Das Ende einer konstruktiven Arbeitsmarktdiskussion in Dortmund ist erreicht – für die langzeitarbeitslosen Menschen gibt es keinen Weg zum ersten Arbeitsmarkt

IG-Metall-Neuordnung-fuer-den-Arbeitsmarkt-26449_image_width_560Man kann zu Recht behaupten, dass die kommunale Arbeitsmarktstrategie 2015, die vor 4 Jahren so euphorisch gestartet war, offensichtlich gescheitert ist.

Aber alle Akteure am Arbeitsmarkt wollen so weitermachen wie bisher: während die FDP/Bürgerliste mehr Geld zugunsten der Wirtschaftsförderung fordert d.h. für die Unternehmen noch mehr umschichten möchte, verteidigt die SPD, wie auch die Grünen, die kommunale Arbeitsmarktstrategie 2015. Die Linke fordert einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor und steht noch allein da.

Unstimmigkeiten gibt es auch in der Arbeitsverwaltung: die Agentur für Arbeit ist in Verbund mit den Wirtschaftsvertretern für weniger öffentliche Beschäftigung, das Jobcenter sieht sich praxisbezogen als Subventionsagentur für Arbeitsplätze.

Der NRW Arbeitsminister sieht alles mit rosaroter Brille und meint, die öffentlichen Gelder werden gut genutzt und sind gut eingesetzt für den Sprung der Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt. Die Einzelgewerkschaften und der DGB in Dortmund bleiben in dieser Frage auch ganz blass und sind beim Durchwinken von irgendwelchen Maßnahmen immer vorne weg.

Von der erstmals durchgeführten Arbeitsmarktkonferenz geht auch das Signal aus: weiter so. Jetzt, da die kommunale Arbeitsmarktstrategie 2015 klammheimlich in der Versenkung verschwunden und der Sprung der Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt nicht geschafft ist, ist es verdächtig ruhig geworden.

Es ist ein Skandal, dass über die Jahre so viele Mittel eingesetzt wurden, ohne eine vernünftige Wirkung zu erzielen.

Im November 2014 waren im Schnitt 31 180 Menschen erwerbslos, davon 21 076 Langzeitarbeitslose, seit 2007 der höchste Stand. Frau Neese von der Arbeitsagentur stellt laut WAZ fest, „dass trotz intensiver Arbeit und Nutzung aller Projekte und Programmansätze bei den Langzeitarbeitslosen kein entschiedener Durchbruch zu verzeichnen ist.“

Höchste Zeit also, einmal genauer hinzuschauen, denn da kann ja etwas nicht stimmen, wenn alle das System loben und es dennoch nicht funktioniert.

Arbeitsmarktkonferenz in Dortmund

Am Montag, dem 15.12.2014 fand die Dortmunder Arbeitsmarktkonferenz statt. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Stadt Dortmund/Wirtschaftsförderung gemeinsam mit dem örtlichen Jobcenter und der Agentur für Arbeit.

Inhaltlich wollte man sich mit Hilfe von Fachleuten aus Unternehmen, Kommunen und Arbeitsmarktforschung mit der zentralen Frage der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit als eine besondere Herausforderung für die Stadt und für den Arbeitsmarkt beschäftigen und dabei neue Ideen und Lösungskonzepte diskutieren. Rund 170 Fachbesucher kamen dann auch.

Betroffene Menschen, ohne bezahlte Beschäftigung, wurden nicht gesichtet, sie wurden auch von niemandem vertreten.

Herausgekommen ist aber dabei eigentlich gar nichts. Oder doch?

Zumindest dient so eine Veranstaltung der Erhaltung der eigenen Institution, der in der Dortmunder Arbeitsmarktkonferenz zusammen geschlossen Organisationen und sie können das gegenseitige Geben und Nehmen aus den Fördertöpfen legitimieren und weiterhin beibehalten.

Die Vorträge der Fachleute enthielten inhaltlich keine Neuigkeiten. Aber neue Begriffe wurden in den Raum gestellt. Es wurde von der „stillen Revolution“ gesprochen die die „laute Revolution“ der Hartz IV Gesetze abgelöst habe und dass der Arbeitsmarkt sich „prozessorientierter“ und „dezentraler“ entwickelt habe. Methodisch gesehen, sollte erst die richtige Diagnose gestellt werden und dann eine darauf abgestellte Therapie zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit. Da war man schon begrifflich im medizinischen/therapeutischen Bereich.

Die Ursachen der Langzeitarbeitslosigkeit waren dann doch letztendlich bei den defizitären Erwerbslosen selbst zu suchen: sie müssten nicht mehr so sehr fachlich qualifiziert werden, sondern eher seien die individuellen Qualitäten, wie die sozialen und personalen Kompetenzen bei der Rückkehr auf den ersten Arbeitsmarkt erforderlich.

Auch wurde das abgenutzte Rezept „Bildung“ hervorgekramt, das wohl die Langzeitarbeitslosigkeit verhindert soll.

Ein öffentlich geförderter Arbeitsmarkt wurde von den Wirtschaftsvertretern abgelehnt, die öffentliche Förderung der Arbeitsplätze bei ihnen selbst und die öffentliche Aufstockung der Geringverdiener aber begrüßt.

Entsprechend der Zusammensetzung der Arbeitsmarktkonferenz, wurden als favorisierte Maßnahme die Stärkung von Bildung und die Ausweitung von Qualifizierung und Betreuung der Langzeitarbeitslosen gewertet.

Auch gab es etwas Klamauk und Wünsch-Dir-Was: Bei einer elektronischen Abstimmung konnten die Konferenzteilnehmer von 8 Möglichkeiten, die 3 erfolgreichsten Maßnahmen zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit auswählen. Weiter konnten die Fachbesucher ihr Votum auf die Frage: Kann es aus Ihrer Sicht gelingen, die Langzeitarbeitslosigkeit in den nächsten fünf Jahren spürbar zu reduzieren, abgeben. Die Antwort auf die Glaubensfrage war ausgewogen, das Ergebnis war fifty fifty, die eine Hälfte glaubt daran, die andere nicht.

Es soll der Eindruck erweckt werden, dass der erste Arbeitsmarkt es schon schaffen wird, dass man an einigen Stellschrauben drehen muss und schon wird alles gut.

Bei der Dortmunder Arbeitsmarktkonferenz gab es also viel Kaffesatzlesen. Die langzeitarbeitslosen Menschen wurden als förderungswürdige Individuen stigmatisieren, aber dass einfach ein massiver Mangel an Arbeitsplätzen in Dortmund besteht, wurde nicht erwähnt.

Die Dortmunder Arbeitsmarktkonferenz ist ein Zusammenschluss von

– Arbeitsamt Dortmund,

– Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände c/o Der PARITÄTische,

– Arbeitsgemeinschaft sozial-gewerblicher Beschäftigungsinitiativen und alternativ-ökonomischer Betriebe,

– Dortmunder Weiterbildungsforum e. V.,

– Deutscher Gewerkschaftsbund – Kreis Östliches Ruhrgebiet,

– Handwerkskammer Dortmund,

– Industrie- und Handelskammer zu Dortmund,

– Katholisches Stadtbüro,

– Kreishandwerkerschaft Dortmund und Lünen,

– Regionalstelle Frau und Wirtschaft,

– Stadt Dortmund – Sozialamt,

– Transferstelle der Fachhochschule Dortmund,

– Universität Dortmund,

– Unternehmensverband der Metallindustrie für Dortmund und Umgebung e. V. für den Arbeitskreis der Dortmunder Wirtschaftsverbände

und

der Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung Dortmund.

Also fast alles Institutionen, die aus den Europäischen Sozialfonds-Mitteln, den Bundes- und Landesmitteln, den kommunalen Zuwendungen und den Jobcenter/Agenturmitteln Honig saugen bzw. diese Mittel weitergeben.

Als ihre Aufgaben zählt die Dortmunder Arbeitsmarktkonferenz auf, dass sie die Schwerpunkte für die Qualifizierungs-, Modernisierungs- und Beschäftigungsförderung festsetzt, vorgelegte Projektanträge bewertet und priorisiert und die Wirksamkeit der Förderpolitik überprüft.

Für die Erwerbslosen selbst bietet sie in „Kooperation mit Dritten Qualifizierungsprojekte für besondere Zielgruppen des Arbeitsmarktes wie Langzeitarbeitslose, Jugendliche, Migranten/innen oder Sozialhilfeempfänger/innen an. Weiterhin die Qualifizierung von Berufsrückkehrerinnen, Unterstützung von Existenzgründungen und neuen Arbeitsplätzen durch Existenzgründungshilfen und Lohnkostenzuschüsse an. Außerdem noch die Vermittlungsinitiativen für arbeitslose Jugendliche: Jugend in Arbeit“

Die Geschäftsführung der Dortmunder Arbeitsmarktkonferenz liegt bei dem Regionalsekretariat, das der Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung angesiedelt ist.

Die Förderlandschaft

In den vergangenen Jahren wurden ganze Förderketten geschmiedet und Unsummen in Aktivitäten wie z.B.

  • Arbeitsgelegenheiten (AGH),
  • Bürgerarbeit
  • Jobperspektiven
  • DOGELA
  • besondere Förderung von Schwerbehinderten und Rehabilitanden und Ältere, Migranten,
  • Förderung der beruflichen Weiterbildung (FdW),
  • Minijobprojekt
  • die finanzielle Beteiligung an Integrationsbetrieben gesteckt

und die finanzielle Beteiligung an Integrationsbetrieben gesteckt.

Für die Arbeitgeber/Maßnahmeträger sind besonders attraktiv die Programme wie z.B.

  • Öffentlich geförderte Beschäftigung (ÖGB – Lohnkostenzuschuss von bis zu 75 Prozent für maximal 24 Monate)
  • Förderung von Arbeitsverhältnissen (FAV – Zuschuss zwischen 50 -75 Prozent des Arbeitsentgeltes, bei schwerbehinderten Menschen bis 100 Prozent, Dauer 12 Monate, Verlängerung möglich)
  • Eingliederungszuschüsse (EGZ – hier kann der monatliche Zuschuss für den Arbeitgeber bis zu 50 Prozent des Entgelts betragen und bis zu 12 Monaten gezahlt werden)
  • Einstiegsgeld (ESG – 75 Prozent des Regelsatzes nach § 20 SGB II mindestens 15 Wochenstunden sozialversicherungspflichte Beschäftigung max. 6 Monate)

und

Maßnahmen bei einem Arbeitgeber (MAG – Übernahme der angemessenen Kosten für die Teilnahme und Weiterleistung von Arbeitslosengeld).

Trotz diesem hohen Einsatz ist die Langzeitarbeitslosigkeit in Dortmund in den letzten 5 Jahren um 2.000 Personen angestiegen.

Vielleicht hat diese Entwicklung auch etwas damit zu tun, wie es in der Praxis abläuft. Da kommt der Verdacht auf, dass viele Langzeitarbeitslose systematisch vom ersten Arbeitsmarkt ferngehalten werden.

Beispiele für die Auswüchse der Förderungspraxis

  • Es gibt Menschen in Dortmund, die seit Jahren immer noch unter besonderen „Vermittlungshemmnissen“ leiden. Sie haben seit 7 oder 8 Jahren immer die gleiche Beschäftigung beim gleichen Maßnahme- bzw. Anstellungsträger inne. Sie haben auch alle Programme durchlaufen, wie z.B. die AGH/1Euro-Jobs, über AGH-Entgeltvariante, DOGELA und Jobperspektive und sind nun in der Öffentlich Geförderten Beschäftigung z.B. (FAV) gelandet. Flankiert wurden sie über den § 16 SGB 2 entschuldet. Vom ersten Arbeitsmarkt werden sie immer noch strikt ferngehalten, auch weil sie für die Maßnahmeträger gut eingearbeitete, vollwertige Arbeitnehmer sind.
  • Der Einsatz der „Programmkräfte“ hat dazu geführt, dass der Maßnahme- bzw. Anstellungsträger Dienstleistungen für sich selbst nicht mehr bei Fremdfirmen mit tarifgerechten Entgelt einkaufen muss, sondern z.B. die Reinigungen und hauswirtschaftlichen Tätigkeiten durch die „Programmkräfte“ erledigen lässt.
  • Diese Menschen werden dann noch in privaten Haushalten eingesetzt, die dann für eine Stunde Reinigungsarbeit 17,00 Euro zuzüglich Fahrtkosten, wie bei der AWO üblich, an den Maßnahme- bzw. Anstellungsträger zahlen müssen.
  • Bei einigen Maßnahmen werden monatlich pro Teilnehmer bis zu 500 Euro „Regiekosten“ an die Maßnahme- bzw. Anstellungsträger gezahlt. Wer dann diese Summe pro Träger und Teilnehmer zusammenrechnet und dann noch schaut wie viele „Regisseure“ in Wirklichkeit tätig sind, sieht, wie lukrative diese Förderketten sind.
  • Da wundert es nicht, dass es, wie in anderen Städten schon geschehen, es den Beschäftigten der Arbeitsverwaltung in den Fingern juckt, selbst Maßnahmeträger zu werden und ihre Kontakte und ihr know how nutzen können.
  • Wenn die Zusätzlichkeit nach den etwas verschärften Kriterien nicht gegeben ist, müssen „Projektbezüge“ hergestellt werden.
  • Dann kann auch z.B. eine „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ für alle Gewerbe, die im Aktionsraum liegen, vom Einzelhandelsverband bereitgestellt und der Arbeitsverwaltung vorgelegt werden.
  • In Läden mit Warenverkauf wird eine Erklärung abgegeben, dass nur an Bedürftige verkauft oder für eine Zeit lang  Waren nicht mehr verkauft, sondern gegen eine Spende ausgegeben werden .
  • Wenn einige geförderte Maßnahmen nicht anlaufen, kann man immer noch auf die Förderung von Arbeitsverhältnissen (FAV) umschalten (Förderung durchschnittlich 65 Prozent).
  • Wenn es eng wird und alles nicht mehr gegenüber der Arbeitsverwaltung beeinflussbar ist, kann die Rettung dann die Umwandlung des Ganzen in einen Integrationsbetrieb sein. Dass dieser Tipp nicht immer gut ist, wurde deutlich, als am 01.08.2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Diakonischen Integrationsbetriebe Dortmund-Bochum-Lünen gGmbH eröffnet (AZ: 255 IN 45/14). 34 Menschen, davon über die Hälfte mit Beeinträchtigungen, die in den „CAP-Märkten“ gearbeitet hatten, mussten entlassen werden. Die Folge von Missmanagement und vor allem mangelhafter Kontrolle der eigenen Aufsichtsgremien und öffentlicher Mittelgeber.
  • Einer jungen Frau wurde zur Arbeitsaufnahme noch kurz vor ihrem Insolvenzverfahren ein Kredit für die Anschaffung eines KFZ durch das Jobcenter gewährt, der Arbeitsplatz selbst wurde mit 75 Prozent Lohnkostenzuschuss gesponsert und der Arbeitgeber bestand frech auf das KFZ, weil die Frau als Vertreterin für Medizintechnik Arztpraxen anfahren musste – so etwas geben die Richtlinien für die freie Förderung her. Das Arbeitsverhältnis wurde nach 3 ½ Monaten beendet.

Wen wundert es da, dass niemand so recht etwas an der bisherigen Förderpraxis ändern möchte und froh ist, dass diese Beschäftigten nicht auf den ersten Arbeitsmarkt abwandern können, da dort schlicht die Arbeitsplätze fehlen.

„Koop-kurenz“

Damit alles so weiter gehen kann, haben sich die Maßnahme- und Anstellungsträger zusammengeschlossen. Der größte Zusammenschluss ist derzeit die Interessensgemeinschaft sozialgewerblicher Beschäftigungsinitiativen e.V. (ISB). Die Mitglieder der Gemeinschaft haben vereinbart, dass sie sich der „Koop-kurrenz“, (bezeichnet die Dualität von Konkurrenz und Kooperation auf Märkten) in einer für alle Mitgliedsorganisationen zufriedenstellenden Weise widmen und sich schon in der Planungsphase bei neuen Maßnahmen der Arbeitsverwaltung abstimmen.

Ein recht geschlossenes System also auf der Fördermittelnehmerseite.

Am Beispiel der Bürgerarbeit wird der Einfluss der Programmarbeit auf die Zerstückelung des Arbeitsmarkts deutlich und zeigt, dass es innerhalb des gleichen Programms noch erhebliche Unterschiede gibt:

Bürgerarbeit war ein Modellprojekt des Bundesarbeitsministeriums zur Integration von Langzeitarbeitslosen. Im Januar 2011 wurden bundesweit 34 000 Bürgerarbeitsplätze eingerichtet, in NRW 4 100. Aus dem Bundesetat wurden hierfür jährlich 230 Millionen Euro gezahlt, aus dem Europäischen Sozialfonds 200 Millionen Euro. Bürgerarbeitsplätze sind sozialversicherungspflichtig, in die Arbeitslosenversicherung wird aber nicht eingezahlt. Ab 2011 wurden in Dortmund 450 Bürgerarbeitsplätze mit einer Laufzeit bis Ende 2014 eingerichtet, so viele Plätze hatte keine andere Stadt in NRW bekommen. 2012 kamen noch einmal 68 Plätze hinzu. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) fand keine Anwendung bei Beschäftigten, da sie angeblich die Arbeiten nach den §§ 260ff SGB III verrichten. Nach Ansicht der Stadt Dortmund gilt die sogenannte „Öffnungsklausel“ auch für Beschäftigungsverhältnisse im Rahmen des Modellprojekts „Bürgerarbeit“. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di war immer schon der Ansicht, dass auf Arbeitsverträge im Rahmen der Bürgerarbeit der TVöD anzuwenden ist, da weder von einer Eingliederungsmaßnahme nach §§ 217 ff. SGB III noch von einer „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme“ nach §§ 260 ff. SGB III auszugehen war.

Alle Bürgerarbeiterinnen und Bürgerarbeiter, die Arbeitsverträge bei der Stadt Dortmund abgeschlossen hatten, erhielten analog der Entgeltgruppe 1, Stufe 2 TVöD, monatlich ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1.114,45 €. Bürgerarbeiterinnen und Bürgerarbeiter, die bei externen Kooperationspartnern Arbeitsverträge abgeschlossen hatten, wurden entsprechend dort bestehender tariflicher Regelungen entlohnt. Sofern die Kooperationspartner nicht tarifgebunden sind, richtete sich das Arbeitsentgelt nach ortsüblicher Bezahlung oder die Bürgerarbeiterinnen und Bürgerarbeiter wurden analog zu der Entgeltgruppe 1, Stufe 2 TVöD, entlohnt. Bei den externen Kooperationspartnern erhielten sie folgendes Brutto-Entgelt:

  • Servicedienstleistungen in Bussen und Bahnen bei der DSW 21 monatlich 1.251,58 €
  • Servicekräfte in Kitas beim DPWV monatlich 1.244,19 €
  • Service- und Präsenzdienst bei der GFA im Innendienst monatlich 1.145,72 €, im Streifendienst monatlich 1.015,82 €
  • Umfeldmanager outdoor/indoor bei der European Homcare GmbH monatlich  1.114,45 €
  • Servicekräfte in Kitas bei der AWO monatlich 1.097,23 €
  • Servicekräfte bei der Dortmunder Tafel monatlich 1.080,- €
  • Servicekräfte in Kitas beim DRK monatlich 1.066,73 €
  • Servicekräfte in Kitas beim Diakonischen Werk monatlich 990,19 €.

Das Arbeitsgericht Dortmund machte dem ein Ende

Durch das Dortmunder Arbeitsgericht wurde im Nachhinein klar gestellt, dass bei der Bürgerarbeit der Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD/VKA) Anwendung finden muss, d.h. er fand bis zum Urteil also keine Anwendung.

Unter dem Aktenzeichen 6 Ca 226/14 hat das Arbeitsgericht in Dortmund am 28.08.2014 über zwei Klagen von früheren Beschäftigten im Rahmen der Bürgerarbeit gegen die Stadt Dortmund als ihren früheren Anstellungsträger entschieden:

„1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung im Arbeitsvertrag vom 07.04.2011 nicht mit Ablauf des 31.03.2014 beendet worden ist.

  1. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Entfristungsklage zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.
  2. Es wird festgestellt, dass der TVöD (VKA) auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet.
  3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.823,16 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.03.2014 zu zahlen.
  4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.431,36 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2013 zu zahlen.
  5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.036,08 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus 483,41 € seit dem 16.04.2014 und aus 552,64 € seit dem 01.04.2014 zu zahlen.
  6. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
  7. Der Streitwert wird auf 16.293,14 € festgesetzt“.

Die Stadt Dortmund muss somit einen ehemaligen Beschäftigten im Rahmen der Bürgerarbeit nach dem Ablauf seiner dreijährigen Befristung weiterbeschäftigen. Die Richter waren der Meinung, dass die Tätigkeiten der Beschäftigten bei der Bürgerarbeit nicht nur Zusatzdienste waren, die nach dem Auslaufen der Maßnahme einfach wieder entfallen können. Auch deshalb, da die Bürgerarbeit auf zwei Grundgedanken stehen würde: Einmal muss die Tätigkeit sinnvoll und zweckdienlich sein, zum anderen darf sie keine regulären städtischen Arbeitsplätze verdrängen.

Im Fall eines Schulhausmeisters (Servicedienstleistung an Schulen) entschied das Arbeitsgericht, dass seine Tätigkeiten als Daueraufgaben das Funktionieren der Schule erst gewährleisten und nur in geringem Maß zusätzliche Arbeiten beinhalten.

Im zweiten Fall, in dem der Beschäftigte, als „Quartierskümmerer” gearbeitet hatte, sah das Gericht seine Tätigkeiten als neu und auch als zusätzlich an, obwohl die Tätigkeiten bereits in früheren Maßnahmen schon beschlossen wurden. Auch ist die Fortführung dieser Arbeiten nach Ende des Programms Bürgerarbeit durch den Rat der Stadt Dortmund beschlossen worden und deshalb stellen sie durchaus eine Daueraufgabe dar. Trotzdem folgte das Arbeitsgericht diesem Teil der Klage nicht.

Aber für beide Klagen stellte das Gericht fest, dass der TVöD (VKA) auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet. Beide Kläger hatten ein pauschales Entgelt erhalten, das noch unter der niedrigsten tariflichen Vergütung, der Entgeltgruppe 1 lag. Das Gericht entsprach den Anträgen der beiden Kläger und legte einmal die Entgeltgruppe 2 und einmal die Entgeltgruppe 3 als tarifgemäß fest. Beiden wird das höhere Entgelt zusätzlich mit Zinsen nachgezahlt.

Endlich ist hier, wenn auch im Nachhinein und nur in diesem Bereich, etwas mehr Klarheit hinein gekommen.

Studie über die kommunalen Leistungen in die Zielsteuerung des SGB II

Kaum beachtet wurde bisher die Studie der Bundesagentur für Arbeit „Einbeziehung der kommunalen Leistungen in die Zielsteuerung des SGB II“, die brisante Daten zur psychosozialen Lage der rund 4,3 Millionen Bezieher von Arbeitslosengeld II enthält.

Die Untersuchung zeigt auf, dass der erhebliche Hilfe-, Betreuungs-, Behandlungs- und Beratungsbedarf vieler Hilfeempfänger nicht einmal ansatzweise gedeckt wird. Ein Beispiel: 25 Prozent der erwerbsfähigen Arbeitslosengeld II-/Hartz-IV-Empfänger, also mehr als eine Million Menschen habe Schuldenprobleme. 2011 erhielten aber nur 34.000 von ihnen eine Schuldnerberatung.

Weiter geht die Studie davon aus, dass knapp eine Million der 4,3 Millionen Empfänger der Grundsicherung, psychosoziale Probleme haben, da bekanntlich Langzeitarbeitslosigkeit krank macht. Eine Betreuung erhielten 2011 aber nur 19.000. Oft verstärkten sich die genannten Probleme sogar gegenseitig.

Ob das Angebot der sozialintegrativen Leistungen und deren Verzahnung mit den arbeitsmarktpolitischen Leistungen funktionieren oder nicht, ist oft abhängig von der Kompetenz und dem Engagement der örtlichen Mitarbeiter in den Jobcentern. Die Betreuungs- und Beratungsplätze sind bei Weitem nicht ausreichend. Deutlich wird, dass von einer „Hilfe aus einer Hand“, eines der Ursprungsziele der Hartz 4-Reform aus dem Jahr 2005, jedenfalls keine Rede mehr sein kann. Es gibt bis heute bundesweit keine Standards für die Umsetzung der Schuldner-, Sucht- und psychosozialen Beratung wie auch nicht bei der Kinderbetreuung.

Die Gründe für die Misere sind vielfältig: In der Studie wird darauf hingewiesen, dass Drogen- oder Alkoholprobleme wie auch psychische Störungen häufig „nicht offenbart werden, dies gilt offenbar selbst bei intensiver Betreuung“. Zudem seien die Hilfen von Jobcenter zu Jobcenter sehr unterschiedlich. In den zuständigen Behörden fehle es „häufig an konkretem Wissen und teilweise wohl auch am Wollen relevanter Akteure“. Eine BA-Sprecherin sagte, die Betreuungs- und Beratungsplätze seien bei Weitem nicht ausreichend. Das Defizit zu beheben, sei auch eine Frage des Geldes.

Wie geht es weiter

Die Situation für die Erwerbslosen in Dortmund ist ernüchternd. Einen Arbeitsmarkt gibt es nicht für sie. Sie können sich noch so strecken, qualifizieren, weiterbilden und von Maßnahme zur Maßnahmen springen, es nützt ihnen nicht viel. Dazu sind sie noch den heftigen Sanktionen des Jobcenters ausgeliefert.

Auf dem Dortmunder Arbeitsmarkt ist die Nachfrage ganz groß, aber das Angebot gar nicht da – und das seit 30 Jahren schon.

Hier müssen wir umdenken.

Wir brauchen ganz schnell einen freiwilligen, sozialversicherungspflichtigen Öffentlichen Beschäftigungssektor (ÖBS) mit Tariflöhnen.

Fangen wir doch einfach damit an: z.B. durch die Umwandlung sämtlicher AGH/1,50-Euro-Jobs in tariflich bezahlte Vollzeitstellen, das funktioniert sogar kostenneutral mit den heutigen Fördermitteln.

Weitere Infos: https://gewerkschaftsforum.de/arbeitslosigkeit-in-dortmund/

https://gewerkschaftsforum.de/arbeitsmarkt-und-beschaeftigung-in-dortmund/

https://gewerkschaftsforum.de/arbeitszeitverkuerzung-und-ausbau-der-oeffentlichen-beschaeftigung-4/

https://gewerkschaftsforum.de/35-jahre-jugendarbeitslosigkeit-und-ausbildungsnot-in-dortmund/

Quelle: Stadt Dortmund, Jobcenter, WAZ

Bild: ingenieur.de