Zunehmend kann man beobachten, wie in den Betrieben Versuche gestartet werden, die Arbeit der Betriebsräte systematisch zu behindern, bis hin, sie ganz zu unterbinden. Verstöße gegen die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes durch den Arbeitgeber und die Geschäftsführung gehören in vielen Betrieben mittlerweile zum Alltag: Immer wieder werden die Rechte der Betriebsräte und der anderen betriebsverfassungsrechtlichen Organe nicht beachtet und deren Arbeit behindert. Es häufen sich Wahlbehinderungen und Beeinflussungen von Wahlen. Die Betriebe versuchen ganz systematisch, die Etablierung und Arbeit gewerkschaftlicher Betriebsräte in ihren Betrieben zu unterbinden. Zur Unterstützung kaufen sie sich Anwälte ein, deren Kanzleien die richtigen Tipps und Methoden in ihrem anti-gewerkschaftlichen Angebot haben. Das Ziel dieses Vorgehens ist, einzelne Betriebe oder gar ganze Konzerne zu betriebsratsfreien Zonen zu machen oder den betriebsratsfreien Status quo dort zu wahren.
Die Gewerkschaften sind den betroffenen Kolleginnen und Kollegen oft gar keine Hilfe, sie sehen meistens nur isoliert Einzelfälle von einzelnen Mitgliedern, die sowieso immer nur Unruhe in den Betrieb und in die Organisation selbst einbringen und haben es noch nicht wahrgenommen, dass es sich um eine Systematik und gut ausgebaute Netzwerke handelt.
Obwohl das „betriebsverfassungsrechtliche Strafrecht“ dieses Vorgehen der Unternehmer nicht gestattet, setzt sich kaum ein betrieblicher Arbeitnehmervertreter zur Wehr und geht mit den Mitteln des Strafrechts und des Ordnungswidrigkeitenrechts vor. Auf der anderen Seite haben sich die Unternehmen einen straffreien Raum geschaffen.
Immer mehr Unternehmen, egal ob große, mittlere oder kleine Unternehmen, gehen mit immer rabiateren Methoden gegen Betriebsräte und aktive Gewerkschafter vor. Nicht selten geschieht dies mit Zustimmung oder sogar direkter Hilfe willfähriger „Belegschaftsvertreter“.
Dahinter steckt System.
Spezielle Anwaltskanzleien ziehen die Fäden im Hintergrund. Sie schreiben in enger Absprache mit den Unternehmen oder Geschäftsleitungen die Drehbücher zu wahren Horrorfilmen, an deren Ende immer die Ausschaltung der betroffenen engagierten Beschäftigten stehen soll.
Zum einen geht es dabei um das juristische Vorgehen gegen gewerkschaftlich Aktive, zum anderen um deren psychische Schädigung bis hin zur Zerstörung ihrer Persönlichkeit. Auch ist der Einsatz von Privatdetektiven üblich geworden, die nicht davor zurück schrecken, Familienmitglieder auszuforschen.
Meistens geht man so vor: der gewählte Betriebsrat bekommt eine „verhaltensbedingte Kündigung“, wenn die Mehrheit des Betriebrats zugestimmt hat, obwohl jeder weiß, dass die Kündigung unrechtmäßig ist, wird Monate später ein Vergleich getroffen bzw. das Arbeitsverhältnis aufgelöst. Der lästige Betriebsrat ist dann raus aus dem Betrieb.
Als Grundsatz gilt, wenn ein oder zwei Aktive richtig fertig gemacht werden, hat der Betrieb die nächsten 10 Jahre definitiv Ruhe. Und das rechnet sich. So ist es z.B. bei Massenentlassungen ganz klar, dass ein Sozialplan aufgestellt wird. Wenn aber kein Betriebsrat da ist, braucht der Betrieb keinen Sozialplan aufstellen.
Es ist empörend, dass das deutsche Rechtssystem es zulässt, dass solche Kanzleien, die ja auch „Organe der Rechtspflege“ sind, sich straflos mit diesen Geschäftsmodellen bereichern können. Selbst wenn gesundheitliche Schäden davon getragen werden und der Unternehmer schadensersatzpflichtig geworden ist, wird seitens der Staatsanwaltschaft keine Klage erhoben oder das Verfahren gegen Zahlung einer 3-stelligen Summe eingestellt.
Diese Rechtsbrüche, ebenso wie die Rechtsverdrehungen und kriminellen Attacken von Arbeitgeberanwälten werden durch die Bank nicht ermittelt, nicht verfolgt, nicht angeklagt und nicht verurteilt. Faktisch herrscht für Arbeitgeber und ihre Helfershelfer heute diesbezüglich Immunität.
Das muss nicht so bleiben.
Im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) wird ganz eindeutig bestimmt:
„§ 20 Wahlschutz (…)
(1) Niemand darf die Wahl des Betriebsrats behindern. Insbesondere darf kein Arbeitnehmer in der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts beschränkt werden.
(2) Niemand darf die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen.
§ 78 Schutzbestimmungen
Die Mitglieder des Betriebsrats (…) dürfen in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Sie dürfen wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung.“
Selbst vielen Betriebsräten ist nicht bekannt, dass das BetrVG in den §§ 119-121 mehrere Straf- und Bußgeldvorschriften enthält: Der Gesetzgeber wertet eine Reihe von Verstößen gegen das BetrVG als Straftaten und bedroht sie mit Freiheits- oder Geldstrafe.
Minder schwere Verstöße werden als Ordnungswidrigkeiten mit Geldbußen geahndet.
Die Höchststrafe von einem Jahr erscheint gerade bei Wiederholungstätern nicht als ausreichend. Auch wenn die abschreckende Wirkung von Strafhöhen in der Regel zweifelhaft ist, erscheint es in Unternehmen, in denen „Geld keine Rolle spielt“ als außerordentlich sinnvoll, wenn der Justiz die Möglichkeit der Verhängung höherer Strafen eingeräumt wird. Notwendig ist, dass das Delikt auch auf Anzeige von Amts wegen verfolgt wird.
Auch sollte die Rechtsprechung der letzten Jahre die Betriebsräte und Gewerkschafter mehr ermutigen, sich zu wehren. Selbst das Landgericht in Hintertupflingen oder das Arbeitsgericht in Vordertupflingen hat sich schon mit diesem Klagen befassen müssen und beide haben Recht gesprochen, das genutzt werden kann, neue Verfahren anzustreben.
Bei Rechtsbrüchen in den Betrieben muss konsequent reagiert werden. Wo kein Kläger, da kein Richter. Die Gewerkschafter müssen unüberhörbar und unübersehbar aktiv werden, dann können die Richter nichts anders tun, als zu richten. Gelingt es ein erstes und danach ein zweites Mal, in einem Pilotverfahren einen der Betriebsräte-Fresser anzuklagen und zu verurteilen, wird das dann ein Wendepunkt sein.
Dann kann die alltägliche Kriminalität der Arbeitgeber in den Betrieben öffentlich thematisiert und zurückgedrängt werden.
Das Herstellen von Öffentlichkeit und das Organisieren von Widerstand helfen in diesem Zusammenhang. Es müssen gemeinsam Strategien der Gegenwehr entwickelt werden und die hauptamtlichen Kolleginnen und Kollegen vom Gewerkschaftsrechtschutz müssen in den Betrieben vor Ort diesen Widerstand begleiten und die Betriebsräte und Gewerkschafter bestärken, den Klageweg zu beschreiten.
weitere Infos: Die Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften – die neue professionelle Dienstleistung
Quellen: Konferenz „Betriebsräte im Visier – Bossing Mobbing & Co.“ 2014 (Mannheimer Appell)
Bild: freedomsphoenix.com