Völliges Chaos bei Thyssenkrupp – Die IG Metall sollte mal in ihre Satzung schauen, dort steht, dass die „Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum anzustreben ist“

Der Stahlkonzern Thyssenkrupp kommt aus den Negativschlagzeilen nicht heraus. Der  Höhepunkt des Dramas aus dem Schmierentheater Thyssenkrupp wurde Ende August 2024 aufgeführt.

Da ist im größten Stahlwerk Deutschlands mehr passiert als ein Eklat. Erstmals wurden Rücktrittsforderungen gegen Siegfried Russwurm – nicht als Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp, sondern als Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI) – erhoben. Russwurm hatte sich mit der IG Metall angelegt, in dem er mit den anderen Aufsichtsräten der Kapitalseite des Essener Mutterkonzerns ein Statement unterschrieb, in dem er das Vorgehen der IG Metall scharf attackierte und ihr „persönliche Verunglimpfungen“ des Konzernchefs Miguel López vorwarf.

Damit standen sich der BDI-Präsident und die IG-Metall-Spitze nun wieder frontal gegenüber, denn für die Gewerkschaft geht es um den Erhalt einer Mitbestimmung auf Augenhöhe und damit ums Eingemachte. Beim Ruhr-Konzern kommt verschärfend hinzu, dass im Stahl die Montanmitbestimmung gilt und offensichtlich ausgehebelt wurde.

Am 29.08.2024 gaben sowohl die Spitzen des Aufsichtsrats als auch des Vorstands von Thyssenkrupp Steel ihren Rücktritt bekannt. Auch Sigmar Gabriels Stellvertreter im Aufsichtsrat, Detlef Wetzel von der IG Metall, kündigte seinen Rückzug an. Zudem verlassen mit Elke Eller und Wilfried Schäffer zwei weitere Mitglieder den Aufsichtsrat. Sigmar Gabriel gab auch noch den Rückzug von drei der insgesamt fünf TKS-Vorstandsmitgliedern, darunter auch Stahlchef Bernhard Osburg bekannt. Den hochrangigen Managern hatte der Essener Mutterkonzern unter Führung von Miguel López Aufhebungsverträge vorgelegt.

Da ist es wohl an der Zeit, dass über andere Konzepte, auch über eine Neuordnung der Eigentumsverhältnisse nicht nur in der Stahlindustrie nachgedacht wird. Trotz milliardenschwerer Förderung von Seiten der Bundes- und Landesregierung möchte der Thyssenkrupp-Vorstand Miguel López die Stahlsparte in Duisburg verselbstständigen, dabei geht er nicht zimperlich vor.

Zu Beginn stand ein Deal mit dem tschechischen Investor Křetínský. Dieser wurde gegen den Willen der Beschäftigtenvertreter durchgesetzt. Möglich wurde das Geschäft nur durch den Einsatz der Doppelstimme von Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm.

Um einen Zukunftsplan für die Stahlsparte zu entwerfen, hatte Stahlvorstand Bernhard Osburg einen Geschäftsplan entwickelt, der allerdings López nicht gefiel. Immer wenn ein Unternehmen verselbstständigt wird, ist es üblich, dass das Mutterunternehmen gewissermaßen eine Mitgift zahlt. Diese soll López nach Osburgs Analyse zu hoch gewesen sein. Konsequenzen zog Lopez so, dass er Osburg und den gesamten Stahlvorstand de facto entlassen hat. Mit der Rückendeckung von Siegfried Russwurm hat Miguel López Thyssenkrupp so in eine historische Krise geführt.

Mit Steuermitteln gepäppelt

Der Bund unterstützt den Bau einer perspektivisch wasserstoffgeführten „Direktreduktionsanlage“ bei Thyssenkrupp, die jährlich 2,3 Millionen Tonnen grünen Stahl produzieren soll, mit insgesamt zwei Milliarden Euro an Subventionen. Das Land Nordrhein-Westfalen leistet dem kriselnden Stahlkonzern die größte Einzelsubvention der Landesgeschichte in Höhe von 700 Millionen Euro, ohne dass mit der Vergabe der öffentlichen Mittel für das Unternehmen irgendwelche Bedingungen verbunden sind. Noch nicht einmal werden Beschäftigungs- und Standortgarantien oder ausreichende Sicherheiten für Beschäftigte und Steuerzahler verlangt. Da freuen sich die Anteilseigner, die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung (AKBH), Harris Associates LP, Norges Bank Investment Management, Merrill Lynch International, Cevian Capital AB und fünf weitere, sehr, doch das Unternehmen kommt derzeit einfach nicht aus den Negativschlagzeilen hinaus und die Beschäftigten bangen um ihre Arbeitsplätze.

Stahlstandort NRW

In Nordrhein-Westfalen werden jährlich etwa 16,5 Millionen Tonnen Rohstahl produziert, das sind 38 Prozent der gesamten bundesdeutschen Produktion. In der NRW-Stahlindustrie sind aktuell mehr als 45.000 Menschen beschäftigt.

Die Stahlindustrie steht derzeit gewaltig unter Druck und allen Beteiligten ist bewusst, dass die drastische Reduktion der CO²-Emissionen nur mit einer neuen, teuren Technologie möglich ist. Das favorisierte neue Verfahren scheint die Roheisenherstellung mittels Wasserstoffes zu sein.

In Deutschland müsste nach Angaben der IG Metall für die Umstellung auf „grünen Stahl“ ein Plan für die gesamte Stahlindustrie entwickelt werden und würde bis 2050 rund 30 Milliarden Euro kosten.

Die gegenwärtige privatwirtschaftliche Verfassung der Stahlindustrie ist zu einer solchen Umstellung nicht in der Lage.

Beispielsweise hat das größte deutsche Stahlunternehmen Thyssenkrupp Steel sein Eigenkapital nahezu vollends verfrühstückt und kommt aus den turbulenten Schlagzeilen nicht heraus. Der Konzern ist wirtschaftlich am Ende, eine Sanierung von innen ist kaum noch möglich. Angesichts einer beschlossenen milliardenschweren Staatshilfe ist die aktuelle Entwicklung brisant. Für den Aufbau einer Grünstahl-Produktion in Duisburg soll Thyssenkrupp rund zwei Milliarden Euro aus staatlichen Kassen erhalten. 1,3 Milliarden Euro davon vom Bund und bis zu 700 Millionen Euro vom Land NRW, die größte Einzelförderung in der Geschichte des Landes.

NRW-SPD kann sich eine Landesbeteiligung an der Stahlindustrie nur „vorstellen“

Schon vor zwei Jahren hatte die SPD-Landtagsfraktion bei einer Stahlkonferenz in Siegen ihr Fünf-Punkte-Programm, die „Stahlinitiative NRW“ vorgestellt, mit der die Stahlbranche im Land auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützt werden sollte.
In dem Programm wurde u. a. ein vom Land NRW organisierter Stahlgipfel gemeinsam mit den übrigen Ländern der Stahlallianz und den Tarifpartnern gefordert. Außerdem sollte ein Transformationsfonds in Höhe von 30 Milliarden Euro bei der NRW.Bank aufgelegt werden, mit dem aus Steuermitteln alle Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette sämtlicher Stahlrouten langfristig bei der Transformation finanzielle Unterstützung erhalten. Mit einer Quote für grünen Stahl bei öffentlichen Aufträgen des Landes NRW und den Kommunen wollte die Landes-SPD zur Förderung eines Leitmarktes für klimaneutralen Stahl beitragen.

Das Programm der NRW-SPD die „Stahlinitiative NRW“ im Einzelnen:

„Erstens: Wir fordern einen vom Land NRW organisierten Stahlgipfel gemeinsam mit den übrigen Ländern der Stahlallianz und den Tarifpartnern.

Zweitens: Wir können uns eine Landesbeteiligung vorstellen, um Stabilität und Perspektive in der Transformation der Stahlbranche zu geben.

Drittens: Wir benötigen einen Transformationsfonds von 30 Milliarden Euro bei der NRW.Bank für Unternehmen. So stellen wir sicher, dass große wie auch kleine und mittlere Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette aller Stahlrouten langfristige Unterstützung in der Transformation bekommen.

Viertens: Wir treten für eine Ausbildungsoffensive Stahl ein. Maßnahmen wie ,Gute Berufsschule 2030‘ und eine Ausweitung des Programms ‚Kein Abschluss ohne Anschluss‘ werden dazu beitragen, dem eklatanten Fachkräftemangel im Stahlbereich entgegenzuwirken. Teil dieser Offensive ist auch eine Ausbildungsgarantie. Wir müssen die jungen, klugen Köpfe wieder dazu bringen, in die Stahlindustrie zu kommen.

Fünftens: Wir fordern die Förderung eines Leitmarktes ´für klimaneutralen Stahl‘. Dazu soll unter anderem eine Quote für grünen Stahl bei öffentlichen Aufträgen des Landes NRW und der Kommunen beitragen.

Mit diesem Fünf-Punkte-Programm helfen wir der Stahlbranche in NRW auf dem Weg zu einer erfolgreichen Zukunft. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren, sondern müssen den Prozess jetzt angehen.“

Die SPD-Stahlkonferenz hält finanzielle Geschenke des Staates für die Unternehmen nicht nur für angebracht, sondern für selbstverständlich. Zu einer direkten Forderung nach Staatsbeteiligung, die die Eigentumsverhältnisse ändert, wollte sie sich nicht versteigen. Die Landes-Sozialdemokratie kann sich eine Landesbeteiligung an der Stahlindustrie nur „vorstellen“.

Staatsbeteiligung/Verstaatlichung

Im Rahmen der Globalisierung und damit der Zunahme der Konkurrenz auf dem Weltstahlmarkt gerieten die deutschen Stahlkonzerne schon in den 1980er Jahren so unter Druck, dass der Staat bei Klöckner, Salzgitter und den Stahlhütten im Saarland eingriff.

Im Dezember 1992 meldeten die Klöckner-Werke mit ihrer Tochter Klöckner Stahl AG Konkurs an. In einem hartnäckigen Kampf retteten die Beschäftigten die Klöckner-Hütte in Bremen, die geschlossen werden sollte. Die Bremer Stadtwerke beteiligten sich am Stammkapital mit 10 Prozent, auch stieg die Hanseatische Industrie-Beteiligungen GmbH des Landes Bremen ein, um das Stahlwerk zu retten. Heute heißt der monopolistische Eigentümer ArcelorMittal.

Peine-Salzgitter war schon lange ein staatlicher Stahlkonzern, als er 1998 an die Börse gebracht wurde. Die Landesregierung Niedersachsen und die Norddeutsche Landesbank hielten die Mehrheit der Aktien der Salzgitter AG. Das Land Niedersachsen besitzt heute noch 26,5 Prozent der Aktien, 10 Prozent gehören der Salzgitter AG und 11 Prozent drei verschiedenen Finanzunternehmen.

Bei der Thyssenkrupp AG übt das Land NRW politischen Einfluss aus. Der jeweilige Ministerpräsident hat Sitz und Stimme im Kuratorium des Mehrheitsaktionärs Krupp-Stiftung. Ende 2013 verlor die Stiftung ihre Sperrminorität durch eine Kapitalerhöhung.

Stiftungsmodell

Die Konstruktion der Stiftung als Anteilseigner hat im Saarland für eine Unternehmenspolitik gesorgt, die die erwirtschafteten Gewinne zum allergrößten Teil in den Unternehmen beließ, um die notwendigen Investitionen zu finanzieren. So konnten auch Stilllegungen und Massenentlassungen vermieden und eine langfristige Sicherung von Arbeitsplätzen in der Region gewährleistet werden. Hauptziel der Montan-Stiftung-Saar ist der Erhalt der saarländischen Stahlindustrie insgesamt.

Die Stiftung wird durch ein siebenköpfiges Kuratorium geleitet, das auch die Eigentümerfunktion für die beiden Unternehmen der saarländischen Stahlindustrie „Saarstahl“ und „Dillinger Hütte“ hat. Der Arcelor-Mittal-Konzern hat zwar noch eine Minderheitsbeteiligung an der Dillinger Hütte, er kann aber aufgrund der Stiftungskonstruktion die Unternehmenspolitik kaum noch bestimmen.

Obwohl so eine Stiftungslösung Vorteile gegenüber einer rein privatwirtschaftlichen Verfassung hat, weist sie auch erhebliche Defizite auf. Eine Stiftung selbst ist immer eine privatwirtschaftliche Stiftung aus den Unternehmen heraus. Das Land hat in diesem Fall keine Anteile und es gibt keine institutionalisierte Mitbestimmung der Beschäftigten, deren Rechte ergeben sich aus der Montanmitbestimmung und sind auf die paritätische Beteiligung im Aufsichtsrat und den Arbeitsdirektor begrenzt. Der Einfluss auf die Unternehmenspolitik ist eher gering, für mehr Gewicht müssten die Beschäftigten Eigentümerrechte haben. Dies würde aber zwingend eine institutionalisierte Beteiligung im Kuratorium erfordern.

Eine Stiftungslösung als Organisationsform für den notwendigen Transformationsprozess in der Stahlindustrie wäre eventuell eine Erfolg versprechende Möglichkeit, aber die Stiftungen müssten zumindest mit institutionell abgesicherter Beteiligung der Beschäftigten über Betriebsräte, Gewerkschaft und Beteiligung der öffentlichen Hand ausgestattet sein. Die bisherige Verfasstheit schließt jede Basisdemokratie und Entscheidungsmöglichkeiten der Beschäftigten aus.

Das Stiftungsmodell kann allenfalls im Fall einer Zahlungsunfähigkeit nur das allerletzte Mittel sein, um einen Konzern vor der Insolvenz und einen Großteil der Arbeitsplätze zu retten.

Überführung in Gemeineigentum – Ein Beispiel aus Argentinien

In Argentinien rollte in den 1990er Jahren eine große Schließungswelle von teilweise rentablen Unternehmen über die Köpfe der Beschäftigten hinweg. Viele der gut organisierten Arbeitskräfte, die auf die Straße gesetzt wurden, stellten sich den Betriebsschließungen entgegen.

Bei den ersten Besetzungen ging es darum, den eigenen Arbeitsplatz, wenn nötig, auch gewaltsam zu verteidigen. Den Besetzern standen die Polizei und privat finanzierte Schlägerbanden gegenüber.

Dann blockierten die Aktivisten Straßen, um Aufmerksamkeit und Hilfe für eine Weiterführung der Unternehmen zu erhalten. Zu diesem Zeitpunkt stand die Eigentumsfrage nicht so sehr im Vordergrund. Das änderte sich allerdings recht schnell, als die Beschäftigten versuchten die Schließungen selbst aufzuhalten und die Unternehmen dann als Belegschaftsgenossenschaften zu betreiben. Die früheren Forderungen nach Verstaatlichung der Betriebe wurden fallen gelassen und die instandgesetzten Unternehmen wurden selbstorganisiert und egalitär geführt.

Die erste Welle der Straßenblockierer bestand hauptsächlich aus ehemaligen Staatsangestellten, die ab etwa Mitte der 1990er auf den Verlust ihrer bisher sicher scheinenden Arbeitsplätze reagierten. Die zweite Welle ab Ende des Jahrzehnts kam schon zu großen Teilen aus dem dauerhaft verarmten Milieu, die gegen ihre schlechte Lebenssituation insgesamt protestierten. Diese beiden Wellen trafen im Dezember 2001 als Massenbewegung von Hunderttausenden mit der von Verarmung bedrohten und auf leere Kochtöpfe schlagenden Mittelklasse im Zentrum von Buenos Aires zusammen. Gemeinsam bildeten sie die auf fast jeder größeren Demonstration in Sprechchören beschworene Einheit der Arbeiter.

Die anhaltenden Massenproteste schafften es, innerhalb einer Woche mehrere Regierungen aus dem Amt zu jagen und sorgten schließlich dafür, dass wieder eine peronistische Regierung an die Macht kam, die zumindest vorgab, den neoliberalen Ausverkauf zu beenden und die tatsächlich eine Reihe sozialer Maßnahmen ergriff.

Trotz dieser Massenbewegung versuchten Staat und Kapital den Prozess der Betriebsbesetzungen notfalls mit allen Mitteln zu stoppen, bevor er richtig beginnen konnte. Sie sahen, dass sobald die Betriebe besetzt waren und die Übernahme in Aussicht stand, eine Räumung nur noch gegen die Öffentlichkeit durchzusetzen ist. Dies war schlicht unmöglich, da immer eine große Mehrheit der Menschen auf der Seite der Besetzer stand und heute noch steht, was alle Umfragen und Studien in den vergangenen 20 Jahren auch bestätigen.

Schnell war den Genossenschaftsmitgliedern klar, dass erst durch die Belegschaftskontrolle praktisch alle weiteren Entscheidungen über den Betrieb überhaupt so getroffen und durchgesetzt werden konnten und das formale Eigentum einer Genossenschaft am Betrieb für die praktische Durchsetzung nicht ausreichte, wenn die vormalige Entscheidungsstruktur nur leicht modifiziert fortbesteht. Einfach den Chef durch einen Präsidenten und das Management durch den Vorstand zu ersetzen reichte nicht aus, um den vielen Störfeuern des Staates, wie die offene und versteckte Repression, Bestechungsversuche und Erpressung, mit dem Ziel, den Betrieb wieder stärker unter Kontrolle zu bekommen, etwas entgegenzusetzen.

Um den Repressionen wirksam zu begegnen, haben die Besetzer in den letzten Jahren viel Wert auf die geplante, juristisch abgesicherte Nahtlos-Übergabe der Betriebe gelegt und konnten sich auch auf die eingespielten landesweiten Organisationen stützen. Andererseits waren die Betriebe bemüht, an staatliche Aufträge zu kommen, um aus der Abhängigkeit von Outsourcing/Subsourcing in den Zulieferketten der Großunternehmen zu entkommen. Aber selbst wo dies gelang, wurden die Betriebe von der Regierung unter Druck gesetzt und förmlich betrogen, um ihnen das Leben so schwer wie möglich zu machen.

Die Versammlungen, als ein wichtiger Kernpunkt der Bewegung, waren weit aus mehr als Treffen zum Austausch, sie sprachen auch die Menschen aus der Umgebung, andere Gewerkschaftsgruppen und Leute aus den Stadtverwaltungen und lokalen Parlamenten an und bekamen immer größere politische Macht. Es wurden auch Vorgesprächsrunden für die Vollversammlungen eingeführt, um Teile der Belegschaft, die im öffentlichen Diskutieren weniger geübt waren, an die Debatten und Entscheidungen über den eigenen Betrieb heranzuführen.

Eine der wichtigsten Erfahrung war die gegenseitige Unterstützung und Solidarität, die zunächst im Betrieb, über die Abteilungsgrenzen und Lohnniveaus hinweg, als auch später in die Umgebung hinein sichtbar wurden und dann in die anderen Betriebe, die sozialen Kämpfe und die politische Nachbarschaft hineinwirkten.

Ständig wurde das Modell der Übernahme weiterentwickelt, immer wieder flossen wichtige Modifikationen ein. Beständig wuchsen auch die staatlichen Repressionen und brachten dann noch mehr Menschen gegen die Staatsgewalt auf. Auch machten die Besetzungen viele soziale Kämpfe sichtbar, sodass die Staatsmacht nicht mehr einfach über die Menschen hinweg entscheiden konnte.

Die verteidigten oder zurück gewonnenen Arbeitsplätze waren kein vollständiger Ersatz für reguläre oder gar tariflich abgesicherte Beschäftigung. Versuche, die Regierung zu einer grundsätzlichen und wirksamen Änderung des Versicherungs- und Steuerstatus zu bewegen, waren genauso erfolglos wie die Kampagnen zu mehr als nur partieller rechtlicher Unterstützung der Betriebe insgesamt. Hinzu kam, dass die genossenschaftlichen Betriebe von allen Seiten boykottiert wurden, sie weder Kredite noch Subventionen bekamen, ständig, auch durch IWF-Auflagen, in der Existenz bedroht waren und eine Einkommensstruktur galt, die auf der sozial ohnehin kaum abgesicherten Kleinselbständigkeit der Genossenschaftsmitglieder basierte.

Trotz alledem sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten in Argentinien mehr als 300 Betriebe in die Hände von insgesamt etwa 20.000 Arbeitskräften übergegangen.

IG Metall und Vergesellschaftung der Stahlindustrie

Im Oktober 1983 erhob der Gewerkschaftstag der IG Metall per Ergänzungsantrag zur Entschließung Wirtschaftspolitik die Forderung nach Vergesellschaftung der Stahlindustrie. Obwohl die Antragskommission eine Ablehnung der Forderung empfohlen hatte, wurde sie fast einstimmig angenommen.

Das war nichts Neues, da in der Satzung der IG Metall die „Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum“ anzustreben ist.

Von der IG Metall ist die Überführung nie konkret verfolgt worden, es stellte sich immer nur die Frage, zu welchem Zeitpunkt bzw. unter welchen Bedingungen die Forderung nach Vergesellschaftung zu konkretisieren war. 1983 wurde die Forderung nach Vergesellschaftung von der IG Metall deshalb gestellt, weil sich damals die Bundesregierung allen stahlpolitischen Forderungen der Gewerkschaft verschlossen hatte und der Unmut der Beschäftigten in den Betrieben für die Gewerkschaftselite gefährlich wurde.

Daran müsste die Diskussion in den Gewerkschaften wieder anknüpfen.

Das erfordert die Öffnung für eine Zusammenarbeit der Gewerkschaften mit sozial- und umweltpolitischen Gruppen, den Fokus ihrer Arbeit nicht ausschließlich auf die Tarifpolitik zu legen und sich laut und deutlich in der Umweltpolitik zu artikulieren. So könnte auch die Transformation in der Stahlindustrie gelingen und dem Chaos bei Thyssenkrupp ein Ende bereiten.

 

 

 

 

 

Quellen: Daniel Kulla: Arbeitsplätze selber schaffen, WAZ, SPD NRW, IG Metall   

Bild: ig metall-nrw.de