Seit Juni 2013 tagte auf Einberufung der Arbeits- und Sozialministerkonferenz ASMK eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur „Vereinfachung des Leistungsrechts im SGB II“. Von dieser wurden Vorschläge gesammelt und in einem Schlussbericht vom 2. Juli 2014 zusammengefasst. Der Gesetzesentwurf hat die Vorschläge aufgegriffen, die durch die Bund-Länder-Arbeitsgruppe entwickelt wurden. Unverständlich bleibt die geheime Vorbereitung, die nicht nur Wissenschaft, Gewerkschaften, Kirchen, Wohlfahrtsverbände und Betroffenenvertreter außen vor ließ und in einem sehr leistungsträgerorientierten Kreis erfolgte, sondern auch die Öffentlichkeit von einer offenen Berichterstattung ausschloss, obwohl die Vorschläge bereits zum 1.4. 2015 als Gesetz in Kraft treten sollten. Ziel sei die Weiterentwicklung des Leistungs- und Verfahrensrechts des SGB II, so zumindest die offizielle Begründung zum Gesetz. Das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates und der Gesetzentwurf soll vom Bundeskabinett am 9. Dezember 2015 beschlossen werden. Die weiteren Termine für das Gesetzgebungsverfahren sind noch nicht bekannt.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss v. 23.07.2014 – 1 BvL 10/12 eine Reihe notwendiger Änderungen im Hartz IV – Gesetz angemahnt (Energiekosten, Elektrogeräte, Regelbedarf, Brillen). Die Reformation des Sanktionsrechts ist überfällig, ein Vorlagebeschluss dazu liegt beim BVerfG, die hier überfälligen Regelungen scheitern am Widerstand der CSU. Der Entwurf ist eine Art „Anti-Bundessozialgerichts-Gesetz“. An vielen Stellen soll das Gesetz so geändert werden, dass Leistungsansprüche, die das BSG Leistungsberechtigten im Wege der Gesetzesauslegung zugesprochen hatte, wieder vernichtet werden; Leistungsansprüche, die die Arbeitsverwaltung und das SPD-geführte BMAS offenbar als „Störung“ ihres Geschäftsbetriebs begreifen.
Stattdessen soll das SGB II an einer Vielzahl von kleinen und großen Stellschrauben geändert, in einer Reihe von Fällen soll BSG-Rechtsprechung zurückgedreht und das Sonder- und Entrechtungsrecht weiter verfeinert und ausgebaut werden. Das vom BVerfG garantierte Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums als Menschenrecht wird weiter systematisch ausgehöhlt.
Wir haben in der nachfolgenden Bewertung versucht, die wesentlichsten Punkte des Referentenentwurfs zu erklären, sie in den Kontext zu stellen, Ergänzungen zu schreiben und Forderungen zu formulieren. Dies kann und sollte als Leitfaden für Fachpolitiker, Verbände, aber auch durch die kritische Öffentlichkeit genutzt werden. Der Entwurf enthält Licht und Schatten. Einige sogar richtig gute Verbesserungen, der restriktive Teil und das Sonderrecht was gleichzeitig damit geschaffenwerden soll überwiegt aber.
Daher werden hier aus Sicht einer parteilichen Beratung Maßnahmen mit negativ markiert, die ohne Not die Not vergrößern und die weggelassen werden können. Es soll Verschärfungen geben, die absolut nicht vertretbar sind und den besonderen Widerstand von Zivilgesellschaft und Politik erfordern, diese möchten wir hervorheben:
- Zuordnung von Kindern bei bisherigen sog. temporären Bedarfsgemeinschaften / Streichung des Lebensunterhalts der Kinder im umgangswahrnehmenden Haushalt (Seite: 2-3)
- Zulässigkeit einer Gesamtangemessenheitsgrenze für die Warmmiete (Seite 14-15)
- Anrechnung von Nachzahlungen aus anderen Sozialleistungen als einmalige Einnahme im SGB II (Seite: 5)
- Absetzbarkeit von gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungen, nur wenn sie zum Zeitpunkt der Entscheidung nachgewiesen wurden (Seite: 8)
– Streichung der Arbeitsmittelpauschale von 15,33 EUR (Seite: 8-9)
– Ausweitung der Ersatzansprüche bei sozialwidrigem Verhalten /Ausweitung des „Sanktionsrechts“ (Seite: 16 – 17)
– Begrenzung der Rückwirkung eines Überprüfungsantrages bei ständiger Rechtsprechung / Einschränkung des § 44 SGB X (Seite: 18)
– Nachweispflicht von Bedürftigkeit und Rückforderungsanspruch bei fehlendem Nachweis (Seite: 21-22)
- Voraussetzungen für die vorläufige Gewährung / Ausschluss des Anspruchs auf Vorschuss (Seite: 21)
– Bei vorläufiger Gewährung ganz oder teilweise nicht Berücksichtigung des Erwerbstätigenfreibetrag (Seite: 22)
Die Stellungnahme kann hier: http://tacheles-sozialhilfe.de/fa/redakteur/Aus_der_Gesetzgebung/Fachstellungnahme_9._SGB_II-AEndG_V_-_12.11.2015__End.pdf herunter geladen werden.