Das diesjährige Sommerfest der Wirtschaftsverbände fand inmitten der Regenzeit statt. Das tat aber der guten Stimmung keinen Abbruch. Auch gab es wieder ein aktuelles Thema. Während beim 6. Sommerfest im vergangenen Jahr die Diskussion um die „Innere Sicherheit in Dortmund zwischen Gefühl und Realität“ ging, war das Thema des 7. Festes Ende Juni 2016: „Integration – Wie schaffen wir das?“
Gab es da vielleicht einen Zusammenhang?
Möglich, denn die 200 Gäste hörten von dem jovialen Moderator René Scheer doch die Frage an die Diskussionsrunde: „Mit dem Integrationswillen vieler junger, männlicher Flüchtlinge sei es, wie man höre, ja nicht so weit her?“
In der Einladungskarte zum diesjährigen Sommerfest der Wirtschaftsverbände in Dortmund war zu lesen:
„Integration – Wie schaffen wir das? Unerwartet viele Flüchtlinge sind im letzten und auch in diesem Jahr nach Dortmund gekommen. Unter großem Einsatz hat die Kommune mit Unterstützung und dem Engagement einer Vielzahl unserer Bürger die Unterbringung, Verpflegung und Betreuung organisiert. Nunmehr gilt es, die noch größere Aufgabe der Integration in unsere Gesellschaft zu bewältigen. Wie schaffen wir das?
Freuen Sie sich auf eine spannende Diskussion zu diesem Thema mit ausgewählten Gästen in sommerlicher Atmosphäre“.
Die Ausrichter des Sommerfestes waren die Unternehmensverbände für Dortmund und Umgebung, die Familienunternehmer ASU, die jungen Unternehmer BJU, der Cityring, die Junioren des Handwerks, der IT-Club, der Westfälische Industrieklub, die Westfälische Kaufmannsgilde und die Wirtschaftsjunioren.
Ein Diskussionsquartett bestehend aus Sozialdezernentin Birgit Zoerner, NRW-Arbeits-minister Rainer Schmeltzer, Präsident der Auslandsgesellschaft NRW Klaus Wegener und Hans-Peter Kläs vom Institut der deutschen Wirtschaft.
Der Moderator, René Scheer, ist auch Vorsitzender des Unternehmensverbandes Östliches Ruhrgebiet und ist schon öfter in die Schlagzeilen geraten.
In der TAZ vom 12.03.2004 wurde berichtet: „Obwohl die Industrie- und Handelskammern zur Neutralität verpflichtet sind, spendete eine Dortmunder IHK-Tochter der CDU Wahlkampfgelder – veranlasst vom künftigen Hauptgeschäftsführer.
René Scheer ist strammer CDUler: Der letzte Kommunalwahlkampf in Dortmund war ihm deshalb auch 26.000 Mark wert – Geld, das aus der Firmenkasse der Gesellschaft für Informationsverarbeitung (GfI) stammt, deren Geschäftsführer Scheer bis 1999 war. An und für sich ein legitimer Vorgang. Nur: Die GfI gehört mehrheitlich dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) – dem Dachverband aller deutschen Kammern. Und auch die Dortmunder Industrie- und Handelskammer hält Anteile am Software-Unternehmen. Die GfI darf also nicht politisch agieren, denn in Deutschland sind Kammern schon seit den 1970er Jahren zur strikten Neutralität verpflichtet“
Der WDR berichtete am 07.10.2010 „Eigentlich ist Thilo Sarrazin in Dortmund, um über die Steuerquote zu sprechen. Interessanter als die Steuer scheint jedoch die Person Sarrazin selbst zu sein. Bei keinem anderen Gastvortrag war der Saal voller: In engen Reihen sitzen rund 250 Zuhörer; die Unternehmerwelt ist männlich, zwischen 50 und 60 Jahren alt und trägt schwarze, blau-weiß gestreifte oder grau-karierte Sakkos. „Das ist Rekord“, sagt René Scheer, Vorstand der Dortmunder Unternehmensverbände. Euphorisch hatte Scheer den prominenten Redner vorgestellt: „Was könnte ein Thilo Sarrazin in Dortmund alles bewegen?“, fragt er in die Runde. Für Sarrazin ist die Unternehmervilla in der Dortmunder Prinz-Friedrich-Karl-Straße Freundesland“.
Dieser René Scheer müsste es eigentlich besser wissen, doch er fragt den NRW Arbeitsminister Rainer Schmeltzer beim Sommerfest, auch um die Stimmung anzuheizen: Wie denn die Integration von Flüchtlingen gelingen solle? Wenn doch schon viele Langzeitarbeitslosen keine Chance auf dem Arbeitsmarkt hätten und es Migranten gebe, die auch nach 20, 30 Jahren kaum Deutsch sprechen?
Der Minister macht brav auf die sinkenden Zahlen der langzeitarbeitslosen Menschen aufmerksam und lobt das friedliche Zusammenleben.
In dieser Frage fühlt sich dann auch Klaus Wegener kompetent, nach dem Blick in die Kristallkugel sagt er, dass nur zwei, drei Prozent der Ankommenden direkt reif für den Arbeitsmarkt seien. Er baut damit die Brücke zur der Eingangsfrage von Scheer: Mit dem Integrationswillen vieler junger, männlicher Flüchtlinge sei es, wie man höre, ja nicht so weit her?
Hans-Peter Klös vom Unternehmer Institut bestätigt, dass „in vielen Fällen gibt es keine Kenntnisse, die für den deutschen Arbeitsmarkt ausreichen“.
Birgit Zoerner will wohl mit dem Hinweis auf geringer werdenden Zahlen von neuen Flüchtlingen, die nach Dortmund kommen, beruhigend wirken, doch mit dem Spruch „Es muss Geld ins System“ punktet sie bei den Diskutanten. Sie meint sicherlich „Geld in das Sozialsystem“, während die Unternehmensvertreter Eurozeichen in die Augen bekommen und „Geld in das Lohnzuschusssystem“ meinen.
Einig waren sich die Sommerfestdiskutanten darin, dass es Standards brauche, die noch über das neue Integrationsgesetz hinausgehen. Aber Stopp: wieso „hinausgehen“ – nicht umsonst trägt das neue Integrationsgesetz dasselbe Motto wie Hartz IV, nämlich „Fördern und Fordern“, denn darum geht es: die Asylbewerber möglichst knallhart in das Dumpinglohnsystem und in den Armutsarbeitsmarkt zu pressen.
Zu Beginn wird dafür die Bundesregierung 100.000 1-Euro-Jobs/AGHs für Flüchtlinge schaffen, bei denen sie für die Unternehmen als Arbeitskräfte ohne Entgelt bzw. für lau lernen, sich „in den Arbeitsmarkt zu integrieren.“
Wird die schmierige Willkommenskultur der Unternehmen nun fortgesetzt oder beendet?
Sie war gar nicht erforderlich, die Unternehmen hätten die Menschen aus der Reservearmee der Arbeitskräfte auch ohne sie bekommen.
Und René Scheer träumt schon vom nächsten Sommerfest der Wirtschaftsverbände.
Quelle: WAZ
Bild: Zwickauer-Glückskinder.de