihre Geschäftsbedingungen an und löschte die Einschränkung „einmal jährlich“ für das kostenfreie Auskunftsrecht.

Nicht viel, aber immerhin.

 

 

Schulden bei Öffentlichen Gläubigern

Den meisten Menschen ist verborgen geblieben, welches Ausmaß die Ver- und Überschul-dung bei den sogenannten öffentlichen Gläubigern erlangt hat. Hatte man früher lediglich beim Jugendamt Unterhaltsschulden und beim Finanzamt Steuerschulden, fallen für die ärmeren Mensch immer mehr Verbindlichkeiten bei Ämtern, Krankenkassen, Agentur für Arbeit/Jobcenter und Sozialamt an. Der Einzug von betriebswirtschaftlichem Denken und Handeln und die Auswirkungen der Schuldenbremse haben ihren Teil dazu beigetragen.

Allein bei der Stadt Dortmund stauen sich in den letzten Jahren bis zu rund 150 Millionen Euro Forderungen jährlich auf.
Die öffentlichen Gläubiger erhoffen sich neuerdings von privaten Inkasso-Unternehmen, dass sie sich auch den „aussichtslosen“ Fällen, die sonst niedergeschlagen werden müssen kümmern, auch nach Feierabend der städtischen Behörden bei den Schuldnern anklingeln, schon mit ihren martialisch klingenden Firmennamen Angst verbreiten und mit mutter-sprachlichen Landsleuten Druck machen.

Aber viele öffentliche Forderungen, die bei den Bürgern in der Stadt entstanden sind, sind hausgemacht und wären leicht vermeidbar.

Wie bei allen Statistiken, die wie hier den Schuldenstand der Bürger bei den Städten  vergleichen, liegt die Tücke im Detail. Es hat sich herausgestellt, wenn eine Stadt z.B. intensiv nach Hunden fahndet, die die Besitzer nicht angemeldet haben, dann lautet die Formel: je mehr bekannte Hunde, desto höher sind die Außenstände. Wenn man also die Fahndung nicht durchführen würde, würde dies die Außenstände weit stärker senken und wäre kostengünstiger, als der teure Einsatz privater Inkasso-Firmen. Oder wenn die Stadt ihre Blitzer auf der Autobahn ausbaut, werden nicht nur die Einnahmen steigen, auch die Außen-stände vergrößern sich erheblich. Oder wenn ein einziges Großunternehmen in der Kommune die Steuern zurückhält oder später nachzahlt, bringt das die Zahlen völlig durcheinander.
Der Anstieg der Außenstände von säumigen Bürgern ist somit schlecht nachzuweisen. Was aufgezeigt werden kann ist, dass die öffentlichen Gläubiger, wenn sie selbst Schulden ein-treiben, oft ungesetzlich vorgehen, ihre Beratungspflicht verletzen, einzelne Schuldner völ-lig ruinieren können und eine kleine Forderung zu einem gesamt gesellschaftlichen Riesen-kostenbetrag anwachsen kann.

Anhand von einigen Beispielen können die vielschichtigen Prozesse zwischen den öffentli-chen Gläubigern und dem Bürger als Schuldner aufgezeigt werden.

Beitragsschulden für den sog. „Beitragsservice ARD, ZDF und Deutschlandradio“ (frühere GEZ)

Mit der Namensänderung wurde auch die Art der sogenannten Rundfunkgebühr geändert. Seit Januar 2013 wird jeder Haushalt – geräteunabhängig – zur Kasse gebeten.

Die Kommunen in NRW sind für die Eintreibung der Rundfunkgebühren verantwortlich. Sie arbeiten im Auftrag des WDR und erhalten dafür 23 Euro pro Fall. Der Beitragsservice kann so auf die städtischen Melderegister zugreifen, was für ihn sehr attraktiv ist.

Im Jahr 2013 gab es in Dortmund 6.082 säumige Zahler, gegen die ein Vollstreckungsverfahren eingeleitet wurde.  2014 waren es schon 7.126 Personen und im Jahr 2015 stieg die Zahl auf 9.128 an.

Wer nicht zahlt, bekommt vom Beitragsservice ARD, ZDF und Deutschlandradio (frühere GEZ) zunächst eine Zahlungserinnerung und dann eine Mahnung. Als letzte Stufe droht Zahlungsverweigerern die Vollstreckung, zum Beispiel durch Pfändung. Die Vollstreckungsersuchen stellt der WDR als zuständige Landesrundfunkanstalt an die Stadt und zahlt ihr pro Fall die 23 Euro, die aber laut Stadt Dortmund die Personal- und Sachaufwendungen nicht decken.

Schon im Jahr 2012 hatte es Ärger mit der Eintreibung der GEZ-Gebühren durch die Stadt gegeben. Die Stadt ist nur halbherzig ihrer Pflicht nachgekommen und hatte oft sogenannte „Fruchtlos-Protokolle” an die GEZ geschickt, wenn die Vollziehungsbeamten die Zahlungsunwilligen nicht antrafen oder diese sich nicht meldeten. Der WDR beschwerte sich beim Innenministerium in Düsseldorf, das per Erlass festlegte, „dass die Kommunen für die Vollstreckung der rückständigen Rundfunkgebühren zuständig sind.” Die Stadt Dortmund richtete daraufhin drei Stellen für die Eintreibung ein.

Heute wird seitens der Stadt Dortmund nicht lange gefackelt, wenn sie zur Eintreibung der rückständigen Gebühren aufgefordert wird. Es wird sofort hart durchgegriffen, die Lohn- und Kontopfändung wird ausgebracht und die Vermögensauskunft abgenommen, mit dem Eintrag in das Schuldnerverzeichnis und das alles auch bei Forderungen unter 100,00 Euro.

Spätestens ab diesem Zeitpunkt hat der Schuldner ein massives Problem, egal ob er wegen geringem Einkommen, Schussellichkeit oder Protest die Gebühren nicht abgeführt hat, er kommt an sein Geld auf der Bank nicht mehr ran, riskiert seinen Arbeitsplatz durch die Lohnpfändung zu verlieren und seine Vermögenssituation kann beim Amtsgericht in Hagen im Schuldnerverzeichnis eingesehen werden.

Wie schnell eine fast 1.000,00 Euro hohe Beitragsforderung entstehen kann zeigt die folgende Aufstellung: Az: 549 771 2__: 06.14 bis 03.15 = 10 x 17,98  Euro = 179,80 Euro  //  04.15 bis 11.17 =  32 x 17,50 Euro  =  560,00 Euro // = 739,80 Euro + 88,00 Säumniszuschläge + 82,42 Vollstreckungskosten = insgesamt 910,22 Euro. (Stand 01.12.2017)

In diesem Fall konnte die Entlassung des Schuldners aus seinem befristeten Arbeitsverhältnis und das Abrutschen in den HARTZ IV-Bezug nur durch Gespräche Dritter mit dem Arbeitgeber verhindert werden.

Die Frage ist, warum die Stadtverwaltung mit dieser Härte vorgeht und mit Kanonen auf Spatzen schießt, wenn die Vollstreckung für sie ein Minusgeschäft und sie die Verhältnismäßigkeit nicht einhält, da die gesamtgesellschaftlichen Kosten überhaupt nicht mit der Forderungshöhe im Einklang stehen.

Wie das Beispiel der Vorgehensweise in Dortmund zeigt, kann die Situation für säumige Beitragszahler äußert unangenehm werden und durch die Vollstreckungsmaßnahmen wird erheblich in den persönlichen Bereich eingegriffen.

Kitabeitragsschulden z.B. bei alleinerziehender Auszubildenden

Die Eltern in NRW konnten für eine kurze Zeit aufatmen, denn alle größeren Parteien, ob CDU, SPD, FDP, Grüne, Linke oder AfD, all diese Parteien versprachen im Wahlkampf zur Landtagswahl, dass sie die Kita-Gebühren komplett abschaffen wollten.

Bis heute hat niemand mehr davon gehört, auch nicht die alleinerziehende Frau, die sich in der Berufsausbildung befindet und bei der Stadt Dortmund Kitabeitragsschulden in Höhe von 18.472,55 Euro Stand 18.07.2016 angehäuft hat.

Die Stadtkasse als Vollstreckungsbehörde hat unter dem AZ. 113 624 6__ folgende Rechnung aufgemacht: Kindertagesstättenbeiträge von 01/2014 bis 04/2016 incl. Kosten und Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 18.472,55 Euro. Während des Erhebungszeitraums war die Frau zunächst im HARTZ -IV-Bezug und seit Sommer 2015 hatte sie eine Ausbildung begonnen mit einer Vergütung von 760,00 Euro netto.

Nun kann man sich leicht auf die „Satzung über die Erhebung von Elternbeiträgen für die Inanspruchnahme von Angeboten in Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflege und Offener Ganztagsschule in der Stadt Dortmund vom 19.12.2011“ berufen in der steht:

„§ 3 (4) Empfänger von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II -ALG II-), dem Sozialgesetzbuch XII (SGB XII (Sozialhilfe / Grundsicherung) oder dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) sind von der Zahlung eines Elternbeitrags befreit. Die Dauer des Bezugs ist durch Vorlage des Leistungsbescheides nachzuweisen“, oder sich formell auf „§ 6 Mitteilungs- und Nachweispflichten der Abgabepflichtigen“ berufen: „(2) Ohne eine entsprechende Nachweisführung zum Elterneinkommen ist der höchste Elternbeitrag zu leisten“, aber das hilft heute keinem der Beteiligten weiter.

Vielmehr sollte man die Beratungspflicht der Behörden einfordern, die in diesem Fall nicht erfüllt wurde, auch nicht durch das Jugendamt der Stadt Dortmund selbst, das die Frau in dem Erhebungszeitraum beraten und begleitet hat.

Hundesteuerforderungen

In Dortmund ist das Halten eines Hundes gegenüber anderen Städten sehr teuer. Allein für die Hundesteuer muss viel Geld aufgebracht werden. Für den ersten Hund fallen 156 Euro im Jahr an. Bei zwei Hunden sind es 204 Euro je Hund und bei drei Hunden 228 Euro. Die sogenannten Kampfhunde kosten sogar 468 Euro pro Jahr. 4,2 Millionen Euro nimmt die Stadt Dortmund jedes Jahr durch die Hundesteuer ein.

Allerdings werden die Einnahmen nicht in die Reinigung von Parks und Gehwegen oder das kostenlose Verteilen von Kotbeuteln gesteckt. Die Städte können selbst entscheiden, was sie mit diesen Steuereinnahmen machen, weil im Unterschied zu Gebühren und Beiträgen Steuern weder leistungs- noch vorteilsbezogen sind, auch ist mit ihrer Erhebung keine wie auch immer geartete Gegenleistung verbunden.

Den 26.651 Hunden in Dortmund dürfte das ziemlich egal sein, den Bürgern aber nicht.

Sie sind fassungslos, stinkesauer und leicht aufbrausend, wenn sie zur Steuerzahlung herangezogen werden, obwohl ihnen der Hund in der Wohnung gar nicht gehört. Gemäß § 1 Abs. 2 Hundesteuersatzung sind alle im Haushalt lebenden volljährigen Personen Gesamtschuldner. Das bedeutet, dass jeder Gesamtschuldner für den gesamten Steueranspruch als Steuerschuldner in Anspruch genommen werden kann. (Satzung zur zweiten Änderung der Hundesteuersatzung der Stadt Dortmund vom 08.10.2014).

So erging es auch einem Mann, der im Erhebungszeitraum von 2004 bis 2006 mit seiner Partnerin und Hundehalterin zusammenlebte. Unter dem Kassenzeichen 0411962__ will Stadtkasse und Steueramt für die Jahre 2004-2006 insgesamt 3.035,25 Euro (Stand Juni 2011- Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28.06.2011) an Hundesteuer, Säumniszuschlägen und Kosten haben.

Der Mann ist heute mit einer anderen Frau verheiratet, das Ehepaar hat 3 gemeinsame Kinder.

Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, hat die Stadt Dortmund wieder einmal alle Register gezogen und den Mann ständig und auch aktuell mit Lohn- und Kontopfändungen überzogen.

Der Hund, für den er vor über 10 Jahren satzungsgemäß hätte Hundesteuern zahlen müssen, ist mittlerweile verstorben, über den Aufenthalt seiner damaligen Partnerin ist ihm nichts bekannt. Bekannt aber ist durch die Vermögensauskünfte, die in der Schufa eingetragen sind, dass der Mann Schulden hat, keinen Kredit bekommt und nur eingeschränkt am wirtschaftlichen Leben teilnehmen kann.

Es ist schon verwunderlich, dass die Hundehaltung gegenüber anderen Städten besonders teuer ist, obwohl Dortmund bei der Anzahl der erwerbslosen, überschuldeten und armen Menschen immer an oberen Stellen steht. Für diese Menschen ist der Hund ein ganz wichtiger und meist der einzige Lebensbegleiter, dessen Haltung sie sich vom Mund absparen müssen.

Erschleichen von Beförderungsleistungen

Die Haftanstalten sind in den vergangenen Monaten an die Öffentlichkeit getreten und kritisieren, dass immer mehr Menschen dort einsitzen, die eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen müssen. Weil sie vom Gericht zu einer Geldstrafe verurteilt wurden und die sie entweder nicht zahlen können oder manchmal auch nicht zahlen wollen.

Das Delikt, das auch von der Stadttochter DSW 21 heftig geahndet wird, nennt man im Juristendeutsch „Erschleichen von Beförderungsleistungen“

Das Strafgesetzbuch sieht dafür eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vor. Schnell sind mal 1.500 Euro fällig, egal über was für ein Einkommen verfügt wird, auch HARTZ IV-Bezieher müssen zahlen. Zahlen diese Menschen nicht, müssen sie je nach Höhe der Geldstrafe die Schuld tageweise „absitzen“.

Wie leicht man auch in Dortmund in diesen Teufelskreis hineingeraten kann, zeigt der Fall eines jungen Mannes, der von der DSW 21 erwischt wurde und mit drakonischen Strafen zu rechnen hat.

Bei dem Mann hatte das Jobcenter keine Leistungen mehr gezahlt, weil für den Weiterbewilligungsantrag „Unterlagen nicht beigebracht“ wurden. Nachweislich war dies nicht der Fall, sondern alle Unterlagen waren vollständig abgegeben worden.

Der Mann war mittellos und wollte das alles noch einmal mit dem Jobcenter persönlich besprechen und wurde bei der U-Bahnfahrt mit nur 30 Cent in der Tasche kurz vor der Station Leopoldstraße von DSW 21 Mitarbeitern bei der „Erschleichen von Beförderungsleistungen“ auf frischer Tat ertappt.

Übrigens war dies sein erstes Vergehen, dennoch bekam er Post von der Staatsanwaltschaft Dortmund. Unter dem AZ: 737 Ds-266 Js 2044/17-7__/17.  wird er „in der Strafsache wegen Betruges auf Anordnung des Gerichts zu Hauptverhandlung in den Sitzungssaal 1.157 geladen“.

Das lässt nichts Gutes für den Mann erahnen, er läuft Gefahr, sein ganzes Leben lang als „Betrüger“ kriminalisiert zu werden.

Zusammenarbeit der Kommune mit Privatinkassofirmen

Bevor die Stadt Dortmund ihre Überlegungen zur Zusammenarbeit mit Privatinkassofirmen konkretisiert, sollte sie lieber die derzeitige restriktive Vollstreckungspraxis überdenken. Die oft unverhältnismäßig und unangemessen ist bzw. die Beitreibung selbst erst einen viel größeren volkswirtschaftlichen Schaden auslöst.

Auch sollte die Stadt Dortmund auf den Landesverband der Kommunalkassenverwalter hören. Dieser warnt davor, dass die Städte Privatfirmen beauftragen, denn die dürften auch nur anschreiben und die Schuldner auffordern zu zahlen – nicht mehr und nicht weniger.

Schulden bei der Bundesagentur/Jobcentern

In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass die Zahl der Personen, die bei der BA verschuldet sind, unglaublich schnell angestiegen ist.

Vor allem verleihen die Jobcenter immer mehr Geld an die erwerbslosen Bedürftigen oder an die Geringverdiener. Im Jahr 2017 erreichten die Darlehen, die Hartz-IV-Empfänger für Anschaffungen wie etwa einem Kühlschrank bekamen, eine Rekordsumme von 73 Millionen Euro, vor neun Jahren waren es noch 33 Millionen Euro. Eine erhebliche Steigerung gibt es auch bei der Summe, die einzelne Personen im Schnitt bekommen und dann an das Jobcenter zurückzahlen müssen, die Zahl hat sich in den 7 Jahren auf 430 Euro verdoppelt.

Auch müssen die „Aufstocker“ sich immer häufiger beim Jobcenter verschulden, weil ihr Einkommen und damit die Unterstützung vom Amt schwankt und sie dann zeitverzögert Geld zurückzahlen müssen. Laut Statistischem Bundesamt, ist dieser Personenkreis „überproportional häufig überschuldet“.

Für den einzelnen Schuldner, der bei der BA/Jobcenter ein Darlehen erhält, kann dies der Eingang in die Schuldenfalle sein. Gängige Praxis ist, dass mehrere Darlehen hintereinander bewilligt werden, für die es früher Beihilfen gab, die nicht zurückgezahlt werden mussten. Bei Menschen im Hartz-IV-Bezug werden in der Regel die Schulden aufgerechnet, d.h. ein Teil der Forderungen wird durch Einbehaltung erst gar nicht ausgezahlt und vermindert entsprechend das Einkommen erheblich. Nun kann der laufende Lebensunterhalt so nicht mehr gewährleistet sein und weitere Darlehen des Jobcenters werden erforderlich. Obwohl klar geregelt ist, dass nur 10 Prozent vom Regelsatz zurückfließen dürfen, kommt es in der Praxis sehr oft vor, dass bei Hartz-IV-Beziehern von dem Regelsatz von 424,00 Euro bis zu 120 Euro einbehalten werden oder ein Mix aus Ratenzahlung und Aufrechnung für eine enorme Einkommensminderung sorgt. Die Einnahmen reichen nicht aus, die Ausgaben zu decken, die Leute sind zahlungsunfähig, was wiederum ein Kriterium für die Beantragung eines Insolvenzverfahrens ist.

Während das Bundesjustizministerium die teuren Insolvenzverfahren vermeiden will und es deshalb in der Insolvenzordnung die außergerichtliche Verhandlungspflicht gibt, will das Arbeitsministerium nur dann auf Geld verzichten, wenn dies für den Bund zweckmäßig und wirtschaftlich ist.

Erst werden die erwerbslosen Menschen mit Kettenkrediten in die Schuldenfalle getrieben, wenn sie dann überschuldet sind, ist der Weg für eine außergerichtliche Regulierung ihrer Schulden versperrt und sie müssen das aufwändige Insolvenzverfahren durchlaufen und sich dem Insolvenzverwalter unterwerfen.

Beitragsschulden der Versicherten bei der gesetzlichen Krankenversicherung

Die Beitragsschulden der Versicherten bei der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen. Nun überschreiten die Schulden bei den 113 Kassen erstmals die Sieben-Milliarden-Euro-Marke.

Der größte Teil des Schuldenbergs mit mehr als fünf Milliarden Euro entfällt auf die freiwillig versicherten (Solo/Schein-) Selbständige mit geringem Einkommen. So sind etwa 71 Prozent der Selbständigen in der GKV und rund 51 Prozent der Selbständigen in der Private Krankenversicherung (PKV) mittlerweile Solo-Selbständige. Die Form der Beitragsberechnung ist seit über 10 Jahren für sie zum finanziellen Stolperstein geworden, aber in erster Linie sind sie Opfer einer verfehlten Arbeitsmarktpolitik geworden.

Aufgrund der Arbeitsmarktpolitik der damaligen rotgrünen Bundesregierung ist die Zahl der Selbstständigen von 2002 bis 2012 um fast 600.000 auf 4,5 Millionen Menschen gestiegen.

Der Anteil der Solo-Selbständigen an den Selbständigen insgesamt liegt bei 62 Prozent und ist überdurchschnittlich gewachsen. Besonders die „Ich-AGs“ waren zwischen 2003 und 2006 politisch gewollt und wurden durch die Arbeitsverwaltung entsprechend gefördert, oft ohne ein schlüssiges Betriebskonzept entwickelt zu haben und bildeten lediglich ein Ausweg aus der Erwerbslosigkeit der Betroffenen.

Von dieser „Welle“ der Regelinsolvenzen bei Einzelpersonen können die Insolvenzberatungsstellen ausgiebig berichten.

Die Mehrheit der neuen Selbständigen wählte nicht eine private Krankenversicherung, wie es im dualen Kassensystem vorgesehen ist, sondern favorisierte eine freiwillige GKV-Mitgliedschaft.

Im Jahr 2007 wurde die Versicherungspflicht gesetzlich verändert, dass Personen ohne anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall, die zuletzt gesetzlich versichert waren oder der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen sind, seitdem in der GKV pflichtversichert werden. Mit der Auswirkung, dass etwa 71 Prozent der Selbständigen in der GKV und rund 51 Prozent der Selbständigen in der Private Krankenversicherung (PKV) mittlerweile Solo-Selbständige sind.

Weil sich das durchschnittliche Einkommen eines Solo-Selbständigen kaum vom Durchschnittseinkommen der abhängig Beschäftigten unterscheidet, in vielen Fällen sogar niedriger ist, wenden Selbständige mit den niedrigsten Einkommen rund 46,5 Prozent ihrer Einkünfte für eine Versicherung auf, unter den geringverdienenden Selbständigen, die in der PKV versichert sind, liegt dieser Wert sogar bei 58 Prozent.

Um überhaupt ihre Existenz abzusichern, sind sie auf eine flankierende Unterstützung, oft durch Familienmitglieder angewiesen.

In der Regel hilft das nicht viel, der Weg in die Überschuldung ist dann vorgegeben, zumal bis ins Jahr 2013 noch die extrem hohen Verzugszinsen, Säumniszuschläge genannt, von 60 Prozent im Jahr hinzukamen und die Beitragsschulden automatisch Monat für Monat anwuchsen.

Das 2013 eingeführt Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden (Beitragsschuldengesetz) konnte die Misere auch nicht eindämmen, trotz Absenkung der Säumniszuschläge auf 1 Prozent pro Monat und Erlass der geschuldeten Säumniszuschläge.

Nun fordern die gesetzlichen Krankenkassen vom Gesetzgeber erneut eine Entlastung von den immer weiter steigenden Beitragsschulden ihrer Versicherten. Sie argumentieren damit, dass, wenn es eine staatliche Versicherungspflicht gäbe, bräuchte es auch eine staatliche Finanzierung der Beitragsausfälle bei den Kassen.

Aber auch das würde nichts Grundlegendes ändern, da das duale System der Krankenversicherung (GKV und PKV) selbst das Problem ist, bei dem die Selbständigen und Unternehmer mit den hohen Einkünften sich weiterhin privat krankenversichern können und die abhängig Beschäftigten und die Scheinselbständigen als arme Schlucker die „Solidargemeinschaft“ der Gesetzlichen Kassen bilden.

Die Stadt Dortmund stellt beim Amtsgericht einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens für ihre Schuldner

Eine Mutter von 3 Kindern und einem Einkommen von durchschnittlich 500 Euro zzgl. Leistungen des Jobcenters, hat sich bei der Stadt mit Kita-Gebühren in Höhe von rund 8.600 Euro verschuldet. Diese Summer wäre gar nicht entstanden, hätte die Stadt Dortmund im Rahmen ihrer Beratungs- und Auskunftspflicht die Frau bei der Antragstellung auf Befreiung von der Zahlung der Kita-Beiträge unterstützt.

Auf Nachfrage gab die Vertreterin der Stadt Dortmund zu, dass mit dem Insolvenzantrag Druck auf die Schuldnerin ausgeübt werden sollte.

Als Legitimation für die Insolvenzantragstellung durch die Stadt führt sie ein BGH-Urteil vom 24.05.2005 (AZ IX ZR 123/04) an, das die Zahlungsunfähigkeit definiert, die ja auch erst die Voraussetzung für die Antragstellung ist, allerdingst ist die Antragstellung eines Gläubigers um Druck auf den Schuldner auszuüben explizit in der Insolvenzordnung untersagt. Doch wird dieses Mittel immer häufiger eingesetzt.

Überschuldung als Stigma

Im Gegensatz zu anderen Ländern wird in Deutschland die Überschuldung mit dem persönlichen Versagen im calvinistischen Sinn angesehen und hat einen religiösen Überbau, dass nach den fetten Jahren, in denen man in Saus und Braus gelebt hat, magere Jahre folgen müssen, der Einzelne bestraft wird und Reue zeigen muss, indem er sich „wohlverhalten“ soll.

Als überschuldet gilt derjenige Mensch, bei dem die zu leistenden monatlichen Gesamtausgaben höher sind, als die Einnahmen. Gesellschaftlich wird den überschuldeten Personen unterstellt, dass sie nicht mit Geld umgehen können, „über ihre Verhältnisse“ gelebt haben „unwirtschaftlich haushalten“ und nicht dem Ideal der „schwäbischen Hausfrau“ entsprechen.

Bei der Häufigkeit der Faktoren für die Überschuldung ist dieses Vorurteil auf dem vorletzten Platz, bei nur knapp 8 Prozent der Überschuldeten ist die unwirtschaftliche Haushaltung der maßgebliche Überschuldungsgrund.

Verschuldete Menschen müssen sich unter den Beobachtungsschirm der „Institution“ Schufa stellen, fühlen sich ihr völlig ausgeliefert und haben Angst vor den Konsequenzen ihrer Einträge.

Konnten sich diese Menschen früher noch vertrauensvoll an die öffentlichen kommunalen Behörden und Sozialversicherungsträgern wenden, die ihnen im Rahmen der Beratungs- und Auskunftspflicht weiterhelfen konnten, ist ihnen mittlerweile diese Möglichkeit völlig versperrt.

Im Gegenteil, die öffentlichen Stellen geben finanzielle Hilfe in der Regel nur noch als Darlehen und lassen die Ratsuchenden als „Bittsteller“ im Regen stehen. Durch die Einführung der Schuldenbremse und betriebswirtschaftliches Denken sind diese Stellen zu ganz normalen Gläubigern geworden, die mit privaten Inkassofirmen zusammenarbeiten, selbst gnadenlos vollstrecken und dabei immer öfter neben Recht und Gesetz stehen.

 

 

 

Quellen: Creditreform, Schufa, Stadt Dortmund, WAZ, BA, Berichte und Dokumente von Betroffenen

Bildbearbeitung: L.N