Alle Beiträge von LN-Redaktion

Pete Seeger – Ein Leben lang Gewerkschafter, politischer Aktivist und Umweltschützer

Pete Seeger war Gewerkschafter, politischer Aktivist und Umweltschützer, der mit seinen Liedern zahlreiche Friedens-, Gewerkschafts- und Freiheitsbewegungen angestoßen und begleitet hat.

Viele Folk- und Rockmusiker, Liedermacher und Protestsänger wurden durch seine Lieder inspiriert, darunter Joan Baez, Bob Dylan, und Bruce Springsteen. Er verstand es, jedes Publikum zum Singen zu bringen. Selbst seine politischen Gegner stimmten irgendwann mit ein.

Laut Mitsingen kann das Publikum nur, wenn Emotionen aufkommen und die kamen bei Pete Seegers Konzerten nicht nur durch den Rhythmus, sondern immer dann, wenn das Publikum die Botschaft begriff, die in den Liedertexten steckte. Er verstand es, die aktuellen politischen Fragen auch in seine älteren Lieder immer wieder neu einzubauen.

Allen bekannt sind die Lieder, wie „ Where Have All the Flowers Gone, We Shall Overcome“ und „If I Had a Hammer“, wenige kennen aber sein Leben als Gewerkschafter und politischer Mensch. Pete Seeger – Ein Leben lang Gewerkschafter, politischer Aktivist und Umweltschützer weiterlesen

Artikelserie Formen gesellschaftlicher Arbeit und Klassenpolitik (IV – Zwangsarbeit)

Von Ingo Schmidt

Zwangsarbeit interessiert in der liberalen Gesellschaft nur am Rande. Das Zusammenleben regeln von rechtlich freien Bürgern geschlossene Verträge, nicht von oben mit Zwang durchgesetzte Zucht und Ordnung. Wird Zwangsarbeit doch einmal angesprochen, geht es meist um illiberale Gesellschaften.
Gern wird auf China und Russland gezeigt. Auch die Sklaverei in den amerikanischen Südstaaten und die Vernichtung durch Arbeit in Nazi-Konzentrationslagern wird mitunter erwähnt. Menschenhandel und Zwangsprostitution in den liberalen Gesellschaften der Gegenwart werden bevorzugt osteuropäischer Mafia und islamischen Clans angelastet.

Die Opfer dieser Machenschaften sind dabei von untergeordnetem Interesse. Wichtiger ist die Botschaft: Liberale Gesellschaften können illiberale Praxen überwinden, müssen sich aber beständig der Bedrohung durch illiberale Kräfte erwehren. Wer glaubt, Selbstkritik gehöre zum Liberalismus sieht sich getäuscht. Der eigene Illiberalismus wird im Eifer des Gefechts gegen die äußere Bedrohung gern übersehen. Artikelserie Formen gesellschaftlicher Arbeit und Klassenpolitik (IV – Zwangsarbeit) weiterlesen

Über 150 Organisationen protestieren gegen sozialrechtliche Verschärfungen für Geflüchtete und machen deutlich: Die Menschenwürde gilt für alle!

Von Pro Asyl

Vor 30 Jahren – am 1. November 1993 – trat das Asylbewerberleistungsgesetz in Kraft. Zum traurigen Jubiläum kritisiert ein Bündnis von 154 Organisationen auf Bundes‑, Landes- und kommunaler Ebene die aktuell besonders heftige Debatte über immer weitere Einschränkungen bei Sozialleistungen für Geflüchtete. Die Forderungen des Appells lauten: Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft werden! Die Betroffenen müssen in das reguläre Sozialleistungssystem eingegliedert werden.

30 Jahre lang Diskriminierung, Entmündigung und Kürzungen am Existenzminimum Geflüchteter – das ist die Bilanz, die PRO ASYL und Wohlfahrtsverbände, medizinische Organisationen, Menschenrechtsorganisationen und Antidiskriminierungsvereine ziehen.

Und ein Ende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil:

Über 150 Organisationen protestieren gegen sozialrechtliche Verschärfungen für Geflüchtete und machen deutlich: Die Menschenwürde gilt für alle! weiterlesen

VKG: ver.di nach dem Bundeskongress

Allgemein

  1. Der 6. Bundeskongress von ver.di fand in einer Zeit von mehrfachen gesellschaftlichen Krisen statt. Diese treffen die Beschäftigten, die sich in ver.di organisieren, wie auch die gesamte arbeitende Klasse. In den Diskussionen wurden eine Reihe von grundlegenden Fragen aufgeworfen. Die Auseinandersetzung um die Haltung zum Ukraine-Krieg (Waffenlieferungen, Sanktionen, Aufrüstung und Militarisierung), Tarifpolitik, Sozialpartnerschaft, das Verhältnis zur Regierung u.v.m. muss nun dringend fortgesetzt werden.
  2. Die Kosten für die Corona-Pandemie, den Krieg, die bereits einsetzende Wirtschaftskrise, die hohe Inflation, die Folgen von Klimazerstörung usw. werden auf die Beschäftigten abgewälzt. Dem gegenüber stehen Rekordgewinne der Konzerne. Um diese zu sichern, werden die Angriffe auf die Löhne, die Arbeitszeit und allgemein die Arbeits- und Lebensbedingung der Arbeitenden verschärft – ob direkt durch die Unternehmen oder indirekt durch zum Beispiel Preissteigerungen. Der Kampf um Deutschlands Einfluss in der Welt, der für die Kapitalseite eine militärische Aufrüstung notwendig macht, ist untrennbar mit einem verschärften Klassenkampf im Inneren verbunden.
  3. Daraus wächst die Notwendigkeit, dass die Gewerkschaft ihrer Aufgabe nachkommt, unmittelbar gegen Reallohnverluste, mögliche Angriffe auf das Streikrecht, die Rente und gegen den Kürzungshaushalt der Bundesregierung zu kämpfen und sich auf weitere Angriffe vorzubereiten. Eine teilweise wachsende kämpferische Stimmung an der Basis hat sich auch in einigen Reden des alten und neuen Bundesvorstands niedergeschlagen.
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IMI-Standpunkt: Ukraine und der „Nahen Osten“ – Die Entlarvung der „regelbasierte Ordnung“

Von Bernhard Klaus

Die „Zeitenwende“ als Ausnahmezustand niedriger Intensität

Nur drei Tage nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar 2022 in seiner historischen Rede vor dem Bundestag eine Zeitenwende an. Sie läutete in Deutschland eine Art Ausnahmezustand niederer Intensität ein. Ein Beispiel hierfür auf juristischer Ebene ist das von der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse ausgenommene Sondervermögen für die Bundeswehr. Eine derart umfangreiche Nettokreditaufnahme sah das Grundgesetz nur „im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“, vor. Dass der russische Angriff auf die Ukraine bzw. die vermeintliche Unterfinanzierung der Bundeswehr als solche klassifiziert werden könnte, ist in mehrfacher Hinsicht zweifelhaft. Deshalb hatte Scholz schon in seiner Rede eine Verfassungsänderung angekündigt, die dann recht schnell und reibungslos vom Parlament abgesegnet wurde – obwohl es sich dabei um „ein verfassungsrechtliches Novum“ handelte (Hanno Kube).

Auch sonst lässt man seit der Ausrufung der Zeitenwende gerne mal fünfe gerade sein. IMI-Standpunkt: Ukraine und der „Nahen Osten“ – Die Entlarvung der „regelbasierte Ordnung“ weiterlesen

„Deutsche Wohnen & Co enteignen“ kündigt Gesetzesvolksentscheid an

Im September 2021 sagten 59,1 Prozent der Berliner in einem Volksentscheid JA zur Vergesellschaftung großer, profitorientierter Immobilienunternehmen. Ein Auftrag an die Politik, Investoren aus der Stadt zu vertreiben, die mit Wohnraum Profit machen.

Doch in den vergangenen zwei Jahren ist kaum etwas passiert, obwohl noch im Juni 2023 eine vom Senat eingesetzte Expertenkommission in ihrem Abschlussbericht die rechtliche Machbarkeit und auch die Finanzierbarkeit der Enteignung großer profitorientierter Immobilienkonzerne ohne Zweifel bestätigt hat.

Nun will die Initiative der anhaltenden Blockade des Berliner Senats ein Ende bereiten und einen Gesetzesvolksentscheid zur Durchsetzung des demokratischen Votums auf den Weg bringen. Dabei wird erneut auf ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Akteure, wie auch auf ihre gute Verankerung in den Berliner Kiezen gebaut. Der Zeitplan sieht so aus, dass das fertige Vergesellschaftungsgesetz im Laufe des nächsten Jahres vorliegt, der Gesetzesvolksentscheid damit offiziell eingeleitet wird und die üblichen Stufen im demokratischen Prozess bis zur Abstimmung durchlaufen werden können. „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ kündigt Gesetzesvolksentscheid an weiterlesen

Renten: Nicht die Demografie, sondern die Arbeitseinkommen sind entscheidend

Von Werner Rügemer

Der jetzige Renten-Zustand in Deutschland verletzt Grundgesetz, Rechtsstaat und die Menschenrechte und ist typisch für einen feudal-kapitalistischen Klassenstaat. Deutschland steht dabei auf der Unrechts-Skala Europas ganz oben.

Das herrschende Renten-Narrativ lautet bekanntlich: „Die Renten“ sind gefährdet, weil immer mehr Rentner von immer weniger Beschäftigten finanziert werden müssen. Und mit den Babyboomern, die in den nächsten Jahren in die Rente gehen, werde es noch dramatischer. Deshalb müsse das Arbeitsleben verlängert und es müsse noch mehr privat etwa mit Aktienanlagen vorgesorgt werden. Schauen wir uns den Lügen-Komplex der Demografie-Schwurbler und Demografie-Schwurblerinnen genauer an. Renten: Nicht die Demografie, sondern die Arbeitseinkommen sind entscheidend weiterlesen

Wessen Morgen ist der Morgen – Arbeiterlied und Arbeiterkämpfe in Deutschland

Von Kai Degenhardt

Wessen Morgen ist der Morgen? Wessen Welt ist die Welt? Die Klassenkämpfe, durch alle Jahrhunderte hinweg, handeln von der Beantwortung dieser beiden kurzen Fragen. Sie stehen im Schlussrefrain des »Solidaritätslieds«, eines der am häufigsten gesungenen Arbeiterlieder, geschrieben von Bertolt Brecht und vertont von Hanns Eisler.

Die Geschichte des deutschen Arbeiterlieds, von seiner Entstehung im Zuge der Industriellen Revolution bis in die Gegenwart, ist das Thema dieses Buchs. Die vielen Kämpfe und Niederlagen, Erfolge und Fehlschläge der Arbeiterbewegung werden nachgezeichnet, und ich will aufzeigen, wie sich diese wechselvolle Geschichte in den Arbeiterliedern widerspiegelt. Dabei sind die Lieder mitunter selbst Quellenmaterial, wenn sie ihrerseits Auskunft geben über die ideologischen Kämpfe und die Lage in- und außerhalb der Bewegung. Wessen Morgen ist der Morgen – Arbeiterlied und Arbeiterkämpfe in Deutschland weiterlesen

Was wir von der Friedensbewegung des vorigen Jahrhunderts lernen können

Von Wilhelm Neurohr

„Es vollzieht sich in unserem Land eine Militarisierung der Gesellschaft. (…) Die Menschen sollen den dritten Weltkrieg als eine Möglichkeit annehmen“. (Dorothee Sölle)

Die Friedensbewegung hat aktuell zu einer großen Friedensdemo am 25. November 2023 in Berlin aufgerufen, vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und in Nahost und in anderen Teilen der Welt sowie der gigantischen Aufrüstungsprogramme. Sie kann sich dabei auf Friedensaktivisten berufen, die bereits im vorigen Jahrhundert die heutige Entwicklung vom kalten Krieg zum heißen Krieg vorausgesehen haben und Alternativen aufzeigten oder Widerstand leisteten. Ihre erschütternden Worte klingen wie aus der Gegenwart und rütteln mehr denn je auf. Es sind radikale Stimmen der Vernunft.

Dafür stehen Namen von Pazifisten wie Dorothee Sölle, Heinrich Gollwitzer, Heinrich Albertz und Dietrich Bonhoeffer als evangelische Theologen und Uta Ranke-Heinemann als katholische Theologin. Unvergessen ist auch die Schriftstellerin und Friedensnobelpreisträgerin aus der Friedens- und Frauenbewegung, Bertha von Suttner, aber auch Politiker wie Gustav Heinemann oder die grüne Politikerin Petra Kelly, die Schriftsteller Heinrich Böll, Freimut Duve und andere. Hören wir heute auf ihre zeitlosen Worte, allen voran Dorothee Sölle, dann begreifen wir: Der Krieg beginnt in den Köpfen.

Damals hieß es: „Nie wieder Krieg!“
Heute verkündete Verteidigungsminister Pistorius: „Wir müssen wieder kriegstüchtig werden.“ Er beschwört die reale Gefahr eines weiteren Krieges in Europa.

„Warum ist es heute möglich, Kriege zu führen, obwohl sie unmoralisch, grausam und für die Mehrheit der Bevölkerung zum Nachteil sind und gegen das Völkerrecht verstoßen? (Jonas Tögel in „Der Freitag“). Hier sollte die Friedenbewegung den Finger in die Wunde legen. Kriege sind ein großes Geschäft, denn das sind die Realitäten: Die weltweiten Militärausgaben sind 2022 auf den Rekordwert von 2,24 Bio. US-Dollar angestiegen. Davon entfallen auf die USA 39%, auf China 13% und auf Russland nur 3,9%. Die 29 NATO-Staaten steuern 1,18 Bio. € bei. Was wir von der Friedensbewegung des vorigen Jahrhunderts lernen können weiterlesen

Betriebliches Fahrradleasing unter dem Aspekt von Verantwortung, Sozialpartnerschaft und Co- Management

Von N.N.

Das in der Betreff- Zeile angesprochene General- Thema soll im Folgenden gezielt über eine Auseinandersetzung mit dem sogenannten „Betrieblichen Fahrradleasing“ buchstäblich „ins Rollen“ gebracht werden.

So richtig auseinandergesetzt mit dem Thema „Fahrradleasing“ habe ich mich erst, seitdem auch in unserem Betrieb (Automobilzulieferer mit regional ca. 1500 Beschäftigten / deutschlandweit ca. 10 000 Beschäftigte) entsprechende Betriebsvereinbarungen unter diesem Hintergrund abgeschlossen wurden.

Unter anderem auch sogenannte Überlassungsverträge zwischen dem einzelnen Beschäftigten und dem Arbeitgeber, in denen im Kern die Einzelheiten zur Gehalts- bzw. Barlohnumwandlung geregelt werden.

Nun zu meinen konkreten Hinweisen / Kritik- Punkten: Betriebliches Fahrradleasing unter dem Aspekt von Verantwortung, Sozialpartnerschaft und Co- Management weiterlesen

Die langjährige Krise der Gewerkschaften ist ungleich ausgeprägt

Von Nicole Mayer-Ahuja

Hintergrund aktueller gewerkschaftlicher Politik ist sicherlich die viel diskutierte „Krise der Gewerkschaften“, die im Wesentlichen zwei Dimensionen hat: Mitgliederverluste, welche die Organisationsmacht der Gewerkschaften empfindlich schwächen (aktuell liegt der gewerkschaftliche Organisationsgrad in Deutschland bei ca. 14 Prozent) – und eine politische Großwetterlage (spätestens seit den 1980er Jahren, verschärft seit 1990), die kollektive Regulierung als Freiheitsentzug und ungerechtfertigte Einschränkung individueller Wahlmöglichkeiten geißelt und die Gewerkschaften als Dinosaurier eines angeblich überwundenen Industriezeitalters sowie als Pressure Group der sprichwörtlichen alten weißen Männer erscheinen lässt, die ihre überkommenen Privilegien verteidigen. Diese Schwächung betrifft gewerkschaftliche Politik insgesamt. Zugleich weist Wolfgang Schröder zurecht darauf hin, dass sich große Unterschiede feststellen lassen (ob man daraus „Welten der Arbeitsbeziehungen“ ableiten muss, sei dahingestellt): Während in Großbetrieben der Industrie teilweise noch hohe Organisationsgrade (und starke Betriebsräte) vorherrschen (die ihre betrieblichen Machtressourcen im Sinne von „Produktionsmacht“ allerdings nach wie vor eher aus Arbeiter*innen- denn auch Angestelltenbereichen beziehen), gibt es wachsende betriebsratsfreie Zonen und weiße Flecken der Tariflandschaft in neuen Industrien (z.B. Windkraftanlagen), aber vor allem im Bereich der formal gering qualifizierten Dienstleistungen. Die langjährige Krise der Gewerkschaften ist ungleich ausgeprägt weiterlesen

Woody Guthrie Festival 2023 – Der politisch und gewerkschaftlich aktive Lyriker und Balladenschreiber

Das Bild links zeigt Woody Guthrie im Jahr 1943. Zu der Zeit schreibt sich Guthrie erstmals den Satz „This Machine Kills Fascists – Diese Maschine tötet Faschisten“ auf die Gitarre. Ein mächtiger Spruch, den er auch in den folgenden Jahren beibehält und der zu seinem Markenzeichen wird. Woody Guthrie war der bekannteste und einflussreichste politische Sänger in den USA. Seit den 1940er Jahren hat sein Stil die Songkultur nachhaltig geprägt. Er war Antifaschist, aktiver Gewerkschafter und er beeinflusste die politische Linke nicht nur in den USA.

Das Woody Guthrie Festival 2023 findet vom 03. bis zum 19.November in Münster statt und  steht unter dem Motto „Mut zum Besseren“. Woody Guthrie Festival 2023 – Der politisch und gewerkschaftlich aktive Lyriker und Balladenschreiber weiterlesen

Neue Entwicklungen bei den Tarifauseinandersetzungen in der „Zeitenwende“

Nach drei Jahren Reallohn-Einbußen wären Anfang 2022 Lohnsteigerungen oberhalb der Inflation auf jeden Fall angesagt gewesen. Vor allem brauchen die vielen Millionen Beschäftigten, die nicht tarifgebunden im Niedriglohnsektor arbeiten und die nicht bzw. für die niemand streikt, deutlich höhere Löhne.

Doch sind die Tariflöhne im Jahr 2022 um magere 2,7 Prozent (incl. Sonderzahlungen) gegenüber den Tariflöhnen des Vorjahres gestiegen. Die geringe Steigerung ist dem Wirtschaftskriegskurs des „Wertewestens“ mit seinen heftigen Inflationsschüben und mageren Tarifabschlüssen geschuldet. Diese Entwicklung hat innerhalb eines Jahres zu einem Wohlstandsgefälle um glatt ein Zehntel geführt.

Während Familien mit geringem Einkommen, die von der Teuerung am stärksten betroffene Gruppe sind und zum Jahresende 2022 eine Inflationsbelastung von 11,5 Prozent hatten, nutzen viele Unternehmen die Gunst der Stunde, um Marge und Gewinn kräftig auszuweiten und so die Inflation noch zusätzlich anzuheizen. Man kann durchaus von einer Gewinn-Preis-Spirale sprechen.

Es ist ernüchternd, was die Tarifabschlüsse seit Anfang des Jahres 2022 bis Ende des 1. Halbjahres 2023 hergeben.

In den Tarifverhandlungen sind nicht nur grottenschlechte Ergebnisse erzielt worden, sondern von den Gewerkschaftsführungen wurden teils offen, teils versteckt etliche  „Neuerungen“ eingeführt. Dazu gehören beispielsweise Sonderzahlungen, längere Tariflaufzeiten, Abbau von innergewerkschaftlicher Demokratie, fragliche Rechenspiele als Legitimation von Tarifergebnissen bei den Mitgliederbefragungen und die Instrumentalisierung der Arbeitsrechtsprechung. Neue Entwicklungen bei den Tarifauseinandersetzungen in der „Zeitenwende“ weiterlesen

Die Arbeitenden als Subjekte der Transformation? Die IG Metall vor dem Gewerkschaftstag

Von Stephan Krull

Ende Oktober findet der 25. Gewerkschaftstag der IG Metall statt in konfliktgeladener Zeit. Der Krieg in der Ukraine, die Klimakatastrophe und die Dekarbonisierung der Industrie sind die großen Themen, dazu jeweils der Zusammenhang mit den „klassischen“ Gewerkschaftsthemen Mitbestimmung, Arbeitszeit, Entgelt, soziale Sicherheit sowie Erhalt und Stärkung der Kraft der Gewerkschaft selbst.

Zunächst stehen jedoch die großen Fragen von Krieg und Frieden, von Klimakatastrophe und Mobilitätswende auf der Tagesordnung des Gewerkschaftstages.

Kennzeichnend für die gegenwärtige Situation: Viele Unternehmen bzw. deren Eigentümer haben kaum Interesse an einer industriellen Transformation – weil sie Geld kostet und danach unter Umständen geringere Profite zu erwarten sind. Industrieunternehmen wandeln sich zu Finanz- oder Dienstleistungsunternehmen, die Produktion wandert nach Osteuropa oder Asien ab oder die Produktion wird schlicht eingestellt, weil den Eigentümern die Profitraten von drei bis fünf Prozent zu gering sind. Die Aussicht auf mehr Erwerbslosigkeit und Schwächung der Gewerkschaften ist durchaus beabsichtigt, schafft sie doch günstigere Bedingungen zur Verwertung der Arbeitskraft, zur Erweiterung der Reservearmee für prekäre Arbeit.
Daraus sowie aus der Politik der Zentralbank und der Tatenlosigkeit der Regierung erklärt sich, vornehm formuliert, die Investitionszurückhaltung vieler industrieller Bereiche. Die Arbeitenden als Subjekte der Transformation? Die IG Metall vor dem Gewerkschaftstag weiterlesen