„Auf 200 Jahre Karl Marx folgen 70 Jahre Deutscher Gewerkschaftsbund nach dessen Neugründung im Oktober 1949. Was haben beide miteinander zu tun? Vordergründig nicht viel, war doch die gewerkschaftliche Debatte über die Aktualität der Marxschen Kritik der Politischen Ökonomie eher verhalten. Dabei sind es gerade Gewerkschaften, die der (Ko-)Autor des Kommunistischen Manifests und des »Kapital« für unerlässlich im Kampf gegen die alltäglichen Übergriffe des Kapitals, zur Begrenzung des maßlosen Hungers nach Mehrarbeit und zur regulatorischen Einhegung der Kapitalakkumulation durch eine progressive, transformatorische Politik gehalten hat.
Der Frage, was Marx den Gewerkschaften heute und morgen noch zu sagen hat, wird in diesem Buch von fünf profilierten Autor*innen nachgegangen. Vorgestellt wird Marx als Gewerkschaftstheoretiker, als Ökonom und Arbeitspolitiker, als Ökologe und Transformationsstratege.
Dabei gelingt nicht nur der Nachweis, dass »nichts praktischer ist als eine gute Theorie« (nicht Marx, sondern Kant), sondern auch die Analyse eines Gegenwartskapitalismus, dessen (Finanz-)Krise, neue Produktivkraftrevolution, soziale Spaltungen und globale Destruktivkräfte systemische Sprengkraft aufweisen. Die Botschaft: Der vermeintlich »tote Hund« ist lebendig – wo es erforderlich ist, auch angriffslustig und beißstark. »Befindet sich die Welt schlafwandelnd auf dem Weg in eine Krise?«,
fragt das World Economic Forum der globalen wirtschaftlichen und politischen
Elite in seinem Global Risk Report 2019. Was diese Herrschenden
umtreibt, ist eine Welt, die wirtschaftlich nicht mehr vorankommt,
in der sich Ungleichheit immer weiter verfestigt, in der Klimawandel
ebenso wie geopolitische Konflikte aus dem Ruder laufen und die 4. Industrielle
Revolution in hohem Tempo daherkommt – so das Krisenszenario
des WEF-Präsidenten Børge Brende. Eine Welt »out of control«.
Es sind Systemfragen, die die globale Elite auf die Tagesordnung setzt.
Da ist es naheliegend, dass mit ihnen auch die Marxsche Analyse des
»Bewegungsgesetz(es) der modernen Gesellschaft« (MEW 23: 15f.) an
Gebrauchswert gewinnt. Wenn nichts praktischer ist als eine gute Theorie (Kant), macht es Sinn, jenen Stimmen zu folgen, die sagen: »Wir
sollten mehr Marx wagen.«
Dieses Wagnis gingen gleichwohl nicht viele Gewerkschaftsgliederungen
ein, von einer zentralen gewerkschaftlichen Veranstaltung anlässlich
des 200. Geburtstages von Karl Marx ganz zu schweigen. Kolleg*innen
des Forum Gewerkschaften der Zeitschrift Sozialismus ergriffen deshalb die Initiative, zu prüfen, was Marx den Gewerkschaften heute
zu sagen hat. Sie erhielten Unterstützung vom Vorstandsbereich 07
der IG Metall, den Hans-Jürgen Urban verantwortet. Am 24. November
2018 fand im ausgebuchten Atrium der IG Metall in Frankfurt a.M.
die Konferenz unter dem Motto »Karl Marx: Toter Hund oder Ratgeber
der Gewerkschaften?« statt.
In fünf Referaten wurden zentrale gewerkschaftliche Handlungsfelder
und aktuelle Herausforderungen im Lichte des Marxschen Werkes
beleuchtet. Frank Deppe befasste sich grundlegend mit der Aktualität
Marxscher Gewerkschaftstheorie, Heinz Bierbaum mit der Marxschen
Analyse kapitalistischer Akkumulation und deren transformatorischem
Gehalt, Nicole Mayer-Ahuja mit der Marxschen Kapitalismusanalyse
jenseits von Technikdeterminismus, betrieblicher und nationalstaatlicher
Verengung, Klaus Dörre mit Marx’ kritischer politischer Ökologie
und den daraus sich ergebenden Ansatzpunkten für eine sozial-ökologische
Transformation und Hans-Jürgen Urban mit den Impulsen der
Marxschen Analysen für die gewerkschaftliche Verteilungs-, Arbeitsschutz-,
Ökologie- und Organisationspolitik. Fazit: »Zu den Erkenntnissen,
die uns aus dem Gegenwartskapitalismus hinaus- und in eine sozial,
ökologisch und demokratisch nachhaltige Gesellschaft hineinleiten
können, hat Marx einiges beizutragen.«
Das positive Echo auf die Tagung hat uns veranlasst, deren Ergebnisse
zu sichern und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.
Den Referent*innen sei gedankt, dass sie ihre Vorträge in kurzer Zeit
überarbeitet und um weitere Punkte, die in der von Ulrike Eiffler moderierten
Diskussion zur Sprache kamen, ergänzt haben.
Also: mehr Marx wagen – es lohnt sich“.
Bild/Inhalt & Leseprobe: www.vsa-verlag.de-Mayer-Ahuja-ua-Marx-Gewerkschaften.pdf0.9 M weitere Infos: https://www.vsa-verlag.de