Alle Beiträge von LN-Redaktion

Corona-Aufarbeitung: Warum wurde gelogen?

Von Suitbert Cechura

Der Streit um die RKI-Protokolle könnte Aufklärung bringen über die Standpunkte von Politik, Wissenschaft, Medien und ihrer Kritiker.

Die Sitzungsprotokolle des Robert-Koch-Instituts (RKI) für die Zeit der Corona-Pandemie sind durch eine Journalistin ungeschwärzt veröffentlicht worden mit Hilfe von Leaks. Sofort setzte der Streit ein, ob diese Protokolle Grundlage für einen Skandal abgeben oder nicht. Die beteiligten Politiker, Wissenschaftler und auch Teile der Medien winkten gleich ab, während die Kritiker der Corona-Politik sich in ihrem Weltbild bestätigt sehen und den Ruf nach Aufarbeitung erheben. Dabei geht der Streit im Wesentlichen um die Begründung der Corona-Maßnahmen und weniger um diese selbst. Deshalb ist es sinnvoll, diese in Erinnerung zu rufen. Corona-Aufarbeitung: Warum wurde gelogen? weiterlesen

Volkswagen: Massiven Angriff zurückschlagen!

Von Angelika Teweleit

Kampf um den Erhalt aller Arbeitsplätze

Mit einem donnernden Paukenschlag hat der Vorstand von Volkswagen (VW) Anfang September den Abbau von zehntausenden Arbeitsplätzen und die Aufkündigung des Tarifvertrages zur Beschäftigungssicherung verkündet. Sie geben an, ganze Standorte schließen zu wollen.

Nun geht bei den Kolleginnen und Kollegen die Angst um, ob sie betroffen sein werden. Es geht um existenzielle Fragen: Ob man den Arbeitsplatz verliert und damit das Einkommen? Was passiert mit dem Haus, was man vielleicht auf Kredit gebaut hat? Wie soll man die Familie über die Runden bringen? Schließt ein Werk mit vielen Beschäftigten, trifft es auch Zulieferer und Dienstleistungsbetriebe in der Stadt. Eine Standortschließung bedeutet für viele Familien große Not und ganze Städte oder Regionen sind betroffen. Natürlich ist es auch Kalkül vom Vorstand, nicht zu benennen, welche Werke betroffen sein sollen, um zu erreichen, dass Kolleg*innen aus Angst, selbst von Kündigung betroffen zu sein, sich fürchten, den Kopf zu erheben.

Die Kolleginnen und Kollegen sind aber auch empört und wütend. Denn für den Beschäftigungssicherungsvertrag haben sie verzichtet. Sie haben sich darauf verlassen, dass die Zusagen gelten. Doch Zusagen der Konzernbosse sind nichts wert, wie man jetzt sieht. Das Schicksal der Kolleginnen und Kollegen ist ihnen außerdem egal. Volkswagen: Massiven Angriff zurückschlagen! weiterlesen

Wohnwende – Wohnungen müssen raus aus dem Markt

Von Knut Unger

Für Gemeinwirtschaft und die gesellschaftliche Kontrolle des Eigentums
Neben dem globalen Klima, der globalen Sicherheit und der globalen Finanzarchitektur befinden sich auch die Wohnverhältnisse fast überall in einer Dauerkrise. Das Wohnen wird für immer mehr Menschen unerschwinglich. 400000 Wohnungen wollte die Bundesregierung jährlich neu bauen, davon 100000 Sozialwohnungen. Es ist die einzige bedeutend aussehende Antwort der Ampel auf das Wohnungsmarktversagen. Sie ist und bleibt schon im Anlauf gescheitert.

Aus sozialen und aus ökologischen Gründen brauchen wir eine radikal andere Wohnungspolitik. Verteilung, Bewirtschaftung und die Erneuerung des gesamten Wohnungsbestands müssen strikt am Gemeinwohl ausgerichtet werden. Das kann nur gelingen, wenn die Mieten konsequent gedeckelt, Wohnraum sozial umverteilt, nachhaltig bewirtschaftet und demokratisch verwaltet wird.
Die Grundlage dafür bietet das Grundgesetz: Nach Art.14 GG muss der Gebrauch des Eigentums zugleich dem Allgemeinwohl dienen. Und für die Wirtschaftsbereiche, in denen das nicht gelingt, hat uns das Grundgesetz Artikel 15 an die Hand gegeben. Die Gesetzgeber können Grund und Boden sowie die Produktionsmittel der Immobilienfinanzindustrie in Gemeineigentum oder eine andere Form der Gemeinwirtschaft überführen.

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Die Kollegin Ariane Müller verabschiedet sich nach über 50 Jahren Krankenhausarbeit, davon über 42 Jahre im KBM, und sagt mit dieser Ausgabe Tschüss

Liebe Kolleg*innen,

ich möchte mich mit dieser Ausgabe von Euch verabschieden. Ich werde es wohl aus zeitlichen Gründen leider nicht schaffen, auf allen Stationen und Abteilungen persönlich vorbei zu kommen und adieu zu sagen.  Ich hätte mich noch sehr gerne weiterhin für ein paar weitere Jahre für Euch eingesetzt, für Eure Interessen zu kämpfen.

Leider waren mir oft zeitlich die Hände gebunden, noch mehr für Euch zu tun. Ich wäre sehr viel öfters zu Euch auf die Stationen und in die Abteilungen gekommen, um noch intensiver mit Euch ins Gespräch zu kommen und mich für euch einzusetzen. Ich hatte als freigestellte Betriebsrätin nur eine halbe Stelle inne gehabt.

Auch war mir wichtig gewesen, ab und zu mal am Wochenende auf der Intensivstation Nachtschichten zu machen, um den Kontakt zur Basis nicht zu verlieren und ich habe immer sehr gerne am Patientenbett gearbeitet. Wie viele Betriebsratsmitglieder sind seit sehr vielen Jahren freigestellt und haben schon seit langer Zeit den Kontakt zur Basis verloren. Diese wissen doch gar nicht mehr, wie es Tag für Tag arbeitsmäßig auf den Stationen zugeht.

Wir werden mit dieser Ausgabe einen Artikel aus dem Overton Magazin mitveröffentlichen. Der Text bringt es auf den Punkt. Wir wissen, dass diese Ausgabe sehr umfangreich ist. Uns war es aber wichtig, möglichst viele relevante  Aspekte zu veröffentlichen.  Ich hätte auch ein  Buch schreiben können …………           Die Kollegin Ariane Müller verabschiedet sich nach über 50 Jahren Krankenhausarbeit, davon über 42 Jahre im KBM, und sagt mit dieser Ausgabe Tschüss weiterlesen

Für einen Wandel in der Migrations- und Asylpolitk

Von Die Linke

Die aktuellen Vorstöße verschiedener Politiker*innen zum Thema Migration und Asyl heizen einen stigmatisierenden und diskriminierenden öffentlichen Diskurs gegen Menschen mit Migrationshintergrund an. Das hat reale Folgen: Die Gewalt gegen geflüchtete Menschen hat in Deutschland 2023 stark zugenommen. Insgesamt wurden 75 Prozent mehr Straftaten gegen geflüchtete Menschen registriert. Knapp 90 Prozent dieser Straftaten wurde von Rechten ausgeübt.[1] Aus populistischen Drohungen werden reale Gefahren für den Leib und Leben von Menschen in Deutschland.

Klar ist, dass in Deutschland reale Probleme bei der Migration existieren. Die Kommunen sind massiv unterfinanziert, beim Bundeshaushalt wird bei der Migration und Integration gekürzt und noch immer gibt es keine funktionierenden Ansätze auf europäischer Ebene für eine gemeinsame Asylpolitik, die Menschenrechte achtet. Um Antworten zu finden, müssen reale Fakten und statistische Daten einbezogen werden. Populistische und oftmals stigmatisierende, diskriminierende und rassistische Äußerungen von Söder bis Wagenknecht – die keinerlei reale Grundlage haben – sind keine Lösung. Sie verdrehen die Realität und öffnen den öffentlichen Diskurs ungebremst nach rechts – ein Nährboden für die extreme Rechte.

Was sagen die Fakten? Für einen Wandel in der Migrations- und Asylpolitk weiterlesen

Bundesregierungen garantieren Konzernprofite: DAX-Konzerne erhielten in den vergangenen Jahren Subventionen in Höhe von 44 Milliarden Euro

Der politische Wille der Bundesregierungen der letzten Jahre hat dazu geführt, dass die DAX-Konzerne ein stetig wachsendes Volumen an Subventionen erhalten haben und im gleichen Zeitraum deutliche Gewinne verbuchen konnten. Bei vielen DAX-Unternehmen entsprach die Höhe der erhaltenen Subventionen dem Vorsteuergewinn der vergangenen acht Jahre, in dem Zeitraum haben sie keinen Beitrag zu den öffentlichen Kassen geleistet, da die gezahlten Steuern geringer waren als die erhaltenen Subventionen.

Zu diesem Ergebnis kommt eine im Juli 2024 veröffentlichte Studie des unternehmensnahen Flossbach von Storch Research Institutes (FSRI) des gleichnamigen Kölner Vermögensverwalters. Den Geschäftsberichten der 40 untersuchten DAX-Unternehmen sei ein Gesamtvolumen der staatlichen Zahlungen in Höhe von 35 Milliarden Euro zu entnehmen. Mit Berücksichtigung der EU-Transparenzdatenbank ergibt sich sogar ein Betrag von insgesamt 44 Milliarden Euro.

In der Studie des Instituts wird die Sorge ausgedrückt, dass die staatlichen Zahlungen private Investitionen verdrängten könnten, Ineffizienzen und Wettbewerbsverzerrungen hervorrufen würden und damit ihr ursprüngliches gesellschaftliches oder politisches Ziel verfehlen.

Mehr noch, laut Studie könne kein Nachweis erbracht werden, dass die öffentlichen Gelder tatsächlich einen gesellschaftlichen Mehrwert erbracht hätten. Vielmehr sei zu befürchten, dass ein Großteil der Mittel lediglich private Gelder ersetze. Des weiteren führten die so eingesetzten Subventionen dazu, dass Großkonzerne Investitionen in Geschäftsfelder tätigen würden, bei denen unklar sei, ob sie überhaupt langfristig profitabel unterhalten werden könnten. Folgen einer solchen Subventionspolitik seien Ressourcenverschwendung, Wettbewerbsverzerrung und eine Abhängigkeit der Wirtschaft von staatlichen Geldern. Bundesregierungen garantieren Konzernprofite: DAX-Konzerne erhielten in den vergangenen Jahren Subventionen in Höhe von 44 Milliarden Euro weiterlesen

Diplomatie jetzt! Appell für Frieden in der Ukraine

Wir – politische Aktivistinnen und Aktivisten, Intellektuelle und Bürgerinnen und Bürger –, die diesen Aufruf für eine gemeinsame, universelle und internationale diplomatische Initiative für den Frieden in Europa und in der Welt unterzeichnet haben, sind von Folgendem überzeugt:

Das Blutvergießen und die Zerstörung in der Ukraine müssen ein Ende haben. Wir stehen an der Seite der ukrainischen Bevölkerung und aller Opfer dieses Krieges, die so schnell wie möglich Frieden, Wiederaufbau und Freiheit verdienen. Doch eines ist klar: Ohne Verhandlungen wird es weder Frieden noch Wiederaufbau und Freiheit geben. Nur 20 Prozent aller zwischenstaatlichen Kriege enden mit einem klaren Sieg oder einer Niederlage, und selbst dann oft erst nach vielen Jahren. Die Zivilgesellschaft und die internationale Gemeinschaft müssen daher alle Anstrengungen unternehmen, um den Weg für einen Waffenstillstand und anschließende Gespräche für einen dauerhaften Frieden zu ebnen.

Auch wenn die Verhandlungen schon früh während des Krieges abgebrochen wurden und weder die russische noch die ukrainische Regierung seither Verhandlungsbereitschaft gezeigt haben, die über Gefangenenaustausch, Agrarexporte und Ähnliches hinausgeht, können ein Ende der Gewalt und Friedensverhandlungen herbeiverhandelt werden. Diplomatie jetzt! Appell für Frieden in der Ukraine weiterlesen

Das Kreuz mit der Wahl – Die Tücken der freien und geheimen Wahl

 Von Frank Bernhardt

Früher galt das nur für rückständige, arme Entwicklungsländer: In diesen „Bananenrepubliken“, so der Vorwurf der ‚wahren‘ Demokraten, mach(t)en die Wähler ihr Kreuz bei den falschen Kandidaten; somit erging für diese Staaten das Urteil, sie wären noch nicht reif für die Demokratie.

Im Zuge der Krisen ist das nun seit einiger Zeit in den Metropolen eingetreten, was dem langjährig bewährten Parteienspektrum nicht gefährlich wurde oder gar als rechte Positionen in den meisten Parteien seinen Platz hatte, ist jetzt zu einem unliebsamen, schlecht auszuhaltenden Problem in der Parteienkonkurrenz geworden. Populisten, Ultranationale bis rechtsextreme Parteien, sind an die Schaltstellen der Macht gewählt worden.

Was ist los in Europa, Amerika etc.? Über Jahrzehnte war es doch Usus, das ungenierte Durchregieren der etablierten Parteien in verschiedenen Koalitionen zu beglückwünschen, nun nimmt eine neue Entwicklung rasant ihren Lauf. Es ist nicht mehr damit getan, das freie und geheime Wahlrecht auszuüben, jetzt wird das Urteil gefällt, ob richtig oder falsch gewählt wurde. Der Falschwähler wird sogleich aus dem Kreis des demokratischen Konsenses ausgeschlossen, seine Stimmabgabe taugt nichts und folglich könnte „Europa sterben“, so der BR-Chefredakteur C. Nitsche (www.br.de v. 9.6.24) in seinem Werbefeldzug zur „Europawahl – Gegen Putin stimmen!“ (alle Zitate aus dem Text). Dazu folgende Anmerkungen. Das Kreuz mit der Wahl – Die Tücken der freien und geheimen Wahl weiterlesen

„Dr. Schäuble sagte zu mir: Wir können uns den Sozialstaat nicht mehr leisten!“

Von Arno Luik

Wolfgang Schäuble ist gestorben. Statt eines Nachrufs Bemerkungen des einstigen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis kurz nach seinem Rücktritt 2015 über seine Begegnungen mit dem deutschen Politiker.

„Sie hielten Tsipras, unserem Regierungschef, die Pistole an die Schläfe – und so verhandelt es sich schlecht. Wie soll man da frei entscheiden, wenn einem gesagt wird, klipp und klar: „Wenn du nicht zustimmst, bleiben die Banken zu. Wir zerquetschen dich!“

Kurz vor meinem Abflug nach Athen im Juli 2015 meldet sich Yanis Varoufakis, der ein paar Tage zuvor noch griechischer Finanzminister war, am Telefon. Es seien „hektische, harte Zeiten“, es fänden ständig Sitzungen, Konferenzen, kurzfristig anberaumte Parlamentsdebatten statt, Zeit für ein „substanzielles Gespräch“ habe er kaum. Um sicherzugehen, dass es überhaupt zu einem ernsthaften Gespräch komme, solle ich doch zu ihm in die Wohnung kommen, das sei die einzige Möglichkeit.

Drei Tage war ich in Athen, und es war dann, wie Varoufakis gesagt hatte: hektisch. Mal war er in seiner Wohnung, dann im Parlament, er war hier, er war dort, kaum greifbar. Unser Gespräch (das im stern in einer stark gekürzten Version erschien, hier nun die Originalfassung) fand in neun Etappen statt. Mal nur für ein paar kurze Augenblicke, mal für eine, mal für zwei Stunden, mal für 30 Minuten; mal trafen wir uns kurz vor Mitternacht, nach Mitternacht, mal mittags, mal in der Küche bei einem schnellen Kaffee, oder spätabends im Restaurant – wonach wir dann, er mit seinem Motorrad vorneweg, seine Frau mit ihrem Motorrad hinterher und mit mir auf dem Soziussitz, durch Athen zu seiner Wohnung bretterten.

Nur fünf Monate lang war Yanis Varoufakis griechischer Finanzminister der sozialistischen Partei Syriza. Aber das hat gereicht, um seine Kollegen, Europas Finanzminister und Präsidenten und Kanzler, fast in den Wahnsinn zu treiben – und seine Fans in Ekstase. Wer ist dieser Yanis Varoufakis? Der unter Beschuss war und ist, national, international – der umstrittenste Politiker in Europa, der mich in seine Wohnung ließ, einfach so, einen Fremden? „Feel at home“, hatte er bei der Begrüßung gesagt. „Dr. Schäuble sagte zu mir: Wir können uns den Sozialstaat nicht mehr leisten!“ weiterlesen

Geistige Aufrüstung in Deutschland

Von Johannes Schillo

Die deutsche Nation muss „kriegstüchtig“ werden – die öffentliche Ansage findet willige Helfer in allen Abteilungen des Geisteslebens. Dazu ein aktueller Rundblick.

Freerk Huisken hat jüngst bei 99zu1 die geistige Aufrüstung im Klassenzimmer zum Thema gemacht. In den deutschen Schulen soll ja der Nachwuchs auf mögliche Kriege vorbereitet und überhaupt – so die Bundesbildungsministerin – in ein „unverkrampftes“ Verhältnis zur Bundeswehr versetzt werden.

Aber nicht nur das! In allen Abteilungen des Geisteslebens laufen entsprechende Anstrengungen. Seien es nun Presse und Medien, der akademische Betrieb von Forschung und Lehre, politische und berufliche Bildung, Kunst & Kultur, Museen, Verlage und Kongresse – und last but not least stellt sich die Militärseelsorge auf den Bedarf nach kriegstüchtigen Geistlichen ein.

Hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit ein Rundblick übers betroffene Gelände und die einschlägigen Akteure, aber auch über kritische Stimmen, die es immer noch gibt. Geistige Aufrüstung in Deutschland weiterlesen

Vor 20 Jahren wurden die Vorschläge der ersten „Externe Expertenkommission“ in die Hartz-Gesetzgebung gegossen – ein solches undemokratisches Gremium gab es bis dahin nicht, später umso öfter

Da hatte wohl niemand mehr mit gerechnet. Ein Dreivierteljahr vor dem Ende der ersten Amtszeit Gerhard Schröders als Bundeskanzler wurde zur Überraschung aller in Fraktion und Partei der SPD arbeitsmarktpolitisch noch etwas neu angefasst.

Nachdem die Bertelsmann Stiftung ihren wirtschaftspolitischen Forderungskatalog vorgelegt und der Bundesrechnungshof einige Ungereimtheiten an die Öffentlichkeit gebracht hat, die auf eine gezielte Verzerrung der Statistik in den Arbeitsämtern hindeuteten, wurde Handlungsdruck aufgebaut, sodass die Bundesregierung im Januar 2002 eine Expertenkommission berief, um Vorschläge für „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ zu entwickeln. Die Kommission unter dem Vorsitz von Peter Hartz, Vorstandsmitglied der Volkswagen AG, fand rasch eine breite öffentliche Beachtung. Auf Grundlage seines Berichts wurden mehrere Gesetzespakete verabschiedet, die als „Hartz I“ bis „Hartz IV“ umfangreiche Veränderungen in der deutschen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik einleiteten und das hart erkämpfte Recht auf sozialversicherungspflichtige und gewerkschaftlich abgesicherte Arbeitsverhältnisse mit Flächentarifverträgen wegsprengte.

Heute weiß kaum noch jemand, dass diese Hartz-Kommission fast komplett mit externen, angeblichen Experten besetzt wurde. „Par ordre du mufti“ benannte der damalige Bundeskanzler Schröder die Kommissionsmitglieder, die nicht gewählt waren und die berüchtigten, weitgehenden Entscheidungen treffen konnten, die von den gewählten Politikern nicht mehr veränderbar waren. Die gewählten Volksvertreter waren bei der ganzen Agenda-Politik schlichtweg außen vor. Die Schröderpolitik war der Beginn einer Welle von selbsternannten Expertengremien als effektives Mittel, das gewählte Parlament zu umgehen. Vor 20 Jahren wurden die Vorschläge der ersten „Externe Expertenkommission“ in die Hartz-Gesetzgebung gegossen – ein solches undemokratisches Gremium gab es bis dahin nicht, später umso öfter weiterlesen

Volkswagen schließt Standortschließungen nicht mehr aus und will geltende Beschäftigungssicherung aufkündigen – Arbeitnehmerseite kritisiert VW-Vorstand massiv und kündigt entschlossenen Gegenwind an

Pressemitteilung des IG Metall Bezirks Niedersachsen und Sachsen-Anhalt vom 02.09.2024

Das Sparprogramm bei Volkswagen verschärft sich zunehmend und führt zu einem offenen Konflikt zwischen VW-Vorstand, Gesamtbetriebsrat sowie IG Metall. Der Vorstand um Markenchef Thomas Schäfer gab am Montag bei einem Treffen mit Führungskräften bekannt, dass das 2023 gestartete Programm zur Verbesserung der Ergebnisse weiter nicht ausreiche. Es seien weitere Einsparungen in Milliardenhöhe notwendig, um zu verhindern, dass die Kernmarke in die Verlustzone gerate, so das Management. Infolgedessen werden nun deutsche Standorte, der VW-Haustarif sowie die bis Ende 2029 geltende Beschäftigungssicherung infrage gestellt. Letztere seit mehr als 30 Jahren fortgeschriebene Vereinbarung plane das Unternehmen aufzukündigen. Volkswagen schließt Standortschließungen nicht mehr aus und will geltende Beschäftigungssicherung aufkündigen – Arbeitnehmerseite kritisiert VW-Vorstand massiv und kündigt entschlossenen Gegenwind an weiterlesen

Völliges Chaos bei Thyssenkrupp – Die IG Metall sollte mal in ihre Satzung schauen, dort steht, dass die „Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum anzustreben ist“

Der Stahlkonzern Thyssenkrupp kommt aus den Negativschlagzeilen nicht heraus. Der  Höhepunkt des Dramas aus dem Schmierentheater Thyssenkrupp wurde Ende August 2024 aufgeführt.

Da ist im größten Stahlwerk Deutschlands mehr passiert als ein Eklat. Erstmals wurden Rücktrittsforderungen gegen Siegfried Russwurm – nicht als Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp, sondern als Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI) – erhoben. Russwurm hatte sich mit der IG Metall angelegt, in dem er mit den anderen Aufsichtsräten der Kapitalseite des Essener Mutterkonzerns ein Statement unterschrieb, in dem er das Vorgehen der IG Metall scharf attackierte und ihr „persönliche Verunglimpfungen“ des Konzernchefs Miguel López vorwarf.

Damit standen sich der BDI-Präsident und die IG-Metall-Spitze nun wieder frontal gegenüber, denn für die Gewerkschaft geht es um den Erhalt einer Mitbestimmung auf Augenhöhe und damit ums Eingemachte. Beim Ruhr-Konzern kommt verschärfend hinzu, dass im Stahl die Montanmitbestimmung gilt und offensichtlich ausgehebelt wurde.

Am 29.08.2024 gaben sowohl die Spitzen des Aufsichtsrats als auch des Vorstands von Thyssenkrupp Steel ihren Rücktritt bekannt. Auch Sigmar Gabriels Stellvertreter im Aufsichtsrat, Detlef Wetzel von der IG Metall, kündigte seinen Rückzug an. Zudem verlassen mit Elke Eller und Wilfried Schäffer zwei weitere Mitglieder den Aufsichtsrat. Sigmar Gabriel gab auch noch den Rückzug von drei der insgesamt fünf TKS-Vorstandsmitgliedern, darunter auch Stahlchef Bernhard Osburg bekannt. Den hochrangigen Managern hatte der Essener Mutterkonzern unter Führung von Miguel López Aufhebungsverträge vorgelegt.

Da ist es wohl an der Zeit, dass über andere Konzepte, auch über eine Neuordnung der Eigentumsverhältnisse nicht nur in der Stahlindustrie nachgedacht wird. Völliges Chaos bei Thyssenkrupp – Die IG Metall sollte mal in ihre Satzung schauen, dort steht, dass die „Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum anzustreben ist“ weiterlesen

Eine Zensur findet statt: Die Landesanstalt für Medien NRW moniert vier Multipolar-Artikel und droht mit einem „förmlichen Verwaltungsverfahren“ sowie mit Strafgeld

Von Michael Meyen

Die deutsche Zensurbürokratie ist wieder da. Ich hatte das fast vergessen bei all der Aufregung weltweit. Pawel Durov, Telegram-Gründer, fliegt in französische Haft. Mark Zuckerberg, Facebook-Gründer, spricht über die Corona-Zensur und den Druck aus dem Weißen Haus. Und Elon Musk, X-Chef, bekommt Post aus Brüssel. Wehe dem, der dies sagt oder das. Mit dem Digital Services Act kriegen wir euch alle.

In Deutschland reicht dafür seit 2020 der Medienstaatsvertrag, der aus den Landesmedienanstalten Zensurbehörden für die digitale Unterwelt gemacht hat. Man muss dazu ein wenig einsteigen in das Dickicht der deutschen Medienpolitik und dabei mit dem Grundgesetz beginnen. „Eine Zensur findet nicht statt“: Dieser schöne, schlichte Satz aus Artikel 5 stimmt nur noch, wenn sein Kernbegriff „ganz eng“ ausgelegt wird – als eine „Vorprüfung“, die direkt vom Staat ausgeht und im Extremfall zu einem „Verbot von Äußerungen“ führen kann (1). Einfacher formuliert: Es gibt immer noch kein Wahrheitsministerium. Es gibt auch kein Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda wie im Dritten Reich und kaum Staats- oder Parteimedien wie in der DDR, wo schon die Besitzverhältnisse keinen Zweifel daran gelassen haben, wer dort der Zensor war. Es gibt allerdings eine Allianz von Staaten und Digitalkonzernen, die den gleichen Effekt hat. Siehe oben.

Ich verzichte an dieser Stelle darauf, in die Details zu gehen und noch einmal all die kleinen Bausteine auseinanderzunehmen, die seit Ende der Nullerjahre aufgeschichtet wurden, um die Version der Wirklichkeit zu schützen, die die Regierungen über ihre Propaganda-Apparate verbreiten. Eine Zensur findet statt: Die Landesanstalt für Medien NRW moniert vier Multipolar-Artikel und droht mit einem „förmlichen Verwaltungsverfahren“ sowie mit Strafgeld weiterlesen

Strafrecht modernisiert, Armut bleibt – Zur Nichtabschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe

Von Britta Rabe

Der Paritätische Gesamtverband zählte zuletzt 14,2 Millionen Menschen in Deutschland zur Armutsbevölkerung, das ist jede sechste Person.[1] Von Armut betroffene Menschen sind in den Knästen überrepräsentiert. Wollen wir Armut beenden, gehört dazu neben dem Kampf gegen prekäre Beschäftigung und Erwerbsarbeitslosigkeit, Rassismus und Wohnungsnot, um nur einige Dimensionen von Ungleichheit zu nennen,[2] auch die Entkriminalisierung von Armutsdelikten. Als klassische Armutsdelikte gelten Ladendiebstahl oder Fahren ohne Fahrschein.[3]

Die Ersatzfreiheitsstrafe trifft insbesondere die Armutsbevölkerung und wurde kürzlich reformiert – allerdings nicht zugunsten einer Entkriminalisierung von Armut. Jährlich werden in Deutschland rund 56.000 Ersatzfreiheitsstrafen vollstreckt, rund ein Viertel der Verurteilten sitzt für Fahren ohne Fahrschein (§ 265a StGB) in Haft, daneben wird die Sanktionsform bei Diebstahl, Betrug, Hehlerei oder Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz angewandt. Derartige Delikte werden vielfach mit einer Geldstrafe geahndet, und bei Nicht-Zahlung mit einer (Ersatz-)Freiheitsstrafe belegt. Viele dieser Inhaftierten sind in einer schlechten finanziellen Situation, erwerbslos, suchtkrank, rund ein Drittel der Inhaftierten hat keinen festen Wohnsitz.[4] Geldstrafen erhalten vor allem Menschen im unteren Einkommenssegment, wie die Tagessatzhöhen verraten. Diese verfügen zu 94 Prozent über ein Nettoeinkommen von unter 1.000 Euro, 60 Prozent der Menschen haben sogar weniger als 500 Euro monatlich zur Verfügung. Die Verurteilungen erfolgen meist als Strafbefehl per Post. Viele der Verurteilten nehmen den Strafbefehl aus verschiedenen Gründen, wie Überforderung oder – ganz trivial eine fehlende Postadresse – gar nicht zur Kenntnis und erfahren erst von der Geldstrafe, wenn die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe droht. Strafrecht modernisiert, Armut bleibt – Zur Nichtabschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe weiterlesen