Die Große Koalition hat die Halbzeit ihrer Legislaturperiode erreicht. Dabei wurde das im Koalitionsvertrag verankerte Thema des Missbrauchs von Befristungen noch nicht angefasst. Für den DGB ist das allerdings ein zentrales Thema. Eine Vielzahl von Studien und Analysen dokumentiert, welche Ausmaße die Befristungspraxis auf dem deutschen Arbeitsmarkt angenommen haben und welche bedeutenden Nachteile für die Beschäftigten damit einhergehen. Eine Reform des Teilzeit- und Befristungsgesetzes ist deshalb als prioritär zu behandeln. Wir erwarten für das erste Quartal 2020 einen Reformentwurf dazu und setzen uns dafür ein, dass dieser auch über die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag hinausgeht. Sachgrundlose Befristungen gehören abgeschafft, nicht nur in großen Betrieben. Genauso muss es eine grundsätzliche Debatte über die zulässigen Befristungsgründe geben. Eine Erprobung oder befristete Haushaltsmittel dürfen nicht mehr als akzeptable Gründe gelten.
In Kürze
- Bei Neueinstellungen ist fast jede zweite Stelle befristet. Die Anzahl sachgrundloser Befristungen steigt.
- Befristete Verträge dauern meistens bis zu 18 Monate. Dabei ist das Risiko von Arbeitslosigkeit ohne die Erfüllung notwendiger Anwartschaftszeiten in der Arbeitslosenversicherung groß.
- Die Befristungsquote wächst mit der Betriebsgröße. Die Vermeidung einer Kündigungsschutzklage bietet keine ausreichende Erklärung dafür.
- Befristungen betreffen mittlerweile alle Alters- und Qualifikationsgruppen. Die meisten befristeten Beschäftigten sind deutsch, zwischen 25 und 40 Jahre alt und mit einer abgeschlossenen Ausbildung bzw. einem Studium.
- Das Privat- und Berufsleben von befristet Beschäftigten ist von fehlender Planungssicherheit geprägt. Sie sind oft gezwungen schlechtere Arbeitsbedingungen in Kauf zu nehmen.
- Die meisten Befristungen finden in der Privatwirtschaft statt. Anteilig an der betrieblichen Gesamtbeschäftigung sind aber der öffentliche Dienst und der gemeinnützige Dritte Sektor Vorreiter bei der Befristungspraxis.
- Befristungen haben sich in den letzten zehn Jahren von einem Mittel zur Deckung eines befristeten Bedarfes immer mehr in Richtung eines Mittels zur Erprobung von Neueingestellten entwickelt. Heute werden Beschäftigte befristet eingestellt, auch wenn sie langfristige Bedarfe decken sollen.
- Überwiegender Befristungsgrund in der Privatwirtschaft ist die Erprobung von Beschäftigten. Im öffentlichen Dienst wird am häufigsten aufgrund von Vertretungsbedarfen und begrenzten Haushaltsmitteln befristet. Im gemeinnützigen Bereich spielt die begrenzte Finanzierung die größte Rolle.
- Viele Branchen mit einer hohen Befristungsquote sind gleichzeitig von Fachkräfte- bzw. Personalmangel geprägt. Betriebe investieren weniger in die Weiterbildung von befristeten Beschäftigten. Fachkräfte- und Personalmangel werden durch befristete Beschäftigung verschärft.
- Trotz Anstieg der Befristungszahlen sind dadurch keine eindeutigen positiven Effekte auf die Durchlässigkeit und Flexibilität des Arbeitsmarktes zu erkennen. Das Risiko, arbeitslos zu werden, ist bei befristet Beschäftigten vier Mal so hoch wie bei Unbefristeten.
Ausblick
Um den Missbrauch von sachgrundlosen Befristungen und Kettenbefristungen abzuschaffen, ist eine Reform des Teilzeit- und Befristungsgesetzes im Koalitionsvertrag verankert. Die Bundesregierung möchte bei Arbeitgebern mit mehr als 75 Beschäftigten die sachgrundlosen Befristungen auf eine Quote von 2,5 Prozent der Belegschaft beschränken. Die maximale Gesamtdauer von Befristungen ohne Sachgrund soll von 24 auf 18 Monate verkürzt werden, wobei nur noch eine einmalige statt einer dreimaligen Verlängerung innerhalb dieser Zeit möglich sein soll. Bei Befristungen mit Sachgrund sieht der Koalitionsvertrag eine neu einzuführende zeitliche Beschränkung von fünf Jahren vor.
Dem DGB gehen diese Vorhaben nicht weit genug. Die Befristungsgesetzgebung sollte eine sorgfältige Abwägung zwischen den Sicherheitsbedürfnissen der Beschäftigten und den Bedarfen des Arbeitsmarktes und der Wirtschaft darstellen. Es ist hinreichend belegt, dass der Einsatz von Befristungen als verlängerte Probezeit, wegen begrenzter Haushaltmittel oder einfach weil sie möglich sind und dadurch eine Kündigungsschutzklage auszuschließen ist, nicht ausreicht, um die erheblichen Nachteile, die Beschäftigte davon haben, auszugleichen. Diese Erkenntnisse sollten somit auch zu gesetzlichen Konsequenzen führen. Der DGB erwartet für das erste Quartal 2020 neben einer zügigen Umsetzung des Koalitionsvertrags auch eine darüber hinaus laufende Debatte und Gesetzesänderung, die sachgrundlose Befristungen komplett abschafft und auch die Zulässigkeit mehrerer aktuell erlaubter Befristungsgründe in Frage stellt.
DGB-Forderungen
- Das Instrument der sachgrundlosen Befristung ist ersatzlos abzuschaffen (§14 Abs. 2, 2a und 3 TzBfG). Denn mit diesen Regelungen hat der Gesetzgeber den Arbeitgebern faktisch ermöglicht, den Kündigungsschutz auszuhöhlen und die Probezeit in einem Anstellungsverhältnis ohne Angabe von Gründen auf zwei Jahre (oder noch länger) auszudehnen.
- Notwendig ist zudem eine Eindämmung der Befristungsgründe. Der Befristungsgrund der begrenzten Haushaltsmittel (§ 14 Abs. 1 Nr. 7) ermöglicht dem Bund, den Ländern und den Kommunen eine ausufernde Befristungspraxis und gehört abgeschafft. Die Tatsache, dass die Haushaltsmittelpläne stets zeitlich begrenzt bewilligt werden, ist kein valider Grund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses; zudem bestehen Gleichbehandlungsprobleme mit der Privatwirtschaft.
- Der Befristungsgrund der Erprobung (§ 14 I Nr. 5 TzBfG) sollte ebenfalls aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz gestrichen werden. Mittlerweile ist diese Befristungsmöglichkeit der Hauptgrund von Befristungen in der Privatwirtschaft und angesichts existierender Probezeitregelungen nicht notwendig.
- Um den Missbrauch von aufeinander folgenden Befristungen beim selben Arbeitgeber (Kettenbefristungen) zu bekämpfen, muss darüber hinaus die Gesamtdauer in der ein Beschäftigter bei demselben Arbeitgeber befristet werden kann, unabhängig vom Befristungssachgrund eingeschränkt werden. Gleichzeitig muss die Anzahl von möglichen Vertragsverlängerungen innerhalb dieses Zeitraumes eingeschränkt werden.
Quelle: https://www.dgb.de/themen/ Bild: 123 rf cco