Bürgergeld-Debatte: Zwischen Hetze und Holzwegen

Beim Bürgergeld kehrt keine Ruhe ein. Jetzt wurde von der FDP eine Kürzung der Regelsätze ins Spiel gebracht. Die ständigen Attacken auf das Existenzminimum sind zynisch, Verschärfungen fehl am Platze. Im Sinne der Beschäftigten gäbe bei anderen Themen viel mehr zu tun, meint das #schlaglicht 24/2024 aus Niedersachsen.

Je länger die Debatte dauert, desto schriller und zynischer werden die Töne. Seit Monaten überbieten sich Konservative und Liberale bei der Verächtlichmachung des Bürgergeldes, und damit auch der Menschen, die es beziehen (müssen). Wahlweise ist dann von einem zu geringen Lohnabstandsgebot, Sozialmissbrauch und härteren Sanktionsmöglichkeiten die Rede. Mit den Fakten wird es dabei selten genau genommen, allein auf die billige Effekthascherei auf dem Rücken derjenigen, die über wenig finanzielle Mittel verfügen, kommt es an.

Soziale Eiseskälte à la FDP

Nun hat FDP-Fraktionschef Christian Dürr nachgelegt und eine Bürgergeld-Kürzung von monatlich 14 bis 20 Euro ins Spiel gebracht. So soll im Bundeshaushalt gespart werden. Hier geht es nicht um Frage, dass die Einsparungen gering sind oder dass die Partei selbst dem Berechnungsverfahren des Regelbedarfs zugestimmt hat und eine Änderung schwer machbar ist. Erschreckend ist, wie unverfroren erneut Verunsicherung gestiftet wird und das verfassungsrechtliche Existenzminimum als politischer Spielball herhalten muss.

Wohnkostenlücke im Bürgergeld-Bezug

Bürgergeldbezieher*innen können auf keinen Euro verzichten. Zwar werden ihre Miet- und Heizkosten vom Jobcenter erstattet, aber nur solange sie als angemessen gelten. Wird die festgelegte Obergrenze gerissen, wäre eigentlich ein Umzug in eine günstigere Wohnung fällig. Aufgrund fehlender Angebote ist dies aber oft kaum möglich. Obwohl neuerdings eine einjährige Karenzzeit für die Kaltmiete gilt, zahlten letztes Jahr 14 Prozent der Bedarfsgemeinschaften in Niedersachsen die Differenz aus ihrem Regelsatz (siehe Grafik). Im Schnitt waren es 107 Euro. Geld, welches den Haushalten für die sonstige Lebensführung fehlt.

Fördermaßnahmen unterfinanziert

Und damit nicht genug: Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung droht die bereits bestehende Unterfinanzierung der Jobcenter weiter zu zementieren. Über eine 1 Mio. Bürgergeldbezieher*innen haben keinen Berufsabschluss. Wenn Mittel für Fördermaßnahmen fehlen, kommt es nicht zu Einsparungen, sondern zur Verschiebung von Problemen in die Zukunft. Das Nachholen von Abschlüssen und gute Betreuung sind elementar, um die Integration in Arbeit zu verbessern.

Sanktionsregime kontraproduktiv

Ebenso wenig nachvollziehbar sind die wieder verschärften Sanktionen und Zumutbarkeitsregeln. Arbeitslose wollen überwiegend arbeiten, häufig hindern sie bestimmte Gründe (Krankheit, Kindererziehung etc.) daran. Mehr Zumutbarkeit erhöht nur die Gefahr der Dequalifizierung und das Drängen in prekäre Arbeit. Wobei der Arbeitsmarkt aufgrund der Konjunkturerwartungen ohne Gegenmaßnahmen kaum aufnahmefähig erscheint. Und Sanktionen untergraben das Existenzminimum.

Ablenkung von anderen Problemen

Klar ist: Für die Probleme im Land ist nicht das Bürgergeld verantwortlich. Hier wird wieder und wieder nach unten getreten und eine plumpe Scheindebatte geführt. Durch weitere Verschlechterungen geht es niemandem an anderer Stelle besser. Eine gute Politik im Sinne der Beschäftigten wäre mehr Bezahlung durch Tarif, ein höherer Mindestlohn, bezahlbarer Wohnraum und ein Steuersystem, das Arbeitseinkommen weniger und Vermögen höher besteuert. Aber ausgerechnet hierbei sind die Bürgergeld-Kritiker merklich still.

 

 

 

 

 

Quelle, Bild und weitere Infos: https://niedersachsen.dgb.de/