Als sich die Arbeitslosigkeit in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmend verfestigte, versuchte man insbesondere in Europa, Arbeitslose in staatlich subventionierten Beschäftigungsprogrammen (sog. Zweiter Arbeitsmarkt) unterzubringen. In Deutschland wurden vor allem Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen dazu genutzt. Ziel dieser Programme war es in erster Linie, insbesondere Langzeitarbeitslose wieder ins Erwerbsleben zurück zu führen, sie an einen Achtstundentag zu gewöhnen und ihnen auch Qualifikationen zu vermitteln. Doch meistens wurden diese Maßnahmen zu einer reinen Beschäftigungstherapie, während die Chancen der Arbeitslosen auf dem ersten Arbeitsmarkt kaum verbessert wurden.
Aufgrund dieser Erfahrungen versucht die Politik heute, neoklassische Empfehlungen zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit in den Vordergrund zu stellen, wie:
- den Abbau von Lohn-Rigiditäten (Notwendigkeit, vereinbarte Löhne zu zahlen) durch Öffnungsklauseln in Tarifverträgen, die bei Schwierigkeiten des Unternehmens oder bei Wettbewerbsproblemen niedrigere Löhne als im Tarifvertrag vorgesehen erlauben. Verschiedene Tarifverträge der jüngsten Zeit enthalten solche Klauseln, die ein Teilabweichen vom Flächentarifvertrag erlauben
- das Lohnabstandsgebot: Das Arbeitslosengeld soll so bemessen sein, dass sich die Aufnahme einer gering bezahlten Tätigkeit lohnt
- die Flexibilität der Arbeitszeit: mit Verkürzungen bei schlechter und Verlängerungen bei guter Auftragslage. Dieses würde im Abschwung Entlassungen verhindern
und den Abbau von Arbeitsmarktregulierungen, z. B. ein abgeschwächter Kündigungsschutz und vereinfachte Möglichkeiten, befristete Arbeitsverträge abzuschließen.
Die chronologische Übersicht von 1950 bis 2015 zeigt die gesetzlichen Änderungen und Neuerungen der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland.
1950
Die Wende auf dem Arbeitsmarkt
Mit über zwei Millionen Arbeitslosen – das entsprach einer Arbeitslosenquote von zwölf Prozent – erreichte die Arbeitslosigkeit im Nachkriegs-Deutschland 1950 ihren Hoch- und Wendepunkt. Der Wirtschaftsboom der nachfolgenden Jahre ließ die Arbeitslosigkeit langsam absinken, in den nächsten fünf Jahren konnte die Zahl der Arbeitslosen halbiert werden. Nur elf Jahre später, 1961, unterschritt die Arbeitslosenquote zum ersten Mal die Ein-Prozent-Marke – Vollbeschäftigung war erreicht.
1952
Die Errichtung der Bundesanstalt
Nach langen Geburtswehen konnte die neue Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in Nürnberg ihre Arbeit aufnehmen. Die Selbstverwaltung wurde neu strukturiert und durch die Trennung von Geschäftsführung und Selbstverwaltungsorganen belebt. Auf Anregung von Experten hatte die Arbeitsvermittlung Vorrang vor der Arbeitslosenunterstützung – damit stand die Bundesanstalt unter dem Primat der aktiven Arbeits- marktpolitik.
1957
Die „Große Novelle zum AVAVG“
Das Gesetz sollte die unübersichtliche Rechtslage mit noch immer gültigen Gesetzen aus der Weimarer Republik, aus dem „Dritten Reich“ und den frühen Jahren der Bundesrepublik vereinfachen.
Aus der Arbeitslosenunterstützung wurde das Arbeitslosengeld, welches mindestens 55 Prozent des vormaligen Bruttolohns ausmachte und für maximal 52 Wochen gewährt wurde.
In der Großen Novelle zum AVAVG fünf Jahr später wurde der Bundesanstalt auch das Alleinvermittlungsrecht zugestanden.
1969
„Arbeitsförderungsgesetz“ (AFG)
Unter dem Eindruck des kurzzeitigen Wirtschaftseinbruchs 1966/67 und dem plötzlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit führte die große Koalition unter Bundeskanzler Kiesinger das AFG mit der Idee des vorbeugenden und aktiven Schutzes ein. Statt einer reaktiven Vermittlung von Arbeitskräften sollte eine aktive Beschäftigungspolitik den Arbeitsmarkt nicht bloß verwalten, sondern vielmehr gestalten. Das AFG markiert die Wende zu einer modernen Beschäftigungspolitik.
Mit dem Hintergrund des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes von 1967 sollte die Arbeitsförderung nun auch einen Beitrag zur Wachstumspolitikleisten und für Vollbeschäftigung sorgen: Konjunktureller und struktureller Arbeitslosigkeit sollte gleichermaßen aktiv entgegengewirkt werden.
Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik wurden zum Bindeglied zwischen der Sozial- und der Wirtschaftspolitik.
Der rasante technische Fortschritt ließ die Anforderungen an die Qualifikationen der Arbeitnehmer/innen steigen und spezifische Defizite des deutschen Bildungssystems wurden sichtbar. Deshalb sollte unter dem Paradigma des lebenslangen Lernens die allgemeine berufliche Qualifikation durch systematische Nach-, Um- und Weiterbildungen verbessert werden.
Auch wenn das Gesetz weitgehend das vom AVAVG vorgegebene Instrumentarium übernahm, hat sich die Zielstellung grundlegend verändert.
Waren berufliche Bildungshilfen seit dem AVAVG nur eine Ermessensleistung, so wurde mit der Einführung des Rechtsanspruchs die Bildungsförderung enorm gestärkt, um qualifikatorische Engpässe auf dem Arbeitsmarkt präventiv zu vermeiden. Auch eine Erhöhung der Geldleistungen als Sicherung des Lebensunterhalts während dieser Maßnahmen führte zu einem gewaltigen Anstieg der Teilnehmerzahlen bei Fortbildungen und Umschulungen.
Zudem wurden Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mit dem Ziel einer dauerhaften und qualifikationsgerechten Wiedereingliederung von Arbeitslosen weiter ausgebaut. Darüber hinaus wurden erstmals gezielt Frauen, Schwerbehinderte und Ältere gefördert.
Das Arbeitsförderungsgesetz trat zum 1. Juli 1969 in Kraft.
1971
Große Summen für berufliche Bildungsmaßnahmen
Nie wurde berufliche Bildung so groß geschrieben wie in den nächsten Jahren: Aufgrund des neuen AFG mit der starken Förderung von beruflichen Bildungsmaßnahmen übertrafen die Ausgaben für Fortbildungen und Umschulungen die Gesamtmittel zur Zahlung des Arbeitslosengeldes um das Doppelte.
Allerdings war die Resonanz auf die Qualifikationsoffensive keineswegs durchgehend positiv. Neben den hohen Kosten regte sich trotz der ermutigenden Zwischenbilanz Kritik in der Öffentlichkeit an der Förderung jener, die noch keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt hatten und jener, die bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung vorzuweisen hatten. Als Reaktion wurden die Förderrichtlinien enger gefasst; die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung wurden von 1,3 auf 1,7 Prozent heraufgesetzt.
1973
Aktive Arbeitsmarktpolitik in der Krise
Die erste Ölpreiskrise markiert eine Zäsur in der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands. Der durch die Weltkriege verursachte Entwicklungsrückstand war aufgeholt und der Wachstumssprung war zu Ende – die Wachstumsraten sanken stetig. Vor allem die Krise in der Exportwirtschaft ließ die Zahl der Arbeitslosen von nun an wieder ansteigen.
Im Zuge dieser Entwicklung drängte sich die passive Arbeitsmarktpolitik wieder mehr in den Vordergrund. So kletterte der Anteil der passiven Arbeitslosenversicherungsleistungen an den Ausgaben der Bundesanstalt bis zum Jahr 1980 von 22 auf 45 Prozent. Die Bundesregierung musste den Haushalt der Bundesanstalt mit hohen Summen ausgleichen.
Es bildete sich zusehends ein immer breiterer Sockel schwervermittelbarer Langzeitarbeitsloser heraus. Für die Benachteiligten auf dem Arbeitsmarkt – Ältere, Behinderte, Ungelernte oder Randgruppen – wurde es schwer, eine adäquate Beschäftigung zu finden.
1976
„Haushaltsstrukturgesetz“
Das Haushaltsstrukturgesetz bedeutete einen scharfen Einschnitt in die Arbeitsmarktpolitik: Leistungskürzungen, Steuererhöhung und Einsparungen im öffentlichen Dienst und bei Investitionen. Vor allem die berufliche Bildung wurde stark beschnitten. So machte man erstmals einen Unterschied zwischen notwendiger und zweckmäßiger beruflicher Fortbildung und Umschulung und das Unterhaltsgeld für Teilnehmer/innen an Kursen wurde stark gekürzt, womit der finanzielle Anreiz zur beruflichen Bildung zurückgenommen wurde.
Lohnkostenzuschüsse erfuhren Mitte der 70er Jahre eine so starke Aufwertung, dass im Jahr 1976 jede zwölfte Arbeitsvermittlung mit Lohnkostenzuschüssen subventioniert wurde. Erkennbar waren hohe Mitnahmeeffekte, so dass diese Förderung 1981 stark reduziert wurde.
1979
Beschäftigungs- und Investitionsprogramme
Staatliche Investitionen in Infrastruktur, Verbesserung des Umweltschutzes und Maßnahmen zur Energieeinsparung wurden durch steigende Staatsverschuldung finanziert. Ein Beschäftigungsanstieg von fast 800.000 Erwerbstätigen verband sich mit diesen Maßnahmen, die Arbeitslosigkeit blieb aber hoch.
Das erfolgreiche Arbeitsmarktpolitische Sonderprogramm für Regionen mit besonderen Beschäftigungsproblemen von 1979 ermöglichte erstmalig die Förderung der beruflichen Bildung direkt in den Betrieben. Aufgrund der beginnenden neoliberalen Wende wurden vielversprechende Programme jedoch nur zögerlich eingesetzt oder nicht weiterverfolgt.
In dieser Zeit wurde die spezifische Mechanik des AFG spürbar: Die Finanzierung der aktiven Arbeitsmarktpolitik war nicht von der Arbeitslosenversicherung abgekoppelt unmittelbar auf den Bundeshaushalt verlagert. Das beitragsfinanzierte Budget der Bundesanstalt reagierte empfindlich auf Konjunkturschwankungen. Mit einem Rückgang der Beschäftigung sinken die Beiträge, während die Ausgaben für Lohnersatzleistungen zusätzlich steigen. Spielräume für aktive Arbeitsmarktpolitik in der Krise sind nur durch in Zeiten guter Konjunktur gebildete Rücklagen oder durch staatliche Zuschüsse zu schaffen. Daran hat sich bis heute im Kern nichts geändert.
1982
Der neoliberale Kurswechsel in der Arbeitsmarktpolitik
Nach der zweiten Ölpreisexplosion drohte der erneute Anstieg der Kosten für die Bundesanstalt zu groß zu werden. Der Sparkatalog „Operation 82“ sah Ausgabenkürzungen bei der Bundesanstalt in Höhe von mind. 3,5 Milliarden Mark vor. Man wagte sich nicht mehr an neue Beschäftigungsprogramme heran, senkte das Arbeitslosengeld und verschärfte die Zumutbarkeitsregelungen unter Hinweis auf „Leistungsmissbrauch“. Bundesfinanzminister Matthöfer lenkte den Kurswechsel bereits 1980 ein: Der Staat könne Vollbeschäftigung nicht länger garantieren, seine Möglichkeiten zur Beeinflussung der wirtschaftlichen Entwicklung seien begrenzt.
Die neue Bundesregierung unter Bundeskanzler Kohl versprach diesen Kurs mit Kürzungen bei den Sozialleistungen und Steuererleichterungen für Unternehmen energisch fortzusetzen. Es galt der Primat der Haushaltskonsolidierung und der Verringerung des Arbeitskräfteangebots durch Rückkehrförderung für ausländische Arbeitnehmer oder durch Vorruhestandregelungen, was die hohe Arbeitslosigkeit entschärfen sollte.
1984
Ein neuer Anlauf in der aktiven Arbeitsmarktpolitik
Nachdem sich die Arbeitslosigkeit auf einem hohen Niveau stabilisiert hatte, sanken die Ausgaben für das Arbeitslosengeld. 62 Prozent der Arbeitslosen waren Langzeitarbeitslose und bezogen damit nicht das Arbeitslosengeld sondern die vom Bund finanzierte Arbeitslosenhilfe, was zu einer Entlastung des Budgets der Bundesanstalt führte.
Ein Teil der angesammelten Überschüsse wurde dafür verwendet, die Wiederaufstockung der Unterhaltsgelder für berufliche Fort- und Umschulungen zu finanzieren. Die finanziellen Anreize wurden erhöht und die Teilnahmebedingungen wurden gelockert. Die „Qualifizierungsoffensive“ war erfolgreich, sodass 1987 die Zahl der Eintritte in Weiterbildungsmaßnahmen mit 596.000 so hoch war wie nie zuvor. Frauen waren aber ebenso unterrepräsentiert wie Arbeitnehmer ohne berufliche Ausbildung.
Langzeitarbeitslose konnten von diesen Maßnahmen kaum profitieren.
Eingliederungsbeihilfen wurden gekürzt, sodass die Bundesanstalt nur noch 50 bis 70 Prozent der Lohnkosten für die Dauer eines Jahres übernahm.
1987
Versuch der Aktivierung von Langzeitarbeitslosen
Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen als Überbrückungs- oder Eingliederungshilfe für Langzeitarbeitslose stieg von 29.000 im Jahr 1982 auf 115.000 im Jahr 1987 an. Allerdings schien der enttäuschend geringe Anteil der Teilnehmer/innen, denen der Sprung in eine dauerhafte Beschäftigung gelang, die Befürchtung zu bestätigen, dass Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Langzeitarbeitslose stigmatisieren und tendenziell eher vom „ersten Arbeitsmarkt“ trennen, anstatt ihnen zu einem normalen Arbeitsverhältnis zu verhelfen.
In diesem Jahr wurde auch das Überbrückungsgeld zur Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit eingeführt, welches bereits in Ansätzen im AVAVG vorhanden war. 26 Wochen wurden unterstützende Leistungen sowie Zuschüsse zu Kranken- und Rentenversicherung gewährt. In den ersten zwei Jahren profitierten knapp 16.000 Erwerbslose vom Überbrückungsgeld – nur jeder elfte meldete sich wieder arbeitslos.
1988
8. Novelle zum AFG
Das Kurzarbeitergeld erfuhr in dieser Novelle eine besondere Aufwertung.
Neben der konjunkturellen sollte nun auch die strukturelle Kurzarbeit in das AFG aufgenommen werden. Konkret konnte das Kurzarbeitergeld von der Bundesanstalt auch dann gewährt werden, „wenn der Arbeitsausfall auf einer schwerwiegenden Verschlechterung der Lage des Wirtschaftszweiges beruht“ oder auf dem Teilarbeitsmarkt „außergewöhnliche Verhältnisse herrschen“. Damit wurde dem AFG ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung der strukturellen Arbeitslosigkeit an die Hand gegeben.
1990
Neue Herausforderungen im vereinten Deutschland
Zum Zeitpunkt der Wende hatte sich in Westdeutschland die Unfähigkeit der Arbeitsverwaltung, mit einer hohen strukturellen Arbeitslosigkeit fertig zu werden, als grundsätzliches Arbeitsmarktproblem herausgestellt. Die Wiedervereinigung brachte kurzfristig neue Herausforderungen für den Arbeitsmarkt in Ost und West mit sich.
Unmittelbar nach der Wende brach der ostdeutsche Arbeitsmarkt zusammen, fast drei Fünftel der Arbeitskräfte fielen aus ihren Beschäftigungsverhältnissen. Unter Zeitdruck wurde das AFG mit nur einigen Sonderregelungen schnell auf die neuen Bundesländer übertragen und die Arbeitsverwaltung nach westlichem Muster zügig umgebaut. Besonders das Kurzarbeitergeld und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sollten den Transformationsprozess mit beispiellosem Mittelaufwand unterstützen. So überstiegen in den Jahren 1991 bis 1993 die Ausgaben der Bundesanstalt in den neuen Bundesländern die dort erzielten Beitragseinnahmen um 92,6 Milliarden D-Mark. Im Jahr 1991 bezog jeder vierte Erwerbstätige in Ostdeutschland Kurzarbeitergeld.
Außerdem wurde das Altersübergangsgeld zur Frühverrentung als neues arbeitsmarktpolitisches Instrument in das AFG eingefügt. Das Ziel war die Reduzierung des Angebotsdrucks auf dem Arbeitsmarkt. Die Bezüge lagen bei 65 Prozent des letzten Nettolohns und konnten nach Vollendung des 55. Lebensjahres beantragt werden.
1992
Pragmatischer Aktivismus
Trotz der Ernüchterung über den schmerzhaften Transformationsprozess bestand weiter Konsens über die Notwendigkeit der arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Begleitung des Vereinigungsprozesses.
Als arbeitsmarktpolitische Instrumente rückten nun wieder Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen in den Vordergrund. Die Fördermittel wurden großzügig bemessen, sodass im Mai 1992 über 500.000 Teilnehmer/innen zu verzeichnen waren.
Auch die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wurden weiter im großen Stil ausgebaut. Die Sonderregelungen im AFG für die neuen Bundesländer ließen die Förderung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen auch in Bezirken mit guter Beschäftigungslage zu, sodass 1992 ein Höchststand von über 400.000 Teilnehmer/innen erreicht wurde. Nur ein Viertel blieb nach der Teilnahme weiterhin arbeitslos.
1994
Abschaffung des Vermittlungsmonopols der BA
Aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs waren von nun an auch private Arbeitsvermittler zugelassen und befugt ihre Arbeitsvermittlungsdienste anbieten. Der Gerichtshof befand, dass das Vermittlungsmonopol mit dem EWG-Vertrag und insbesondere der Dienstleistungsfreiheit unvereinbar sei.
Die beruflichen Bildungshilfen wurden mit der 10. Novelle des AFG wieder zurückgefahren, indem das Unterhaltsgeld bei Weiterbildungen auf die Höhe des Arbeitslosengeldes abgesenkt und in eine Ermessensleistung umgewandelt wurde.
Im Jahr 1995 waren 95 Prozent der Teilnehmer/innen an beruflichen Bildungsmaßnahmen arbeitslos. Die Zahlen zeigen deutlich, dass das ursprüngliche Ziel, über die Förderung der individuellen Qualifikation auch die Beschäftigungsstruktur insgesamt zu verbessern, aufgegeben wurde.
1996
„Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz“
Die liberal-konservative Regierung förderte die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes unter dem Eindruck der immer spürbarer werdenden Globalisierung und des internationalen Wettbewerbs und als Reaktion auf die Arbeitslosigkeit von über vier Millionen Menschen.
Das Kernstück der Flexibilisierungsbemühungen war die Bestimmung des Beschäftigungsförderungsgesetzes, das Arbeitgebern erlaubte, nun ohne sachlichen Grund bis zu 18 Monate laufende befristete Arbeitsverträge abzuschließen.
Darüber hinaus sollten die Kürzung von Lohnnebenkosten und die Eingrenzung des Kündigungsschutzes den Unternehmen mehr Handlungsspielräume ermöglichen.
1998
Integration des AFG in das SGB III
Die anhaltende Erosion des Normalarbeitsverhältnisses trug zu einem Wandel in der Arbeitsmarktpolitik bei. Zwar waren noch immer mehr als 50 Prozent aller Erwerbstätigen in einem Normalarbeitsverhältnis beschäftigt. Teilzeitarbeit, geringfügig Beschäftigte, Leiharbeit und Befristungen gewannen aber immer mehr an Bedeutung. Die Arbeitsmarktpolitik wollte diese Veränderungen berücksichtigen: Es sollte Arbeitslosen der Weg in Beschäftigungen jenseits des Normalarbeitsverhältnisses nicht „versperrt“ werden. Mit der Einfügung des AFG in das SGB III wurde ein grundlegender Richtungswechsel vollzogen, der die Leitideen der Hartz-Gesetze ansatzweise vorwegnahm.
Die Bundesregierung begründete die Veränderungen damit, dass der Zielkanon des Arbeitsförderungsgesetzes „nicht erfüllbare Erwartungen und Forderungen ausgelöst“ habe. So wurde die aktive Arbeitsmarktpolitik ausdrücklich aufgegeben, um „die Erhaltung und Schaffung von wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen nicht zu gefährden“.
Das neue Gesetz beschränkte sich auf eine Unterstützung des Ausgleichs von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt durch eine zügige Stellenbesetzung. Die inzwischen enge Verschränkung von Arbeitsmarkt und Beschäftigungspolitik wurde aufgehoben – der Staat sollte nach der neoliberalen Philosophie möglichst wenig Einfluss auf die Marktmechanismen nehmen.
Stattdessen sollte die „Eigenverantwortung der Arbeitslosen“ gestärkt werden und die örtlichen Arbeitsämter bekamen mit der Einführung des Eingliederungstitels mehr Gestaltungsspielraum beim Einsatz der Instrumente. Mit der „Freien Förderung“ konnten die Arbeitsämter bis zu zehn Prozent des Eingliederungstitels in neuartige Förderansätze und für Modellversuche einsetzen.
1999
Schröder-Blair-Papier
Den Kernpunkt des europäischen Modernisierungs-Memorandums zweier sozialdemokratischer Parteichefs – Schröder aus Deutschland und Blair aus Großbritannien – bildete der Entwurf einer „neuen angebots-orientierten Arbeitsmarktpolitik der Linken“, u. a. mit der Forderung: „Der Arbeitsmarkt braucht einen Sektor mit niedrigen Löhnen, um gering Qualifizierten Arbeitsplätze verfügbar zu machen“.
Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse wurde in Deutschland gleichzeitig der Versuch unternommen, die Ausweitung geringfügiger Beschäftigung zu stoppen:
Arbeitgeber mussten von nun an für sogenannte 630-Mark-Jobs einen zwölfprozentigen Beitrag zur Renten- und einen zehnprozentigen Beitrag zur Krankenversicherung zahlen. Die pauschale Besteuerung der Minijobs entfiel. Außerdem wurde die Scheinselbstständigkeit durch Korrekturen in der Sozialversicherung und durch eine bessere Abgrenzung zwischen selbstständiger und unselbstständiger Arbeit bekämpft.
2001
Job-AQTIV-Gesetz
Im „Reformfieber“ schuf die rot-grüne Regierung unter Bundeskanzler Schröder wieder einen ausdifferenzierten arbeitsmartpolitischen Zielkanon – nachdem dieser 1998 aufgegeben worden war – und lehnte sich dabei weitgehend an das AFG von 1969 an. Im Paragraphen 1 des SGB III wurde das Ziel der Verbesserung der Beschäftigungsstruktur festgehalten, um „das Entstehen von Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder die Dauer der Arbeitslosigkeit zu verkürzen“.
Zum ersten Mal taucht der Grundsatz des „Förderns und Forderns“ im Gesetzestext auf, was den Beginn der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik markiert (die die „aktive“ Arbeitsmarktpolitik alten Typs ablösen soll).
Schriftliche Eingliederungsvereinbarungen, frühzeitige Profilanalysen, Beschäftigung schaffende Infrastrukturprogramme und schärfere Sanktionen sollten die neuen arbeitsmarktpolitischen Instrumente sein. Während der Arbeitslose sich zu den Vermittlungsbemühungen des
Arbeitsamtes bisher passiv verhalten konnte, so wurde von ihm nun ausdrücklich selbst eine aktive Beschäftigungssuche verlangt. Verschärfte Zumutbarkeitsregeln führten dazu, dass schon nach einem halben Jahr Arbeitslosigkeit jede Beschäftigung zumutbar wurde, die ein
Nettoeinkommen in Höhe des Arbeitslosengeldes einbringt. Befristete Beschäftigungen wurden ebenso zumutbar wie solche außerhalb des Wohnortes mit langen Pendelzeiten.
Darüber hinaus wurde der Markt für private Arbeitsvermittlungen vollständig dereguliert. 2002 wurde die Erlaubnispflicht für private Agenturen, die mit der Vermittlung von Arbeitssuchenden beauftragt wurden, abgeschafft und der „Vermittlungsgutschein“ für Arbeitslose, mit welchem diese eigenständig Vermittlungsverträge abschließen konnten, eingeführt.
Nach dem Vorbild Dänemarks sollte außerdem der Einstellungszuschuss bei Vertretung Betriebe dazu bewegen, während der Weiterbildung ihrer Beschäftigten Arbeitslose einzustellen. Dieses Instrument bleibt in Deutschland wirkungslos und konnte sich nicht etablieren.
2002
Vermittlungsskandal und die Hartz-Kommission
Der Bundesrechnungshof hatte im Januar 2002 bei der Bundesanstalt für Arbeit gravierende Fehler in der Vermittlungsstatistik angemahnt. Der Bundesanstalt wurde vorgeworfen Vermittlungen fingiert und die Statistiken manipuliert zu haben.
Als Reaktion auf den Vermittlungsskandal wurde ein Expertengremium, die sogenannte Hartz-Kommission, damit beauftragt, Vorschläge zu unterbreiten, wie die Arbeitsmarktpolitik in Deutschland effizienter gestaltet und die Bundesanstalt für Arbeit reformiert werden könnte. Die Hartz- Kommission machte folgende Vorschläge:
Beschleunigung der Arbeitsvermittlung, Personal-Service-Agenturen zur Verbesserung der Vermittlungschancen von Arbeitslosen durch Arbeitnehmerverleih, sozialversicherungsfreie Minijobs für Dienstleistungen insbesondere in privaten Haushalten, niedrig-schwellige Existenzgründungen durch dreijährige Zuschüsse mit der „Ich-AG“, Reorganisation der Bundesanstalt für Arbeit zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen sowie die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zu einer Grundsicherung für Langzeitarbeitslose und erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger, dem sogenannten Arbeitslosengeld II. Bundeskanzler Schröder versprach die Vorschläge „eins zu eins“ umsetzen zu wollen.
2003
Erstes und zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz I und II)
Mit der Umsetzung der Vorschläge der Hartz-Kommission verbindet sich eine Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik, die im sogenannten Hartz IV Gesetz ihren Höhepunkt fand. Die Leitideen der Agenda 2010 sind eine verstärkte Aktivierung der Arbeitslosen nach dem Prinzip Fördern und Fordern, die Deregulierung der Leiharbeit und die Verschärfung der Zumutbarkeitsbedingungen. Dem neoliberalen Narrativ folgend, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in der internationalen Konkurrenz zu erhalten, wurde auf diese Weise ein Niedriglohnsektor in Deutschland bewusst geschaffen und ausgebaut.
Konkrete Maßnahmen von Hartz I und II waren die Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, um Arbeitslosen über Leiharbeit die Rückkehr in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Zuständig dafür waren die in der Regel privat organisierten Personal-Service Agenturen. Die „Ich AGs“ sollten Schwarzarbeit und Arbeitslosigkeit vermindern. Arbeitslose, die eine selbstständige Tätigkeit aufnahmen, wurden drei Jahre lang vom Arbeitsamt gefördert.
Mit dem Ziel effizienter und rascher Vermittlungen wurden die bestehenden Arbeits- und Sozialämter in so genannte Jobcenter als Anlaufstellen für alle Erwerbsfähigen umgewandelt.
Auch die berufliche Bildung wurde gänzlich umstrukturiert.
Arbeitnehmer/innen, bei denen das Arbeitsamt die Notwendigkeit einer Weiterbildung festgestellt hatte, sollten einen „Bildungsgutschein“ erhalten, welcher innerhalb von drei Monaten bei einem zugelassenen Träger eingelöst werden musste. Ältere Arbeitslose sollten außerdem schon ab dem 52. und nicht erst ab dem 58. Lebensjahr ohne Zeitlimit befristet eingestellt werden können.
2004
Hartz III
Mit dem dritten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt wurde die Bundesanstalt für Arbeit grundlegend umstrukturiert und in ‚Bundesagentur für Arbeit‘ umbenannt. Auch die Selbstverwaltung ist von den Umstrukturierungen betroffen. Der Verwaltungsrat wird verkleinert, er erhält eine aufsichtsratsähnliche Kontur.
Veränderungen im Kündigungsschutzrecht führen dazu, dass der Kündigungsschutz erst in Betrieben mit mehr als zehn Mitarbeiter/innen, anstatt wie bisher schon ab fünf Angestellten greift. Damit macht die rotgrüne Regierung eine von ihr selbst ab 1999 eingeführte Regelung wieder rückgängig. In den ersten vier Jahren nach der Gründung kann ein Betrieb durch das Reformgesetz außerdem befristete Arbeitsverträge bis zu vier Jahren statt der sonst erlaubten zwei Jahre abschließen.
Zudem wird das Arbeitslosengeld I neu geregelt: Ab 2006 wird es maximal ein Jahr lang beziehungsweise für Arbeitslose über 55 Jahre 18 Monate lang ausbezahlt statt wie bisher bis zu 32 Monate.
2005
Hartz IV und die radikale Wende durch das ALG II
Die Einführung der „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ (ALG II) verlässt einen jahrzehntelangen Entwicklungspfad und stellt einen tiefen Einschnitt in sozialstaatliche Traditionen dar. Die nach dem Lohnprinzip bemessene Arbeitslosenhilfe wurde abgeschafft und durch ein streng bedürftigkeitsgeprüftes Arbeitslosengeld II ersetzt. Der Regelsatz für Arbeitslosengeld II betrug nun im Westen 345 Euro und im Osten 331 Euro monatlich – Wohngeld, Heizung und sonstige Zulagen nicht eingeschlossen.
Das beitragsfinanzierte Arbeitslosengeld (ALG I) wurde mit der Hartz IV Gesetzgebung empfindlich gekürzt, der Kreis der Leistungsberechtigten verkleinert und die Leistungszeit auf maximal 12 Monate ALG I-Bezug reduziert. Der Bund übernahm so einen deutlich größeren Anteil an der Finanzierung der passiven Leistungen für Arbeitslose, und er finanzierte jetzt auch die Eingliederungsleistungen für Langzeitarbeitslose und andere ALG-II-Empfänger, was 2006 ca. 4 Mrd. € ausmachte. Dies ermöglichte die stärkste Beitragssenkung für die Sozialpartner in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, mit dem Ziel der Entlastung für Unternehmen.
Außerdem wurden die Regelungen zur Zumutbarkeit stark verändert. Langzeitarbeitslose wurden verpflichtet, nahezu jeden Job anzunehmen – auch Minijobs. Die Bezahlung unterhalb der ortsüblichen Löhne und Gehälter galt als zumutbar. Wer Jobangebote ablehnte, musste Kürzungen beim Arbeitslosengeld von 30 Prozent hinnehmen. Arbeitsunwilligen Jugendlichen bis 25 Jahren konnte als Sanktion die Leistung für drei Monate komplett gestrichen werden.
Das Ziel der politisch Verantwortlichen war es „Menschen mehr als bisher die Möglichkeit zur Beschäftigung mit niedrigem Einkommen anzubieten“. Dies sollte auch durch die Einführung eines Kombilohnmodells gelingen, mit dessen Hilfe die materiellen Anreize zur Aufnahme einer gering entlohnten Beschäftigung erhöht werden sollten.
Die Zahl der Arbeitslosen ist seither – auch durch Ausweitung der Teilzeit – gesunken, das Arbeitsvolumen leicht gestiegen. Arbeitslose und vor allem Beschäftigte in neuen prekären Jobs bleiben Verlierer, Zahl und Anteil der Langzeitarbeitslosen verweisen auf die fortbestehenden Friktionen. Die Zahl der „Aufstocker“, d.h. derjenigen deren Lohn nicht zur Sicherung der eigenen Existenz ausreicht und die zusätzliche staatliche Unterstützung erhalten, hat sich bis 2010 stark erhöht. Im SGB II-Bereich entstand ein Drehtüreffekt – im Schnitt haben die Hälfte der Neuzugänge bereits einmal SGB II-Leistungen bezogen. Damit ist die Gefahr bei Arbeitslosigkeit den erarbeiteten Lebensstandard aufgeben zu müssen stark angestiegen.
2007
Gefahren einer „autoritär aktivierenden“ Arbeitsmarktpolitik
Zur Vermeidung von „Leistungsmissbrauch“ wurden im SGB II immer härtere Kontrollmechanismen eingeführt. So musste, wer innerhalb von zwölf Monaten dreimal eine Stelle oder Qualifizierung ablehnt, mit der Streichung aller Zahlungen rechnen. Lediglich Sach- oder Geldwerte, wie etwa Lebensmittelgutscheine sollten noch gewährt werden.
Die Job-Center sollten flächendeckend Inspektoren im Außendienst einsetzen, um die vorgeblich „90.000 Missbrauchsfälle“ aufzudecken und der Abgleich von Daten zur besseren Überprüfung der Angaben wurde erleichtert. Es sollten auch private Stellen wie Call-Center nun im Auftrag der Behörden telefonisch Daten bei Leistungsempfängern abfragen und über die Finanzbehörden sollte herausgefunden werden, ob Arbeitslose Konten oder Aktiendepots im EU-Ausland haben. Beim Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg durfte erfragt werden, welche Fahrzeuge der Betroffene hat.
Insgesamt kam dem Förderaspekt in der Arbeitsmarktpolitik eine nachrangigere Rolle zu. Der Anteil der Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik an allen Ausgaben für Arbeitsmarktpolitik war in den vergangenen drei Jahren auf den niedrigsten Stand seit Inkrafttreten des AFG im Jahr 1969 gesunken. Die Bundesagentur für Arbeit gab im Bereich des SGB III im Jahr 2006 nur ein Viertel der Beitragseinnahmen der Arbeitslosenversicherung für aktive Arbeitsfördermaßnahmen aus. Standen im Jahr 2000 noch knapp 4.500 € pro Leistungsempfänger im Eingliederungstitel zur Verfügung, so war dieser Betrag nun auf unter 2.000 € gesunken.
2010
Gerichtliche Bedenken und ein neues Sparpaket
Das Bundesverfassungsgericht erklärt 2010 die Berechnung der Regelleistung der Hartz-Gesetze generell für verfassungswidrig. Abhilfe erfolgte mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.März 2011.
Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht bereits die Regelleistung für Kinder unter 14 Jahren und die mit Hartz IV eingeführten „Argen“, die Vorläufer der Jobcenter, als verfassungswidrig erklärt. Im Jahr 2005 hatte der Europäische Gerichtshof die Einschränkung des Kündigungsschutzes für über 52-Jährige als mit dem EU-Recht unvereinbar erklärt.
Unter der CDU/FDP-Koalition wurde im Jahr 2010 ein „Sparpaket“ beschlossen welches bis 2014 16 Milliarden Euro in der aktiven Arbeitsmarktpolitik, also der Qualifizierung oder bei beschäftigungsschaffenden Maßnahmen, einsparen sollte. Das Paket konnte durch Interventionen und Umschichtungen– nicht zuletzt der Selbstverwaltung – gestreckt und abgemildert werden.
2011
„Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente“
Nach dem Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (2009) wurden nun erneut die Instrumente reformiert, doch der Reformstau bei den arbeitsmarktpolitischen Rahmenbedingungen, wie etwa die personellen Ressourcen in den Jobcentern, blieb ungelöst.
Zwei Milliarden sollten mit dieser Reform bei der Arbeitslosenversicherung eingespart werden. Das betrifft allein 1,33 Milliarden Euro beim Gründungszuschuss, der durchwegs positiv evaluiert worden war, dennoch dem Sparzwang zum Opfer fiel. Der Rechtsanspruch auf Unterstützung bei einer Gründung aus der Arbeitslosigkeit heraus wurde in eine Ermessensleistung umgewandelt und die Leistungen zum Lebensunterhalt auf sechs Monate begrenzt.
In der aktiven Arbeitsmarktpolitik sollten fortan vermehrt Gutscheine für die berufliche Weiterbildung und Maßnahmen der Aktivierung ausgegeben werden, wobei noch Anfang 2011 das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung davon abrieten, da die Gutscheine Personen mit deutlichen Vermittlungshemmnissen bei Ausgabe und Einlösung benachteiligten.
Bundesarbeitsministerin von der Leyen erhob den Anspruch mit der Reform „den Schwerpunkt auf die Maßnahmen der Qualifizierung junger Menschen im Übergang von der Schule in Ausbildung und Beruf [zu] legen.“ So sollte u.a. die bislang an allgemeinbildenden Schulen modellhaft erprobte Berufseinstiegsbegleitung zum Regelinstrument werden.
Die Berufsorientierung für Jugendliche im SGB-II-Leistungsbezug sollte – wie für alle anderen Jugendlichen – künftig einheitlich von Arbeitsagenturen aus Beitragsmitteln erbracht werden
2012
„Berufsanerkennungsgesetz“
Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen begreift sich die Arbeitsmarktpolitik erstmals als ein bedeutender Teil der Integrationspolitik.
Das Gesetz schafft einen allgemeinen Rechtsanspruch auf Überprüfung der Gleichwertigkeit eines ausländischen Berufsabschlusses mit dem deutschen Referenzberuf.
Trotz vieler Hürden, wie zu hohe Kosten und lange Wartezeiten, ist dies ein Symbol dafür, dass erkannt wird, dass Einwanderung ein zunehmend wichtiger Faktor für den Arbeitsmarkt ist. Den meisten Schätzungen zufolge sinkt das Erwerbspotential der deutschen Bevölkerung bis 2050 um bis zu 30 Prozent. Der Arbeitsmarkt von Morgen hängt eng mit der heutigen Willkommenskultur und der Inklusion von Migrannt/innen in Deutschland zusammen.
2013
Weiterer Rückgang der aktiven Förderung
Im Jahresdurchschnitt 2013 sank die Zahl der Teilnehmer/innen an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen auf etwa 860.000 Personen. Das entspricht einem Rückgang um 10 Prozent gegenüber 2012. Damit wurde nur noch etwa jeder sechste Arbeitslose tatsächlich gefördert. Der Rückgang der Teilnehmer/innen an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen erstreckt sich über nahezu alle Förderbereiche, besonders starke Einsparungen gab es beim Gründungszuschuss und den Ein-Euro-Jobs.
Der Gründungszuschuss zur Förderung der Selbstständigkeit als eines der erfolgreichsten Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik wurde am deutlichsten reduziert. Die Zahl der mit dem Gründungszuschuss Geförderten hat im Jahresdurchschnitt 2013 um rund 50.000 Personen beziehungsweise 72 Prozent auf etwa 19.000 abgenommen.
Zudem nimmt eine Arbeitsgruppe unter Einbezug der Länder ihre Arbeit mit dem Ziel auf, das SGB II umfassend zu „vereinfachen“.
2014
Der Mindestlohn kommt
Das Bundeskabinett beschließt die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Januar 2015. Der Mindestlohn soll eine angemessene Mindestvergütung als Lohnuntergrenze für Arbeitnehmer/innen oberhalb der Sittenwidrigkeit sicherstellen. Ab 2017 soll er regelmäßig – orientiert an den Tariflohnentwicklungen – angepasst werden, worüber eine Mindestlohnkommission entscheidet, die sich aus Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertretern zusammensetzt. Vom Mindestlohn ausgenommen sind Jugendliche unter 18 Jahren und Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten ihrer Beschäftigung. Die Ausnahme für Arbeitslose im neuen Job, die zuvor länger als 12 Monate arbeitslos wären, ist arbeitsmarktpolitisch das größte Schlupfloch des Tarifautonomiestärkungsgesetzes, da auf diese Weise die bestehenden Anreizmechanismen für Drehtüreffekte und die Stereotypisierungen von „Langzeitarbeitslosen“ zementiert werden.
Quelle: ver.di
Bild: ver.di