Als vor 30 Jahren die Sozialabgaben und Steuern von den Arbeitsentgelten der Beschäftigten die 40 Prozent Marke überschritten, ging noch ein Aufschrei durchs Land. Mittlerweile sind die Abgaben auf 45 Prozent angestiegen.
Der einzelne Beschäftigte hat mit der Abführung selbst nichts zu tun. Der Arbeitgeber macht die Arbeit für ihn, nach Recht und Gesetz. Dass er es richtig macht, wird von den staatlichen Stellen gut überwacht. Der Arbeitnehmer kann dann versuchen, einen Teil seiner Steuern des Vorjahres durch die Erstattung wieder herein zu holen. Ein absolut offenes und einsichtiges Verfahren.
Auf der anderen Seite liegt der Steuersatz für Einkommen aus Vermögen und Unternehmertätigkeit im Jahr 2010 bei rund 20 Prozent. Aber genaues weiß man nicht, denn kaum etwas wird bei uns so schlecht dokumentiert, wie das Einkommen der reichen Leute und die Gewinne der Konzerne.
Die EU-Kommission möchte nun etwas gegen die aggressive Steuervermeidung der Unternehmen tun. Sie geht davon aus, dass pro Jahr ungefähr 1.000 Milliarden Euro Steuern nicht gezahlt werden.
Wie aber funktioniert die Steuertrickserei?
Im Grunde ist es sehr einfach, Steuertricks zu entwickeln, doch in der Praxis müssen sie äußerst kompliziert erscheinen.
Es geht meistens darum, die Kosten größer erscheinen zu lassen, als sie real sind, damit man die Gewinne schmälern kann und so gar keine oder nur geringe Steuern zahlt.
An einigen Beispielen kann man dies gut verdeutlichen.
- Die sogenannte Schiffstonnagesteuer sollte Arbeitsplätze in Deutschland retten. Da immer mehr Handelsschiffe, die in deutschem Besitz sind, unter ausländischer Flagge fuhren und die Besatzungen nur wenige Rechte hatten, machte die rotgrüne Bundesregierung 1999 mit dem Reederverband einen Deal. Sie verabredeten, dass das Ausflaggen in Länder wie Liberia oder Antigua gestoppt würde, wenn im Gegenzug der Gewinn aus dem Schiffsbetrieb nur nach einem sehr niedrigen Pauschalsatz besteuert würde. Grundlage für die Besteuerung sollte die Anzahl der Tonnagen sein. Die Steueränderung kam dann auch, doch gingen die Ausflaggungen fleißig weiter. Obwohl die Reeder für 2010 noch 600 Schiffe unter deutscher Flagge versprochen hatten, lag ihre Zahl nur bei 439. Allerdings zahlten die Reeder praktisch keine Steuern mehr. Vor allem aber profitierten davon eine Menge sehr reicher Bürger. Sie beteiligten sich über Fonds an diesen Schiffen und konnten so ihre Steuerlast drastisch senken. Der Fiskus hat seit dem nun aber einen Schaden von rund eine Milliarde Euro – pro Jahr.
- Ganz normal ist es, dass Leistungen, die der eine Betrieb dem anderen erbringt, dann auch konzernintern verrechnet werden. Wenn die Leistungen aber höher bewertet werden, als bei konzernexternen Geschäften, entstehen dem Konzern Kosten, die gewinnmindernd verrechnet werden. Für weniger Gewinn müssen dann weniger Steuern gezahlt werden. Die Finanzbehörden bemühen sich zwar, redlich zu prüfen, ob die internen Preise auch marktüblich sind; aber wer kann schon beurteilen ob z.B. Namensrechte oder Leistungen an konzerneigene Stiftungen preislich dem üblichen Marktpreisen entsprechen.
- Die Konzernmutter kann aber auch von ihren formal eigenständigen Filialen, also auch bei den Töchtern Lizenzgelder einsammeln. Dieses Geld muss dann nur in solche Staaten fließen, in denen Lizenzeinnahmen kaum besteuert werden. Dieser Trick ist in den vergangen Jahren noch verfeinert worden. Jetzt gibt es in einigen Ländern extra dafür „Lizenzboxen“. In Holland werden alle Einnahmen aus Lizenzen aus der Box heraus, nur mit fünf Prozent besteuert. Ikea hatte es letztens noch vorgemacht: Bei knapp 30 Milliarden Euro Gesamtumsatz im Geschäftsjahr 2012/13 flossen fast 9 Milliarden Euro Lizenzgebühren an die Mutter. In Holland hat Ikea eine Stiftung gegründet, die neulich den Namen Ikea für neun Milliarden Euro an die Firma Inter Ikea Systems, also an sich selbst verkauft hatte. Natürlich gewinnmindernd und folglich steuersparend.
- Steuersparende „Lizenzboxen“ stehen aber auch schon in Luxemburg, auf Irland, den Cayman Islands und in Singapur. Dem Finanzminister Schäubele ist dies natürlich nicht entgangen. Er hat nun vor, eine „Lizenzbox“ bei uns einzurichten, da ihm zu viel Kapital vorbei an Deutschland in die Steueroasen abfließt.
- Der deutsche Konzern SAP ist vom Umsatz her der größte europäische (und außeramerikanische) Softwarehersteller. Für sieben Milliarden Dollar übernahm vor einiger Zeit SAP die französischen Software-Firma Business Objects und senkte die Steuerlast beachtlich, weil die neue Tochter auch in Irland aktiv ist. Der dortige Ableger von Business Objects bündelt geistiges Eigentum an Software. Für dessen Nutzung zahlen andere SAP-Töchter, die Programme verkaufen, dann Lizenzgebühren. Seit dem Kauf haben sich die Gewinne der irischen Gesellschaft von Business Objects verzehnfacht. Mit einem Gewinn von über 381 Millionen Euro ist die Tochter in Dublin die profitabelste hinter dem SAP Geschäft in Deutschland. Sonst ist SAP auch sehr kreativ. In Irland hat auch die Finanztochter SAP Ireland US-Financial Services ihren Sitz. Jedoch sind dort nur drei Personen beschäftigt. Jeder der drei Beschäftigten hat durchschnittlich pro Jahr 107 Millionen Euro Gewinn eingefahren. Wie das? Damals sammelte die Konzernmutter SAP durch die Ausgabe von Euro-Anleihen am Kapitalmarkt 2,2 Milliarden Euro ein und steckte das Geld als Eigenkapital in die irische Finanztochter mit den 3 Beschäftigten. Dabei fielen für SAP 57 Millionen Euro an Zinsen an, die den zu versteuernden Konzerngewinn auch in dieser Höhe reduzierten, weil es keine entsprechenden Zinseinnahmen aus Irland gab. Die irische Firma wiederum nahm Geld in den USA auf, zum Zinssatz von weniger als drei Prozent. Sie leitete das Geld an SAP in den USA weiter und erhielt dafür von der Schwestergesellschaft einen höheren Zins. Zum Jahresende 2011 beliefen sich die Zinseinnahmen der Dubliner Tochter aus diesen Geschäften auf 300 Millionen Dollar. Bei den Krediten an die US-Tochter von 4,25 Milliarden Dollar entspricht dies einem Zins von rund acht Prozent. Hätte SAP Amerika sich selbst das Geld am Markt geliehen, wäre nur ein Zins von drei Prozent angefallen und der zu versteuernde Gewinn in den USA wäre entsprechend höher gewesen. Dieses Modell von SAP ist mittlerweile auch für andere Konzerne eine sehr verbreitete Strategie zum Steuersparen geworden.
- In noch andere Dimensionen stößt man vor, wenn man die großen IT-Konzerne betrachtet. Die Gewinne der international tätigen Konzerne wie Apple, Microsoft, Facebook oder Google sind unglaublich groß und da kommt man auch schon in die Premiumstrategie. Die Gewinne werden mit Hilfe eines Verfahrens vor dem Fiskus gerettet, das sich „Double Irish with a Dutch Sandwich“ nennt. Das funktioniert dann so: Der US-Mutterkonzern gründet in Irland zwei Tochtergesellschaften, dort müssen 12,5 Prozent Steuern auf Unternehmensgewinne gezahlt werden. Die Tochter in Irland gehört aber formal einer Briefkastenfirma in der Karibik und deshalb braucht sie erheblich weniger als die 12,5 Prozent Steuern auf die sich gegenseitig überwiesenen Lizenzgebühren und andere Gewinne zu zahlen. Wenn dann noch das Geld über Holland geleitet wird (Dutch Sandwich) was per Abkommen steuerfrei geschehen kann, gelten gegenüber den Finanzbehörden in den USA alle Steuern als bezahlt.
Die Rolle, die der „Finanzplatz Deutschland“ mittlerweile spielt, ist dem Normalmenschen kaum bekannt. Laut dem Netzwerk Steuergerechtigkeit (Tax Justice Network, TJN) wird Deutschland unter den 82 weltweit wichtigsten Steueroasen auf Platz 8 eingeordnet. Zwar hinter der Schweiz und Luxemburg, aber weit vor so legendären Paradiesen wie den Bermudas (Platz 12), Lichtenstein (34) oder den Seychellen (55).
Für diese bemerkenswerte Platzierung Deutschlands haben vor allem ihre Regeln zur steuerlichen Geheimhaltung gesorgt. Die Steuerhinterzieher und Drogenverkäufer aus aller Welt werden dadurch zum Geldwaschen regelrecht eingeladen. Hinzu kommt noch, dass Gelder, die von außerhalb der EU nach Deutschland fließen, nicht angemeldet und versteuert werden müssen. Einkünfte daraus, wie Zinsen, müssen nicht gemeldet werden.
Das Netzwerk TJN schätzte für das Jahr 2011 die in Deutschland angelegten Fluchtgelder auf etwa 1,3 Billionen Euro.
Quellen: WAZ, konkret, ntv.de
Bild: finanzpraxis.com