Unter der Überschrift „Bildung schafft Beschäftigung“ teilt das Bundesministerium für Bildung und Forschung vor einiger Zeit mit, dass nun bei den Akademikern und Akademikerinnen in Deutschland nahezu Vollbeschäftigung herrsche: Nur 2,4 Prozent der Personen mit einem Hochschulabschluss wären erwerbslos. Auch bei der Erwerbslosenquote der Personen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung liege Deutschland mit 5,8 Prozent deutlich unter dem OECD-Durchschnitt von 7,3 Prozent.
Hier soll vermittelt werden, dass durch die Investitionen in Forschung und Bildung mehr Wachstum und Beschäftigung geschaffen werden kann.
Wird hier ein Zusammenhang hergestellt, den es aber gar nicht gibt?
Man hört es immer wieder, wenn mehr Geld in den Bildungs- und Forschungsbereich investiert würde, könnte auch gleichzeitig das Wirtschaftswachstum gefördert werden. Aber vor allen Dingen würde dadurch die Beschäftigung gefördert und die Arbeitslosigkeit verringert.
Angestrebt wird dabei die sogenannte Wissensgesellschaft. Damit meint man, dass in hochentwickelten Ländern, in denen individuelles und kollektives Wissen und die Organisation des Wissens zur Grundlage des sozialen und ökonomischen Zusammenlebens werden. Vor allem würden in dieser Gesellschaft die Arbeits- und Kapitalressourcen durch Wissen und Information als Hauptquellen ersetzt werden. Der Strukturwandel der Gesellschaft geht dabei wirtschaftlich in Richtung Dienstleistungsökonomie und in der Produktion selbst, wird mehr und mehr Wissenschaft und Wissensarbeit einbezogen.
Aber niemand kann behaupten, dass dieser Wandel automatisch auch mehr Beschäftigung bringt.
Es ist mittlerweile eine Binsenweisheit, dass die Steigerung der Produktivität Arbeitsplätze kosten kann, wenn nicht zugleich die Arbeitszeit gesenkt wird.
Wird die Arbeitszeit verlängert, ist dies ein Anzeichen an Defiziten in ökonomischem oder technologischem Wissen.
Auch kann das Schaffen neuer Produkte neue Arbeitsplätze bringen und gleichzeitig Stellen in den herkömmlichen Industrien abbauen. Genau diese Prozesse konnte man beim Durchbruch der Informationstechnologie in den achtziger und neunziger Jahren beobachten.
Klar ist, dass Investitionen für Forschung und Bildung auch Arbeitsplätze in diesen Bereichen selbst schaffen und durch das zusätzliche Einkommen auch weitere Nachfrage erzeugt wird. Aber solche Auswirkungen können bei genügender Ausstattung auch in anderen Branchen wie im Sozial- und Gesundheitswesen oder in der Unterhaltungsindustrie erzielt werden.
Fest steht auch, wer besser ausgebildet ist, hat einen Wettbewerbsvorteil auf dem Arbeitsmarkt, mit dem er andere überholen kann, die beim Rennen um den begehrten Job dann eben auf der Strecke bleiben. Sind beide Konkurrenten gleich gut und bleibt das Angebot an Arbeitsplätzen konstant, gibt es einen Gewinner und einen Verlierer.
Es wird immer wieder behauptet, dass eine hochentwickelte Wissensgesellschaft ein Standortvorteil im internationalen Wettbewerb sei. Das sagt erst Mal nichts über die Arbeitsplätze aus. Schon gar nicht, wenn es so läuft wie bei uns derzeit: dass der Export enorm ansteigt und die Binnennachfrage schwächelt, von einem fiktiven Facharbeitermangel geredet wird, nur höchstqualifizierte Arbeitskräfte aus anderen Ländern einreisen sollen, nur die Eliten gefördert und gleichzeitig die Ausgaben für die Ausbildung und Qualifizierung gekürzt werden.
So ist eher ein großes Bildungsgefälle entstanden als eine Wissensgesellschaft, mit einem hohen Sockel an Langzeitarbeitslosen, die in Hartz IV festsitzen.
Anders sieht es aus, wenn man nicht nur an Hochtechnologie und Eliteförderung denkt, sondern an ein Bildungswesen, das von dem Vorschulbereich an alle gut ausstattet.
Die jungen Menschen müssen allerdings anschließend auch Arbeit finden, sonst wandern sie ab, wie es derzeit bei den jungen qualifizierten Menschen aus den südlichen EU-Ländern zu beobachten ist.
Die Politik muss sich entscheiden, welche Strategie sie verfolgen will:
Will man
- eine Bildungspolitik gestalten, die alle vom Vorschulbereich angefangen gut ausstattet und damit auch langfristig ökonomisch sinnvoll ist
oder
- kurzfristig „Standortvorteile“ erringen, durch Sparen an der Infrastruktur wie im Vorschulbereich, Schulen, Berufsausbildung und Universitäten.
Quellen: Lunapark 21, DGB
Bild: dgb