Über die Verkommenheit einer Sozialdemokratin

Wenn jemand den Begriff Verkommenheit auf Menschen anwendet, sollte er umsichtig mit dieser Wortwahl bzw. Charakterisierung umgehen, denn mit Verkommenheit ist die Beschreibung des moralischen Verfalls oder auch ein Zustand der Verwahrlosung einer Person gemeint.

In unserem Fall soll der Begriff Verkommenheit dennoch auf die frühere Bundesvorsitzende der Jungsozialisten in der SPD, später dann SPD-Vorsitzende und Bundesarbeitsministerin und heutige Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA) Andrea Nahles angewandt werden.

Im Folgenden soll es nicht um ihre schrillen, wortgewaltigen, peinlichen und menschenverachtenden Auftritte in ihren oben genannten Positionen gehen, sondern um Statements, die sie in ihrer jetzigen Funktion, als Vorstandsvorsitzende der BA, abgeliefert hat.

Wechsel an der Spitze der BA bildet immer eine Konstante, so auch zuletzt

Detlef Scheele geht, Andrea Nahles kommt

Seit April 2017 war SPD-Mitglied Detlef Scheele Vorstandsvorsitzender der BA. Bekannt für seinen rüden Umgangston und menschenverachtenden Ansichten hatte er in seinen öffentlichen Verlautbarungen von vorne herein seine Hardliner Positionen klargestellt und ganz neue Wortschöpfungen kreiert. So sprach er davon, dass er eine „fürsorgliche Belagerung“ befürworte und meinte, dass der Fallmanager den „Arbeitslosen und seine Familie öfter sehen solle“ und mehr „Aufmerksamkeit widmen“ möchte, denn die „Vermittlungszahlen sind deutlich angestiegen, wenn die Kontaktdichte sich erhöht“.

Auch sprach sich Scheele gegen eine „Rückabwicklung“ der sogenannten Arbeitsmarktreformen aus. Er machte damit deutlich, wie die Leistungsgewährung aussehen sollte, nämlich so, dass er den Druck auf die Menschen ohne bezahlte Arbeit erhöht und sie, wo eben möglich, aus dem Leistungsbezug herausdrängt.

Auch hielt er eine Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes auf monatlich 600 Euro für nicht zielführend, weil er bezweifelte, dass „jemand mit 600 Euro deutlich zufriedener wäre. Wer sorgenlos leben möchte, der muss sich berappeln und möglichst gut entlohnte Arbeit finden“.

Im Sommer 2022 löste SPD-Mitglied Andrea Nahles Detlef Scheele als Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur ab. Der Verwaltungsrat der BA hatte im April 2022 Nahles als neue Vorstandsvorsitzende nominiert, nachdem die Unternehmensvertreter im Verwaltungsrat der BA ihren zunächst geäußerten Widerstand gegen die SPD-Politikerin aufgegeben hatten. Dies war mehr eine Showhaltung, waren sie doch mit Nahles Bilanz als Ministerin in Sachen Gewerkschaften und Arbeitsrecht recht zufrieden. Immerhin war es Andrea Nahles, die beispielsweise mit dem Tarifeinheitsgesetz eherne Gesetze der SPD verletzt und sich dabei an der Tarifautonomie und dem Streikrecht versündigt hatte. Die Unternehmensvertreter lobten ihren Gesetzesvorschlag zu Leiharbeit und Werkverträgen ausdrücklich und waren auch vom „Rentenkompromiss“ sehr angetan.

Geeinigt hat man sich dann auf ein Personalpaket für die Bundesagentur mit Nahles an der Spitze und mit der Ex-Deutsche-Bahn-Managerin Katrin Krömer und Vanessa Ahuja, bisher Abteilungsleiterin im Bundesarbeitsministerium, die den Vorstand ergänzen. In dem von drei auf vier Köpfe erweiterten Gremium blieb Daniel Terzenbach als Konstante erhalten.

Bei vielen Zeitgenossen, die Andrea Nahles oft als schrille Persönlichkeit, mit schnell wechselnden Standpunkten kennengelernt hatten und die gerne im Fokus der Medien steht, löste ihre Zurückhaltung in der Öffentlichkeit in den ersten Monaten ihrer Amtszeit Irritationen aus. Sie fragten sich, wann setzt sie nach der Passivität zum großen öffentlichen Sprung an und mit welcher schlechten Idee landet sie dann?

2022

Am 10.12.2022 erschien in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) ein Interview mit Andrea Nahles.

Auf die Frage: Als SPD-Chefin haben Sie den Anstoß für das Bürgergeld gegeben. Jetzt sind Sie für die Umsetzung des Hartz-IV-Nachfolgers verantwortlich. Schließt sich für Sie ein Kreis? antwortete sie: „Das kann man so sagen. Es ist selten, dass so etwas in diesem Zirkelschlag passiert. Meine Vorschläge damals resultierten aus mehr als einem Jahrzehnt Erfahrung mit dem sogenannten Hartz IV-System und der Erkenntnis, dass Veränderungen – auch mit Blick auf einen veränderten Arbeitsmarkt – dringend notwendig sind. Nun ist das Bürgergeld beschlossen. Und ich freue mich, dass darin viel aus dem Wissen und der täglichen Erfahrung der Bundesagentur für Arbeit und der Jobcenter eingeflossen ist.“

Was sie von der Lohnarbeit abhängig Beschäftigter hält kommt in der Antwort auf die Frage, ob sich beim Bürgergeld Arbeit überhaupt noch lohne. Sie sagt: „Arbeit lohnt sich immer. Selbst wer mit dem Mindestlohn beginnt, kann sich weiterentwickeln und verdient irgendwann mehr Geld. Arbeit führt somit aus der Armut und aus der Hilfsbedürftigkeit. Außerdem zahlt man in die Rente ein und ist ein Vorbild für die eigenen Kinder. Arbeit ist mehr als Kohle“.

Besonders wichtig findet sie das Coaching beim neuen Bürgergeld: „Durch lange Arbeitslosigkeit kommen manche Menschen aus dem Tritt. Wir nehmen sie jetzt an die Hand und klingeln zur Not auch morgens mal an, damit sie pünktlich bei der Arbeit erscheinen“.

2023

Im Februar 2023 sagte Andrea Nahles gegenüber der „Augsburger Allgemeine“, dass sie von der Einstellung der jüngeren Generation zur Arbeit und deren Ansprüchen irritiert sei. Die Irritation mündete dann in dem selbst abgewandelten Satz, sie ist schließlich im Langzeitstudium ausgebildete Germanistin – „Arbeit ist kein Ponyhof.“ – wonach Arbeit kein Ponyhof, sprich: nicht immer ein Vergnügen ist. Adressiert ist ihre Aussage an die junge Generation und deren Einstellung. Sie plädiert generell für ein größeres Engagement und meint dazu: „Wer sich mit seiner Arbeit identifiziert, ist flexibel und bereit, eins draufzulegen, wenn es mal eng wird“. Hier plappert sie wieder einmal das nach, was man im Arbeitsleben seit Jahren, meist von Vorgesetzten im Betrieb an die Jüngeren gerichtet, her schon kennt. Sie schließt sich damit einer Diskussion an, die seit einiger Zeit ein verändertes Arbeitsethos postuliert.

Bei ihr geht das so weit, dass sie im Ernst meint „der deutsche Arbeitsmarkt wandelt sich von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmer-Arbeitsmarkt“.

2024

Im vergangenen Jahr machte Andrea Nahles in der Debatte um Sanktionen beim neuen Bürgergeld auf sich aufmerksam. Sie unterstützte den Plan der Ampelkoalition, die Sanktionen für Bezieher des Bürgergelds zu verschärfen. Es gebe „durchaus Menschen, die sich einer Mitwirkung wirklich komplett entziehen“, sagte Nahles. Sie redete von einem „indirekten Effekt“ der Sanktionen bei mangelnder Mitwirkung: Es gehe nicht um die etwa drei Prozent, die sanktioniert würden, sondern um die 10, 20 Prozent, die die Reaktion des Staates auf Nichtmitwirkung beobachteten würden.

Grundsatzvereinbarung zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und der Bundesagentur für Arbeit 

Das Modell von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) für einen „neuen Wehrdienst“ ist vom Bundestag noch nicht verabschiedet worden. Doch einigte sich die damals noch existierende Ampelregierung im November 2024 darauf, dass ab dem kommenden Jahr alle jungen Menschen mit Erreichen des 18. Geburtstags einen Brief mit einem QR-Code erhalten sollen, der zu einem Onlinefragebogen der Bundeswehr führt. Gefragt werden soll unter anderem nach der körperlichen Fitness und der grundsätzlichen Bereitschaft zum Wehrdienst.

Die Bundeswehr soll dann die Fragebögen sichten und will um die 10.000 potenziellen  Rekruten zur Musterung laden. Das Vorhaben ist allerdings nicht mehr Gesetz geworden.

Aber es wurde im November 2024 schon mal eine neue Grundsatzvereinbarung zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) und der BA mit dem Titel „Gemeinsam für eine starke Bundeswehr: Die Zeitenwende personell gestalten“ getroffen. Demnach soll die BA in ihrer Beratung „Interessierten“ künftig sämtliche Berufsfelder der Bundeswehr präsentieren.

Den Vertrag unterzeichneten Minister Pistorius und die BA-Vorstandsvorsitzende Andrea Nahles. Dem Inhalt nach sollen „soldatische Aufgaben als berufliche Perspektive gezeigt werden“, erklärte Pistorius. Die Vereinbarung stütze sich auf die „guten Erfahrungen der bisherigen Kooperation“, insbesondere im Bereich der zivilen Personalgewinnung und der zivilberuflichen Eingliederung.

Im Fokus der neuen Vereinbarung steht nun aber besonders die Unterstützung der militärischen Personalgewinnung zur „Ertüchtigung der Streitkräfte im Geiste der ›Zeitenwende‹ durch die BA“. Vor allem geht es darum, den von Pistorius geplanten „Aufwuchs“ bei der Truppenstärke um gut 20.000 Personen „zeitgerecht“ zu bewerkstelligen.

BA und Bundeswehr wollen mit der neuen Vereinbarung „weiterhin im wichtigen Bereich der beruflichen Qualifizierung und Eingliederung der Soldatinnen und Soldaten auf Zeit in den Arbeitsmarkt“ kooperieren und so „zielgerichtet auch den Fachkräftebedarf“ der Wirtschaft decken.

Explizit sollen von der BA laut der Vereinbarung „arbeitsuchende und arbeitslose Bewerbende auf offene militärische und zivile Stellen der Bundeswehr“ vermittelt werden.

Parallel dazu soll die Beratung der BA für „einsatzgeschädigte Soldatinnen und Soldaten nach dem Ende des aktiven Dienstes mit dem Ziel der beruflichen Integration“ verbessert werden.

Insgesamt gesehen soll die Intensivierung der Zusammenarbeit „ein Ergebnis der grundlegend veränderten Sicherheitslage in Europa in Folge des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine“ sein, teilt das BMVg mit. Die Bundeswehr soll als „Garant für die Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit Deutschlands im Kontext von Nato und EU“ zur Verteidigung „auf deutschem Hoheitsgebiet“ wie auch „im Bündnisgebiet“ in der Lage sein. Aus diesem Kernauftrag leite sich der Bedarf an militärischem und zivilem Personal ab, so die Grundsatzvereinbarung zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und der Bundesagentur für Arbeit.

2025

Im Sommer 2025 schaltete sich Andrea Nahles in die Bürgergeld-Debatte ein und wollte ungefragt aber ausdrücklich den Vorstoß der schwarz-roten Koalition für die „Reform“ unterstützen. Der FAZ sagte sie: „Ich finde es richtig, Sanktionen wieder zu schärfen. Die Beschäftigten der Jobcenter sollten wieder mehr Möglichkeiten an der Hand haben, um Mitwirkungspflichten durchzusetzen. Es kostet im Alltag viel Zeit und Mühe, eine Sanktion zu verhängen und alles vorschriftsmäßig zu dokumentieren. Diese Anforderungen sollten deutlich einfacher werden“.

Dann betont sie: „Die allermeisten Menschen im Bürgergeld sind ja kooperationsbereit. Aber es gibt eben auch andere, die den Sozialstaat sozusagen auf die Probe stellen, und hier muss man klare Grenzen aufzeigen können. Mittun ist Bürgerpflicht.“

Nahles weiter: „Wir sollten aber nicht allein über die Höhe der Kürzungssätze reden. Es kommt auch darauf an, wie das Jobcenter sie im Bedarfsfall anwenden kann“.

Dann will sie das Märchen vom bandenmäßigen Missbrauch beim Bürgergeld weiter erzählen und mit Zahlen untermauern: „Demnach haben die Jobcenter im vergangenen Jahr 102.000 Fälle von Leistungsmissbrauch festgestellt. Davon waren etwa 40 Prozent so gravierend, dass sie zur Strafverfolgung an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurden; und in 421 Fällen wurde bandenmäßiger Missbrauch festgestellt. Der damit verbundene Schaden summierte sich auf rund 110 Millionen Euro.“

Soweit der letzte Presseauftritt von Andrea Nahles.

Die Konstante wird bleiben

Nach über 20 Jahren Umbau der BA von der behördlichen Bundesanstalt zur Dienstleistungsagentur waren alle Leitungspersonen unerbittliche Hartz-IV-er, die mit den Jobcentern als Sanktionsregime die Speerspitze bildeten und dafür sorgten, erwerbslose Menschen immer wieder für den Arbeitsmarkt als 1-Euro-Jobber oder Niedriglöhner zuzurichten. Das sind Menschen, die darauf angewiesen sind, Lohnarbeit zu verrichten, um nicht zu hungern oder auf der Straße leben zu müssen

Die Vorstandsvorsitzenden der BA haben sich immer als Handelnde mit einer völligen sozio-ökonomischen Ahnungslosigkeit, die Lichtjahre von der konkreten Arbeits- und Lebenssituation der abhängig beschäftigten und erwerbslosen Menschen entfernt ist, geoutet.

Diese Konstante wird bleiben, egal, welcher Mensch mit SPD-Parteibuch den Vorsitz bei der BA übernommen hat.

 

 

 

 

 

Quellen: PM Arbeitsministerium, Tagessspiegel, Junge Welt, BA, WAZ, "Augsburger Allgemeine", Grundsatzvereinbarung zwischen dem BMVgBundesministerium der Verteidigung und der BABundesagentur für Arbeit 
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