Im Jahr 2008 erhielt die Stadt Dortmund nach langen Verhandlungen mit der damaligen schwarz-gelben Landesregierung eine Landes- und EU-Förderung für den Umbau des U-Turms von rund 32 Millionen Euro (Das große „U“ steht für die frühere Dortmunder Union Brauerei). Bedingung der Bewilligung war, dass das Dortmunder- U nicht nur ein Museum, sondern ein Zentrum für die Kreativwirtschaft werden sollte.
Zur gleichen Zeit wurde die europaweite Ausschreibung für ein „Kompetenzzentrum für Kreativwirtschaft“ für den Bau des Berufskolleg-Komplexes am U-Turm ausgegeben. So recht wollte aber kein Investor anbeißen. Deshalb beschloss man 2009, die Ausschreibungskriterien so zu ändern, dass insbesondere die zeitliche Befristung der Branchenbindung gelöst wird, um für den privatwirtschaftlichen Investor des Kreativwirtschaftlichen Zentrums das wirtschaftliche Risiko möglichst gering zu halten.
Es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit um die Vergabe.
5 Jahre nach der Ausschreibung bekam ein Konsortium aus den Firmen Kölbl-Kruse und Hochtief den Zuschlag für das Bauprojekt. Das Projekt umfasste nun zwei Berufskollegs, die von der Stadt für rund 4,6 Millionen Euro im Jahr angemietet werden und ein Kompetenzzentrum für Kreativwirtschaft, das der Bauherr selbst vermarkten sollte.
Skandalös war damals das Verschweigen der Tatsache, dass die Vorgabe für eine Vermietung als Kreativwirtschaftszentrum nur für zwei Jahre bindend war und dass diese Bindungsfrist ablief, als der ganze Gebäudekomplex noch gar nicht fertig gestellt war. Vermietet wurde der Komplex aber schon an die Firma Thyssengas, die im Frühjahr 2016 ihre Hauptverwaltung mit 190 Mitarbeitern direkt am U-Turm errichtete.
Das vollmundig gepriesene Kreativwirtschafszentrum am U-Turm wurde hinter den Kulissen trickreich abgedreht.
Die Wirtschaftsförderung der Stadt Dortmund redet den ganzen Vorgang schön, mit den bekannten Sprüchen: dass man Thyssengas den führenden Netzregulierer der deutschen Gaswirtschaft dauerhaft an Dortmund gebunden habe, der Arbeitsmarkt stabilisiert werden konnte und die Gewerbesteuer üppig fließen würde.
Die Landesförderung, die sich 2008 explizit auf die kreativwirtschaftliche Note rund ums das Dortmunder U bezog, hatte durch die vollzogene Umwidmung des Komplexes in eine normale Büronutzung eigentlich ihre Grundlage verloren, aber es kam zu keinerlei Konsequenzen.
Und die großen Pläne für die Kreativwirtschaft am U-Turm? Kein Problem. Das kreative Potenzial sollte nun im gesamten Stadtviertel verteilt werden.
Bei diesem Vorhaben sprang das European Centre für Creative Economy (Ecce), finanziert mit 300.000 Euro jährlich vom Land NRW und dem Regionalverband Ruhr ein. Ecce-Leute arbeiteten als Moderatoren mit städtischen Behörden, Kulturbüros und der Wirtschaftsförderung zusammen, um sogenannte Kreativquartiere zu entwickeln, in denen sich Unternehmen und Selbständige aus dem Kreativbereich ansiedeln sollen. Nach eigener Auskunft fördern sie „Milieubildung durch Kultur“ und behaupten „ die Frage ist nicht, wie viele Arbeitsplätze entstanden sind, sondern wir fördern Milieubildung durch Kultur.“
Das widerspricht der gängigen Zielsetzung, die in jeder Ruhrgebietsstadt so buchstabiert wird: „Aufgrund des Strukturwandels sind neue Branchen anzusiedeln, um Arbeitsplätze zu schaffen.“ Das interpretieren die ECCE-Leute wohl anders.
Die Widersprüche wurden und werden seitens der Stadt Dortmund ganz schlecht kommuniziert. Informationen wurden zurückgehalten, mit Zahlen getrickst und häufig irgendwelche Lügen in die Welt gesetzt.
So auch jetzt aktuell, als die große Pink-Floyd-Ausstellung „Their Mortal Remains“ sich als Riesenverlustgeschäft entpuppte und herauskam, dass
- die Stadt Dortmund bisher einen Fehlbetrag von knapp einer Millionen Euro öffentlich kommunizierte. Sie diese Summe auf aktuell 2.058.000 Euro korrigierte. Es liegen neue Rechnungen auf dem Tisch, die von bis zu 4 Millionen Euro Verlust ausgehen, dieser Betrag wird von der Stadt Dortmund aber heftig bestritten.
- die Summe von mehr als 2 Millionen Euro nicht früher genannt wurde, obwohl sie bekannt war, wird mit den vertraglichen Voraussetzungen begründet. Konkret heißt das: Es geht um den Vertrag mit der US-amerikanischen Agentur CPI, die die Dortmunder Ausstellung weltweit vermarkten sollte und man hatte Stillschweigen über Zahlen vereinbart.
- dieser Vertrag mit CPI es in sich hatte. Vereinbart war, dass alle Informationen zu verkauften Tickets und auch zur Endabrechnung von Einnahmen und Ausgaben nur „einvernehmlich“ mit den CPI-Anwälten gegeben werden dürfen, bei Androhung einer Vertragsstrafe von 1,2 Millionen Euro.
- nach schlechtem Start der Ausstellung die Werbetrommel im großen Maß angeworfen wurde, mit dem Endergebnis von Werbekosten in Höhe 800.000 Euro.
- allein für die Erlaubnis den Namens Pink Floyd verwenden zu dürfen, schon 2,5 Millionen Euro geflossen sind.
- um die Summe allein für die Namensnennung zu erwirtschaften, hätten schon 80.000 Tickets verkauft werden müssen.
- die Zahl von den anfangs erwarteten 200.000 Besuchern, schnell auf 150.000, dann auf 120.000 gesenkt wurde, zum Schluss waren es dann noch 60.784 verkaufte Eintrittskarten.
- für den hohen Verlust auch die gestiegenen Personalkosten mitverantwortlich gemacht werden, weil zum Zeitpunkt der Ausstellung 9 Stellen wegen beruflicher Umorientierung und Krankheit der Beschäftigten nicht besetzt waren
- nach nur zweieinhalb Jahren der Direktor des Dortmunder-U Edwin Jacobs das Handtuch geschmissen hat und die Bewerbungsphase für seinen neuen Job schon lief, als die Ausstellung ebenfalls noch lief. Ursprünglich wollte Jacobs mit dieser großen Ausstellung so richtig in Dortmund Gas geben.
Die gesamten Kommunikationspannen scheinen in Dortmund systematisch angelegt zu sein, das Vorgehen der Stadt Dortmund läuft immer gleich ab, wie bei den anderen Leuchtturmprojekten auch, beispielsweise beim Fußballmuseum. Dort wurden von Anfang an mit Zahlen zu den Besuchern und den Ein- und Ausgaben getrickst und die grottenschlechten Verträge mit dem DFB unter dem Tisch im Verborgenen gehalten, über den die Stadt gezogen wurde.
Fragen muss man sich auch, was mit dem Rechtsamt der Stadt los ist, dort ist man scheinbar nicht in der Lage, solche Knebelverträge zu durchschauen, geschweige denn zu verhindern.
Aber das Hauptproblem scheint die politische Ausrichtung der Stadtspitze zu sein, die immer noch auf private Investoren setzt und mit den öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP), mit ihren internationalen Investoren und deren oftmals mehrere tausend Seiten Vertragswerken überfordert ist.
Quelle: WAZ, Prognos, Ecce, Stadt Dortmund Bild: Ingrid Rigot