Die organisierte Unternehmerschaft demonstriert eine schmierige Willkommenskultur

unternehmerEine ganz besondere Willkommenskultur gegenüber den Flüchtlingen haben die Arbeitgeber in den letzten Wochen an den Tag gelegt. Sie wünschen sich nichts sehnlicher, als die Integration der Flüchtlinge in den deutschen Arbeitsmarkt.

Während der Vorstandvorsitzende von Daimler, Dieter Zetsche, in den Flüchtlingszentren nach Arbeitskräften sucht und für sein Unternehmen werben will, hat sich der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, für mehr Offenheit gegenüber Flüchtlingen ausgesprochen und bemüht wieder das Phantom des Facharbeitermangels, nach dem in Deutschland nach Schätzungen des BDI allein bis zum Jahr 2020 rund sieben Millionen Arbeitskräfte fehlen würden. Er meint „als Wohlstandstaat und auch aus christlicher Nächstenliebe sollte es sich unser Land leisten, mehr Flüchtlinge aufzunehmen“ und fügt ein Bekenntnis zu Deutschland als Einwanderungsland hinzu. Einen ähnlichen Vorstoß machte Arndt Kirchhoff, Präsident des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie NRW, in dem er die Einstiegstarife für Flüchtlinge ins Spiel brachte. Die Unternehmen schwärmen auch von den willigen Auszubildenden, die sie in den Flüchtlingsunterkünften gefunden haben und sind begeistert von deren Fleiß – auch noch nach Dienstschluss. Die in den Medien immer präsenten Wirtschaftsexperten behaupten frech, dass der Mindestlohn die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt behindert und für sie gesenkt werden muss.

Es handelt sich hier weniger um die christliche Nächstenliebe der deutschen Unternehmer sondern sie nutzen die Situation aus, um sich passgenau die Arbeitskräfte nach deren Marktwert auszusuchen und starten gleichzeitig einen weiteren massiven Angriff auf die Tarifverträge und den gesetzlichen Mindestlohn.

Die Einwanderer  bekommen derweil ihre Rolle wie schon seit über 100 Jahren zugeteilt, die der industriellen Reservearmee und der Lohndrücker.

Die Bundesagentur für Arbeit rückt auch schon aus und versucht in den Flüchtlingsunterkünften die Arbeitskräfte für die Unternehmen auszusuchen. Dafür gehen spezialisierte Vermittlungsfachkräfte der Arbeitsagentur direkt in die Unterkünfte hinein, um den Flüchtlingen die scheinbar rosigen Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten darzustellen. Das erinnert an die Zeit der Anwerbung von den damals Gastarbeiter genannten Arbeitskräften in den 1960er Jahren und an deren Ausbeutung.

Schon seit Jahrzehnten ist die Arbeitsmigration mit ihren gigantischen Ausmaßen der entscheidende Faktor für die schnelle Einbeziehung der Staaten der europäischen Peripherie in das Wirtschaftssystem der europäischen Industriezentren. In den südlichen und südöstlichen Ländern Europas gab und gibt es ein riesiges Potential an Arbeitskräften, über das man als Unternehmen je nach Bedarf, ganz flexibel für die verschiedensten Zwecke, Budgets und Anforderungen verfügen kann.

Der Arbeitsmarkt war und ist immer im Wandel und in Bewegung. Es entstanden immer wieder unterschiedliche Arten von Beschäftigungsverhältnissen. Zuletzt ist durch die Deregulierung der sogenannte prekäre Beschäftigungsbereich entstanden, in dem ganz viel unterbezahlte Teilzeitarbeit entstand und der Bedarf mit Werkverträgen, Leih- und Zeitarbeit und Scheinselbständigkeit gedeckt wird.

Daneben gab es immer schon den halblegalen bis illegalen Bereich des Arbeitsmarktes, wo es kaum oder keinen Arbeitsschutz gibt, das Entgelt meist nicht ausgezahlt, die gesetzliche Arbeitszeit permanent überschritten wird und die Menschen unter unerträglichen Bedingungen leben müssen. Auch hier bedienen sich die Unternehmen aus einer Quelle, die immer neue unverbrauchte Arbeitskräfte auf den Markt sprudeln lässt.

Bei der derzeitigen Zuwanderung ist ausreichend kostengünstige Arbeitskraft vorhanden, die sich für die unattraktiven Bereiche des Arbeitsmarktes mit ihren wenig qualifizierten, stark belastenden und gering entlohnten Arbeiten mobilisieren lässt. Durch das Überangebot an Arbeitskräften kann jeder Teilbereich des Arbeitsmarkts passgenau bedient werden und damit die Arbeitskräfte auch billig bleiben, muss das Angebot größer sein, als die Nachfrage nach ihnen.

Dennoch wird seitens der organisierten Unternehmerschaft befürchtet, dass es demnächst mal kein Überangebot an Arbeitskräften geben könnte. Um hier Vorsorge zu treffen, starten sie Kampagnen zum Facharbeitermangel, den es definitiv nicht gibt oder schwingen die Demografikeule, mit der man ja schon die gesetzliche Rentenversicherung geschleift hat. Sie tun dies, damit die Reservearmee an Arbeitskräften genügend groß und damit billig bleibt.

Damit das ganze so weiter funktioniert, muss jedem Menschen hier eingetrichtert werden, dass jeder, selbst der illegal Beschäftigte, hier und jetzt die Möglichkeit des Aufstiegs hat und es vom Tellerwäscher in der Fast-Food-Kette zum Millionär leicht zu schaffen ist.

Im Rückblick betrachtet hat sich aber die Arbeitsmigration für den Einzelnen in der Regel nicht gelohnt. Lebendige Beispiele gibt es bei den als Gastarbeiter angeworbenen Menschen und deren Kindern genug. Sie sind verarmt, sitzen seit Jahren in Hartz IV fest, sind überschuldet, die Familienstruktur ist zerbrochen und der Einzelne ist seelisch und körperlich erkrankt.

Die Hauptaufgabe der Gewerkschaften war und ist es, die Konkurrenz unter den Lohnabhängigen einzudämmen und durch Kartellierung und Monopolisierung des Angebots von Arbeitskraft möglichst viel für sie heraus zu holen. Bereits in den Anfängen der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung war die Gewerkschaftsarbeit international ausgerichtet. Bei Streiks in einem Land wurden die Gewerkschaftsmitglieder in den anderen Ländern darum gebeten, sich nicht als Streikbrecher benutzen zu lassen. Wenn es den einen Beschäftigten schlecht ging, wurde danach gefragt, welchen Anteil das eigene Land daran hat und was die anderen dafür tun können, um dies zu ändern.

Unsere Gewerkschaften könnten doch mal fragen, warum Deutschland zum beliebten Einwanderungsland verklärt wird und warum die meisten Einwanderer vor wirtschaftlicher Not und Arbeitslosigkeit fliehen müssen und ob nicht hauptsächlich Deutschland diese Not durch seine Lohndumpingpolitik und die Außenhandelsüberschüsse verursacht hat. Sie sollten auch thematisieren, dass es auf der einen Seite die umworbenen hochqualifizierten Immigranten, deren Ausbildung den Unternehmen nichts gekostet hat, hier eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis erhalten und auf der anderen Seite es Arbeitskräfte gibt, denen man den Aufenthalt verweigert, weil sie zurzeit nicht verwertet werden können.

Trotz Jahrzehnte langer Arbeitsmigration haben die Gewerkschaften keine neuen Ansätze für eine europäische Organisierung herausgebildet, ihr Agieren bleibt am jeweiligen Nationalstaat ausgerichtet.

Die Gewerkschaftsbewegung ist international oder sie ist nichts.

Da reicht es nicht aus, dass die Gewerkschaften ihre Mitglieder nur auffordern, in den Chor der Willkommenskultur mit einzustimmen.

 

Quelle: WAZ

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