Globale Energiewirtschaft und Menschenrechte – deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand

„Seit der ersten Bestandsaufnahme von Germanwatch und MISEREOR zum Thema Wirtschaft und Menschenrechte in Deutschland im Jahr 2014 hat sich dieser Bereich dynamisch entwickelt.

Ende 2016 hat die Bundesregierung einen Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet. Zumindest ein Teil der Unternehmen stellt sich inzwischen engagierter seinen menschenrechtlichen Herausforderungen. Die öffentliche Debatte in Politik und Medien greift dieses Thema zunehmend auf. Dennoch besteht bei Unternehmen und Politik immer noch großer Handlungsbedarf.

Auch der vorliegende Bericht nutzt die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte aus dem Jahr 2011, die in jedem Land umgesetzt werden sollen, als ein wichtiges Referenzdokument. Nach einer Analyse übergeordneter Entwicklungen wird beispielhaft der Energiesektor in den Blick genommen. Rund ein Drittel der unternehmensbezogenen Menschenrechtsvorwürfe betreffen international den Energiesektor. Deutsche Unternehmen sind über den Import von Energierohstoffen, aber auch über den Export von Kraftwerkstechnologien und Dienstleistungen mit der globalen Energiewirtschaft eng verflochten. Germanwatch und MISEREOR arbeiten schon seit vielen Jahren zum Energiesektor und konnten ihre Erfahrungen mit diesem Sektor in den Bericht einbringen.

In den letzten drei Jahren hat die Debatte zu Wirtschaft und Menschenrechten ein neues Niveau erreicht. Mit den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sind seit 2011 alle Staaten aufgefordert, diese auf nationaler Ebene umzusetzen. In Deutschland stand seit 2014 der Nationale Aktionsplan (NAP) im Mittelpunkt, den die Bundesregierung nach zweijährigem Konsultationsprozess im Dezember 2016 verabschiedet hat. Gleichzeitig gab es Impulse durch neue EU-Richtlinien und die Verhandlungen über ein UN-Menschenrechts-abkommen zu transnationalen Konzernen und anderen Unternehmen. In Kapitel 2 analysieren die Autor/-innen diese allgemeinen Entwicklungen im Themenfeld Wirtschaft und Menschenrechte, die auch den Rahmen für die anschließende Betrachtung des Energiesektors bilden.

Mit der Energiewirtschaft steht ein Sektor im Mittelpunkt dieses Berichts, der starke globale Bezüge aufweist und immer wieder mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht wird. Die Studie geht der Frage nach, inwieweit deutsche Unternehmen und die Bundesregierung die Anforderungen der UN-Leitprinzipien bislang umsetzen.

Deutschland wehrt sich auf nationaler und internationaler Ebene gegen Verbindlichkeit

Zwar bringt die Bundesregierung im NAP ihre Erwartung zum Ausdruck, dass alle deutschen Unternehmen ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten umsetzen. Eine gemeinsame Forderung von Gewerkschaften und NRO nach einer gesetzlichen Regelung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten deutscher Unternehmen mit Blick auf ihre Auslandsgeschäfte hat sie jedoch nicht aufgegriffen. Damit bleibt Deutschland hinter Frankreich zurück, das ein solches Gesetz 2017 verabschiedet hat. Auch Großbritannien und die Niederlande haben jeweils Gesetze gegen Kinderarbeit und moderne Sklaverei in Lieferketten verabschiedet. Der deutsche NAP enthält auch keine Maßnahmen, um für betroffene Menschen aus dem globalen Süden den Zugang zu Gerichten zu verbessern.

Positiv ist zu bewerten, dass die Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten der Unternehmen ab 2018 jährlich von unabhängiger Seite wissenschaftlich überprüft werden soll. Als Zwischenziel gibt der NAP vor, dass mindestens 50 Prozent aller deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter/-innen bis 2020 die Elemente der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in ihre Unternehmensprozesse integriert haben sollen. Die Bundesregierung kündigte an, anderenfalls weitergehende Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen zu prüfen. Ein weiteres positives Ergebnis des NAP-Prozesses ist, dass sich inzwischen drei der vier derzeit im Bundestag vertretenen Parteien für die Einführung einer gesetzlich geregelten Sorgfaltspflicht in der nächsten Legislaturperiode ausgesprochen haben.

Auch in den parallel zum NAP-Prozess stattfindenden Gesetzgebungsprozessen hat es die Bundesregierung versäumt, Menschenrechtsvorgaben verbindlich festzuschreiben. So erlaubt das im April 2016 in Kraft getretene Vergabemodernisierungsgesetz öffentlichen Auftraggebern lediglich, Unternehmen auszuschließen, die gegen Umwelt-, Sozial- und Arbeitsrecht verstoßen. Ob sie dies wirklich tun, bleibt aber im Ermessen der Beschaffungsstellen. Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten werden im Vergabemodernisierungsgesetz nicht erwähnt.

Auch im CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz vom März 2017 hat die Bundesregierung nicht alle Spielräume ausgeschöpft, welche die zugrunde liegende EU-Richtlinie geboten hätte. Zwar müssen große kapitalmarktorientierte Unternehmen nunmehr über wesentliche Menschenrechts- und Umweltrisiken auch entlang ihrer Geschäftsbeziehungen berichten sowie Konzepte zum Umgang mit diesen Risiken darlegen. Allerdings gilt dies in Deutschland nur für „sehr wahrscheinlich schwerwiegende“ negative Auswirkungen, während die EU-Richtlinie „wahrscheinlich negative Auswirkungen“ umfasst. Skandalös ist, dass diese gesetzliche Vorgabe nur für die 550 kapitalmarktorientierte Unternehmen gilt, während ebenso große Familienunternehmen wie Aldi oder Lidl von der neuen Berichtspflicht nicht erfasst werden.

Auch auf Ebene der Vereinten Nationen hat sich die Bundesregierung zunächst gegen verbindliche Regeln im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte ausgesprochen. So stimmte Deutschland im Juni 2014, gemeinsam mit 16 weiteren Staaten, im UN-Menschenrechtsrat gegen eine Resolution zur Erarbeitung eines UN Menschenrechtsabkommens zu transnationalen Konzernen und anderen Unternehmen. An der ersten Sitzung der UN-Arbeitsgruppe zu diesem Thema, die per Mehrheitsentscheid dennoch in Bezug auf Lieferanten und zwei Unternehmen bekennen sich nicht öffentlich zu Menschenrechten.

Viele dieser Energieversorger führen jedoch Kohle, Gas und andere Brennstoffe aus dem Ausland ein. Zwar geben einige von ihnen an, sich an die geltenden Vergabegesetze zu halten. Doch nur fünf der Unternehmen haben einen eigenen Verhaltenskodex für Lieferanten oder Beschaffungsgrundsätze verabschiedet. Dabei haben NRO in den vergangenen Jahren wiederholt gravierende Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, etwa beim Kohleabbau in Kolumbien, Südafrika und Russland. Nur vier staatliche Energieversorger erteilen über die Herkunft der Kohle überhaupt Auskunft, und auch diese bleiben meistens vage. Einzig EnBW gibt neuerdings die konkreten Bezugsmengen für einzelne Kohlelieferanten an. Wie die fortwährende Geschäftsbeziehung der EnBW mit dem stark umstrittenen Bergbauunternehmen Drummond in Kolumbien gleichzeitig zeigt, ist Transparenz zwar ein erster wichtiger Schritt, aber noch kein Garant für menschenrechtliche Sorgfalt.

Die Bundesregierung hat sich im Rahmen des NAP-Prozesses – entgegen ersten weitergehenden Entwürfen – dagegen entschieden, Unternehmen im Eigentum des Bundes verbindlich zur menschenrechtlichen Sorgfalt zu verpflichten. Zwar erklärt sie im NAP, dass diese Unternehmen einer unmittelbaren Grundrechtsbindung unterlägen. Inwiefern sich diese Grundrechtsbindung jedoch auch auf Menschenrechtsverletzungen durch Tochterfirmen oder in Lieferketten im Ausland bezieht, führt sie nicht aus. Nachhaltigkeit und Menschenrechte finden auch in den „Grundsätzen guter Unternehmens- und Beteiligungsführung“ des Bundesfinanzministeriums von 2009 und dem darin enthaltenen Public Corporate Governance Kodex keine Erwähnung. Zwar verweist der Deutsche Nachhaltigkeitskodex auf die Menschenrechte, allerdings nur mit Blick auf die Lieferkette. Zudem ist der Kodex ein freiwilliges Berichtsrahmenwerk und keine politische Vorgabe.

Zur Analyse von Ländern und Kommunen haben die Herausgeber dieser Studie auch diejenigen öffentlichen Stellen befragt, die an den zehn größten Energieversorgern im öffentlichen Eigentum jeweils den größten Anteil besitzen. Keiner der größten Anteilseigner hat menschenrechtliche Grundsätze zur Verantwortung von Unternehmen im öffentlichen Besitz verabschiedet. Vier Kommunen verweisen in ihren Antworten oder auf ihrer Website lediglich auf Selbstverpflichtungen und ihr Engagement zu nachhaltiger öffentlicher Beschaffung.

Insgesamt zeigt Deutschland gegenüber anderen europäischen Ländern, in denen Unternehmen im öffentlichen Eigentum stärker in die Pflicht genommen werden, deutlich weniger gesetzgeberisches Engagement. So hat die finnische Regierung staatliche Unternehmen in der State Ownership Policy von 2016 verpflichtet, die Menschenrechte in ihre Geschäftsgrundsätze zu integrieren. Auch in Schweden sind Unternehmen im Staatsbesitz verpflichtet, die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und die Prinzipien des UN Global Compact einzuhalten.

Kreditanstalt für Wiederbau: Energie als Wachstumstreiber mit Nebenwirkungen

Auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) befindet sich vollständig in Staatsbesitz. Während sich die KfW Mittelstandsbank und die KfW Kommunal- und Privatkundenbank/Kreditinstitute auf das inländische Fördergeschäft beschränken, sind die KfW IPEX-Bank GmbH, die KfW Entwicklungsbank und die Deutsche Entwicklungsgesellschaft (DEG) international tätig, allerdings mit unterschiedlichen Zuständigkeiten und Zielsetzungen. Während die KfW IPEX-Bank die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen stärken soll, fördert die DEG privatwirtschaftliche Projekte in Entwicklungsländern. Die KfW Entwicklungsbank wiederum setzt im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) die finanzielle Zusammenarbeit um.

Der Energiesektor ist für die KfW Bankengruppe insgesamt ein Wachstumstreiber. So haben KfW IPEX-Bank, KfW Entwicklungsbank und DEG im Zeitraum von 2006 bis 2015 für Investitionen in erneuerbare Energien im Ausland insgesamt 16 Milliarden Euro zugesagt. Gefördert wurden damit Windkraftanlagen, Wasserkraftwerke wie auch die Solarenergie. Zwischen 2007 und 2016 entfielen im internationalen Geschäft aber auch rund sieben Milliarden Euro an Neuzusagen auf fossile Energien für Gas-, Kohle- sowie Öl- und Dieselkraftwerksprojekte.

Gerne bezeichnet sich die KfW Bankengruppe als „Bank aus Verantwortung“. Ein Blick auf die sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Standards scheint diesen Anspruch durchaus zu bestätigen. Bereits 2008 hat die KfW Bankengruppe eine eigene Menschenrechtserklärung veröffentlicht. Darüber hinaus haben KfW IPEX-Bank und die Entwicklungsbank jeweils eigene Nachhaltigkeitsrichtlinien. Darin verweisen sie auf die Menschenrechtserklärung der Bankengruppe, formulieren deren Umsetzung allerdings nur als Anspruch, nicht als verbindliche Verpflichtung. Auch die DEG hat eine Umwelt- und Sozialrichtlinie verabschiedet, in der die Menschenrechte nicht erwähnt werden.

Entgegen ihrem Anspruch hat die KfW Bankengruppe auch im Energiesektor mehrere Projekte mitfinanziert, welche die Umwelt und Menschenrechte erheblich gefährden oder bereits beeinträchtigt haben. So hat die KfW IPEX-Bank 2008 und 2009 durch Exportkredite für Kessellieferungen zum Bau der südafrikanischen Kohlekraftwerke Medupi und Kusile beigetragen. Da für Medupi der Einbau angemessener Rauchgasentschwefelungsanlagen erst fünf Jahre nach Inbetriebnahme der jeweiligen Kessel geplant ist, wird das Recht auf Gesundheit im Umland erheblich gefährdet. Der enorme Wasserverbrauch bedroht überdies die Rechte auf Wasser und Nahrung. Zwar hat das federführende Entwicklungsministerium für die DEG und die KfW Entwicklungsbank die Finanzierung von Neubauten sowie die Ertüchtigung bereits stillgelegter Kohlekraftwerke inzwischen ausgeschlossen. Die unter Federführung des Wirtschafts- und Finanzministeriums agierende KfW IPEX-Bank hat jedoch lediglich striktere Umweltstandards für die Kohleförderung beschlossen. Sehr problematisch ist auch die Finanzierung von Bergbauaktivitäten durch die KfW IPEX-Bank, u. a. im Rahmen von allgemeinen Unternehmenskrediten für den vielfach kritisierten Bergbaukonzern Glencore.

Zu Menschenrechtsverletzungen ist es aber auch bei Großprojekten im Bereich der erneuerbaren Energien gekommen, an deren Finanzierung sich die KfW Bankengruppe beteiligt hat. So lösten Polizeikräfte eine friedliche Blockade indigener Gemeinschaften gegen den Staudamm Santa Rita in Guatemala gewaltsam auf, wobei drei Menschen getötet und 50 verletzt wurden. Über einen PrivateEquity-Fonds war auch die DEG an der Finanzierung des Wasserkraftwerks beteiligt. Selbstbestimmungsrechte und Landrechte der indigenen Massai wurden auch beim Bau des geothermischen Kraftwerks Olkaria IV in Kenia missachtet, zu dessen Finanzierung die KfW Entwicklungsbank einen Kredit von 60 Millionen Euro beigetragen hat.

Immer wieder zeigt sich in solchen Fällen, dass die betroffene Bevölkerung und kritische Zivilgesellschaft bei Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen nicht ausreichend konsultiert, erhebliche Risiken übersehen oder vernachlässigt werden. Hinzu kommt, dass viele Projekte selbst dann bewilligt werden, wenn die Risiken frühzeitig erkannt werden. Denn über die Einhaltung der vereinbarten Umwelt- und Sozialpläne haben die Finanziers wenig Kontrolle. Als eine entscheidende Schwachstelle erweist sich dabei auch der Mangel an Transparenz. So veröffentlicht die KfW bislang weder Folgenabschätzungen noch Umwelt- und Sozialpläne, die KfW IPEX-Bank nicht einmal die Liste der finanzierten Projekte. Über einen unabhängigen Beschwerdemechanismus verfügt nur die DEG.

Allzu zaghafte Reformschritte in der Außenwirtschaftsförderung des Bundes

Ähnlich wie die KfW IPEX-Bank zielt auch die Außenwirtschaftsförderung des Bundes darauf ab, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken. Über Exportkreditgarantien (so genannte Hermesbürgschaften) in Höhe von 20,6 Milliarden Euro, Investitionsgarantien über 4,3 Milliarden Euro sowie Ungebundene Finanzkredite über 246 Millionen Euro hat allein der Bund Exporte und Investitionen deutscher Unternehmen in Schwellen- und Entwicklungsländer im Jahr 2016 gegen wirtschaftliche und politische Risiken abgesichert.

30 Prozent der ausgewiesenen Einzeldeckungen für Exportkreditgarantien betrafen dabei den Energiesektor. Hinzu kommen 22,8 Prozent für Deckungen bei der Erdöl- und Erdgasförderung. Auf erneuerbare Energien entfielen nur vier Prozent der Hermesbürgschaften.

Auch in jüngerer Zeit sicherte der Bund Projekte ab, bei denen Menschenrechte gefährdet oder verletzt wurden. So gewährte die Bundesregierung 2012 der deutschen Niederlassung des österreichischen Unternehmens Andritz eine Hermesbürgschaft für die Lieferung von Großturbinen zum Staudamm Hidrosogamoso in Kolumbien. Mit dem Staudamm wurde eine Fläche von 70 Quadratkilometern überschwemmt, die vorher für Vieh- und Landwirtschaft genutzt wurde. Viele der 180 umgesiedelten Familien beklagen, dass sie als Ersatz Grundstücke mit minderwertiger Bodenqualität erhielten. Weitere betroffene Familien, deren Einkünfte aus Fischerei, Tourismus und Handel wegen des Staudamms einbrachen, wurden gar nicht berücksichtigt. Andere Problemfälle sind die Hermesbürgschaften für die südafrikanischen Kohlekraftwerke Medupi und Kusile sowie für die Lieferung dreier Gaskraftwerke durch Siemens in das autoritär regierte Ägypten, für die auch die KfW IPEX-Bank Exportkredite vergeben hat.

Für die Vergabe von Exportkrediten haben sich die  Exportkreditagenturen innerhalb der OECD auf eine gemeinsame Leitlinie zur ökologischen und sozialen Sorgfalt geeinigt. In der Version von 2012 dieser sogenannten Common Approaches wurden erstmals auch Menschenrechte erwähnt. Doch selbst die aktuelle Version von 2016 verlangt eine eigene Menschenrechtsprüfung nur in solchen Fällen, in denen eine hohe Wahrscheinlichkeit schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen besteht. Dies umzusetzen, hat die Bundesregierung auch im NAP angekündigt. Auch im allgemeinen Prüfverfahren will sie die Eigenständigkeit und Sichtbarkeit der menschenrechtlichen Aspekte erhöhen. Ob dies zu substanziellen Verbesserungen führt, bleibt abzuwarten. Eine wesentliche Voraussetzung dafür wäre eine deutlich höhere Transparenz im gesamten Prüfverfahren – sowohl bei Hermesbürgschaften als auch bei Investitionsgarantien und sogenannten Ungebundenen Finanzkrediten – um eine kritische Begleitung durch Betroffene und NRO zu erlauben.

Mangelnde Menschenrechtskohärenz in der Handels- und Investitionspolitik der EU

Laut der EU-Handelsstrategie „Handel für alle“ spielt der Zugang zu Energie und Rohstoffen eine entscheidende Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit der EU. Daher fordert sie auch in diesem Bereich von ihren Handelspartnern den Abbau von Exportbeschränkungen für Rohstoffe, die Liberalisierung von Dienstleistungen, striktere geistige Eigentumsrechte, einen verbesserten Marktzugang und Schutz für europäische Auslandsinvestitionen sowie einen gleichberechtigten Zugang zu öffentlichen Aufträgen im Ausland. Entsprechende Regelungen schränken die Regulierungsspielräume von Staaten im Energie- und Rohstoffsektor erheblich ein und können sich direkt oder indirekt negativ auf die Menschenrechte auswirken.

Fast siebzig Prozent der in Deutschland eingesetzten Primärenergie stammten 2015 aus Energieimporten. In vielen Herkunftsländern dieser Rohstoffimporte – wie Nigeria (Erdöl), Kolumbien und Südafrika (Steinkohle) – wurden seit Jahren gravierende Menschenrechtsverletzungen dokumentiert. Dies gilt auch für den Import von Kupfer aus Peru, das bei erneuerbaren Energien Verwendung findet. Es besteht eine bemerkenswerte Spannung: Einerseits verbieten oder beschränken EU-Handelsabkommen die Erhebung von Abgaben auf Rohstoffexporte in den Abbauländern, womit sie europäischen Unternehmen einen günstigeren Zugang zu diesen Rohstoffen verschaffen. Andererseits werden europäische Importeure und Industriebetriebe nicht verpflichtet, beim Import dieser Rohstoffe ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten umzusetzen.

Die 2016 beschlossene EU-Verordnung zu Konfliktmineralien betrifft lediglich Zinn, Tantal, Wolfram und Gold.

Die von der EU angestrebte Liberalisierung von Dienstleistungen schränkt zudem die Regulierungsspielräume anderer Staaten ein, den Zugang ärmerer Bevölkerungsgruppen zu bezahlbarer Energie sicherzustellen. So will die EU-Kommission etwa in den aktuell verhandelten Abkommen mit Mexiko und den Staaten des MERCOSUR Preisregulierungen für Strom und Treibstoffe nur noch unter sehr restriktiven Bedingungen und zeitlich befristet zulassen. Zugleich ist aber keine Verpflichtung vorgesehen, durch Sozialmaßnahmen die hohen Energiepreise für ärmere Menschen auszugleichen. Damit können die Kosten zum Heizen, Kühlen, Kochen und für den täglichen Arbeitsweg für viele Menschen in einem Maße ansteigen, das ihr Recht auf einen angemessenen Lebensstandard gefährdet.

Große menschenrechtliche Risiken bergen auch die Investitionsschutzbestimmungen, welche die EU in Abkommen mit Vietnam, Singapur und Kanada bereits vereinbart hat und in aktuellen Verhandlungen mit mindestens 14 weiteren Ländern anstrebt. Europäische Investoren erhielten damit nicht nur im Falle formeller Enteignungen, sondern auch bei sogenannten „indirekten“ Enteignungen das Recht auf eine „prompte, angemessene und effektive Entschädigung“. Aus dem Standard der „billigen und gerechten Behandlung“ haben Schiedsgerichte in mehreren Urteilen ein Recht von Auslandsinvestoren auf ein stabiles und vorhersehbares Investitionsklima abgeleitet.

Auf Grundlage dieser Standards werden auch Regulierungen zum Schutz der Umwelt und sozialer Menschenrechte vor Schiedsgerichten angreifbar, sofern sie die Profitträchtigkeit einer Investition schmälern. Wie konkret dieses Risiko auch im Energiesektor ist, haben verschiedene erfolgreiche Klagen von US-Konzernen gezeigt. So wurde Ecuador zu einer Schadensersatzzahlung an Chevron verurteilt. Der Grund für dieses Urteil: Nach Meinung des Investitionsschiedsgerichts hatte ein ecuadorianisches Gericht Chevron zu Unrecht wegen der Verseuchung des Amazonasgebietes und der Schädigung der Gesundheit indigener Völker zu einer Schadensersatzzahlung verurteilt. Auch die beiden Klagen des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland vor einem Schiedsgericht wegen wasserrechtlicher Umweltauflagen für das Kohlekraftwerk Moorburg und wegen des Atomausstiegs stehen in einem Spannungsverhältnis zum Schutz der Menschenrechte auf Gesundheit und Leben.

Die Aufnahme des „Rechts zur Regulierung“ in den Handelsvertrag mit Kanada (CETA) und andere Abkommen wird dieses Dilemma nicht auflösen. Das Recht von Investoren auf Entschädigung bleibt davon unberührt, wenn Regulierungsmaßnahmen deren Gewinnerwartungen einschränken. NRO fordern daher, in einer Allgemeinen Ausnahmeklausel in den Handelsverträgen selbst, wie auch im aktuell verhandelten UN-Menschenrechtsabkommen für transnationale Konzerne und andere Unternehmen, den Vorrang von Menschenrechten unmissverständlich klarzustellen. Schon vor Verhandlungsbeginn sollte die EU zudem menschenrechtliche Folgenabschätzungen durchführen, um problematische Bestimmungen vorab zu identifizieren und auszuschließen. Beides hat die EU bisher abgelehnt. Die Bundesregierung hat im NAP frühzeitige Folgenabschätzungen zwar befürwortet, Menschenrechtsklauseln in Handelsabkommen jedoch eine Absage erteilt.

Mangelnde Menschenrechtskohärenz bei der Förderung „sauberer“ Energie im Klimaregime

Menschenrechtliche Kohärenz ist auch in der Klimapolitik geboten. Mit Blick auf den Energiesektor wirft in dieser Hinsicht besonders der Clean Development Mechanism (CDM) erhebliche Zweifel auf, der 1997 im Rahmen des Kyoto-Protokolls geschaffen wurde. Der Mechanismus verfolgt das doppelte Ziel, Entwicklungsländer bei ihren Anstrengungen zur nachhaltigen Entwicklung und zugleich industrialisierte Länder bei der Erreichung ihrer Emissionsreduzierungszusagen zu unterstützen. Zu diesem Zweck stellt der CDM für Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern, auch im Energiesektor, Emissionsreduzierungszertifikate aus.

Das Problem: In den sogenannten „Modalitäten und Prozeduren“ des CDM wird der Begriff der nachhaltigen Entwicklung nicht definiert. Auch die Notwendigkeit der Achtung von Menschenrechten wird nicht erwähnt. Ebenso wenig ließen sich – aufgrund des Widerstands einiger Staaten – Regeln zur Durchführung von Konsultationen mit der betroffenen Bevölkerung festlegen. Insbesondere die Gruppe G77 und China setzten in den Verhandlungen durch, dass es im Ermessen der Gastgeberstaaten der Projekte liegt, eigene Nachhaltigkeitskriterien und Prozeduren zur Konsultation festzulegen sowie deren Einhaltung zu beurteilen. Aber auch vielen Industrieländern war dieses Ergebnis recht. Studien haben gezeigt, dass die meisten Gastgeberstaaten nur vage und unverbindliche Richtlinien ausgeben und deren Einhaltung nicht sorgfältig überprüfen.

NRO und Forschungseinrichtungen haben mehrere Fälle dokumentiert, in denen CDM-Projekte sowohl zu massiven Umweltschäden als auch zu Menschenrechtsverletzungen gegenüber der lokalen Bevölkerung geführt haben. So wird berichtet, dass für das indische Kohlekraftwerk Sasan vier Dörfer mit Gewalt zwangsumgesiedelt und das Eigentum der Bewohner/-innen zerstört wurden. In den neuen Siedlungen fehlten demnach angemessene Einkommensmöglichkeiten und Schulen, wodurch die Rechte auf einen angemessenen Lebensstandard verletzt wurden. Angehörige einer indigenen Gemeinschaft wurden aus ihren Waldgebieten vertrieben und ihre Lebensgrundlagen zerstört, ohne dass sie eine angemessene Entschädigung erhalten hätten.

Auch bei dem geothermischen Kraftwerk Olkaria IV in Kenia, das im Juni 2013 als CDM-Projekt registriert und durch die KfW Entwicklungsbank gefördert wurde, besteht eine deutsche Beteiligung. Für das Projekt wurden vier Massai-Dörfer umgesiedelt. Lokale Anwohner/-innen beklagen, dass nicht alle Betroffenen entschädigt und in den neuen Siedlungen nicht genügend Häuser zur Verfügung gestellt worden seien. Die neuen, minderwertigen Ländereien erlauben es den Menschen nicht, durch Viehhaltung und Tourismus einen angemessenen Lebensstandard zu sichern. Auch in diesem Fall wurden zudem – unter anderem im Konsultationsprozess – die Rechte indigener Völker missachtet. Das von der DEG mitfinanzierte Wasserkraftwerk Barro Blanco wurde ebenfalls als CDM-Projekt registriert. Es handelt sich um das erste Projekt, dem diese Registrierung nach massiven Menschenrechtsbeschwerden im Jahr 2016 wieder entzogen wurde.

Im Klimavertrag von Paris wird der CDM nicht erwähnt, so dass dieser vermutlich 2020 auslaufen wird. Allerdings sieht der Klimavertrag die Schaffung eines neuen Mechanismus vor, um Treibhausgasemissionen zu vermeiden und nachhaltige Entwicklung zu unterstützen. Aufgrund der massiven Fehlentwicklungen beim CDM sollte der neue Marktmechanismus grundlegend anders gestaltet werden. Die konsequente Berücksichtigung der Menschenrechte muss dafür ein wichtiges Kriterium sein. Ebenso wichtig wird es sein, die Erfahrungen mit dem CDM für weitere Marktmechanismen zu nutzen, wie z. B. den Ausgleichsmechanismus, den die internationale Luftfahrtorganisation ICAO aufsetzen will. Diese hat 2016 beschlossen, dass das weitere Emissionswachstum des Flugverkehrs ab 2020 mit Hilfe eines neuen Marktmechanismus klimaneutral erfolgen soll.

Menschenrechtliche Sorgfalt deutscher Unternehmen – klare und verbindliche Vorgaben  nötig

Nach den UN-Leitprinzipien kommt den Unternehmen auch eine eigene Verantwortung zu, die Menschenrechte in ihren Aktivitäten und Geschäftsbeziehungen zu achten. Demnach wird erwartet, dass die Unternehmen menschenrechtliche Grundsatzerklärungen verabschieden, die Menschenrechte in alle Bereiche der Unternehmenspolitik integrieren, menschenrechtliche Risiken und Auswirkungen untersuchen, Maßnahmen zur Abwendung dieser Risiken ergreifen, Schäden wiedergutmachen, über Risiken und Maßnahmen transparent berichten sowie Beschwerdemechanismen einrichten. Kapitel 5 untersucht, inwieweit deutsche Unternehmen diese Kernforderungen im Energiesektor umsetzen. Befragt und analysiert wurden dafür 30 in Deutschland operierende Unternehmen des Energiesektors.

Zu wenige Grundsatzerklärungen –  mit Mängeln in der Qualität

Von den befragten Unternehmen haben lediglich sieben eine eigene Grundsatzerklärung verabschiedet, in der sie sich zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichten. Ein weiteres Dutzend bekennt sich in ihrem unternehmenseigenen Verhaltenskodex zu den Menschenrechten. Elf der befragten Unternehmen haben sich damit weder in einer Grundsatzerklärung noch im Verhaltenskodex zu den Menschenrechten bekannt. Sieben Unternehmen haben sich nur eingeschränkt oder gar nicht öffentlich zu den Menschenrechten geäußert.

Auch die Qualität der Menschenrechtserklärungen variiert stark: von der bloßen Erwähnung bis zur expliziten Referenz auf entsprechende Menschenrechtsabkommen und Umsetzungsinstrumente. Nur sechs der zwölf Verhaltenskodizes mit Menschenrechtsbezug können – nach den Maßstäben der UN-Leitprinzipien – als qualitativ akzeptable menschenrechtliche Grundsatzerklärung gewertet werden. Positiv ist zu bewerten, dass die meisten Grundsatzerklärungen nicht nur die Mitarbeiter/-innen zur Einhaltung der Menschenrechte auffordern, sondern auch die Geschäftspartner.

Auch bei einer umfassenden Positionierung zur menschenrechtlichen Verantwortung steht diese mitunter in einem Spannungsverhältnis zur unternehmerischen Praxis: So fördert in Vaca Muerta in Argentinien ein Firmenkonsortium unter Leitung des französischen Unternehmens Total Erdgas, neuerdings auch mittels Fracking. Die BASF-Tochter Wintershall ist daran ebenfalls beteiligt. Vor Ort beklagen Betroffene einerseits die Umweltauswirkungen der Gasförderung, u. a. zahlreiche Lecks und einen hohen Wasserverbrauch. Zudem gebe es Probleme mit Entschädigungszahlungen, insbesondere für diejenigen, die zwar schon seit Jahrzehnten auf ihrem Land leben, aber keine Eigentumstitel vorweisen können.

Lückenhafte Integration von Menschenrechten in die Unternehmenspolitik

Die menschenrechtliche Sorgfalt endet nach den UN-Leitprinzipien nicht am Werkstor, sondern erstreckt sich auf die gesamte Wertschöpfungskette. Dieser Tatsache ist sich ein Großteil der Unternehmen bewusst. So verfügen 17 Unternehmen über einen Verhaltenskodex für Zulieferer oder eine Einkaufspolitik, die von diesen die Einhaltung von Menschenrechten einfordert. Weitere sechs Unternehmen erwarten von ihren Zulieferern, dass diese den unternehmenseigenen Verhaltenskodex einhalten.

Obwohl sich die Verhaltenskodizes und Einkaufspolitiken sehr überwiegend auf die Menschenrechte beziehen, werden zentrale Problemfelder in globalen Lieferketten ausgeklammert. Nur zwölf verlangen explizit die Zahlung nationaler gesetzlicher Mindestlöhne, und nur ein einziges Unternehmen fordert Löhne, die auch die Grundbedürfnisse der Beschäftigten und ihrer Familien befriedigen, wie es aus menschenrechtlicher Perspektive geboten ist. Weniger als ein Viertel (7) der Unternehmen fordern – über die faire Behandlung der Mitarbeiter/-innen hinaus – eine Vermeidung möglicher Schädigungen der Menschen in den umliegenden Gemeinschaften.

Erste Fortschritte bei der Untersuchung  menschenrechtlicher Risiken

Um die menschenrechtlichen Risiken abzuschätzen, sollen Wirtschaftsunternehmen nach den UN-Leitprinzipien die tatsächlichen und potenziellen nachteiligen menschenrechtlichen Auswirkungen ermitteln und bewerten, an denen sie entweder durch ihre eigene Tätigkeit oder ihre Geschäftsbeziehungen beteiligt sind. Während über ein Drittel der befragten Unternehmen auf diese Frage nicht explizit eingeht oder bislang keine derartigen Analysen vornimmt, geben immerhin 19 Unternehmen an, dass sie menschenrechtliche Risikoanalysen durchführen. Von sechs Unternehmen berichten insbesondere davon, Menschenrechtsthemen in ihre bestehenden Risiko- oder Managementprozesse integriert zu haben, während andere darüber hinaus auch zusätzliche Menschenrechtsrisikoanalysen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte risikoreiche Projekte durchgeführt haben. Sechs Unternehmen konzentrieren sich bei ihrem menschenrechtlichen Risikomanagement auf ihre Liefer- bzw. Wertschöpfungskette. Insgesamt lässt sich in diesem Bereich eine positive Dynamik feststellen. Bis 2014 hatte nach einer Vorgängerstudie der Herausgeber kein einziges DAX-Unternehmen eine tiefergehende menschenrechtliche Folgenabschätzung vorgenommen.

Eine qualitative Beurteilung ist jedoch weiterhin sehr schwierig, da bislang nur von zwei Unternehmen menschenrechtliche Risikoanalysen öffentlich zugänglich sind. Während einige Unternehmen nur sehr kappe Angaben zur Methodik machen, äußern sich andere dazu ausführlicher und erlauben somit immerhin einen annähernden Vergleich mit den Ansprüchen der UN-Leitprinzipien. Eine erste wichtige Anforderung besteht darin, dass ein Unternehmen seine zentralen Herausforderungen in den Blick nimmt. Demgegenüber konzentrieren sich einige Unternehmen in ihren Risikoanalysen auf ihre Zulieferer, obgleich manche der befragten Unternehmen in erster Linie wegen eigener Projekte bzw. wegen technologischer Belieferung von Großprojekten in der Kritik stehen. Auch ein zweites zentrales Kriterium, die Konsultation potenziell Betroffener vor Ort, erfüllen offenbar die wenigsten Unternehmen. Nur acht Unternehmen gaben an, potenziell Betroffene überhaupt einzubeziehen, wobei auch hier die Angemessenheit im Rahmen der vorliegenden Studie nicht untersucht werden konnte. Bisher wird das Transparenzkriterium ebenfalls nicht erfüllt. Bis auf die erwähnten Risikoanalysen von zwei Unternehmen haben die untersuchten Unternehmen bislang die Ergebnisse von Risikoanalysen oder tiefergehenden Folgenabschätzungen nicht veröffentlicht.

In vielen Fallbeispielen in diesem Bericht wird deutlich, dass die Auswirkungen auf die Betroffenen im Umfeld der Energieprojekte nicht oder nicht angemessen berücksichtigt wurden. Das betrifft zum Beispiel Windparks in Mexiko, an die Siemens u. a. Umspannwerke und Hochleistungsleitungen liefert. Nach den vorliegenden Berichten betrachten viele Bauern und Bäuerinnen die Verträge zur Landverpachtung als ungerecht. Sie beschweren sich, dass sie keine oder sogar falsche Informationen erhielten, was mit ihrem Land geschehen soll. Die Desinformation bei der Landübergabe sowie die im Vergleich zu anderen Ländern niedrigen Entschädigungen und Pachtzinsen führen seit mehr als zehn Jahren zu Konflikten zwischen der lokalen Bevölkerung und den operierenden Unternehmen.

Maßnahmen zur Vermeidung negativer Auswirkungen

Wenn ein Unternehmen durch eigene Folgenabschätzungen oder auch Berichte von Dritten erfährt, dass die eigenen Aktivitäten oder Geschäftsbeziehungen sich möglicherweise negativ auf die Menschenrechte auswirken, muss es geeignete Maßnahmen ergreifen, um diese Auswirkungen zu vermeiden oder ihnen zu begegnen. Das Fallbeispiel eines Solarkraftwerkes aus Marokko zeigt, welche Schritte nach umfangreichen Konsultationen der lokalen Bevölkerung vorgenommen wurden, um deren Erwartungen nachzukommen. Ein wichtiges Anliegen war für die Bevölkerung, dass möglichst viele Arbeitsplätze für lokale Arbeitskräfte entstehen. Zudem ging es um Ausgleichszahlungen für nicht mehr nutzbares Land sowie um den Wasserbedarf für das Kraftwerk. Eine Konsequenz war außerdem, vor Ort einen Beschwerdemechanismus einzurichten.

Im Rahmen der Unternehmensbefragung berichteten viele Unternehmen über Maßnahmen in Bezug auf die Lieferkette. Positiv ist zu bewerten, dass 23 Unternehmen nach eigenen Angaben bereits vor der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mit neuen Zulieferern ermitteln, ob diese bestimmten Mindeststandards nachkommen. Davon geben zehn der befragten Unternehmen explizit an, auch die Einhaltung von Menschenrechten ihrer Lieferant/-innen zu prüfen. Unklar bleibt, ob diese Prüfungen lediglich auf Selbstauskünften der potenziellen Geschäftspartner basieren oder auch weitergehende Recherchen einschließen.

Ein nächster wichtiger Schritt ist die vertragliche Festschreibung von Menschenrechtsstandards. Allerdings gibt nur ein Drittel der befragten Unternehmen an, dass der Lieferantenkodex oder die Einkaufspolitik Bestandteil der Verträge seien und vom Zulieferer unterzeichnet werden müssten. Ein weiteres Drittel erwartet von den Geschäftspartnern zwar die Einhaltung der Lieferkodizes, benennt dies aber nicht eindeutig als Vertragsgegenstand.

Für die Wirkung von Standards ist es erforderlich, deren Einhaltung auch zu untersuchen. Knapp zwei Drittel (19) der Unternehmen geben an, ihre Lieferanten durch Audits oder ähnliche Kontrollen zu prüfen, doch nur elf Unternehmen berichten, dass die Audits auch durch Externe durchgeführt werden. Doch nicht die Menge ist wesentlich, sondern die Lieferanten mit potenziell schwerwiegenden Risiken zu überprüfen sowie große und strategisch wichtige Lieferanten mit einem hohen Liefervolumen zu erfassen.

Über die Kontrolle hinaus stehen Unternehmen aber auch in der Verantwortung, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, damit Geschäftspartner Menschenrechtsstandards einhalten können. Dazu gehört zunächst eine klare Kommunikation, aber auch die Schulung von Verantwortlichen in den Betrieben. Bisher beschränken die meisten Unternehmen Schulungen aber auf die eigenen Mitarbeiter/-innen, während nur fünf der befragten Unternehmen auch Schulungen für Zulieferer anbieten.

In Problemfällen, wo Zulieferer gegen Menschenrechte, Nachhaltigkeitsanforderungen oder Arbeitsstandards verstoßen, reichen Schulungen und Anreize häufig nicht aus. In der Tat geben 25 Unternehmen an, dass sie in solchen Fällen auch weitergehende Maßnahmen ergreifen, die von Abmahnungen bis zum Abbruch der Geschäftsbeziehung reichen können. Zwar ziehen 20 Unternehmen in letzter Konsequenz auch eine Vertragsbeendigung in Betracht, doch geben nur acht von ihnen an, von dieser Möglichkeit bereits einmal aus menschenrechtlichen Erwägungen heraus Gebrauch gemacht zu haben. Nur wenige Unternehmen berichten von anderen konkreten Maßnahmen, welche sie als Antwort auf negative menschenrechtliche Auswirkungen ergriffen hätten.

Das Beispiel des umstrittenen Wasserkraftwerks Agua Zarca in Honduras hat für Voith Hydro die Frage aufgeworfen, wann es in einem konkreten Fall erforderlich erscheint, die Geschäftsbeziehung zu einem menschenrechtlich problematischen Projekt zu beenden oder zumindest zu unterbrechen. Im Zusammenhang mit Agua Zarca gibt es seit Jahren Auseinandersetzungen mit der betroffenen Bevölkerung und sechs Morde an Gegner/-innen des Kraftwerks sind zu beklagen. Aufgrund von öffentlichem Druck, und nachdem wesentliche Geldgeber ihre Beteiligung

beendet oder suspendiert hatten, zog sich das Joint Venture von Voith und Siemens vorläufig aus dem Projekt zurück.

Transparenz über Prozesse –  nicht jedoch über Ergebnisse

Transparenz ist ein wesentliches Element der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht der Unternehmen. Nur bei angemessener Berichterstattung können Staaten,

Zivilgesellschaft und Finanzmarkt bewerten, ob ein Unternehmen sich ausreichend um den Schutz der Menschenrechte kümmert. Die Berichterstattung erfolgte 2015 bei der Hälfte der untersuchten Unternehmen über einen eigenständigen Nachhaltigkeitsbericht. Acht weitere Unternehmen haben entweder einen kombinierten Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht oder in ihrem Geschäftsbericht Nachhaltigkeitsinformationen integriert. Bei zwei Unternehmen konnte weder ein Nachhaltigkeits- noch ein Geschäftsbericht gefunden werden.

Entscheidend ist bei der Berichterstattung jedoch die Qualität. Nur gut die Hälfte der befragten Unternehmen richtete sich nach den Vorgaben der Global Reporting Initiative (GRI). Während neun Unternehmen den Menschenrechten immerhin einen eigenen Abschnitt im Bericht einräumen, wird in 13 Berichten nur die Bedeutung der Menschenrechte erwähnt, in den verbleibenden Berichten gar nicht. 23 Unternehmen berichten über die Verfahren, mit denen sie auf Problemfälle reagieren, wobei die Aussagekraft stark variiert. Kaum ein Unternehmen veröffentlicht jedoch Zahlen darüber, wie oft Probleme aufgetreten sind. Einige Unternehmen machen hingegen Angaben, wie oft Probleme zu einem Vertragsrücktritt geführt haben.

Großer Nachholbedarf besteht bei der Offenlegung der menschenrechtlichen Auswirkungen des unternehmerischen Handelns. Zwar berichten viele Unternehmen inzwischen über ihre Verfahren zur menschenrechtlichen Sorgfalt. Über die konkreten Risiken und Auswirkungen ihrer Aktivitäten und Geschäftsbeziehungen finden sich in den öffentlichen Berichten der Unternehmen in der Regel jedoch keine oder nur sehr vage Informationen. Über konkrete Fälle wird so gut wie nie berichtet. Nur zwei Unternehmen haben entweder von einem Pilotvorhaben oder bereits von mehreren Risikoanalysen Informationen veröffentlicht. Nur ein Unternehmen berichtet bislang auf Basis des UN Guiding Principles Reporting Framework. Damit erfüllt fast kein Unternehmen die Transparenzanforderungen der UN-Leitprinzipien, wonach die bereitgestellten Informationen eine Beurteilung der Angemessenheit der ergriffenen Maßnahmen durch Dritte erlauben müssen.

Beschwerdemechanismen –  im Ausland kaum erreichbar

Damit sie Missständen frühzeitig begegnen und diese direkt beseitigen können, sollten Unternehmen für Einzelpersonen oder lokale Gemeinschaften, die von der Unternehmensaktivität nachteilig betroffen sein können, wirksame Beschwerdesysteme einrichten. Tatsächlich berichten von den 30 befragten Energieunternehmen 25, dass sie einen Beschwerdemechanismus eingerichtet haben. Während einige Beschwerdemechanismen nur für eigene Mitarbeiter/-innen oder Verbraucher/-innen bestimmt sind, geben immerhin fast zwei Drittel der Unternehmen an, dass Beschwerdeverfahren auch für Externe, wie zum Beispiel Auftragnehmer oder Betroffene, zugänglich seien. Allerding geben nur wenige explizit an, Beschwerdeverfahren auch im Ausland implementiert zu haben.

Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Ausgewogenheit, die eine Prüfung der Beschwerden durch unabhängige Expert/-innen voraussetzt. Doch nur bei elf Unternehmen werden die Beschwerden von Unternehmensexternen, wie etwa Anwaltskanzleien oder Ombudsmann, entgegengenommen. Auch ein drittes Kriterium, nämlich der Menschenrechtsbezug von Beschwerdemechanismen, wird nur in den wenigsten Fällen erfüllt. Sechs Beschwerdemechanismen, die für lokale Betroffene eingerichtet wurden, orientieren sich nach Unternehmensangaben an den UN-Leitprinzipien oder werden nach den dort definierten Kriterien derzeit überarbeitet. Damit sind die meisten Unternehmen im Bereich der Beschwerdemechanismen, trotz einer durchaus dynamischen Entwicklung, insgesamt von der Erfüllung menschenrechtlicher Anforderungen weit entfernt.

Ein ähnliches Fazit lässt sich für die Wahrnehmung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten insgesamt festhalten. Mit Blick auf die im NAP angekündigte Überprüfung der menschenrechtlichen Sorgfalt deutscher Unternehmen zeigt die Untersuchung, dass eine weitere Konkretisierung der einzelnen Elemente und Schritte vonnöten ist, die sowohl für die Unternehmen als auch für das Monitoring Orientierung bietet. Wesentlich ist auch, dass die geplante Untersuchung nicht nur auf Selbstauskünften der Unternehmen beruhen darf, sondern zumindest bei einer angemessenen Stichprobengröße auch die Umsetzung der Unternehmensangaben überprüft. Diese Studie zeigt, wie groß der Nachholbedarf noch ist. Damit nicht nur wenige Vorreiter die Anforderungen der UN-Leitprinzipien in einem ausreichenden Maße erfüllen, ist aus Sicht der NRO darüber hinaus eine gesetzliche Regelung erforderlich.

Betroffene von Unternehmensunrecht haben in Deutschland keinen Zugang zu wirksamer Abhilfe

Laut den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte müssen Staaten gewährleisten, dass unternehmensbezogene Menschenrechtsverletzungen „untersucht, geahndet und wiedergutgemacht“ werden. Kapitel 6 der vorliegenden Studie befasst sich im ersten Teil mit den dafür zentralen gerichtlichen Abhilfeverfahren. Dabei werden Probleme beim Rechtszugang, die für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen im Energiesektor entstehen, beleuchtet und neue internationale Entwicklungen nachgezeichnet. Im zweiten und dritten Teil stehen zwei außergerichtliche Beschwerdemechanismen im Fokus: die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und der Beschwerdemechanismus der DEG.

Hürden beim Zugang zu Gerichten für Betroffene im Ausland kaum überwindbar

In Deutschland sind die Rechtsgrundlagen, auf die sich Betroffene bei Menschenrechtsverletzungen in globalen Geschäftsbeziehungen oder Schäden aufgrund des globalen Klimawandels stützen können, lückenhaft oder sehr unsicher. Wenn ein Tochterunternehmen oder Geschäftspartner eines deutschen Konzerns im Ausland zu Menschenrechtsverletzungen beitragen, ist dieser Konzern vor deutschen Zivilgerichten in der Regel nicht zu belangen. Grund ist vor allem das Trennungsprinzip im Gesellschaftsrecht, wonach Vergehen des Tochterunternehmens dem Mutterunternehmen nicht zuzurechnen sind. In Deutschland fehlt auch eine so genannte Notzuständigkeitsnorm. Diese würde es ermöglichen, dass sich ein deutsches Gericht dann für zuständig erklären kann, wenn es erforderlich wäre, um für die Betroffenen das Recht auf ein faires Verfahren oder das Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz zu gewährleisten, weil dies im eigenen Land nicht möglich ist. Auch aus strafrechtlicher Sicht ist die Situation unbefriedigend. Deutschland kennt, im Unterschied zu den meisten europäischen Ländern, weiterhin kein Unternehmensstrafrecht.

Erschwerend kommen besonders im Zivilrecht prozessuale Hürden hinzu. So können in Deutschland nicht mehrere Betroffene, die aufgrund desselben Unternehmenshandelns ähnliche Schäden erlitten haben, als Gruppeeine zivilrechtliche Klage einreichen. Darüber hinaus ist das Prozesskostenrisiko bei Klagen auf Schadensersatz für eine Vielzahl von Betroffenen kaum tragbar. Besonders hoch sind in Deutschland auch die Beweisstandards. Im deutschen Zivilrecht gibt es keine umfassenden Beweisverfahren, um von der Gegenseite die Offenlegung von relevanten Informationen erstreiten zu können, so wie es in anderen Rechtsordnungen der Fall ist.

Die Bundesregierung hat es im NAP versäumt, Rechtsreformen einzuleiten, wie sie in anderen europäischen Ländern begonnen wurden. So hat die französische Nationalversammlung am 21.02.2017 ein Gesetz verabschiedet, das großen Unternehmen eine menschenrechtliche Sorgfaltspflicht auferlegt. Sie müssen Pläne erstellen, umsetzen und veröffentlichen, wie sie ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen und dabei sowohl ihre Geschäftstätigkeit als auch ihre Hauptzulieferer einbeziehen. Betroffene von Verletzungen der Sorgfaltspflicht können auf zivilrechtlichem Wege Entschädigung für die Nicht-Einhaltung der Pflichten einklagen. In der Schweiz werden sich 2017 der Bundesrat und anschließend das Parlament mit einer ähnlichen Initiative befassen. Großbritannien hat bereits 2015 ein Gesetz gegen moderne Sklaverei eingeführt, das den Unternehmen Transparenzpflichten auferlegt, die sie in ihren Lieferketten hinsichtlich des Umgangs mit moderner Sklaverei ergreifen müssen. Die Niederlande haben im Februar 2017 ein Gesetz zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Bezug auf Kinderarbeit verabschiedet, deren Verletzung zu Strafzahlungen führen kann.

Zukunftsweisende Entwicklungen gab es auch in der Rechtsprechung mehrerer Länder. So haben in den Niederlanden vier nigerianische Bauern das niederländische Unternehmen Shell und seine Konzerntochter in Nigeria wegen Ölverschmutzungen sowie Zerstörungen ihrer landwirtschaftlichen Fläche und Fischgründe angeklagt. Im Januar 2013 entschied ein Gericht in Den Haag in einem der vier Fälle in erster Instanz, dass Shell verantwortlich für die Verschmutzung ist. Das Berufungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Auch in Kanada erklärte sich ein Gericht im Oktober 2016 zuständig für eine Klage eritreischer Flüchtlinge, die aufgrund von Verletzungen des Völkergewohnheitsrechts (Verbot von Zwangsarbeit, Folter und Verbrechen gegen die Menschlichkeit) in einer eritreischen Mine das beteiligte kanadische Bergbauunternehmen anklagen.

In mehreren Ländern beschäftigen sich Gerichte inzwischen auch mit Schäden, die durch Treibhausgasemissionen durch Unternehmen oder mangelnde staatliche Klimaschutzmaßnahmen entstanden sind. Dazu gehört auch die Klage eines peruanischen Bauern und Bergführers gegen den deutschen Konzern RWE. Als den größten CO2Emittenten Europas und Mitverursacher des Klimawandels hat er RWE vor dem Landgericht Essen im November 2015 angeklagt. RWE hatte sich geweigert, entsprechend seinen Emissionen ein halbes Prozent der notwendigen Maßnahmen zum Schutz vor einem schmelzenden Gletscher zu bezahlen.

Außergerichtliche Beschwerdemechanismen ohne greifbare Verbesserung für Betroffene

Neben gerichtlicher Abhilfe müssen Staaten effektive und angemessene außergerichtliche Beschwerdemechanismen bereitstellen, wenn Unternehmensaktivitäten zu Menschenrechtsverletzungen geführt haben. Um wirksam zu sein, müssen diese entsprechend den UN-Leitprinzipien legitimiert, zugänglich, berechenbar, ausgewogen, transparent und rechte-kompatibel sein. Die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen gelten derzeit weltweit als der wichtigste außergerichtliche Beschwerdemechanismus auf staatlicher Ebene. Seit 2011 beinhalten die OECD-Leitsätze ein eigenes Kapitel zu Menschenrechten, das den Grundsätzen der UN-Leitprinzipien entspricht.

Allein die deutsche Nationale Kontaktstelle (NKS) hat seit dem Jahr 2000 knapp 40 OECD-Beschwerden entgegengenommen. Von diesen betreffen sechs Beschwerden den Energiesektor. Dabei ist bemerkenswert, dass die NKS von den ersten fünf Beschwerdefällen vier abgewiesen hat. Allein eine Beschwerde gegen Nordex SE wegen eines Windkraftparks in der Türkei nahm die deutsche NKS teilweise an. Im Laufe des Vermittlungsverfahrens willigte Nordex ein, die Prüfungen seiner Sorgfaltspflicht zu verbessern. Diese Zusage bezieht sich jedoch auf zukünftige Fälle, während die Belange der in diesem konkreten Fall direkt Betroffenen nicht ausreichend behandelt wurden.

Weder in den genannten noch in Fällen außerhalb des Energiesektors wird die deutsche NKS den Anforderungen der UN-Leitprinzipien bislang gerecht. Vor allem sind weiterhin große Zweifel an der Legitimität und der Unparteilichkeit der deutschen NKS angebracht, die lange Zeit direkt im Referat für Auslandsdirektinvestitionen des Bundeswirtschaftsministeriums angesiedelt war. Infolge des NAP hat das Ministerium die NKS im Jahr 2017 als Stabsstelle direkt bei der Abteilungsleitung für Außenwirtschaftspolitik eingerichtet. Der Verdacht einer tendenziellen Wirtschaftsfreundlichkeit wird dadurch allenfalls abgeschwächt, jedoch nicht ausgeräumt. Vor allem aber fehlt – gerade aufgrund der Ansiedlung im Wirtschaftsministerium – weiterhin ein unabhängiges Aufsichtsgremium, wie es NRO seit langem angemahnt haben. Problematisch ist auch die Vorgabe der deutschen NKS, dass Beschwerdeführende auf Kampagnen und Öffentlichkeitsarbeit gegen die betreffenden Unternehmen verzichten sollen, auch wenn dabei nur bereits veröffentlichte Fakten genutzt werden. Damit beraubt sie die NRO eines wichtigen Mittels, um auf die Belange der Betroffenen aufmerksam zu machen und so auf eine Lösung der Probleme zu drängen.

Zudem geht es bei dem Mediationsverfahren der NKS selten um Wiedergutmachung für Betroffene, sondern vorwiegend um Vereinbarungen für ein zukünftig verbessertes Handeln des Unternehmens. Eine internationale Untersuchung von 250 Beschwerdefällen ergab, dass sich nur in einem Prozent der Fälle die Situation der Betroffenen durch eine OECD-Beschwerde direkt verbesserte. Um die NKS wirklich als „wirkungsvollen“ außergerichtlichen Beschwerdemechanismus zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien zu etablieren, wie die Bundesregierung dies im Nationalen Aktionsplan vorsieht, sind sowohl strukturelle als auch prozedurale Verbesserungen erforderlich. Der anstehende Peer Review der deutschen NKS bietet eine Gelegenheit, solche Veränderungen anzustoßen.

Beschwerdemechanismus der DEG: Untersuchung ohne Konsequenzen?

Anfang 2014 hat die KfW-Tochter DEG zusammen mit der niederländischen Entwicklungsbank FMO einen Beschwerdemechanismus eingerichtet. Damit folgten sie dem Vorbild einiger multilateraler Entwicklungsbanken wie der Weltbank. Von Anfang 2014 bis Juni 2016 erhielt das Panel sieben Beschwerden, von denen es zwei angenommen hat. Die Wirksamkeitskriterien der UN-Leitprinzipien werden dabei in vielerlei Hinsicht besser umgesetzt als durch die NKS. Dies gilt insbesondere für das Kriterium der Legitimität. Denn das Panel agiert unabhängig von der DEG. Die drei dort vertretenen Expert/-innen wurden durch ein öffentliches Ausschreibungsverfahren ausgewählt und verfügen über Expertise in sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Belangen.

Die einzige Beschwerde, zu der bisher ein Untersuchungsbericht des Panels vorliegt, betrifft die Mitfinanzierung des Staudamms Barro Blanco in Panama. Gegendiesen Staudamm wehren sich insbesondere Teile der indigenen Gemeinschaft der Ngäbe-Buglé, da etwa sieben Hektar ihres Territoriums durch den Stausee überflutet werden sollen. Das Panel veröffentlichte 2015 einen ausführlichen Bericht über das Projekt, wonach die DEG in mehreren Punkten ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen sei. Es hätten keine adäquaten Konsultationen stattgefunden und die Finanzgeber hätten den Widerstand der betroffenen Gemeinden nicht ernst genommen. Die DEG betonte daraufhin, sie wolle die Qualität ihrer Begutachtung und Überwachung von Umwelt- und Sozialrisiken verbessern. Bedauerlicherweise hatte sie kurz zuvor noch, gemeinsam mit anderen Finanzgebern, Druck auf die Regierung Panamas ausgeübt, das Projekt zu realisieren, nachdem der Bau des Staudamms von der panamaischen Umweltbehörde ANAM aufgrund von Mängeln bei der Umweltprüfung vorübergehend gestoppt worden war.

Die Betrachtungen zur NKS und zur DEG verdeutlichen gleichzeitig die Potenziale wie die Grenzen außergerichtlicher Beschwerdemechanismen. Zwar können sie – sofern die Unabhängigkeit gewährleistet ist – zur Aufklärung beitragen und den Betroffenen von Unrecht den Rücken stärken. Die Lösung von Konflikten erfordert darüber hinaus eine Bereitschaft der Akteure, den Menschenrechten im Zweifelsfall auch Vorrang bei der Umsetzung von Projekten einzuräumen. Wirksam sind Beschwerdemechanismen nur dann, wenn sie auch zu einer realen Verbesserung für die Betroffenen führen. Dazu müssen Menschenrechtsverletzungen nicht nur untersucht, sondern auch geahndet und wiedergutgemacht werden, so wie die UN-Leitprinzipien dies verlangen. Außergerichtliche Beschwerdemechanismen können Gerichte daher keineswegs ersetzen, sondern nur ergänzen“.

 

Die Studie „Globale Energiewirtschaft und Menschenrechte Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand“ von german watch und miserior kann hier https://germanwatch.org/de/download/18577.pdf runtergeladen werden.

 Bild: wasserkraft-watcher.de