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Tönnies und die doppelt vergessenen Unsichtbaren an den Fließbändern der Fleischindustrie

Von Stefan Sell

Was war das vor kurzem für eine Aufregung in den Medien, als bekannt wurde, dass mehr als 1.500 überwiegend osteuropäische Werkvertragsarbeitnehmer des Fleischbarons Tönnies mit Covid-19 infiziert sind. Tagelang beherrschte das und das dahinter stehende System der Auspressung die Schlagzeilen und der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) konnte sogar innerhalb der Koalition die „Gunst der Stunde“ nutzen, um ein Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in den Kernbereichen der Fleischindustrie anzukündigen und auf den gesetzgeberischen Erarbeitungsweg zu geben.

Eine besondere Unterstützung hat er dabei durch den Tatbestand bekommen, dass nicht „nur“ die bislang unsichtbaren osteuropäischen Arbeitskräfte massiv betroffen waren und sind von Covid-19, sondern die „Kollateralschäden“ für die Region und die dort lebenden Bürger inklusive eines regionalen Lockdowns haben Wut und Empörung und Ängste an die Oberfläche gespült, dass die „einheimische“ Bevölkerung zu Geiseln des Systems werden. Und die Zahl der erschütternden Berichte von Bewohnern der Region, die nicht mehr ihren Sommerurlaub antreten konnten oder sogar zurückgeschickt wurden aus den Urlaubsdestinationen, bekam einen ganz erheblichen Umfang – während gleichzeitig nach der Stilllegung des Schlachthofs in Rheda-Wiedenbrück die Berichterstattung über die Frage, wie es eigentlich den vielen betroffenen Fleischarbeitern geht, zu einem Rinnsal geworden ist, wenn überhaupt. Tönnies und die doppelt vergessenen Unsichtbaren an den Fließbändern der Fleischindustrie weiterlesen

Werkverträge als Hebel: in der Woche gilt das Betriebsverfassungsgesetz, am Wochenende gilt es für Werkvertragsbeschäftigte nicht

Zoonarwww.BilderBox.com Gerichtshamme4rMit der IG Metall im Rücken, hat sich die Dura-Belegschaft im sauerländischen Plettenberg mit dem US-Unternehmen Dura, das zum Firmenimperium der New Yorker Investorin Lynn Tilton gehört, angelegt.

Mit den entsprechenden Anwälten ausgestattet, ließ es das US-Unternehmen auf einen Machtkampf ankommen und hat vorläufig Erfolg.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm hat eine Beschwerde des Betriebsrats gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Iserlohn erneut verhandelt und die Beschwerde zurückgewiesen.

Nach dem Beschluss stehen dem Betriebsrat keine Beteiligungsrechte zur Seite, um den Einsatz von portugiesischen Arbeitnehmern am Wochenende zu verhindern. Insbesondere bedarf es seiner Zustimmung nicht. Der Betriebsrat sei nur zuständig für den Regelbetrieb, der den Einsatz der Arbeitnehmer in der Woche umfasst. Wenn der Betrieb im Rahmen seiner unternehmerischen Entscheidung, die Betriebsanlagen am Wochenende durch Mitarbeit einer Konzerntochter auf Werksvertragsbasis nutzen lasse, würde ein neuer Betrieb mit anderen Arbeitnehmern entstehen, für die der gewählte Betriebsrat nicht zuständig sei und das Ganze würde auch keine Betriebsänderung darstellen.

Im Folgenden wird der ganze Werkvertragswahnsinn mit seinen doppelten Standards im Arbeitsrecht, der Entlohnung und bei den Arbeitszeiten deutlich und zeigt die Aushebelung der sowieso schon einschränkten Mitbestimmung von Betriebsräten auf. Werkverträge als Hebel: in der Woche gilt das Betriebsverfassungsgesetz, am Wochenende gilt es für Werkvertragsbeschäftigte nicht weiterlesen

Werkverträge zur Regulierung des Arbeitsmarktes gab es schon immer – schon immer dienten sie der Lohnkostensenkung

imageDas Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte 2010 die prekäre Beschäftigung durch Leiharbeit etwas reglementiert. Die Unternehmen reagieren darauf mit dem Ausbau der Werkverträge. Dabei geht es um drastische Lohnkostensenkungen, bei der die Leistung, die bisher durch Stammbeschäftigte erbracht wurde, einfach von außen billiger eingekauft wird. Es handelt sich um Extraprofite, die unter dem unternehmerischen Modewort der Flexibilität in den Kassen klingeln.
In den nächsten Wochen will die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles ihren Gesetzentwurf für eine strengere Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen vorlegen. Einzelheiten dazu lässt sie derzeit noch nicht verlauten.
Die Fremdvergabe zentraler Funktionen der Wertschöpfung, etwa im Bereich Entwicklung und Wartung, ist im Fahrzeugbau schon die Regel. Hier werden 50 Prozent des Marktvolumens für die Entwicklung bereits von Dienstleistern erbracht.
Es ist eine immer wieder erzählte Legende, dass es sich bei Werk- und Dienstleistungsverträgen um eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen Autoherstellern und spezialisierten Firmen gehe. Konkret wurden in der deutschen Autobranche über 150 000 Arbeitsplätze im Bereich Industrielogistik, Entwicklungsdienstleistung und Industrieservice ausgelagert und fremdvergeben.
Die Leidtragenden sind die betroffenen Mitarbeiter weil sie weniger Lohn, Urlaub und eine schlechtere Altersversorgung erhalten als Tarifbeschäftigte. Werkverträge zur Regulierung des Arbeitsmarktes gab es schon immer – schon immer dienten sie der Lohnkostensenkung weiterlesen

Neues von den „Christlichen“ Gewerkschaften

Das richterliche Aus für die Dumping-Gewerkschaft CGZP, die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen hat der Leiharbeitsbranche nicht geschadet. So nimmt die  Zahl der Leiharbeiter wieder zu. Zusätzlich breitet sich schon ein neues Sparmodell der Arbeitgeber aus: Die Werkverträge.       Neues von den „Christlichen“ Gewerkschaften weiterlesen