Jeder sechste Mensch im Rentenbezug ist von Armut bedroht – die Überschuldung nimmt zu

Kleine Renten sind das Resultat von schlecht bezahlter Arbeit, Arbeitslosigkeit, Krankheiten, aber auch von Kindererziehung oder der Pflege von Angehörigen. Alte Menschen, die nach ihrem Erwerbsleben arm sind, haben damit meistens bis zum Ende ihres Lebens zu kämpfen. Aus eigener Kraft können sie im Rentenalter der Armut kaum entkommen. Die wenigsten können dazuverdienen, um ein gutes Alterseinkommen zu erreichen. Altersarmut ist für den Einzelnen fast immer ein dauerhaftes Problem. Von Altersarmut betroffen sind vor allem alleinstehende Frauen, langzeitarbeitslose Personen und Menschen ohne Berufsausbildung.

Wie viele Personen in Deutschland im Alter als arm bezeichnet werden, hängt ganz von der Definition ab. Die Bundesregierung bezieht sich in ihrem Armuts- und Reichtumsbericht vor allem auf die sogenannte Grundsicherungsquote. Diese weist den Anteil der Bezieher von Grundsicherung im Rentenalter aus, derzeit sind das 3,2 Prozent der Menschen im Rentenalter. Allerdings beantragen nicht alle anspruchsberechtigten alten Menschen die Grundsicherung. Mögliche Gründe dafür sind Scham, Unwissenheit oder Überforderung. Die sogenannte „verdeckte Armut“ bleibt bei der Einschätzung von Altersarmut meistens unberücksichtigt.

In dieser Betrachtung bleiben diejenigen Personen unberücksichtigt, denen Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) – XII zustünde, die aber nicht in Anspruch nehmen. Grundsicherung im Alter wird von rund 60 Prozent der Anspruchsberechtigten – hochgerechnet sind das etwa 625.000 Privathaushalte – nicht in Anspruch genommen. Bei voller Inanspruchnahme würde das verfügbare Einkommen dieser Haushalte, die Grundsicherung aktuell nicht beziehen, aber beziehen könnten, um rund 30 Prozent steigen.

Ist die Grundsicherungsquote niedrig und gleichzeitig die Anzahl der älteren Menschen hoch, die Grundsicherungsleistungen nicht beanspruchen, ist die Altersvorsorgepolitik nur scheinbar erfolgreich. Das Gleiche gilt für die derzeit auf den Weg gebrachten Reformen zur Bekämpfung von Altersarmut. Wenn ein erheblicher Teil der für den Bezug von Grundsicherung berechtigten Menschen diese nicht in Anspruch nimmt, dann hat eine Ausweitung der Grundsicherungsleistung nur einen geringen Effekt auf deren finanzielle Lage.

Unberücksichtigt bleibt auch in der Diskussion um die Altersarmut, dass es sich weniger um eine Verarmung im Alters, sondern eher um eine Alterung der Armut handelt, weil rund 40 Prozent der Menschen, die neu Leistungen aus der Grundsicherung erhalten, aus zeitlich vorgelagertem Leistungsbezug gemäß anderer Sozialgesetzbücher kommen. Hier sind dies vor allem die Grundsicherung wegen Erwerbsminderung, die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach SGB II oder der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel SGB XII.

Diese Zahlen zeigen, dass alleine aus der Anzahl niedriger Renten nicht auf eine mangelhafte Leistungsfähigkeit des Rentensystems schließen lässt. Die Höhe der Rente hängt einerseits von der Höhe des versicherten Entgelts auf Basis des Monatsentgelts und andererseits von der Anzahl der Beitragsjahre ab. Niedrige Altersrenten entstehen somit aus reduzierter Arbeitszeit und/oder verkürzter Versicherungsdauer. Trotzdem kann man nicht sagen, dass der Anteil niedriger Renten etwas über das Ausmaß von Altersarmut aussagt oder dass der Anteil aufgestockter Altersrenten Auskunft über die Leistungsfähigkeit des Rentensystems gibt.

Es kommen andere Faktoren hinzu, wie bespielweise die individuelle Überschuldung älterer Menschen.

Im Jahr 2008 waren es noch rund 119.000 Personen ab 70 Jahren, die Schulden hatten. 2018 waren es mit rund 263.000 Betroffenen doppelt so viele. Im Gegensatz zu jüngeren kommen ältere Menschen kaum aus der Schuldenfalle heraus.

Die Zahl der Insolvenzen bei Personen, die über 60 Jahre alt sind, stieg in den vergangenen Jahren in Deutschland im zweistelligen Prozentbereich an.

Zu den allgemeinen Überschuldungsfaktoren kommen bei älteren Menschen noch einige weitere hinzu, so z.B.:

– Einkommensreduzierung bei Renteneintritt, Auswirkung der steigenden Altersarmut,

– steigende Energie- und Lebenshaltungskosten bei stagnierenden Renteneinkünften,

– steigende Gesundheitsausgaben,

– mangelnde Unterstützung durch Angehörige,

– finanzielle Unterstützung für die Familien ihrer Kinder und für die Enkel,

– aus Scham werden oft die notwendigen finanziellen Hilfen des Staates nicht in Anspruch genommen,

– Tod des Ehepartners, Mitverpflichtung bei Krediten des Verstorbenen, keinen Überblick über die Finanzen, da nur der Ehepartner allein Einblick hatte

– hohe Ratenzahlung, die die Existenz gefährden und fehlende Prioritätensetzung bei der Ratenzahlung,

– Ausgaben für Pflegedienstleistungen,

und ältere Menschen werden häufig Opfer von Haustürgeschäften und unseriösen Vertragsabschlüssen.

Schulden zu haben, ist für viele ältere Menschen ein Tabuthema, bei dem sie völlig auf ihre Rechte verzichten und sich selbst den Gläubigern ausliefern.

Notwendig ist hier, dass die Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen als Ansprechpartner auch langfristig zur Verfügung stehen und die älteren Menschen aktiv begleiten müssen, z.B. beim Leben an der Pfändungsgrenze oder während des Insolvenzverfahrens. Es müssen passgenaue Angebote für ältere überschuldete Menschen entwickelt und die Präventionsarbeit ausgebaut werden. Ebenso ist eine frühzeitige Budgetberatung, Informationen über Sozialleistungen, Abbau von Beratungshemmschwellen und die Bearbeitung typischer Schuldenfallen im Alter erforderlich.

 

 

Quellen: Armuts- und Reichtumsbericht, SGB II+XII, Creditreform
Bildbearbeitung; L.N.