Diskussionsbeitrag zu Corona von ethecon – Für ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitssystem und einen Umbau der Wirtschaft!

Von Niklas Hoves

Aktuell stellt Corona die Welt auf den Kopf und hat tiefgreifende Konsequenzen für unseren Alltag. Corona ist ohne Zweifel eine Epidemie, die Zahl der Ansteckungen wächst. Für die Zahl der letztendlich zu erwartenden Sterbefälle gibt es sehr unterschiedliche, gut begründete Prognosen. Zur Einordnung hilft vielleicht der Blick auf andere erschreckende Zahlen, die jedes Jahr wiederkehrend zu registrieren sind. Wir beschränken uns auf Deutschland, aber alle genannten Beispiele haben ebenso globale Dimensionen wie auch Corona:

Jährliche Grippewelle:
2019 hat die Grippewelle in Deutschland 182.000 Menschen erfasst und 954 Tote gefordert.

Jährliche Krebserkrankungen:
2016 erkrankten ca. 491.000 Menschen in Deutschland neu an Krebs, 229.000 Menschen starben an dieser Krankheit.

Jährliche Gefahr im Straßen-Verkehr:
2019 wurden 396.000 Menschen verletzt, 3.275 wurden getötet.

Über den zu erwartenden Verlauf der gegenwärtigen Epidemie besteht keine Einigkeit. Die Fall- und Todeszahlen für die Grippewelle in Deutschland lassen sich aktuell hier, die Fall- und Todeszahlen für Corona in Deutschland lassen sich aktuell hier nachlesen.

Der Notstand

Völlig neu ist die Lage nur in dieser Hinsicht: Noch nie, bei keiner der oben genannten Gefahrenlagen, hat es je annähernd so extreme „Schutzmaßnahmen“ gegeben, wie sie jetzt in immer hektischerem Tempo über uns und die gesamte Gesellschaft verhängt werden: Einschränkung der kleinräumigen, nationalen und internationalen Bewegungsfreiheit; Festsetzung in Wohnungen, Gebieten und Städten; Schließung der sozialen Infrastruktur wie Kindertagesstätten, Schulen, Restaurants, Freizeitstätten etc.; mögliche Verhängung von Zwangsarbeit; Beeinträchtigung bzw. Aussetzung demokratischer und anderer Rechte; Ausrufung des Notstands in Bayern; Einsatz der Bundeswehr im Inneren.

Ein Ende der Verhängung weiterer Maßnahmen ist bislang nicht in Sicht.

Die Notstands-Maßnahmen umfassen augenfällige Seltsamkeiten. So werden in Deutschland „unbegrenzt“ Finanzmittel für die „Wirtschaft“, also für die großen Konzerne, Banken und Ultra-Reichen, zum „Ausgleich“ bereitgestellt. Kleine Unternehmer, Mini-Jobber und Freischaffende stehen alleine da. Auch Kündigungen setzen in diesen Tagen tausende vor die Tür. Dabei wird von den „Folgen der Corona-Krise“ gesprochen, doch tatsächlich geht es um die Folgen nicht der Virus-Welle, sondern der ohnehin begonnenen Wirtschafts-Krise und der verhängten Maßnahmen. Und während also die Konzerne entschädigt werden, stehen für die normalen Menschen, deren Reisen storniert werden, die nicht mehr arbeiten können, weil sie ihre Kinder beaufsichtigen müssen usw. usf. keine ausgleichenden Zahlungen zur Verfügung.

Ganz offenkundig geht es hier also – wieder einmal – um ökonomische Fragen. Wird nicht auch diese Krise zur weiteren Umverteilung von unten nach oben genutzt? Haben nicht die Reichsten der Reichen, die fast drei Viertel des gesamten Weltvermögens ihr eigen nennen und um die weitere Steigerung ihrer Profite bangen, ein großes Interesse an der Zerschlagung des Mittelstandes? Wird die Krise nicht für eine Destabilisierung der Welt genutzt, um dann für die (überlebenden) stärksten Konzerne die Märkte neu aufzuteilen? Werden im Schatten der Krise nicht die Militarisierung und die weitere autoritäre Ausrichtung der Staaten vorangetrieben? Dient die Covid-19-Welle jetzt als Sündenbock für die schwere Wirtschafts-Krise aufgrund von Profitgier und Spekulationssucht, vor der Expert*innen seit Jahren bereits warnen? Sollen im Schatten von Corona die Flüchtenden in Griechenland ein für alle Mal mit brutaler Gewalt zurück geschlagen werden?

Wachsamkeit & Solidarität

Über all das lohnt es sich nicht nur nachzudenken. Seien wir wachsam und solidarisch. Lassen wir vor allem die betroffenen Berufsgruppen nicht allein, die nun vor dem Aus stehen. Unterstützen wir auch die Forderungen der Arbeiter*innen der Pflege- und Liefer-Dienste, auf deren Knochen die Krise im wahrsten Sinne des Wortes geht!

Nachdem Krankenhäuser und Pflege-Belegschaften jahrelang kaputt gespart wurden, wird das Chaos nun höheren Mächten in die Schuhe geschoben Doch Pfleger und Krankenschwestern gab es auch vor der Corona-Welle zu wenige. Nun sollen sie die Suppe auslöffeln, die ihnen Jens Spahn und seine Vorgänger eingebrockt haben? Mehr als Dankbarkeit brauchen die Krankenschwestern eine angemessene Bezahlung, sichere Arbeitsbedingungen und Unterstützung für ihre Familien, die Verstaatlichung von relevanten Pharma-Bereichen, die Inbetriebnahme stillgelegter Kliniken, Neueinstellungen von Kolleg*innen bzw. den Abzug des Personals aus dem Test-Bereich in die Praxis.

Auch Lieferfahrer*innen sollen unter Missachtung von Arbeitsrechten die Versorgung der ganzen Bevölkerung retten. Sie müssen nicht nur erkrankte Personen mit lebensnotwendigen Gütern, sondern auch immer größere Teile der unter Quarantäne gestellten Bevölkerung mit Lebensmitteln versorgen. Die Konzerne bezahlen ihnen zugleich krankheits-bedingten Ausfall nicht, obwohl die Fahrer besonders gefährdet sind:

Einer Umverteilung zugunsten der Konzerne müssen wir eine entschiedene Absage erteilen! Wir schließen uns deshalb den Forderungen von attac an:

  • staatliche Sofort-Direktinvestitionen in Milliardenhöhe in öffentliche Gesundheitseinrichtungen zur Notfallbewältigung!
  • ein Investitionsprogramm für den sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft, insbesondere und dringend für den Ausbau eines auf flächendeckende Versorgung ausgerichteten Gesundheitswesens!
  • Einkommenssicherung für Arbeitnehmer*innen bei Arbeitsausfall!
  • Einkommenssicherung für Arbeitnehmer*innen bei Arbeitszeitreduzierung wegen Kinderbetreuung!
  • Überbrückungskredite für Selbständige und kleine Unternehmen, die mit Liefer- oder Absatzschwierigkeiten kämpfen!
  • die Finanzierung dieser Aktivitäten mittels Krediten durch temporäre Erhöhung der Verschuldung und deren Begleichung durch effektive Besteuerung von Vermögen, gerechter Unternehmensbesteuerung und Verhinderung von Steuerflucht und Steuervermeidung!
Keine Panik!

Die Gefährdeten unter uns – das heißt besonders die älteren und/oder vorerkrankten Menschen – müssen wir in solchen Zeiten durch gemeinsame Vorsicht unterstützen. Solidarität muss immer unser oberstes Gebot bleiben. Das Schüren von Angst und Panik, wie sie momentan betrieben wird, richtet sich neben allem oben bereits genannten auch gegen die Solidarität und das gemeinsame Handeln.

Und: Mehr als alles andere gefährdet uns eine Panik-Mache, die zu Kopflosigkeit, brutaler Gewalt und Egoismus führt und ausbeuterischer, autoritärer bzw. neofaschistischer, rassistischer und militaristischer Politik Tür und Tor öffnet.

Vor dem Hintergrund des drohenden Kollaps der Weltwirtschaft, einer Hungers-Katastrophe, voranschreitendem Klima-Chaos, brutaler Bekämpfung von Flüchtenden, drohender Weltkriegsgefahr und angestrebter Neuordnung der Welt im Interesse der Maximal-Profite ist die Corona-Pandemie weltweit bereits zum Experimentier-Labor autoritärer Maßnahmen geworden. Noch verheerender wird die Lage, wenn wir darüber den Kopf verlieren.

Vergessen wir nicht: Verantwortlich für die immer verheerenderen Epidemien sind gerade die Pharma- und die Agrarindustrie sowie die Privatisierung und Zerstörung der öffentlichen Gesundheitsvorsorge.

Auch der militärisch-industrielle Komplex erforscht und entwickelt weiter ABC-Waffen (ABC steht für „atomar“, „biologisch“, „chemisch“), die kaum öffentlich diskutiert werden. Was aber keineswegs heißt, dass diese Forschung und Erprobung nicht existieren würde.

Die Virus-Epidemie zeigt einmal mehr, wie Profite über Menschenleben gestellt werden. Und wie wichtig unabhängige Konzern-Kritik ist. Auch uns macht die Corona-Epidemie zu schaffen. Die Spenden gehen zurück, wir haben Kosten, weil Projekte stoppen und umorganisieren müssen. Und für unbequeme Organisationen wie uns sind keine „Rettungstöpfe“ bereitgestellt. Wir brauchen Ihre Spende, besser noch Ihre Fördermitgliedschaft.

 

 

Quelle: ethecon Stiftung Ethik & Ökonomie
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Bild: https://www.vernetzung.org/