Wir ändern unsere Betrachtungsweise, nachdem Konzentration ja nicht an gesetzten Gattungsgrenzen wie Print, Online und TV endet. Die bisher isolierte Betrachtung von Tageszeitungen, Fernsehen bzw. den deutschsprachigen Online-Nachrichten erfolgte in erster Linie aus Konsistenzbestrebungen.
An dieser Stelle zielt unser Interesse nun darauf ab, Antworten darauf zu liefern, ob und wie die Konzentration der einzelnen Teilmärkte miteinander zusammenhängt. Damit rücken die multimedialen Großunternehmen Deutschlands in den Mittelpunkt. Wer sind nun diese Großkonzerne, die die deutsche Medienlandschaft prägen?
Das Kölner Institut für Medien- und Kommunikationspolitik veröffentlicht auf seiner Website mediadb.eu jährlich eine Rangliste der zehn größten Medienkonzerne Deutschlands, gelistet nach Umsätzen. Darunter befinden sich ein paar sehr prominente Akteure:
Tab. 1: Die größten deutschen Medienunternehmen
nach Umsatz in Mrd. Euro |
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1 | Bertelsmann (Gütersloh) | 17,670 |
2 | ARD (München/Berlin) | 6,609 |
3 | ProSiebenSat.1 SE (Unterföhring) | 4,010 |
4 | Axel Springer SE (Berlin/Hamburg) | 3,180 |
5 | Hubert Burda Media (Offenburg) | 2,660 |
6 | Bauer Media Group (Hamburg) | 2,240 |
7 | ZDF (Mainz) | 2,192 |
8 | Ströer SE & Co. KGaA (Köln) | 1,583 |
9 | Medien Union GmbH (Ludwigshafen) | 1,500 |
10 | Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck (Stuttgart) | 1,400 |
Quelle: mediadb.eu, 2018 |
Trotz des zuvor erörterten Strukturwandels finden sich in der Rangliste – insbesondere an ihrer Spitze – Unternehmen, die nach wie vor stark im klassischen TV-Bereich vertreten sind. Neben Bertelsmann (RTLGruppe) sind es der ProSiebenSat.1-Konzern (mit den gleichnamigen Sendern) und auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter (ARD und ZDF). Daneben finden sich noch die Springer SE (v.a. überregionale Zeitungen wie die BILD und Welt, sowie digitale Medien), die Bauer Media Group (u.a. mit mehr als 30 % an RTL2 beteiligt, und weltweit vertreten mit circa 600 Zeitschriften) und Hubert Burda Media (ECommerce, Zeitschriften, Radio). Schließlich sind unter den größten zehn noch die Holtzbrinck-Gruppe (Buchhandel, Zeitungen) sowie – 2018 neu vertreten – die Ströer SE (Online- und Außenwerbung) und die Medien Union GmbH (Zeitungs-und Zeitschriftenverlage) vertreten. Im Folgenden wollen wir zwei dieser Unternehmen näher betrachten.
1. Das „internationalste“ Medienunternehmen: Bertelsmann
Bertelsmann – beziehungsweise die Bertelsmann SE & Co. KGaA – mit Sitz im westfälischen Gütersloh ist der einzige deutsche Medienkonzern, dem man wohl „globale Bedeutung“ (Kleinsteuber & Thomaß, 2004,133) bescheinigen kann. Ob es aber das „internationalste“ Medienunternehmen der Welt ist, wie der Konzern oft von sich selbst behauptet, sei dahingestellt. Mit einem Jahresumsatz im Jahr 2018 von fast 18 Mrd. Euro, mehr als 117.000 Angestellten und fast 1.200 Unternehmen unter seinem Schirm zählt Bertelsmann zweifellos zu den global players der Medienindustrie.
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Tabelle 2 zeigt die Entwicklung einiger ökonomischer Kennzahlen der Bertelsmann-Gruppe seit Ende der 90er Jahre. Der Wachstumspfad war alles andere als schnörkellos: Neben Expansionsphasen gab es auch Konsolidierungsphasen. Und die Umsatzerlöse lagen in 2018 noch immer unter ihrem Höchstwert von 2006.
Auch wenn die Umsätze noch immer den unmittelbaren Vorkrisenjahren hinterherhinken, erscheinen die Wachstumszahlen in einem anderen Bereich eindeutiger: Die Zahl der weltweiten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hat sich seit 1997 verdoppelt, und auch die Zahl der in Deutschland Beschäftigten scheint auf einem Allzeithoch zu sein. Ein Beleg für die eingangs erwähnte „Internationalität“ des Konzerns liefern die außerhalb Deutschlands erwirtschafteten zwei Drittel des Umsatzes. Erstaunlicherweise ist das aber weniger als noch Anfang der 2000er Jahre (vgl. Bertelsmann, 2001, S.10 und Bertelsmann, 2018, S.10).
Hinsichtlich der Verschuldung des Konzerns gab es einen beachtlichen Sprung von 2005 auf 2006. Laut konzerneigenen Finanzberichten (u.a. Bertelsmann, 2008, S. 3) verdoppelte sich der Schuldenstand in dieser Zeit auf mehr als 8 Mrd. Euro. Dieser Anstieg war aber nicht auf Expansion in neue Märkte, ungezügelte Investitionen in neue Technologien oder die Übernahme von ein paar vielversprechenden jungen start-ups zurückzuführen. Vielmehr war es eine zutiefst interne Angelegenheit: Bis Mitte 2006 hielt die belgische Holdinggesellschaft GBL (Groupe Bruxelles Lambert) noch ganze 25,1 % der Anteile an Bertelsmann. Durch Kredite in der Höhe von gut 4,5 Milliarden Euro wurden diese Anteile zurückgekauft, was die Eigentumsverhältnisse wieder zugunsten der Familie Mohn festigte. Im Vorfeld desselben Jahres hatte GBL noch laut über eine mögliche Börsennotierung des Bertelsmann-Konzerns nachgedacht (siehe GBL, kein Datum). Zu einer solchen Änderung ist es aber nie gekommen.
Bertelsmanns größter Erlösposten kommt aus seinem bekanntesten Geschäftsbereich, aus der RTL-Gruppe. Der Gütersloher Konzern hält 75 % an RTL (der Rest befindet sich in Streubesitz). Zur Gruppe gehören etwa die größte kommerzielle Fernsehsenderkette in Deutschland (u.a. RTL, RTL2, VOX, ntv; mit einem Marktanteil von rund 25 %) sowie die in Frankreich agierende M6-Gruppe (mit 10 % Marktanteil dort die drittgrößte Fernsehsendergruppe). Dazu kommen noch zahlreiche Radiosender und natürlich Online-Aktivitäten. Mit rund 6,5 Milliarden Euro (Stand 2018) macht dieser Bereich 36 % der Gesamtumsätze von Bertelsmann aus. Anfang der 2000er lag dieser Wert bei nur rund 25 %. Führend ist dieser Bereich auch hinsichtlich der Rendite: Die EBITDA-Marge 1 ist mit 23,2 % die höchste in allen Teilbereichen des Konzerns (2004 lag sie bei 13 %; für die Gesamtaktivitäten lag sie 2018 bei 14,6 %).
Ein Fünftel des Bertelsmann-Gesamtumsatzes geht auf die Verlagsgruppe Penguin Random House zurück. Penguin Random House ist an sich ein relativ junges Unternehmen und erst 2013 aus einer Fusion des Penguin-Verlags (zum britischen Pearson-Verlag gehörend) und Random House (Bertelsmann) entstanden. Das Endergebnis dieser Fusion, die ohne Beanstandungen von der US-Wettbewerbsbehörde wie auch der EU genehmigt wurde, ist immerhin die größte Buchverlagsgruppe der Welt. Nach Schätzungen kontrolliert Penguin Random House ein Viertel des weltweiten (!) Buchhandels (Guardian, 2013).
Weniger als ein Zehntel der Einnahmen Bertelsmanns werden durch Gruner+Jahr (u.a. Stern, Geo, Brigitte) erwirtschaftet. Bertelsmann hält an der Verlagsgruppe in etwa drei Viertel der Anteile. Während der 90er Jahre gehörte Gruner + Jahr noch zu den größten Mitspielern am Tageszeitungsmarkt (Röper, 2000, S.298). Die Beteiligungen an der Tagespresse sind mittlerweile von überschaubarer Größe. Interessanter wird es am Magazinmarkt, wo Bertelsmann über die Jahre relativ stabil 9-10 % der Gesamtauflage hält. Damit hat man sich bei den Magazinen konstant an vierter Stelle positioniert (siehe Vogel, 2018).
An dieser Stelle ist noch auf einen anderen Bereich, auf die Bertelsmann-Tochter Arvato, näher einzugehen. Ähnlich wie bei Penguin Random House steht dieser Geschäftsbereich für rund 20 % der Gesamtumsätze. Mit 67.500 Angestellten (Bilanzstichtag 2018) finden sich dort fast 60 % aller MitarbeiterInnen des Bertelsmann-Konzerns wieder. Was ist bitte Arvato? Wofür sind all diese Menschen zuständig?
Laut hauseigener Homepage ist Arvato zunächst einmal ein „international agierendes Dienstleistungsunternehmen.“ Wie schon Jörg Becker an anderer Stelle (in Global Media Giants 2017, S.148) anmerkt, verbirgt sich hinter dem Begriff „Dienstleistungsunternehmen“ so circa alles und nichts. Dienstleistung kann ja sowohl Aufgaben im Telekommunikationsbereich als auch das Betreiben eines Friseursalons beschreiben.
Tatsächlich betreibt der Tochterkonzern unter anderem zahlreiche Callcenter. Diese Center sind in erster Linie aber nicht für die hauseigenen Kunden des Bertelsmann-Konzerns tätig, sondern für Kunden anderer Unternehmen. Wer etwa die Hotline eines beliebigen deutschen Unternehmens anruft, wird womöglich an eine Arvato-Mitarbeiterin weitergeleitet und von ihr betreut. Erwähnenswert ist dabei, dass Arvato nicht nur von den Outsourcing-Bestrebungen zahlreicher Privatunternehmen profitiert. Auch öffentliche – wohl vom Privatisierungseifer gepackte – Einrichtungen zählen zu Arvatos Kundenkreis.
Unter dem Banner von public private partnerships hat Arvato etwa in England auf kommunaler Ebene Aufgaben in der öffentlichen Verwaltung übernommen, zum Beispiel die Vergabe von Wohnzuschüssen (siehe Becker, 2017, S. 149f. und Wiener Zeitung 2006). Angeblich soll das Unternehmen in England als Testfall für Deutschland herhalten (Neue Westfälische, 2006). Und in der Tat greifen auch deutsche Landesregierungen auf Arvato zurück. Wer sich etwa schriftlich oder telefonisch an die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen wendet, wird in vielen Fällen an MitarbeiterInnen des Bertelsmann-Konzerns weitergeleitet (RP Online, 2017). Wie kommt es dazu? Wie Arvato selbst schreibt:
„Die öffentlichen Institutionen befinden sich im Umbruch. Demografischer Wandel, Fachkräftemangel, Haushaltskonsolidierung, technologischer Wandel und Verwaltungsmodernisierung sind nur einige der Herausforderungen, vor denen sie derzeit stehen. Zusätzlich muss die Verwaltung bürgerfreundlicher und serviceorientierter werden.
Doch wie können Bund und Länder, Städte und Gemeinden diese Ziele erreichen und zugleich den wachsenden Anforderungen von Bürgern und Wirtschaft gerecht werden? Die Antwort darauf liegt in der Modernisierung der öffentlichen Verwaltung durch moderne Steuerungsmodelle und E-Government.“ (Arvato, ohne Datum)
Es sollte nicht verwundern, wenn diese „Antwort“ bei vielen Bürgerinnen und Bürgern einen faden Beigeschmack aufkommen lässt. Die Entwicklungen sind jedenfalls kritisch zu betrachten. Bertelsmann geht es primär um Rendite, und ob diese über den klassischen Medienbereich oder durch Eindringen in öffentliche Gefilde erwirtschaftet wird, scheint von zweitrangiger Bedeutung zu sein. Was keinen oder zu wenig Profit abwirft, hat keinen Platz in der Konzernstruktur. Anfang 2018 traf genau das auf die CRM-Sparte von Arvato zu. Bertelsmann bekundete offen, diese verkaufen zu wollen (Handelsblatt, 2018). Wenige Monate später wurde aber eine andere Lösung gefunden: Bertelsmann ging eine strategische Partnerschaft mit der marokkanischen Saham-Gruppe ein. Beide Beteiligte, Bertelsmann und Saham, halten jeweils 50 % an Arvato CRM (Bialek, 2018).
2. Das immerhin „sehr deutsche“ Medienunternehmen: Axel Springer
Kaum ein anderes Unternehmen hat die deutsche Medienlandschaft derart geprägt, wie der mehrheitlich im Besitz der Springer-Familie stehende Traditionskonzern Axel Springer SE. Mit den Titeln Bild und Welt verteidigt der Konzern seit Jahrzehnten seine Vormachtstellung auch unter den Tageszeitungen. Doch auch an dieser Institution sind die Zeichen der Zeit nicht spurlos vorübergegangen: Internationalisierung, Digitalisierung und gezielte Verschlankung haben den Konzern verändert.
Mit einem Umsatz von 3,2 Mrd. Euro und über 16.000 MitarbeiterInnen gehört auch der Springer-Konzern – nach ProSiebenSat.1, der ARD und Bertelsmann – zu den größten Medienkonzernen Deutschlands. Die Entwicklung der letzten Jahre belegt ein gezieltes Anwachsen des Konzerns (siehe Tabelle 8). Von den 3,2 Milliarden Umsatz wurden fast 50 % durch das Geschäftsfeld Nachrichtenmedien erwirtschaftet, fast 40 % durch classified ads, also Anzeigenwerbung (v.a. Job- und Immobilienportale), und mehr als 10 % durch marketing media, auf Werbekunden ausgerichtete Tätigkeiten mit hohen Reichweiten.
Über die Jahre ist der Konzern gewachsen – auch wenn sich die Krisen Anfang der 2000er Jahre, und natürlich 2008, in roten Zahlen niedergeschlagen haben. Allerdings ist neben der Bilanzsumme und den Erlösen auch die Verschuldung stark angestiegen. (vgl. Finanzberichte von Axel Springer, div. Jahre). Besonders markant ist hier der Übergang von 2006 auf 2007. Für den Anstieg sind u.a. wohl zahlreiche Beteiligungen verantwortlich, die der Springer-Konzern damals eingegangen ist. Für rund 130 Millionen Euro kaufte sich der Springer-Konzern etwa in Zanox (Axel Springer, 2007) ein; 280 Millionen Euro war ihm der Einstieg in das Internetportal aufeminin wert, wobei dieser Anteil auch wieder abgestoßen wurde (Manager Magazin 2007; Axel Springer, 2018); für eine halbe Milliarde baute Springer SE seine Beteiligung am privaten Postdienstleister PIN aus (Manager Magazin, 2007). Die PIN-Gruppe wehrte sich 2007 bekanntlich mit Händen und Füßen gegen die Einführung eines Mindestlohns für Postbedienstete (Faz.net, 2007). Publizistische Schützenhilfe leistete dabei ausgerechnet das Aushängeschild des Springer-Konzerns, die Bild (Brinkmann, 2018, S. 105). Auch andere Verlage und Zeitungen waren wirtschaftlich mit PIN verflochten. Die Medienwissenschaftler rund um Wencke Dybski (2010) zeigten aber, dass diese Verflechtungen keinen allzu großen Einfluss auf die damalige Berichterstattung über die Mindestlohn-Debatte hatten. Für den Springer-Konzern war der Spuk mit PIN übrigens schon im darauffolgenden Jahr vorbei, als die Anteile an den Holtzbrinck-Verlag abgetreten wurden (Spiegel Online, 2008).
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Noch vor diesen spekulativen Verirrungen, nämlich im Jahr 2005, attestierte der Medienwissenschaftler Horst Röper (2005, S. 116) dem Springer-Konzern, nicht nur ein deutsches, sondern sogar ein „sehr deutsches Unternehmen“ zu sein. Diese Aussage würde sicherlich einen großen Raum für Interpretationen anbieten, dennoch sollte hier das Offenkundige im Vordergrund stehen: Für den Springer-Konzern war das Auslandsgeschäft, traditionell betrachtet, zunächst eher von sekundärer Natur. Im Jahr 2005 war man dann aber bereits in 36 Ländern tätig. Mit Fakt befand sich beispielsweise auch die größte polnische Tageszeitung im Sortiment. Diese Aktivitäten machten schlussendlich aber nur 16 % des Gesamtumsatzes aus (Axel Springer SE, 2010: 4). 2017 erwirtschaftete der Konzern bereits fast die Hälfte im Ausland (Axel Springer SE, 2018).
Diese drastische Internationalisierung der Geschäftsfelder war Mitte der 2000er keinesfalls absehbar. Eher im Gegenteil: In 2006 hatte der Springer-Konzern noch versucht, die zum Verkauf stehenden Senderkette ProSiebenSat.1 zu übernehmen. Die Folge wäre die Bündelung des Verlagsriesen Springer mit dem (nach Bertelsmann) zweitgrößten kommerziellen Fernsehanbieter gewesen. Dieser Intention stimmten jedoch das Bundeskartellamt und die Kommission zur Ermittlung von Konzentration im Medienbereich nicht zu, weshalb die Übernahme nur unter Auflagen erfolgen sollte. Der Springer-Konzern sah schließlich vom Kauf ab (Mehr Hintergründe dazu und zu den Eigentümerrochaden bei ProSiebenSat.1, Kapitel 6).
Hand in Hand mit der geographischen Verlagerung der Umsätze erfolgte die medienspezifische: Während 2009 noch 80 % der Einnahmen Printprodukten zuzuschreiben waren und nur 20 % dem Teilbereich Digitales (Axel Springer SE, 2010, S. 61), hat sich dieses Verhältnis beinahe umgekehrt. In 2017 machten digitale Medien bereits 71 % aller Umsatzerlöse aus (Axel Springer, 2018: 3). Diese Verlagerung erfolgt zwangsläufig nach den Rentabilitäts-Prämissen des Konzerns und nicht nach einem etwas großzügigeren Verständnis von „digitalen Tätigkeiten“ im neuen Online-Bereich. Essentiell ist parallel dazu auch das gezielte Abstoßen von und der Rückzug aus gewissen Geschäftsbereichen gewesen. In den letzten Jahren hat der Konzern auf recht unsentimentale Weise einer Vielzahl von Regionalzeitungen (u.a. das Hamburger Abendblatt) und Zeitschriften (etwa die aus der Gründungszeit des Konzerns stammende Hörzu) an Mitbewerber abgegeben. Die Konkurrenz vom Spiegel 2 (Brauck, 2013) malte daraufhin einen „Journalismus im Schlussverkauf“ an die Wand – Vision und Glaube würden Springer fehlen.
Tabelle 4 zeigt die Medienbeteiligungen des Springer-Konzerns. Über Jahrzehnte hat sich der Konzern an der Spitze der deutschen Tagespresse gehalten, und tut dies noch immer. Aber: die Zeiten, in denen fast ein Viertel aller gedruckten und verbreiteten Tageszeitungen Axel Springer zuzuordnen waren, sind vorbei. Mit einer überschaubaren Anzahl an Zeitungstiteln, nämlich der BILD, der Welt und der B.Z., erreicht Springer nur mehr gut 12 % Marktanteil (Röper, 2018). Die Auflagen dieser Zeitungen sind allesamt stark rückläufig. Ungeachtet dessen ist aber darauf zu verweisen, dass mit einer Auflage von immer noch 1,5 Millionen Exemplaren jede zehnte in Deutschland verkaufte Tageszeitung eine Bild-Zeitung ist (Stand: 2018).
Abseits des rückläufigen Printsektors sind andere Tätigkeiten von Springer SE erwähnenswert. 2013 kaufte der Springer-Konzern den Nachrichtensender N24. Der Sender kommt – mittlerweile unter dem Namen Welt – auf etwa 1 % Marktanteil. Vie lleicht kann man in diesem Einstieg ins Fernsehgeschäft so etwas wiedie Erfüllung eines Herzenswunsches erkennen, nachdem Axel Springer Jahre zuvor die Übernahme von ProSiebenSat.1 verwehrt wurde.
Ein Ort, an dem der Konzern aber tatsächlich an seine alte Vormachtstellung anzuknüpfen scheint, sind die deutschsprachigen Onlinenachrichten. Die Messungen und Schätzungen in diesem Bereich vermissen zwar Charme und Transparenz, da an die Stelle gedruckter Zeitungsexemplare abstrakte „Visits“ treten. Vieles erinnert aber an die „goldenen Zeiten“ im Print: mit monatlich etwa 350 Millionen Visitationen ist bild.de nicht nur der wichtigste Onlinenachrichtenanbieter, sondern generell eine der meistfrequentierten Websites in der Auflistung des ivw. 3
Tab. 4: Axel Springer – Medienbeteiligungen über 15 % | |||||||
Online | TV und Radio | ||||||
Anteil | Titel | Anteil | Titel | Anteil | Titel | ||
100 % | Arte Magazin | 100,0 % | www.autobild.de | 100,0 % | N24 Doku | ||
100 % | Audio Video Foto Bild | 100,0 % | www.bilanz.de | 100,0 % | WELT | ||
100 % | Auto Bild | 100,0 % | www.bild.de | 35,0 % | Radio Hamburg | ||
100 % | Auto Bild allrad | 75,0 % | www.boerse-online.de | 16,0 % | Antenne Bayern | ||
100 % | Auto Bild Klassik | 75,0 % | www.businessinsider.de | 15,0 % | Harmony.fm | ||
100 % | Auto Bild Reisemobil | 100,0 % | www.bz-berlin.de | 15,0 % | Hit Radio FFH | ||
100 % | Auto Bild sportscars | 60,4 % | www.clever-tanken.de | 15,0 % | planet radio | ||
100 % | B.Z. | 100,0 % | www.computerbild.de | ||||
100 % | B.Z. am Sonntag | 75,0 % | www.finanzen.net | ||||
100 % | Bike Bild | 100,0 % | www.foodbarn.com | ||||
100 % | Bilanz | 87,5 % | www.kaufda.de | ||||
100 % | Bild | 87,5 % | www.meinprospekt.de | ||||
100 % | Bild am Sonntag | 100,0 % | www.metal-hammer.de | ||||
100 % | Blau | 100 0 % | www.musikexpress.de | ||||
100 % | Computer Bild | 100 0 % | www.n24.de | ||||
100 % | Die Welt | 100 0 % | www.rollingstone.de | ||||
100 % | Die Welt kompakt | 100,0 % | www.sportbild.de | ||||
100 % | Fußball Bild | 100,0 % | www.stepstone.de | ||||
100 % | Metal Hammer | 100,0 % | www.stylebook.de | ||||
100 % | musikexpress | 100,0 % | www.techbook.de | ||||
100 % | Rolling Stone | 100 0 % | www.testbild.de | ||||
100 % | Sport Bild | 51,0 % | www.transfermarkt.de | ||||
100 % | TestBild | 100,0 % | www.travelbook.de | ||||
100 % | Welt am Sonntag | 100,0 % | www.upday.com | ||||
100,0 % | www.welt.de |
Anmerkungen
- Hinter dem Akronym EBITDA verbirgt sich zunächst earnings before interest, tax, depreciation and amortization, sprich der Erlös vor Abzug von Zinsen, Steuern und Die oben erwähnte EBITDA-Marge beschreibt also eine ausgeweitete Kennzahl für die Gewinnspanne.
- Gruner + Jahr hält übrigens ein Viertel der Anteile des Und hinter G+J steckt – wie oben erwähnt – Bertelsmann.
- Hinter dem Kürzel „ivw“ verbirgt sich die „Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern“. Die von ihnen bereitgestellten Daten sollen also vor allem als standardisiertes Maß für die Werbebranche
Der Artikel ist aus dem Report Nr. 118 „Zur Politischen Ökonomie der Medien in Deutschland“ des isw – Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V. entnommen und wird hier mit freundlicher Genehmigung gespiegelt.
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Zum Report Nr. 118 „Zur Politischen Ökonomie der Medien in Deutschland“:
Das Erkenntnisinteresse des Autorenteams richtet sich auf die gegebenen Eigentumsstrukturen und die daraus ableitbare Verfügungsgewalt der Medien. Diese zeigt sich im Wirken der Medien, politischen Einfluss auszuüben und das in der Öffentlichkeit vorherrschende Meinungsspektrum zu bestimmen. Die Konzentration der Medien hat in den letzten dreißig Jahren kontinuierlich zugenommen, es sind nur eine Handvoll Verleger, die den Medienmarkt in Deutschland kontrollieren.
Die Autoren verweisen auf die idealisierte, widersprüchliche Rolle der Medienindustrie als demokratische Institution und auf ihre Doppelrolle: Einerseits ist sie Bestandteil des wirtschaftlichen Gesamtprozesses und formt diesen mit ihrem enormen Machteinfluss mit, andererseits hat sie die demokratische Rolle in der Bereitstellung von Informationen für die Bürger*innen und der öffentlichen Kontrolle von Staatsorganen. Es zeigt sich, dass kommerzielle Medienunternehmen weit mehr geneigt sind, ihrer Rolle als profitgetriebene Unternehmen im Rahmen der kapitalistischen Produktionsweise nach-zugehen, als ihrer Rolle als demokratische Grundinstitution nachzukommen.
isw-report 118 Sept. 2019 / 60 S. / 4,00 Euro zzgl. Vers.
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