Corona-Gefahr: Sofortmaßnahmen im Interesse der abhängig Beschäftigten!

Die Folgen des Virus werden weltweit vor allem die arbeitenden Klassen treffen: diejenigen, die schlecht entlohnt die Pflegearbeit mit Infizierten übernehmen müssen; das Krankenhauspersonal, das unterbezahlt und schlecht ausgestattet schon vor der Pandemie weit über seine Belastungsgrenzen hinaus arbeiten musste; diejenigen Kassenpatient*innen, die in den nächsten Wochen und Monaten in diesem schlecht ausgestatteten und durch die Lage überlasteten Gesundheitswesen versorgt werden müssen; und natürlich all diejenigen, die nicht entschädigte Ausfälle oder Minderung von Einkommen haben.

Unmittelbar muss alles getan werden, um eine Ausbreitung zu verlangsamen. Unmittelbar wird von der Regierung beschlossen, Schulen, Kitas und andere öffentlichen Einrichtungen zu schließen und Veranstaltungen abzusagen. Allerdings soll die Produktion weiterlaufen wie bisher, um dem Kapital seine Profite zu sichern. Doch die abhängig Beschäftigten werden damit allen Risiken der Ansteckung voll ausgesetzt. Kolleg*innen in Italien sind deshalb bereits in vielen Betrieben in den Streik getreten, mit der Forderung, dass auch sie freigestellt werden.
Die Bundesregierung und die EU sind jetzt schnell mit Zusicherungen von Milliardenhilfen für die Unternehmen aufgrund wirtschaftlicher Einbußen bei der Hand. Sie handeln auch angesichts einer drohenden weiteren Ausbreitung des Virus und möglichen weiteren Toten ‒ wie immer ‒ im Interesse von Banken und Konzernen.
Jetzt müssen die Gewerkschaften klare Forderungen stellen, um die Beschäftigten vor den Auswirkungen einer Epidemie und neben den gesundheitlichen Folgen auch vor Lohnverlust, Arbeitsplatzverlust und sonstigen wirtschaftlichen Schäden wie fehlende Einzahlungen in die
Sozialversicherungen zu schützen! Der Druck muss unmittelbar auf die Regierung aufgebaut werden. Die Gewerkschaften müssen, wenn nötig Streikmaßnahmen durchführen.
Wir, die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG), schlagen folgende Forderungen vor:
  • Sofortige vorübergehende Schließung nicht nur aller Bildungseinrichtungen sondern auch aller Betriebe mit Ausnahme derjenigen, die für die lebensnotwendigen Versorgungsabläufe gebraucht werden.
  • Gesellschaftlich sinnvoller Plan, auf welche Produktion (Lebensmittel, Schutzkleidung Medikamente…) und Dienstleistungen (Pflege, Medizin, Feuerwehr, Transport…) in den nächsten Wochen nicht verzichtet werden kann oder die noch ausgebaut werden müssen, wie zum Beispiel neue oder wieder geöffnete Krankenhäuser
  • Entscheidung über diese Maßnahmen durch demokratisch gewählten Gremien aus Vertreter*innen aus Belegschaften, Gewerkschaften, Mediziner*innen, die rechenschaftspflichtig sein müssen
  • Anstatt Sonderurlaub oder Kurzarbeitergeld: Freistellung bei voller Lohnfortzahlung für den gesamten Zeitraum
  • Sonderfonds für Ausgleichszahlungen an Scheinselbständige und Beschäftigte mit Stundenverträgen für alle Verdienstausfälle. Niemand darf aufgrund der aktuellen Situation in eine Notlage geraten!
  • Für Beschäftigte, die in dieser Zeit eine gesellschaftlich notwendige Arbeit verrichten müssen, Bereitstellung von Not-Kinderbetreuung und einen Sonderzuschlag, insbesondere bei viel Kontakt mit der Öffentlichkeit (z.B. in Supermärkten).
  • Für Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen: Wahlweise 70% Lohnaufschlag oder Abfeiern der Sonderschichten.
  • Für Beschäftigte, die aufgrund ihrer Tätigkeit besonders viel Kontakt mit Menschen haben: Bereitstellung aller erforderlichen Schutzmaßnahmen wie Desinfektionsmittel, Schutzkleidung besonders in den medizinischen Einrichtungen.
  • Zentrale Beschaffung von Schutzausrüstungen
  • Sofortige Beschlagnahme notwendiger Medikamente, Beatmungsgeräte und Schutzausrüstung von den Konzernen
  • Sofortige Millionärs- und Milliardärsabgabe zur Finanzierung eines Notprogramms
  • Als Lehre aus dieser Virus-Krise: breite Kampagne aller DGB-Gewerkschaften – unter Einbeziehung von Streikmaßnahmen – für Milliardeninvestitionen ins Gesundheitssystem, ein Ende des Fallpauschalensystems, medizinische Einrichtungen müssen die tatsächlichen Kosten medizinisch sinnvoller Maßnahmen erstattet bekommen.
  • Überführung aller einschlägigen Einrichtungen in die Öffentliche Hand (z. B. Rekommunalisierung der Krankenhäuser) unter Kontrolle der dort Beschäftigten und der Öffentlichkeit. Bis zur Umsetzung dessen dürfen Krankenhäuser keine Profite ausschütten. Alle von den Krankenkassen überwiesenen Gelder müssen für das Wohl der Patientinnen und Patienten eingesetzt werden.
    Gesetzliche Personalbemessung nach Bedarf! Massive Aufwertung der Krankenpflege-Berufe. Als ersten Schritt sollen alle Pflegeberufe um 500 Euro pro Monat aufgewertet werden. Bessere Bezahlung von Pflegekräften ist der wichtigste Baustein, um den Pflegenotstand zu beenden!
  • Arbeitsplätze verteidigen: Verstaatlichung von Betrieben, die entlassen wollen, unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung, um die Produktion gesellschaftlich sinnvoll planen zu können.
  • Internationale Solidarität: Für internationale Kooperation und gegenseitige Unterstützung im Kampf gegen Corona, keine Profite mit Impfstoffen und Medikamenten gegen Corona.
  • Pharmakonzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung
  • Hilfe für Menschen in Not organisieren: Sofortige Hilfe für die Geflüchteten an der griechischen Grenze, sichere Fluchtwege, Aufnahme in Deutschland und in der EU. Wiederherstellung bzw Ausweitung des Asylrechts.
  • Schutz vor Folgen und für die nächsten Monate: konsequenter Kampf für den Erhalt aller Arbeitsplätze und Einkommen durch die Gewerkschaften, nicht die Beschäftigten dürfen für die Krise zahlen!
Das Flugblatt mit diesem Text könnt Ihr Euch hier herunterladen und ausdrucken: https://www.vernetzung.org/wp-content/uploads/2020/03/Corona-Flugi-VKG.pdf
Bringt Forderungen wie diese in den Betrieben und gewerkschaftlichen Gremien ein. Kontaktiert die VKG, wenn ihr euch mit anderen Kolleg*innen zusammen schließen wollt, um gemeinsam dafür zu sorgen, dass Druck in diese Richtung aufgebaut wird.
Quelle, Bild und weitere Infos: https://www.vernetzung.org/

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Was hat die aktuelle Corona-Virus-Pandemie mit der Finanzierung deutscher Krankenhäuser über Fallpauschalen zu tun?
Wir spiegeln hier die Presseerklärung des bundesweiten Bündnisses „Krankenhaus statt Fabrik“, die am 12.03.2020 hier zuerst veröffentlicht wurde: https://www.krankenhaus-statt-fabrik.de/53183
Die Aussage von Minister Spahn, unser Gesundheitssystem sei auf die neuen Herausforderungen gut vorbereitet, ist eine krasse Fehldiagnose. Auch wenn man Panikmache für vollkommen unangebracht ist, hält diese uneingeschränkte Einschätzung einem Faktencheck nicht stand:
  • Unsere Krankenhäuser sind auf ökonomische Effizienz getrimmt. Und da das Finanzierungssystem über Fallpauschalen nur erbrachte Leistungen bezahlt, für das Vorhalten von Betten und Therapiekapazitäten für den Not- oder Katastrophenfall aber keine Mittel bereitstellt, werden solche Situationen in der Planung der Klinikabläufe auch nicht ausreichend berücksichtigt.
  • Landauf landab werden in zunehmenden Ausmaß in vielen Krankenhäusern Betten – auch auf Intensivstationen – gesperrt, weil – schon ohne den Andrang von zusätzlichen Covid-19-Erkrankten – nicht genügend Pflegekräfte zur Verfügung stehen, um die Patienten bei den vorhandenen Bettenkapazitäten angemessen zu versorgen. Für die Versorgung schwer kranker Covid-19-PatientInnen stehen also in Wirklichkeit weniger Betten zur Verfügung als dies aus den Krankenhausstatistiken herauszulesen ist.
  • Im Zeitalter der DRG-Finanzierung ersetzt zunehmend die betriebswirtschaftliche Bilanz der Krankenhäuser die eigentlich auf Landesebene erforderliche Planung der Krankenhausstruktur nach Versorgungsgesichtspunkten. Daher werden Krankenhäuser ganz willkürlich geschlossen, wenn sie über mehrere Jahre ein Defizit erwirtschaftet haben. So ist schon heute die Versorgung der ländlichen Bevölkerung mit Kinderkliniken und Geburtshilfeabteilungen nicht mehr ausreichend gewährleistet. Zusätzliche Anforderungen durch die Corona-Pandemie werden diese Unterversorgung in ländlichen Regionen dramatisch verschärfen.
Die aktuelle Entscheidung des Gesundheitsministers, die gerade erst eingeführten und eigentlich viel zu niedrigen Pflegepersonaluntergrenzen anlässlich der Zusatzbelastung unseres Gesundheitssystems durch die Corona-Pandemie vorübergehend außer Kraft zu setzen, demonstriert diesen Widerspruch: Da wir in den Krankenhäusern zu wenig Fachpersonal haben, müssen Bettenkapazitäten gesperrt werden. Wenn die Patientenzahlen aber in einer Notsituation zusätzlich steigen, werden diese Missstände nicht nur wieder geduldet, sondern weiter verschärft, um noch mehr Patientinnen als bisher durch die Klinikbetten zu schleusen.
Die Aussage von Minister Spahn, unser Gesundheitssystem sei auf die neuen Herausforderungen gut vorbereitet, ist also eine krasse Fehldiagnose.
Wir vom Bündnis Krankenhaus statt Fabrik fordern daher, endlich unsere Krankenhäuser wieder funktionsfähig zu machen für eine Daseinsvorsorge ohne jede Einschränkung:
  • Die Ausrichtung der stationären Versorgung auf betriebswirtschaftlichen Gewinn muss beendet werden. Krankenhäuser dürfen keine Gewinne machen, Verluste sind auszugleichen, wenn die Klinik für die Versorgung einer Region benötigt wird.
  • Die Finanzierung darf nicht nur die medizinischen Leistungen im Normalbetrieb berücksichtigen, sondern muss auch alle Vorhaltekosten für außergewöhnliche Notfallsituationen sicherstellen.
  • Die medizinische Behandlung im Krankenhaus ist Daseinsvorsorge. Daher müssen Krankenhäuser da demokratisch geplant und betrieben werden, wo sie für die qualitativ gleichwertige Versorgung gebraucht werden, nicht da wo der Träger mit ihnen Gewinne erwirtschaften kann.
  • Die angemessene Personalausstattung im Krankenhaus ist eine elementare Voraussetzung für gute Behandlung der Patientinnen und keine Schönwettermaßnahme, die bei jedem drohenden Sturm wieder kassiert werden kann.
Dr. Nadja Rakowitz (Pressesprecherin)