„Unsichtbar und unterbezahlt“: Der tägliche Kampf der Reinigungskräfte

Von Christian Bunke

Niedrige Löhne, schlechte Arbeitszeiten, gesundheitliche Belastungen: Die Reinigung ist ein prekärer Sektor mit vielen Problemen.

Frau K. arbeitet seit über 30 Jahren in einer großen Reinigungsfirma. In dieser Zeit hat sie viel gesehen. Die Abgründe ihrer eigenen Branche, aber auch die der Gesellschaft. „Wir Reinigungskräfte kriegen keine Anerkennung“, sagt Frau K., die ihre Aussagen nur unter Zusicherung von Anonymität tätigt. „Und wir kriegen zu wenig Lohn. Wir leisten mehr als die meisten Büroangestellten, in der Pandemie waren wir systemrelevant. Doch wir haben keinen Bonus bekommen. Wir sind schon wieder leer ausgegangen.“

Mangelnde Anerkennung und niedrige Löhne: Das sind die Konstanten in der Reinigungsbranche, in der österreichweit immerhin 80.000 Menschen tätig sind. 54.000 weitere arbeiten in der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung. 67 Prozent dieser Menschen sind Frauen. Zum Vergleich: Im restlichen Dienstleistungssektor arbeiten 58 Prozent Frauen und 42 Prozent Männer. Die Reinigung ist also eine der „weiblichsten“ Berufssparten Österreichs – und eine migrantische. Nur 38 Prozent der unselbstständig Beschäftigten sind in Österreich geboren, in den übrigen Dienstleistungsberufen liegt dieser Anteil bei 79 Prozent. Diese Zahlen gehen aus einer von Gewerkschaften und Arbeiterkammer in Auftrag gegebenen FORBA-Studie aus dem Jahr 2020 hervor.

Die unterschätzte Bedeutung der Reinigungsbranche

„In der Reinigungsbranche leisten überwiegend Frauen, die meisten von ihnen Migrant:innen, wichtige Arbeit“, sagt Ursula Woditschka, „aber sie stehen oft am Rande der Gesellschaft. Und das wird leider nicht besser, sondern eher schlimmer.“ Als Bereichsleiterin für die Reinigungsbranche in der Gewerkschaft vida ist sie gut mit dieser Personengruppe vertraut. Woditschkas Eindruck, dass der Anteil der migrantischen Reinigungskräfte zunimmt, lässt sich in Zahlen nicht überprüfen – die Forschung beklagt die mangelhafte Datenlage.

Das Problem sei grundsätzlicher und historischer Natur: Jobs, die sich im Laufe der Zeit aus dem Bereich Haushalt und Familie entwickelt hätten und damit Frauen zugeschrieben würden, seien in der Gesellschaft nichts wert. „Seit jeher passen Frauen auf Kinder, Alte und Kranke auf und machen sauber – und dies alles meistens zum Nulltarif“, sagt Woditschka. „Deshalb haben die Berufe, die damit zusammenhängen, auch heute noch so einen geringen Stellenwert.“ Obwohl Sauberkeit und Hygiene die Grundpfeiler einer modernen Zivilisation sind, wird die Bedeutung des Berufsfeldes nicht anerkannt. „In den Augen vieler Menschen hat Sauberkeit keinen Wert. Also haben auch die Mitarbeiter:innen, die sauber machen, keinen Wert.“

Hinzu kommt, dass in den vergangenen Jahrzehnten das sogenannte „Outsourcing“ von Reinigungsdienstleistungen zu einem steigenden Kostendruck unter Anbietern geführt hat – in der Branche gilt das Billigstbieterprinzip. Während Unternehmen früher noch Eigenreinigungen hatten und das Putzpersonal Teil des Teams war, setzen sie heute verstärkt externe Firmen für diese Leistungen ein. Den hohen Kostendruck geben diese oft an ihre Mitarbeiter:innen weiter. „Immer, wenn es in der Reinigung durch Kollektivverträge zu Lohnsteigerungen kommt, wird bei den Arbeitszeiten getrickst oder der Arbeitsdruck erhöht, um so die Kosten wieder zu senken“, sagt die Expertin der Gewerkschaft.

Die Beschäftigten in der Reinigung bleiben unsichtbar

Frau K. kann ein Lied davon singen. Während sie das Betriebsklima in ihrer eigenen Firma positiv einschätzt, zeichnet sie hinsichtlich der beruflichen Gesamtsituation des Reinigungsgewerbes ein düsteres Bild: „Es gibt Leistungsverzeichnisse, die beschreiben, was in der Woche alles gemacht werden muss“, sagt sie. „Da steht zum Beispiel drin, dass eine Kollegin drei Stunden Zeit hat, um 1.000 Quadratmeter zu reinigen.“ Dieser Zustand führe zu Konflikten, Überstunden und Krankenständen. Auch Mobbing durch Vorgesetzte sei etwas Alltägliches. „Viele von denen glauben, sie wären Gott auf Erden“, sagt Frau K. „Dieses psychische Mobbing ist fast noch schlimmer als körperliche Gewalt. Kolleg:innen fühlen sich unter Druck gesetzt, können sich nicht wehren und werden deshalb krank.“

Dass diese belastenden Verhältnisse nicht offen sichtbar sind, liegt auch an den typischen Arbeitszeiten von Reinigungskräften. In der bereits erwähnten FORBA-Studie wird beschrieben, dass sie meistens zu sogenannten Tagesrandzeiten im Einsatz sind. Also frühmorgens oder am Abend. Zudem sind sie an verschiedenen Orten im Dienst, was oft lange Fahrzeiten und einen aufgesplitteten Tagesablauf bedeutet, mit zeitlichen und organisatorischen Kosten für vergleichsweise wenig bezahlte Arbeitsstunden. Beides zusammen erzeuge eine verheerende Situation für die Beschäftigten, sagt die vida-Expertin Woditschka. „In den meisten Fällen kommt in Summe bei maximal 25 Wochenstunden kein ausreichendes Einkommen für die Kolleg:innen heraus.“ Die Durchschnittslöhne für Vollzeitbeschäftigung liegen in der Branche bei ca. 1.400 Euro netto.

Faktor Digitalisierung in der Reinigung

Ein Phänomen, das auf den ersten Blick scheinbar nichts mit der Gebäudereinigung zu tun hat, den Arbeitsdruck aber weiter verstärkt, ist die Digitalisierung. Zwar ist die Reinigung personalintensiv und durch körperliche Arbeit geprägt, doch digitale Systeme übernehmen zunehmend die Organisation dieser Arbeit. „Sogar die Toiletten werden digitalisiert“, sagt Frau K. „Es gibt Sensoren, die messen, ob es schmutzig ist oder ob Seife ausgewechselt werden muss. Das kriegen die Beschäftigten dann auf ein Tablet, und sie müssen hingehen und nachfüllen oder sauber machen.“ Über das Tablet sind die Reinigungskräfte flexibel einsetzbar. „Es kann passieren, dass eine Reinigungskraft plötzlich 100 Räume in einer vorgegebenen Zeit putzen muss. Das kann man natürlich nicht schaffen“, sagt Ursula Woditschka von der vida.

 Viele von denen glauben, sie wären Gott auf Erden. 
Frau K. über Mobbing durch Vorgesetzte

Die prekären Bedingungen im Reinigungssektor führen im Endeffekt zu einem Anstieg gesundheitlicher Probleme, sagt vida-Expertin Woditschka. „Wir wissen das aufgrund vieler Gespräche. Die Damen haben hauptsächlich Schulter- und Hüftprobleme. Die Männer Hüft- und Knieprobleme.“ Das liege daran, dass Frauen und Männer in der Branche unterschiedliche Tätigkeiten ausüben würden. „Die Frauen sind mehr am Boden unterwegs, müssen sich viel strecken und bücken. Die Männer müssen viel mehr in die Höhe, sind auf Leitern und Gerüsten unterwegs oder stehen auf Fensterbrettern.“ Vor allem angesichts des in der Branche recht hohen Durchschnittsalters von 45 Jahren wiegt die körperliche Belastung schwer.

Maßnahmen für Reinigungsbranche gefordert

Arbeiterkammer und Gewerkschaft fordern deshalb schon seit Jahren neben höheren Löhnen auch zusätzliche Erholungsmöglichkeiten. Etwa durch leichtere Erreichbarkeit der sechsten Urlaubswoche. Hinzu kommt die Forderung nach einer „gesunden Vollzeit“ zwischen 30 und 35 Wochenstunden. „Der Wunsch nach Arbeitszeitverkürzung ist auch unter den Vollzeitbeschäftigten der Reinigungsbranche sehr ausgeprägt“, heißt es in einem Papier der Arbeiterkammer (AK). „Die Kolleg:innen in Teilzeit hingegen äußern oft den Wunsch nach mehr Stunden. Hier wären die Unternehmen gefordert, auf die Bedürfnisse der arbeitenden Menschen Rücksicht zu nehmen.“ Heißt: Reguläre Arbeitszeiten, ein Abbau von Tätigkeiten zu Tagesrandzeiten und ein Verbot von Kündigungen im Krankenstand.

Dass es höchst angebracht ist, die Branche aufzuwerten, bestätigt nicht zuletzt Frau K.: „Reinigungsarbeit wird total unterschätzt“, sagt sie. „Dabei ist sie genauso wichtig wie der Gesundheitsbereich, Ärzt:innen oder Ambulanzen. Wir sorgen mit unserer Tätigkeit für ein angenehmes Aufenthaltsklima – in den Häusern und an den Arbeitsplätzen.“

 

 

 

 

 

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