Rufmord durch den Verfassungsschutz

Von Rote Hilfe

Du bekommst einen Job oder eine Wohnung nicht, weil der Verfassungsschutz sich bei Vermieter:innen oder Arbeitgeber:innen meldet und vor deinem Aktivismus warnt? Das ist nach dem Bayerischen Verfassungsschutzgesetz möglich. Dagegen erhebt die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) mit Klima-Aktivist:innen Verfassungsbeschwerde. Begleitet wird das Verfahren von der Roten Hilfe.

Die GFF und Klima-Aktivist:innen haben eine Verfassungsbeschwerde gegen das Bayerische Verfassungsschutzgesetz eingereicht. Die Beschwerde richtet sich gegen ein Gesetz, das dem bayerischen Inlandsgeheimdienst (VS) ermöglicht, persönliche Daten unter sehr niedrigem Vorwand an private Stellen wie Arbeitgeber:innen oder Vermieter:innen weiterzugeben. Das kann für die Betroffenen katastrophale Folgen haben, z. B. die sofortige Entlassung aus dem Job oder die Absage der neuen Wohnung. Das ist ein massiver Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und dient dem VS dazu, Aktivist:innen in ihrem Privatleben zu treffen, dort wo sie wohnen oder arbeiten. In der Regel erfahren die Betroffenen nichts von der Intervention des Geheimdienstes und können sich somit noch nicht mal dagegen wehren. Bundesweit und in anderen Bundesländern gibt es für die Datenweitergabe vom VS an private Stellen sehr strenge Vorschriften, so dass dies nur in Ausnahmefällen erfolgt – nicht so in Bayern. Das will die Verfassungsbeschwerde jetzt ändern.

Geführt wird diese von fünf Aktiven aus der Münchner Klimabewegung, darunter Jonny Parks von Ende Gelände und Lisa Poettinger vom Antikapitalistischen Klimatreffen. Die Rote Hilfe begleitet das Verfahren, da auch deren Aktive und Mitglieder von einer Datenweitergabe durch den VS betroffen sein können.

Die RH wird im bayerischen Verfassungsschutzbericht als linksextremistische Vereinigung geführt. Aktive und Mitglieder der RH machen sich daher Sorgen, dass ihr Engagement und ihre Mitgliedschaft in der Roten Hilfe vom VS kriminalisiert wird und sie z. B. bei ihren Arbeitgeber:innen denunziert werden.

„Wir verurteilen dieses Mittel staatlicher Repression, das ähnlich wie Berufsverbote bewusst die Lebensplanung von Aktivist:innen beeinflusst und bedroht“, sagt Anja Sommerfeld aus dem Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V. „Unter einem zunehmenden Rechtsruck, aber auch schon jetzt, hat die laxe Regulierung der Datenweitergabe durch den VS das Potenzial, politisch Aktive in linken Bewegungen zu diskreditieren und ihr zivilgesellschaftliches Engagement z. B. für Klimagerechtigkeit zu kriminalisieren. Wir unterstützen die Verfassungsbeschwerde der GFF und sehen es als linke Solidaritätsorganisation klar als unsere Aufgabe, diese zu begleiten.“ (Pressemitteilung)

Sonderzeitung: 100 Jahre Rote Hilfe

In diesem Jahr feiert die Rote Hilfe ihr hundertjähriges Bestehen als Solidaritätsorganisation. Das nehmen wir als heutige strömungsübergreifende Rote Hilfe e. V. zum Anlass, auf diese einhundert Jahre zurückzublicken; auf einhundert Jahre wechselhafter Geschichte und einen vielfachen Wandel im Laufe dieser Zeit.

Zunächst war die Rote Hilfe eine an die Arbeiter*innenbewegung und die Kommunistische Partei angeschlossene Massenorganisation nach dem Vorbild der sowjetisch geprägten Internationalen Roten Hilfe MOPR. Es folgten Verbot, schwierige Tätigkeit im Untergrund und schließlich Zerschlagung in den Jahren des nationalsozialistischen Terrors. Erst in den politisch turbulenten 70er und 80er Jahren gründete sich die Rote Hilfe neu, ganz im Stil der politischen Kleingruppen sogar mehrfach – ein leider wenig erfolgreiches Konzept. Noch zentral an die Ausrichtung der KPD/ML angelehnt, gründete sich 1975 die Rote Hilfe Deutschlands, aus der schließlich die heutige strömungsübergreifende Rote Hilfe e. V. erwuchs.

In all diesen politisch wechselhaften Etappen blieben die Kernaufgaben der Arbeit der Roten Helfer*innen durch ein ganzes Jahrhundert hindurch immer die gleichen: Die ideelle und materielle Unterstützung politischer Gefangener, ihrer Angehörigen und Genoss*innen, die Organisation und Finanzierung von Rechtsbeiständen, Knastbesuchen und Prozessbegleitung, das Stemmen von Öffentlichkeitsarbeit und die inhaltliche und strukturelle Unterstützung von Kampagnen, die Veröffentlichung von Infomaterialien und vor allem das Sammeln von Spenden, Spenden und noch mehr Spenden. All das war schon immer notwendig, wo es staatliche Repression gegen linke Bewegungen und Proteste gab, und es wird auch notwendig bleiben, solange es linken Protest gegen das ausbeuterische kapitalistische System, gegen faschistische Umtriebe, gegen Rassismus, gegen patriarchale Strukturen und Ungleichheit und gegen die Zerstörung der Umwelt und damit der menschlichen Lebensgrundlagen gibt.

Der Blick auf unsere Geschichte kann uns nicht nur die vielschichtigen Möglichkeiten staatlicher Schikanen und die Entwicklung der Repression zeigen – und damit, vor welchen Problemen wir schon standen und wie wir sie gelöst haben. Er führt uns auch die Entwicklung linker Strukturen und Bewegungen, deren Themen und deren innere Konflikte vor Augen. Vor allem aber kann er uns ermutigen angesichts der zahlreichen Genoss*innen, die für ihre – und damit oft auch unsere – Ideale gekämpft haben, angesichts der vielen Unterstützer*innen vor uns, die die gleiche Arbeit geleistet haben, wie wir sie heute leisten. Mal waren sie mehr, mal weniger erfolgreich, oft selbst von Repression betroffen, aber stets voller Mut und Überzeugung. Sie alle können und sollten uns eine Inspiration sein, um uns stets zu vergegenwärtigen, wie wichtig Solidarität war, ist und bleibt. Denn Solidarität war, ist und bleibt eine Waffe – unsere wichtigste Waffe überhaupt.

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Die Jubiläumszeitung liegt in den kommenden Wochen mehreren linken Tages-, Wochen- und Monatszeitungen bei und wird bei Infoständen, Veranstaltungen und Aktionen breit verteilt.

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Quelle und weitere Infos: https://rote-hilfe.de/