In den letzten Jahrzehnten haben sich monopolartige, private Medienkonzern entwickelt, die teilweise von einzelnen Familien beherrscht werden und deren Meinungen auch von den angestellten Journalisten vertreten werden müssen. Ein objektiv berichtender und urteilender Journalismus kann so nicht gewährleistet werden.
Die Medienunternehmen sind Dienstleister, die Informationen bereitstellen und gleichzeitig auf Gewinn zielende Betriebe. Mit der Informationsvermittlung wird allerdings immer weniger Geld verdient. Um den möglichst größten Profit zu erzielen, setzten die Medienkonzerne in Deutschland auf Werbung, Sport und seichte Unterhaltung. Sensations-Journalismus trat an die Stelle der Berichterstattung. Jeder schreibt mittlerweile von jedem ab und kann so politische Kampagnen gegenüber Einzelpersonen, Gesellschaftsgruppen und auch Staaten initiieren. Die zunehmende Macht, Konzentration und Kommerzialisierung der Medien wurde noch einmal durch die digitalen Kommunikationssysteme gepusht.
Der vorläufige Höhepunkt dieser Entwicklung ist die Entlassung von allen 120 Redakteuren und noch einmal so vielen freien Mitarbeitern bei der Westfälischen Rundschau (WR) durch die Geschäftsführung im Januar 2013. Seitdem erscheint die WR zwar in vielen Städten weiter – aber ohne eigene Redaktion. Den Lokalteil in Dortmund kauft die WR genauso wie die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ), die auch zur „Mediengruppe Funke“ gehört, von der Konkurrenz, der konservativen Ruhr Nachrichten (RN) ein. Die RN erscheint im Medienhaus Lensing in Dortmund, dessen Geschäftsführer Lambert Lensing-Wolff sich gut mit Kündigungen auskennt. Im Januar 2007 kündigte er der gesamten 19-köpfigen Lokal- und Sportredaktion der Münsterschen Zeitung, die zu seinem Medienhaus gehört.
Die Konzentration im Medienbereich wird anhand des Rankings deutlich, das das Institut für Medien und Kommunikationspolitik (IfM) im April 2013 durchgeführt hat:
Die zehn größten Medienkonzerne 2013 mit ihrem Umsatz sind:
1. Bertelsmann (Gütersloh) € 16,605 Mrd.
2. ARD (München / Berlin) € 6,270 Mrd.
3. Axel Springer SE (Berlin/Hamburg) € 3,310 Mrd.
4. ProSiebenSat.1 (Unterföhring) € 2,969 Mrd.
5. Hubert Burda Media (Offenburg) € 2,450 Mrd.
6. Bauer Media Group (Hamburg) € 2,175 Mrd.
7. ZDF (Mainz) € 2,028 Mrd.
8. Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck (Stuttgart) € 1,880 Mrd.
9. Verlagsgruppe Weltbild (Augsburg) € 1,590 Mrd.
10. Funke Mediengruppe/WAZ (Essen) € 1,200 Mrd.
Im Ruhrgebiet kaufte die Funke Mediengruppe (früher WAZ-Konzern) eine Zeitung nach der anderen auf und engagierte sich nach 1989 verstärkt im Osten Europas. Für die Ausweitung des Geschäfts auf dem Balkan wurde Bodo Hombach in die Geschäftsführung des WAZ-Konzerns/Funke Mediengruppe berufen. Er hatte vorher die Position des EU-Sonder-koordinators für den Stabilitätspakt in Südosteuropa inne und war als Vorsitzender des sogenannten Regional Table zuständig für die Koordinierung der drei Arbeitsgruppen der Organisation. Er war dort unter anderem verantwortlich für die Themen Freiheit der Medien, Infrastruktur sowie die Bekämpfung von organisierter Kriminalität, Korruption und Terrorismus. Der richtige Mann also, der seine Beziehungen nutzte, um den dortigen Markt für den WAZ- Konzern aufzurollen.
Parallel zu dem stetigen Wachstum einiger weniger Medienkonzerne wird am Personal und am Produkt gespart. Die Zeitungen werden vom Inhalt und Umfang immer dünner. Der Arbeitsdruck steigt, Redaktionen werden heruntergefahren, ausgelagert oder zusammengelegt und die Bezahlung nach Tarif immer öfter umgangen. Dazu kommt, dass die Chefredakteure, häufig selbst Ko-Geschäftsführer, die Anzeigenkunden und die Werbewirtschaft sich massiv einmischen.
Der Traum von der „vierten Gewalt“ ist für viele engagierte Journalisten ausgeträumt, sie verdingen sich oft nur noch als Einzelkämpfer in den geschrumpften Redaktionen. Sie müssen mit ansehen, dass keiner mehr rausgeht, vor Ort recherchiert, eigene Berichte abliefert oder bei Pressekonferenzen heftig nachbohrt. Sie müssen ertragen, dass die Pressetexte aus den professionellen PR-Abteilungen der Betriebe, Ministerien, Kommunen und Organisationen, die per e-mail eingehen, eins zu eins übernommen werden.
Für den Leser wird die Zeitung dann nur noch langweilig und gleichförmig.
Wenn dann noch der Gerhard Schröder zugesprochene kurze Knallersatz kommt: „zum Regieren brauche ich nur Bild, Bild am Sonntag und Glotze“, dann ist es kein Wunder, dass Journalisten an die 29. Stelle von 32 Berufsgruppen rutschen, wenn danach gefragt wird, welche Jobs in Deutschland das höchste Vertrauen genießen.
Wenn dann ganze Redaktionen, so wie auch in Dortmund, geschlossen werden ist der Widerstand bei den Journalisten aber nicht so groß, wie bei anderen Berufsgruppen. Das hat aber ganz andere Gründe, wie z.B. den Tendenzparagrafen: Im Grundgesetz Artikel 5 Abs. 1 steht: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt“.
Im Betriebsverfassungsgesetz § 118 Abs 1: „Geltung für Tendenzbetriebe und Religionsgemeinschaften“ steht:
„Auf Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar und überwiegend
1. politischen , koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischer Bestimmungen oder
2. Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung
dienen, finden die Vorschriften dieses Gesetzes keine Anwendung, soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs dem entgegensteht…“
Was bedeutet dies für die Journalisten?
Von dem Tendenzparagraf hatte man sich einst versprochen, dass bei Einstellungen und Entlassungen von Redakteuren die Verleger ihre eigene Tendenz und somit die Unterschiedlichkeit der Zeitungen wahren sollten, ohne dass der Betriebsrat sie daran hindern kann.
Dem Verleger wird das Recht eingeräumt, die politische Ausrichtung der jeweiligen Zeitung festzulegen. Seine Macht erstreckt sich also nicht nur auf wirtschaftliche, sondern auch auf politische Entscheidungen. Der Verleger kann die politische Richtung der ihm gehörenden Medien bestimmen und seine Redakteure und freien Mitarbeiter verpflichten, in einer bestimmten Art und Stil Texte, Bilder und Filme in einer bestimmten politischen Sichtweise herzustellen. Für die Journalisten gibt es kein Recht, journalistisch und inhaltlich vom Verleger unabhängig zu sein.
Für Betriebe, die im Medienbereich produzieren, beschränkt der Tendenzschutz das Recht auf betriebliche Mitbestimmung, da das Betriebsverfassungsgesetz nur teilweise und das Mitbestimmungsgesetz gar nicht angewandt werden.
Heute, da regelrechte Zeitungsmonopole entstanden sind, dient der Tendenzparagraph nicht mehr der Vielfalt, er wurde von der Realität eingeholt. Es ist schon die Regel, dass sich der Leser nur noch in einer einzigen Zeitung über das lokale oder regionale Geschehen informieren kann.
Der Tendenzparagraph ist längst überfällig und eine Novellierung des Presserechts erforderlich. Vor über 40 Jahren haben dies die Gewerkschaften gefordert. Die Politik hat aber bisher nicht reagiert – im Gegenteil, sie hat den Tendenzparagraph sogar noch vom Betriebsverfassungsgesetz auf das Mitbestimmungsgesetz übertragen (siehe oben).
Dass es unter diesen Bedingungen schwer ist, gewerkschaftliche Interessenvertretungen aufzubauen, dürfte jedem klar sein. Organisierung, Mobilisierung, Auseinandersetzungen in den Betrieben und Streikbereitschaft sind bei den Journalisten entsprechend gering ausgebildet und ähnlich schwach, wie bei den Angestellten in den kirchlichen Tendenzbetrieben. In Zeiten in denen dann die großen Medienunternehmen ihre Betriebe „wettbewerbsfähig“ machen, fehlt dann die Erfahrung der gewerkschaftlichen Auseinandersetzung im Betrieb, Solidarität unter den Journalisten und die notwendige Kampfbereitschaft.
Das hat sich auch in Dortmund gezeigt. Der Protest hat sich erst entfacht, als die Entscheidung schon gefallen war, 120 Redakteure und fast 150 freie Mitarbeiter in den Lokalredaktionen der Westfälischen Rundschau (WR) zu entlassen.
Die WR erscheint nun als Geisterblatt ohne Redaktion. Der Lokalteil wird von den Ruhr Nachrichten (RN) eingekauft, dem ehemaligen Konkurrenten, der auch politisch ganz anders ausgerichtet ist, als die WR es war. Die SPD-Unternehmensholding DDVG ist mit 13 Prozent Miteigentümer an der WR und fühlt sich von der Entscheidung der WAZ-Geschäftsführung überrumpelt und rügt, dass nichts mit ihr abgestimmt wurde.
In Dortmund hat man jetzt die einmalige Situation, dass 2 Verlage sich eine Zeitung teilen!
Für die entlassenen Redakteure war es besonders bitter, als sie erfuhren, dass die Funke Mediengruppe/WAZ-Konzern 920 Millionen Euro für den Kauf neuer Zeitungen vom Axel-Springer-Verlag ausgegeben hat.
Der Kahlschlag in der Dortmunder Presselandschaft zeigt uns die Notwendigkeit auf, dass die Gewerkschaften, unterstützt von SPD und DIE LINKE, mittelfristig wieder eigene werbungsfreie Massenmedien aufbauen müssen.
Bis es soweit ist, kann man ja öfter mal in www.gewerkschaftsforum-do.de reinschauen.
Quellen: Kontext:Wochenzeitung, WDR,. ver.di
Bild: Hamburger Abendblatt