Jobverlust wegen Antikriegsprotest

Ein Statement zum Fall Christopher T.: Ein Arbeitgeber trumpft auf, Gewerkschafter solidarisieren sich mit einem Kollegen und im Hintergrund lauert wieder der Antisemitismus-Verdacht.

Von Georg Auernheimer

Ein DHL-Frachtarbeiter und Verdi-Vertrauensmann am Leipziger Flughafen hat nach einer antimilitaristischen Rede seinen Job verloren: Christopher T. hatte sich am 23. August 2025 nach seiner Schicht am Flughafen Leipzig/Halle am Protestmarsch »March to Airport«, der sich gegen Waffenlieferungen an Israel richtete, beteiligt und eine Rede gegen Kriegsvorbereitung und Rüstungsexporte, auch im Namen seiner Kollegen, gehalten. Wie die Junge Welt jetzt meldet, wurde er am 11. September freigestellt, am 23. September folgte die außerordentliche fristlose Kündigung. Zahlreiche Kollegen und Kolleginnen habe sich mittlerweile mit Christopher T. solidarisch erklärt Gewerkschaftsmitglieder für Frieden und Gerechtigkeit in Pälastina; auch die gewerkschaftliche Basisinitiative „Sagt NEIN!“ aus der Verdi-Opposition unterstützt ihn. Und jetzt hat Univ.-Prof. i. R. Dr. Georg Auernheimer – als Erziehungswissenschaftler lange Jahre mit Fragen der interkulturellen Pädagogik befasst – ein Statement zu dem Fall abgegeben, gewissermaßen in Fortsetzung seiner Streitschrift „Zweierlei Antisemitismus“, die kürzlich erschienen ist. Wie das Gewerkschaftsforum anlässlich der neuen Proteste in Sachen Gazakrieg berichtete, wendet sich Auernheimers Schrift gegen den neuen Kampfbegriff „Antisemitismus“. Im Overton-Interview sprach der Autor davon, dass es in Deutschland zu „grotesken Zensurmaßnahmen und Verboten“ komme, wenn man gegen den israelischen Vernichtungskrieg in Gaza protestiere. Dagegen sei festzuhalten: „Kritik an israelischer Politik, hat mit Antisemitismus nichts, aber auch gar nichts zu tun“. Das Gewerkschaftsforum veröffentlicht hier das neue Statement.

Ein Statement aus gegebenem Anlass

Die Kündigung von Christopher T. muss die Gewerkschaft auf den Plan rufen. Denn sie hat nach meinem Verständnis nicht nur die sozialen Interessen und arbeitsrechtlichen Belange ihrer Mitglieder zu vertreten, sondern sollte auch deren bürgerlichen Rechte und Freiheiten schützen. Für die Gewerkschaft von hohem Interesse ist dabei die Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Und die sehe ich mit der Kündigung von Christopher bestritten.

Es mag sein, dass das Unternehmen mit dem, was Christopher auf der Kundgebung gesagt hat, seine Geschäftsinteressen berührt sieht. Aber alles spricht im Kontext der bundesdeutschen Israelpolitik und der sie begleitenden Meinungsmache dafür, dass die Kündigung primär politisch motiviert ist.

Die juristische Bewertung ist nicht meine Sache. Nur so viel: Dass Rheinmetall zu den Kunden von DHL zählt, kann sich jeder ausrechnen, der etwas informiert ist und weiß, dass über den DHL-Hub Leipzig Rüstungsgüter exportiert werden. Der Vorwurf, Christopher habe Betriebsgeheimnisse verraten, ist also meines Erachtens abwegig. Auch den eventuellen Vorwurf, mit dem Bekenntnis, er habe „schon Pakete von Rheinmetall in der Hand gehabt, so was will man nicht befördern“, habe er den Betriebsfrieden gefährdet, ist nicht haltbar. Denn die Formulierung „so was will man nicht befördern“ ist als allgemeine ethische Überlegung zu lesen, nicht als Aufforderung an die Kolleg*innen.

Meines Erachtens soll mit der Kündigung der Widerstand oder genauer Protest gegen die Waffentransporte an Israel, eine politische Handlung also, geahndet werden. Das fügt sich ein in die bestimmende politische Agenda. Jeder Protest gegen die genozidale Kriegsführung der rechtsextremen Regierung Israels wird als Antisemitismus diffamiert. Das geht so weit, dass selbst Juden und Jüdinnen, die sich von Israel und dem Zentralrat der Juden in Deutschland nicht vertreten sehen, eine antisemitische Gesinnung unterstellt wird.

Der Wahnsinn hat damit begonnen, dass die International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), ein ursprünglich auf eine Privatinitiative zurückgehender Zusammenschluss von 34 Staaten (einschließlich Israel), der keinesfalls die Weltgemeinschaft repräsentiert, ein völlig neues Verständnis von Antisemitismus propagiert hat. Die Umdeutung, mit der grundlegende Kritik an israelischer Politik zu Antisemitismus erklärt wird, wurde von den europäischen Regierungen und den USA übernommen, was eine Verfolgungspraxis zu Folge hat, die fast dem hysterischen Antikommunismus der McCarthy-Ära in den USA vergleichbar ist.

Eine unternehmerische Sanktionspraxis wie im Fall Christopher T. kann die Gewerkschaft nicht kalt lassen. Sie muss der Tendenz zu politischer Relegation, und sei auch nur begründeter Verdacht auf ein politisches Motiv gegeben, Einhalt gebieten. Sonst besteht die Gefahr zunehmender Einschränkung politischer Handlungsmöglichkeiten.

 

 

 

 

 

Bild: DHL