Schlagwort-Archive: Arbeitsmarktpolitik

Geplante Änderung beim Bürgergeld: Die Mittel zur Deckung des Lebensunterhalts werden umgeschichtet, um den Unternehmen auf dem „Sozialen Arbeitsmarkt“ die Lohnkosten subventionieren zu können

Nach den Plänen der Bundesregierung sollen zukünftig die eingesparten Mittel für die Deckung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) bis zu maximal 50 Prozent für weitere Maßnahmen der Arbeitsförderung eingesetzt werden können.

Das Geld in Gesamthöhe von maximal 700 Millionen Euro pro Jahr soll in die sogenannte Teilhabe am Arbeitsmarkt/Sozialer Arbeitsmarkt fließen. Das heißt konkret, für die Subventionierung der Lohnkosten bis zu 100 Prozent an die Unternehmen, die bisher arbeitslose Menschen im Leistungsbezug des Bürgergeldes beschäftigen.

Die Möglichkeit,  passive Leistungen für die Arbeitsförderung einzusetzen („Passiv-Aktiv-Transfers“), besteht schon länger und ist gesetzlich im SGB II geregelt. Bislang war ein Passiv-Aktiv-Transfers lediglich auf der Grundlage eines Haushaltsvermerks bei dem Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (§ 16i SGB II) möglich. Zukünftig können die Mittel auch für weitere Maßnahmen der Arbeitsförderung eingesetzt werden z.B. bei Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach § 16 Abs 1 S. 2 Nr. 5, § 16b, 16e SGB II.

Im Gegensatz zur offiziellen Propaganda, die den Eindruck erzeugen soll, die Arbeitsmarktpolitik tue alles, um die arbeitslosen Menschen zu fördern, sagen die Zahlen aber, dass von den Personen im Bürgergeld-Bezug rund 65 Prozent ohne berufsqualifizierenden Abschluss sind. Aber eine berufliche Weiterbildung erhalten lediglich 14.222 von ihnen, gerade einmal drei Prozent werden beruflich gefördert. Der Hauptteil des Geldes geht direkt an die Unternehmen auf dem sozialen Arbeitsmarkt. Dort werden die Menschen nicht nur ausgebeutet und erwirtschaften satten Profit, die Unternehmen können sich dabei noch die Lohnkosten bis zu 100 Prozent erstatten lassen. Geplante Änderung beim Bürgergeld: Die Mittel zur Deckung des Lebensunterhalts werden umgeschichtet, um den Unternehmen auf dem „Sozialen Arbeitsmarkt“ die Lohnkosten subventionieren zu können weiterlesen

Der „Fachkräftemangel“ ist ein hausgemachtes Problem – verursacht von Unternehmen, Bundesagentur für Arbeit und Dualem Berufsausbildungssystem

Wenn in den Unternehmen irgendetwas nicht rund läuft, wird sofort auf den vorgeblichen „Fachkräftemangel“ verwiesen, man zuckt mit den Schultern, meint damit, da „kann man nichts machen“, als wäre das Problem mit der geringen Zahl an Fachleuten wie ein Naturereignis vom Himmel gefallen.

Auch stimmt die Lobhudelei über das Duale Ausbildungssystem in Deutschland schon lange nicht mehr, mehr noch, dieses System scheint wohl völlig gescheitert zu sein. Die einzige Lösung wird in Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland gesehen, doch die Ursachen des Mangels an Fachkräften sind systembedingt und hausgemacht. Wer meint, dass die Unternehmen nun ihre Ausbildungsanstrengungen steigern und auch die Bundesagentur für Arbeit ihre Vermittlung junger Menschen in die Berufsausbildung hinterfragen würden, der ist auf dem Holzweg.

In Deutschland sind aktuell und offiziell 46 Millionen Menschen erwerbstätig, so viele wie nie zuvor. Das entspricht einer Quote von 77 Prozent aller Personen im Alter zwischen 15 und 65 Jahren. 35 Millionen von ihnen sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt, doch arbeitet die Hälfte der erwerbstätigen Frauen, meist unfreiwillig, in unterbezahlter Teilzeit oder Minijobs. Gleichzeitig sind 3,5 Millionen Menschen erwerbslos bzw. unterbeschäftigt bei 750.000 gemeldeten offenen Stellen.

Während die Unternehmen lautstark einen Fachkräftemangel beklagen, bleiben 2,5 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren ohne eine abgeschlossene Ausbildung zurück. Gleichzeitig stieg die Arbeitsproduktivität gesamtwirtschaftlich um gut ein Prozent, im verarbeitenden Gewerbe um drei Prozent und in der Autoindustrie um mehr als fünf Prozent. Der „Fachkräftemangel“ ist ein hausgemachtes Problem – verursacht von Unternehmen, Bundesagentur für Arbeit und Dualem Berufsausbildungssystem weiterlesen

Unternehmen versagen: Fachkräfte verzweifelt gesucht!

Von Marcus Schwarzbach

Fachkräftemangel ist ein Dauerthema in den Medien. Dazu ein aktuelles Beispiel: Die Hofpfisterei in München schließt Geschäfte. „Auch andere Bäckereiketten schließen im Moment fleißig ihre Filialen wegen des Personalmangels“, meldet der Münchener Merkur www.merkur.de/lokales/muenchen/schliessen-muenchner-hofpfisterei-muss-drei-filialen-92305710.html

„Fehlende Fachkräfte bleiben nicht folgenlos. Dies gilt für die betroffenen Unternehmen, aber auch für die Volkswirtschaft als Ganzes. Es stehen Wachstums- und Wohlfahrtspotenziale ebenso wie öffentliche Einnahmen auf dem Spiel, wenn Personalknappheiten die an sich mögliche Produktion und das Dienstleistungsangebot beschränken“, bemängelt die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK). Insgesamt erwarten 85 Prozent der Betriebe unterschiedliche negative Effekte infolge von Fachkräfteengpässen,so die DIHK.

Über die Gründe sagen die Unternehmen und ihre Lobbyisten wenig. Unternehmen versagen: Fachkräfte verzweifelt gesucht! weiterlesen

Leiharbeit: Menschenverachtende Ausbeutung mit institutioneller Absicherung

Am 21. Juni 1972 beschloss der Deutsche Bundestag das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) einstimmig. Bis zu dem Tag war Leiharbeit in Deutschland verboten. Doch war es nicht das Parlament, das die Lawine Leiharbeit ins Rollen brachte, sondern wie so oft in Deutschland, wenn es ums Arbeitsrecht geht, sind die Gerichte maßgeblich. Im Fall der Leiharbeit war es das Bundesverfassungsgericht (BVG), das bereits am 4. 4.1967 die Arbeitnehmerüberlassung legalisierte und das Verbot der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung aufhob. Allen Ernstes vertrat das höchste Gericht die Ansicht, starke Regeln, die die Leiharbeit einhegen, würden den Leiharbeitsfirmen das Grundrecht auf Berufsfreiheit einschränken, auch weil „kaum eine Lebenserfahrung“ es hergäbe, dass in den Unternehmen über längere Zeit, fremde Beschäftigte arbeiten würden. Eine ziemlich weltfremde Lebenserfahrung des Gerichts, denn schon damals wurden Leiharbeitskräfte über einen längeren Zeitraum beschäftigt.

Mit diesem Freibrief im Rücken und mit Hilfe der „Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010“ der Schröder – Regierung Anfang des Jahrhunderts, bekam die Leiharbeit unglaublichen Aufwind.

Nun hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) sich über zentrale Aussagen des Europäischern Gerichtshofs (EuGH) hinweggesetzt. Für alle Nachteile, die Leiharbeitskräften widerfahren, soll es ein genügender Ausgleich sein, wenn nach dem Gesetz die verleihfreie Zeit bezahlt wird, also der Zeitraum, für den sich kein Entleiher findet. Die Vergütung in einsatzfreien Zeiten sei staatlich festgesetzt, der Ausgleich müsse daher auch nicht durch den Tarifvertrag erfolgen. Leiharbeit: Menschenverachtende Ausbeutung mit institutioneller Absicherung weiterlesen

Menschenmaterial für den deutschen Arbeitsmarkt / Teil 1 – Die Bundesregierung und der Mensch als „Arbeitspotenzial“ / Teil 2

Von Suitbert Cechura

Von brauchbaren Arbeitskräften kann die Nation nie genug bekommen. Aber was bedeutet das für den Menschen? Kommentar zu den neuesten Reformvorhaben der Regierung. (Teil 1)

Das Fachkräfteproblem in Deutschland ist ein rundum anerkannter Missstand. Bei seiner öffentlichen Thematisierung werden meist alle einschlägigen Ideologien der Marktwirtschaft abgespult und selbst eine noch recht junge Fachkraft wie der ChatGPT der Künstlichen Intelligenz kann hier in Sekundenschnelle eine Gliederung für einen Besinnungsaufsatz oder für einen Hintergrundartikel im Berufsjournalismus präsentieren. So jedenfalls jüngst der Nachweis bei Telepolis: „Was eine intelligente Maschine zum Fachkräftemangel zusammenträgt„.

Aber es wird nicht nur geklagt: „Fachkräfteland Deutschland“ – unter diesem Titel stellte die Bundesregierung bereits im letzten Oktober ihre Strategie zur Fachkräftesicherung vor. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Nancy Faeser, Bundesministerin des Innern und für Heimat, gingen nun am 23. April mit diesem Projekt wieder in die Öffentlichkeit, nachdem sie das Weiterbildungsgesetz und das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in den Bundestag eingebracht hatten.

Die Strategie der Fachkräftesicherung umfasst fünf Handlungsfelder. Menschenmaterial für den deutschen Arbeitsmarkt / Teil 1 – Die Bundesregierung und der Mensch als „Arbeitspotenzial“ / Teil 2 weiterlesen

Wo sind die fehlenden Arbeitskräfte hin? Was die Zahlen sagen

Von Norbert Häring

Überall hört man von fehlenden Arbeitskräften. Es sei furchtbar schwer, neue Mitarbeiter zu finden. In Anbetracht der coronageschädigten Wirtschaft fragt man sich, wo die Arbeitnehmer und potentiellen Arbeitnehmer sind, die in so vielen Branchen fehlen. Ich habe mir deshalb die Beschäftigungsentwicklung nach Branchen angeschaut und einen Sektor gefunden, der kräftig Personal aufgestockt hat.

Ein leergefegter Arbeitsmarkt ist normal, wenn die Wirtschaft längere Zeit boomt. Aber wenn die Wirtschaft gerade aus einem pandemiebedingten Abschwung kommt und der Ukraine-Krieg eine neue Rezessionsgefahr schafft, ist solch ein Arbeitskräftemangel ungewöhnlich. Wo sind die fehlenden Arbeitskräfte hin? Was die Zahlen sagen weiterlesen

DGB: Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland – Fragen und Antworten zu aktuellen Regelungen und zur Arbeitsmarktintegration

Nach dem neuesten Forschungsbericht des IAB sind die meisten Menschen, die aus der Ukraine fliehen, Frauen und Kinder. Laut IAB verfügen rund die Hälfte der ukrainischen Migrant*innen in Deutschland über eine abgeschlossene Hochschulausbildung und vergleichbare Abschlüsse, 14 Prozent über berufsbildende Abschlüsse und weitere 26 Prozent über eine höhere Schulbildung. Der DGB fordert, sie möglichst unkompliziert und schnell in den Arbeitsmarkt zu integrieren. DGB: Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland – Fragen und Antworten zu aktuellen Regelungen und zur Arbeitsmarktintegration weiterlesen

Der „Soziale Arbeitsmarkt“ wird der SPD noch auf die Füße fallen – früher oder später

Bereits vom Wahlkampffieber geschüttelt, zog  der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil durch die Lande und lobte die Ergebnisse des nunmehr 2 Jahre alten Programms „Sozialer Arbeitsmarkt – Teilhabechancengesetz“. Bisher wurden rund 55.000 langzeitarbeitslose Menschen gefördert und der Minister möchte gerne das bis zum Jahr 2022 befristete Programm unbegrenzt weiter fortführen.

Flankiert wird das Loblied des Ministers von dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB), das vom „guten Zusammenspiel von geförderter Beschäftigung, einem begleitend ganzheitlichen Coaching sowie Weiterbildungs- und Praktikumsmöglichkeiten“ spricht, „die den arbeitsmarktfernen Menschen eine zielgerichtete Perspektive für soziale Teilhabe bieten und die Eingliederung in den Arbeitsmarkt unterstützt“.

Besonders stolz sind alle Beteiligten darauf, dass die Förderung von der Privatwirtschaft „gut angenommen“ werden und über 70 Prozent private Unternehmen, davon 27 Prozent Beschäftigungsträger, profitieren.

Da lohnt es sich, einmal hinter den so aufgebauschten Sozialen Arbeitsmarkt zu schauen. Der „Soziale Arbeitsmarkt“ wird der SPD noch auf die Füße fallen – früher oder später weiterlesen

Chronologie: Arbeitsmarktpolitik im Wandel – eine Zeitleiste von 1950 bis 2015

Küche2Als sich die Arbeitslosigkeit in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmend verfestigte, versuchte man insbesondere in Europa, Arbeitslose in staatlich subventionierten Beschäftigungsprogrammen (sog. Zweiter Arbeitsmarkt) unterzubringen. In Deutschland wurden vor allem Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen dazu genutzt. Ziel dieser Programme war es in erster Linie, insbesondere Langzeitarbeitslose wieder ins Erwerbsleben zurück zu führen, sie an einen Achtstundentag zu gewöhnen und ihnen auch Qualifikationen zu vermitteln. Doch meistens wurden diese Maßnahmen zu einer reinen Beschäftigungstherapie, während die Chancen der Arbeitslosen auf dem ersten Arbeitsmarkt kaum verbessert wurden.

Aufgrund dieser Erfahrungen versucht die Politik heute, neoklassische Empfehlungen zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit in den Vordergrund zu stellen, wie:

  • den Abbau von Lohn-Rigiditäten (Notwendigkeit, vereinbarte Löhne zu zahlen) durch Öffnungsklauseln in Tarifverträgen, die bei Schwierigkeiten des Unternehmens oder bei Wettbewerbsproblemen niedrigere Löhne als im Tarifvertrag vorgesehen erlauben. Verschiedene Tarifverträge der jüngsten Zeit enthalten solche Klauseln, die ein Teilabweichen vom Flächentarifvertrag erlauben
  • das Lohnabstandsgebot: Das Arbeitslosengeld soll so bemessen sein, dass sich die Aufnahme einer gering bezahlten Tätigkeit lohnt
  • die Flexibilität der Arbeitszeit: mit Verkürzungen bei schlechter und Verlängerungen bei guter Auftragslage. Dieses würde im Abschwung Entlassungen verhindern

und den Abbau von Arbeitsmarktregulierungen, z. B. ein abgeschwächter Kündigungsschutz und vereinfachte Möglichkeiten, befristete Arbeitsverträge abzuschließen.

Die chronologische Übersicht von 1950 bis 2015 zeigt die gesetzlichen Änderungen und Neuerungen der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland. Chronologie: Arbeitsmarktpolitik im Wandel – eine Zeitleiste von 1950 bis 2015 weiterlesen