Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte 2010 die prekäre Beschäftigung durch Leiharbeit etwas reglementiert. Die Unternehmen reagieren darauf mit dem Ausbau der Werkverträge. Dabei geht es um drastische Lohnkostensenkungen, bei der die Leistung, die bisher durch Stammbeschäftigte erbracht wurde, einfach von außen billiger eingekauft wird. Es handelt sich um Extraprofite, die unter dem unternehmerischen Modewort der Flexibilität in den Kassen klingeln.
In den nächsten Wochen will die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles ihren Gesetzentwurf für eine strengere Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen vorlegen. Einzelheiten dazu lässt sie derzeit noch nicht verlauten.
Die Fremdvergabe zentraler Funktionen der Wertschöpfung, etwa im Bereich Entwicklung und Wartung, ist im Fahrzeugbau schon die Regel. Hier werden 50 Prozent des Marktvolumens für die Entwicklung bereits von Dienstleistern erbracht.
Es ist eine immer wieder erzählte Legende, dass es sich bei Werk- und Dienstleistungsverträgen um eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen Autoherstellern und spezialisierten Firmen gehe. Konkret wurden in der deutschen Autobranche über 150 000 Arbeitsplätze im Bereich Industrielogistik, Entwicklungsdienstleistung und Industrieservice ausgelagert und fremdvergeben.
Die Leidtragenden sind die betroffenen Mitarbeiter weil sie weniger Lohn, Urlaub und eine schlechtere Altersversorgung erhalten als Tarifbeschäftigte.
Zum erneuten Boom der Werkverträge in den vergangenen Jahren ist es auch deshalb gekommen, weil bei der Leiharbeit einige Regulierungen durchgesetzt wurden. Trotzdem sitzen noch tausende Beschäftigte seit über 10 Jahren in der Leiharbeit fest, ohne dass die versprochene Festanstellung realisiert wurde. Die Unternehmen nutzen nun vermehrt die Werkverträge, bei denen durch Subunternehmer betriebliche Aufgaben in eigener Verantwortung erledigt werden. War es im vergangenen Jahr erst jedes dritte Unternehmen, in dem Werkverträge regelmäßig zum Einsatz kommen, sind es 2015 schon 46 Prozent aller Unternehmen, in denen Werkverträge genutzt werden, mit schnell steigernder Tendenz.
Werkverträge sind keine Erfindung unserer Zeit. Seit dem Inkrafttreten am 1. Januar 1900 sind die in den §§ 631 ff. geregelten Werkverträge fester Bestandteil des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB): „Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein.“
Bei einem Werkvertrag nach den §§ 631 ff. BGB handelt es sich also um einen gegenseitigen Vertrag, in dem sich ein Unternehmer i.S.d. § 14 BGB zur Herstellung eines versprochenen Werkes und der Besteller (d.h. der Auftraggeber) zur Entrichtung einer Vergütung verpflichten.
In der Praxis wurden Werkverträge immer zur Lohnkostensenkung eingesetzt.
Nach dem Anwerbestopp ausländischer Arbeiternehmer 1973 wurden Werkverträge genutzt, um dem Anwerbestopp zu entgehen und ausländische Arbeitskräfte kurzzeitig entsenden zu können. Mit Hilfe eines Werkvertrages mit einem ausländischen Vertragspartner konnten die deutschen Unternehmen vom Gefälle zwischen bundesdeutschen Tariflöhnen und den geringeren Löhnen profitieren, die ein ausländischer Werkvertragsunternehmer den von ihm angeheuerten Arbeitskräften zahlte. Außerdem wurde der deutschen Wirtschaft auf diese Weise ein „zeitlich befristeter und flexibler Zugriff auf ausländisches Arbeitskräftepotential“ ermöglicht.
Werkverträge wurden auch genutzt für die staatlichen Bemühungen zur „Rückführung“ ausländischer Arbeitskräfte ab 1981. Da für die ausländischen Werkvertragsarbeiter weder die inländischen Tarife noch die Standards des deutschen Arbeits- und Sozialrechts galten, sondern die Standards in den Herkunftsländern, etablierte sich diese Lohnform als das Nebeneinander unterschiedlicher Arbeits- und Sozialstandards in einem Betrieb. Auch wurde sie als Puffer eingesetzt, so reduzierte sich auch die Zahl von Werkvertragsarbeitnehmern aus dem nicht der EU angehörenden Ausland zwischen 1981 und 1985 von 26.300 auf 8.830 Beschäftigte. Als dann die Konjunktur wieder anzog, erhöhte sich die Zahl der Werkvertragsarbeitnehmer bis 1988 wieder auf knapp 14.500.
Anfang der 1990er Jahre boomte die Baubranche und wieder stellten die Werkvertragsarbeitnehmer den Nachschub kostengünstiger Arbeitskräfte sicher.
Als es auf dem Bau bergab ging und es immer mehr Erwerbslose im Bausektor gab, wurden nun die Werkvertragsabkommen öffentlich problematisiert.
Auch von den Gewerkschaften wurde die illegale Praxis der Arbeitnehmerüberlassung durch Scheinwerkverträge, aber auch systematische Verletzungen geltender Tarifstandards durch echte Werkverträge heftig kritisiert.
Erst daraufhin verschärfte die Bundesregierung das Verfahren zur Genehmigung von Werkverträgen die Kontrollen und entsprechende Sanktionen.
Die sogenannten Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Bundesregierung machten Anfang des Jahrtausends den Einsatz von Leiharbeitskräften für einige Jahre zum bevorzugten Instrument der Lohnkostenreduzierung. Die Werkverträge, die bis dahin diese Funktion erfüllt hatte, gerieten etwas in den Hintergrund, blieben aber stabil auf niedrigem Niveau.
Schon 2004 kamen im Rahmen der EU-Osterweiterung die zehn neuen Beitrittsländer in den Geltungsbereich der Dienstleistungsfreiheit. Nun eröffnete sich auch den Branchen außerhalb des Bausektors die Möglichkeit, die unterschiedliche Höhe der Löhne in den einzelnen Mitgliedsstaaten durch die Vergabe von Werkverträgen auszunutzen. Die Beschäftigten mit Werkverträgen arbeiteten vor allem in Schlachthöfen und der Gastronomie.
Zu diesem Zeitpunkt kam hinzu, dass vor allem große und mittlere Unternehmen im Rahmen des Outsourcings auch immer mehr Werkverträge einführten, um die Arbeit in der Gebäudereinigung, in der Überwachung, Kantinen, Fuhrparks, Lagern und Callcentern von untertariflich arbeitenden Fremdfirmen ausführen zu lassen. Es entstanden immer mehr „gelbe Gewerkschaften“ die allerhand Sachen mit den Unternehmen aushandelten, in deren Sinne natürlich.
Im Dezember 2010 erklärte das Bundesarbeitsgericht alle von der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen (CGZP) seit 2003 ausgehandelten Tarifverträge im Rahmen von Arbeitnehmerüberlassung für ungültig und gab den Leiharbeitern die Möglichkeit, nachträglich gleichen Lohn für gleiche Arbeit einzuklagen.
Damit wurden nun die Werkverträge für die Unternehmen wieder interessanter. Auch weil bei dem Abschluss der Werkverträge regelmäßig der Betriebsrat bei Mitbestimmungsrechten umgangen wurde und dass Werkverträge nicht mehr nur eine Angelegenheit der benachteiligten Beschäftigtengruppen waren, sondern auch auf die Kernbereiche der industriellen Produktion übertragen wurden, die bis dahin noch als gut geschützte Hochlohnbereiche galten.
In der Vergangenheit sind Werkverträge in vielen Unternehmen und Branchen zum Zwecke der Lohnkostensenkung missbraucht worden. Dadurch haben sich auch die Spaltungslinien innerhalb von Belegschaften vertieft. Die Stammbelegschaften sind verkleinert worden, an ihrer Seite arbeiten nun Leiharbeiter, Werkvertragsbeschäftigte und Leiharbeiter von Werkvertragsunternehmen. In der Regel üben sie die gleichen Tätigkeiten aus, aber bei unterschiedlicher Bezahlung und Absicherung.
In den nächsten Wochen will die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles ihren Gesetzentwurf für eine strengere Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen vorlegen. Einen Kabinettsbeschluss erwartet sie noch vor Jahresende. Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD schon vereinbart, dass die Überlassungsdauer für Leiharbeiter auf 18 Monate begrenzt wird. Nach neun Monaten sollen sie zudem mit Stammbelegschaften beim Entgelt gleichgestellt werden. Bei Werkverträgen sollen Betriebsräte erstmals ein Informationsrecht bekommen.
Was jedoch genau in dem Entwurf des Arbeitsministeriums stehen wird, ist zurzeit noch unbekannt.
Quelle: IGM, Arbeitnehmerkammer Bremen,DGB
Bild: aachener zeitung.de