Das neue Rentenpaket: Beitragssatzstabilität hat weiterhin Vorrang – das Rentenniveau wird weiter absinken

RentenpaketImmer dann, wenn in der Rentenpolitik von Reformen die Rede ist, bedeutet es, dass die Leistungen der Rentenversicherung in irgendeiner Art und Weise gekürzt werden. Zu Beginn der 2000er Jahre wurde das alte Ziel der Rentenversicherung, der Sicherung des Lebensstandards nach einem langen Erwerbsleben, verlassen und die Beitragsstabilität, sprich Senkung der „Lohnnebenkosten“ in den Vordergrund gestellt. So dürfen die Beiträge bis zum Jahr 2030 nicht mehr über 22 Prozent steigen und bis zu diesen Zeitpunkt soll das Rentenniveau um 20 Prozent sinken. Für uns Beschäftigte heißt das, dass unsere gesetzlichen Renten an Wert verlieren werden und wir mehr privat und betrieblich vorsorgen sollen. Dadurch werden sich die individuellen Beiträge erheblich erhöhen.

Am 01.07.2014 trat das „Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung“ in Kraft. Es soll die Probleme der sinkenden Erwerbsminderungsrenten angehen, die „Gerechtigkeitslücke“ für Mütter von vor und ab 1992 geborenen Kindern auflösen und als eine Anerkennung für langjährige Beitragszahlung nach 45 Jahren, einen abschlagsfreien Rentenzugang ab dem 63. Lebensjahr ermöglichen. Die grundsätzlichen Probleme werden aber nicht angegangen.

Die einzelnen Änderungen werden hier vorgestellt. Hinzugefügt ist eine Alterstabelle in der jeder anhand seines Geburtsjahres seine Altersgrenze für den abschlagsfreien Rentenzugang nach 45 Beitragsjahren ablesen kann.

Erwerbsminderungsrente

Aufgrund der Lohnentwicklung, Arbeitslosigkeit und zunehmender prekärer Beschäftigung, sowie der permanenten Einschnitte im Rentenrecht ist die Höhe der Neurenten in den letzten 15 Jahren ständig gesunken.

Besonders die Erwerbsminderungsrenten decken nicht den gewohnten Lebensstandard. Immer häufiger reicht diese Rente nicht mehr für das Existenzminimum.

Die durchschnittliche Neurente wegen Erwerbsminderung liegt mittlerweile unterhalb des Existenzminimums. Die geforderte private Vorsorge deckt eine Erwerbsminderung fast nie ab und kann überhaupt keine Lösung sein. Die Probleme der Rentenversicherung werden bei der Erwerbsminderungsrente besonders deutlich.

Das Rentenpaket sieht nun bei dieser Rentenart zwei Verbesserungen vor. Einmal soll die Zurechnungszeit um zwei Jahre verlängert werden, vom 60. auf das 62. Lebensjahr. Die Zurechnungszeit umfasst den Zeitraum zwischen Eintritt der Erwerbsminderung und dem 60. bzw. zukünftig dem 62. Lebensjahr. Der Rentenversicherte wird so gestellt, als hätte er bis zum 60. bzw. zukünftig bis 62. Lebensjahr weiter gearbeitet und er bekommt so zusätzliche Rentenansprüche. Konkret heißt das: Im Durchschnitt bedeutet eine um zwei Jahre verlängerte Zurechnungszeit rund 40 Euro mehr Rente im Monat.

Als eine weitere Maßnahme soll die sogenannte Günstigerprüfung eingeführt werden.

Bei den vier letzten Jahren vor der Erwerbsminderung soll zukünftig geprüft werden, ob ein solcher Einkommensrückgang, wie z.B. durch Krankengeldbezug vorliegt. Ist dies der Fall, wird dieser Zeitraum (unser Beispiel: der Krankengeldbezug) bei der Bewertung der Zurechnungszeit nicht berücksichtigt, entsprechend erhöht sich die Bewertung. Die Erwerbsminderungsrente steigt dadurch an, im Einzelfall sogar beträchtlich.

Ein Rechenbeispiel dazu: Ist der Verdienst in den letzten vier Jahren vor Erwerbsminderung geringer gewesen (unser Beispiel: zwei Entgeltpunkte in den letzten vier Jahren) als der vorherige Lohn, dann würde die Günstigerprüfung ergeben, dass die Zurechnungszeiten mit 0,0903 (26 Entgeltpunkte geteilt durch 288 Monate) statt der 0,0833 Entgeltpunkte (28 Entgeltpunkte geteilt durch 336 Monate) gefüllt wird. Wenn dann noch die zwei Jahre verlängerte Zurechnungszeit mitgerechnet wird, wird die Zurechnungszeit den Rentenanspruch um 18,5 (statt bisher 15) Entgeltpunkte erhöhen. In unserem Beispiel steigt die Bruttorente also von 1.230 auf 1.330 Euro im Monat an.

Die Verbesserungen gelten für die, ab dem 1. Juli 2014 bewilligten Erwerbsminderungsrenten.

Wenn man aber das Problem der Abschläge betrachtet, so wird deutlich, dass auch die Erwerbsminderungsrenten zukünftig vom weiter sinkenden Rentenniveau betroffen sind. Die Abschläge von bis zu 10,8 Prozent mindern die Erwerbsminderungsrente, wenn die Rentenversicherten freiwillig früher in Rente gehen. Die vergleichsweise längere Bezugsdauer soll damit ausgeglichen werden. Aber derjenige, der nach den strengen medizinischen Untersuchungen eine Erwerbsminderungsrente zugesprochen bekommt, geht ja nicht freiwillig aus dem Erwerbsleben heraus.

Diese Ungerechtigkeit wird mittelfristig die Bezieher dieser Rentenart wieder unter das Existenzminimum drücken und Altersarmut weiter vor programmieren. 

„Mütterrente“

Für die Zeit der Kindererziehung erwirbt man auch Rentenansprüche.

Ist ein Kind vor 1992 geboren, erhält man einen Rentenanspruch für ein Jahr des durchschnittlichen Einkommens. Ab dem ab 01. Juli 2014 entspricht dies pro Kind im Westen einer Rente von monatlich brutto 28,61 Euro und im Osten 26,39 Euro.

Für Kinder, die vor dem 01. Januar 1992 geboren wurden, betrug die Kindererziehungszeit bis Juni 2014 nur ein Jahr, seit dem 01. Juli 2014 beträgt sie nun zwei Jahre.

Der sich aus der Kindererziehungszeit ergebende Rentenanspruch wird immer als „Mütterrente“ bezeichnet. Dabei handelt es sich gar nicht um eine eigenständige Rentenart. Trotzdem werden die rund 6,5 Milliarden Euro aus den Beiträgen der Versicherten bezahlt.

Weil aber die Familienförderung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, müsste sie eigentlich aus Steuermitteln finanziert werden. Auch deshalb, da auch Selbstständige und andere, die nicht in die Rentenversicherung einzahlen, davon profitieren. Außerdem ist dies eine sogenannte nicht beitragsgedeckte Leistung, für die nie Beiträge gezahlt wurden.

Ein Grund mehr, dass diese Kosten auch aus Steuermitteln erstattet werden müssen und nicht die Rentenkasse zusätzlich belasten.

Reha-Budget

Den meisten Menschen ist nicht bekannt, dass es in der Rentenversicherung ein Budget für die Rehabilitation (Reha-Budget) gibt. Viele haben aber bereits aus diesem Budget Leistungen erhalten. Immer dann, wenn die Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen gefährdet oder bereits beeinträchtigt ist, können Versicherte von ihrem zuständigen Rentenversicherungsträger Leistungen zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation erhalten. Die Reha zielt darauf ab, die Erwerbsfähigkeit zu erhalten oder soweit möglich wieder herzustellen. Der Grundsatz heißt „Reha vor Rente“, als Rente gemeint ist hier die Erwerbsminderungsrente. Für diese Leistungen stehen den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung begrenzte Mittel zur Verfügung, eben das Reha-Budget. Der finanzielle Umfang wird jährlich neu festgesetzt und an die voraussichtliche Entwicklung der Bruttoentgelte je Arbeitnehmer ausgerichtet.

Rückwirkend zum 1. Januar 2014 wird das Reha-Budget zusätzlich an die demografische Entwicklung angepasst und um rund 100 Millionen Euro erhöht. Zur Berechnung wird ein Faktor, die sogenannte Demografie Komponente, eingeführt, der den Anteil der 45 bis 67-jährigen, dies ist das „rehabilitationsintensive“ Alter, an der Bevölkerung berücksichtigt. Diese zusätzliche Erhöhung soll dann auf bis zu 233 Millionen Euro im Jahr 2017 ansteigen. Vorgesehen ist, dass nach 2017 diese zusätzliche Erhöhung schrittweise wieder abgebaut wird, da die geburtenstarken Jahrgänge dann nach und nach in Rente gehen.

„Rente für besonders langjährig Versicherte“ „ Rente mit 63“

Einen Anspruch auf die „Rente für besonders langjährig Versicherte“- „Rente mit 63“ hat derjenige, der 45 Jahre Pflichtbeiträge aus Erwerbstätigkeit, Pflege von Angehörigen und Kindererziehung geleistet hat. Dazu zählen auch Kinderberücksichtigungszeiten, Entgeltersatzzeiten wie Krankengeld oder Übergangsgeld auch freiwillige Beiträge mit, ebenso Wehr- und Ersatzdienstzeiten, auch Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld und Zeiten aus Minijobs. Nicht berücksichtigt werden Pflichtbeiträge, die wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II oder Arbeitslosenhilfe gezahlt wurden und Zeiten aus einem Versorgungsausgleich, sowie aus einem Rentensplitting unter Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern.

Mit der „Rente mit 63“ wurde beschlossen, einen abschlagsfreien Rentenzugang nach 45 Beitragsjahren weiterhin mit 65 Jahren zu ermöglichen. Die Altersgrenze dieser Rente soll nun für vor 1953 geborene auf 63 Jahre abgesenkt werden. Ab Jahrgang 1953 steigt die Grenze jedoch schrittweise wieder auf 65 Jahre. Wer vor dem Juli 1951 geboren ist, durfte ab Juli 2014 abschlagsfrei in Rente gehen:

 

geboren abschlagsfreie Rente möglich ab
Jahr Monat
1949 vor Aug. 65 Jahre
August 64 J. + 11 M.
September 64 J. + 10 M.
Oktober 64 J. + 9 M.
November 64 J. + 8 M.
Dezember 64 J. + 7 M.
1950 Januar 64 J. + 6 M.
Februar 64 J. + 5 M.
März 64 J. + 4 M.
April 64 J. + 3 M.
Mai 64 J. + 2 M.
Juni 64 J. + 1 M.
Juli 64 Jahre
August 63 J. + 11 M.
September 63 J. + 10 M.
Oktober 63 J. + 9 M.
November 63 J. + 8 M.
Dezember 63 J. + 7 M.
1951 Januar 63 J. + 6 M.
Februar 63 J. + 5 M.
März 63 J. + 4 M.
April 63 J. + 3 M.
Mai 63 J. + 2 M.
Juni 63 J. + 1 M.
ab Juli 63 Jahre
1952 Jan. bis Dez. 63 Jahre
1953 Jan. bis Dez. 63 J. + 2 M.
1954 Jan. bis Dez. 63 J. + 4 M.
1955 Jan. bis Dez. 63 J. + 6 M.
1956 Jan. bis Dez. 63 J. + 8 M.
1957 Jan. bis Dez. 63 J. + 10 M.
1958 Jan. bis Dez. 64 Jahre
1959 Jan. bis Dez. 64 J. + 2 M.
1960 Jan. bis Dez. 64 J. + 4 M.
1961 Jan. bis Dez. 64 J. + 6 M.
1962 Jan. bis Dez. 64 J. + 8 M.
1963 Jan. bis Dez. 64 J. + 10 M.
ab 1964 65 Jahre

Für einige Geburtsjahrgänge besteht aufgrund von Vertrauensschutzregelungen die Möglichkeit, die Rente sogar schon vor dem vollendeten 63. Lebensjahr zu beziehen. Die vorzeitige Rente können sie nur mit Abschlägen erhalten. Dazu müssen Sie zwischen 1948 und 1954 geboren sein und vor dem 1. Januar 2007 mit Ihrem Arbeitgeber Altersteilzeitarbeit nach dem Altersteilzeitgesetz vereinbart haben. Für Bergleute besteht auch dann Vertrauensschutz, wenn sie nach 1947 und vor 1964 geboren wurden und Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben.

Als aktuell Beschäftigter kann man die Änderungen des „Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung“ im Großen und Ganzen begrüßen.

Es zeigt aber auch, dass die jetzige Bundesregierung den grundsätzlichen Kurs in der Rentenpolitik nicht verlässt. Die Rentenversicherung soll dem Ziel der Beitragssatzstabilität untergeordnet bleiben und das Rentenniveau wird weiter absinken.

Die Mehrausgaben, die aus den Beiträgen finanziert werden, werden den Beitragssatz erhöhen. Die „Mütter-Rente“ wird sich zur teuersten Leistung entwickeln, obwohl sie gar nicht aus den Beiträgen finanziert wird. Steigende Beiträge haben aber Einfluss auf die Rentenanpassungsformel (den Faktor Altersvorsorgeaufwendungen, der sogenannte „Riester-Faktor“).

Die Renten steigen deshalb gerade wegen des neuen Rentenpakets noch langsamer als bisher vorgesehen. Dazu kommt noch, dass die Änderung den zweiten Faktor in der Rentenanpassungsformel, den „Nachhaltigkeitsfaktor“ schmälert. Das ist immer dann der Fall, wenn die Ausgaben schneller als der aktuelle Rentenwert steigen. Dadurch sinkt wiederum das Rentenniveau stärker als vorgesehen. Ein Viertel der „Mehrausgaben“ wird durch geringere Rentenerhöhungen auf die Renten umgelegt.

Als Rentnerin und Rentner aber zahlt man einen weiteren Anteil der Kosten des Rentenpakets durch langsamer steigende Renten.

Quellen: Dt. Rentenversicherung, Arbeitnehmerkammer Bremen, DGB

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