Eine neue EU-Richtlinie will angeblich die Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen besser schützen und unterschiedliche Regelungen ihrer Mitgliedsstaaten harmonisieren. Sie wird aber vor allem den Aufdeckern von Missständen das Leben schwer machen. Aufgrund der Richtlinie sehen Journalisten und Gewerkschaftsvertreter die Gefahr, dass bedenkliche Praktiken von Unternehmen in Zukunft unentdeckt bleiben, weil sie bei der Weitergabe bzw. der Veröffentlichung von Informationen mit rechtlichen Folgen zu rechnen haben und eine ernsthafte Bedrohung ihrer Arbeit sehen.
Die geplante EU-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen soll in den nächsten Monaten dem EU-Ministerrat nochmals vorgelegt und dann vom EU-Parlament beschlossen werden. In Zeiten der Globalisierung und technischen Vernetzung machen die Unternehmen Druck, weil für sie der Schutz von Geschäftsgeheimnissen immer wichtiger wird.
Geht die neue EU-Richtlinie in den Gremien durch, so könnte sich die Situation generell noch verschärfen, selbst Verlage könnten in Bedrängnis kommen. Denn in der Unter-Richtlinie „Rechtswidriger Erwerb, rechtswidrige Nutzung und rechtswidrige Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen“ ist festgelegt, dass
„ Die Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses ist als rechtswidrig anzusehen, wenn sie ohne Zustimmung des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses, vorsätzlich oder grob fahrlässig durch eine Person erfolgt, auf die eine der folgenden Bedingungen zutrifft:
a) Sie ist auf rechtwidrige Weise in Besitz des Geschäftsgeheimnisses gelangt.
b) Sie verstößt gegen eine Vertraulichkeitsvereinbarung oder eine andere Verpflichtung zur Geheimhaltung des Geschäftsgeheimnisses.
c) Sie verstößt gegen eine vertragliche oder andere Verpflichtung zur Beschränkung der Nutzung des Geschäftsgeheimnisses.
Und:
Ebenfalls als rechtwidrig anzusehen ist die Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses, wenn eine Person zum Zeitpunkt der Nutzung oder Offenlegung wusste oder unter den gegebenen Umständen hätte wissen müssen, dass sie über eine andere Person in Besitz des Geschäftsgeheimnisses gelangt ist, die dieses rechtwidrig im Sinne des Absatzes 3 genutzt oder offengelegt hat“.
Journalisten und Gewerkschafter fürchten aufgrund verschiedener Passagen und Formulierungen der Richtlinie, dass sie künftig jede Information vorab von Juristen prüfen lassen müssten, bevor sie die Information überhaupt erst in einer Enthüllungsgeschichte veröffentlichen können.
Eine Veröffentlichung wäre demnach auch dann ungesetzlich, wenn ein Journalist gar nicht weiß, ob eine Insiderinformation illegal besorgt wurde. Auch hier werden Journalisten und Gewerkschafter schon vorsorglich eingeschüchtert, denn in Zukunft müsste jeder Weg, über den ein Informant zu Dokumenten gekommen ist, wohl mehr untersucht werden als deren Inhalt.
Dann müsste geprüft werden, was noch „im öffentlichen Interesse“ liegt, was „legitim“ an Information beschafft wurde und auch was denn eigentlich ein Betriebsgeheimnis genau ist. Hier könnte schon ein Betriebsgeheimnis all das sein, was unterhalb von geschützten Patenten liegt.
Die Europäische Journalisten Föderation (EFJ) gibt zu bedenken, dass die Beweislast, ob die Veröffentlichung eines Geschäftsgeheimnisses im öffentlichen Interesse gerechtfertigt ist oder nicht, bei den Whistleblowern beziehungsweise bei den Journalisten selbst liegt.
Ein Beschäftigter oder Gewerkschafter, der aus Gewissensgründen bestimmte Informationen weiter gibt, wäre bei Durchsetzung der geplanten EU-Richtlinie voraussichtlich mit einer Gefängnisstrafe bedroht.
Seltsam ist, dass nach den letzten Skandalen wie LuxLeaks (Affäre um lukrative Steuervorteile in Luxemburg) oder SwissLeaks (Schweizer Steueraffäre) vom Europarat selbst noch ein besserer Schutz für Whistleblower gefordert wurde. Wo bleibt denn die einheitliche EU-Richtlinie zu ihrem Schutz, sie gibt es bis heute nicht.
Es ist doch eine Binsenwahrheit und mittlerweile internationaler Konsens, dass Whistleblower sowohl bei der Korruptionsbekämpfung als auch bei der Wahrung von anderen Rechtsgütern eine wesentliche Rolle spielen.
Aber all das hilft nicht, wenn die EU-Kommission im vorauseilenden Gehorsam vor den mächtigen Konzernen auf die Knie geht und deren Lobby-Arbeit nichts entgegen setzt.
Wie das österreichische Nachrichtenmagazin Profil berichtete, wurde diese erfolgreiche Lobby-Arbeit dieses Mal auch professionell koordiniert, von der PR-Agentur „Hill & Knowlton“, unter Beteiligung von u.a. „Alston, DuPont, General Electric, Michelin, Intel und Nestlé“.
Weitere Infos: https://gewerkschaftsforum.de/die-neue-notwendigkeit-gewerkschaftsfluesterer-und-hinweisgeber-2/
Quellen: Profil, Nachdenkseiten
Bild: 20zwoelf.de