Bei den Zwangsräumungen als wohnungspolitische Marktregulierung gibt es eine geringfügige aber wichtige Verbesserung: BVerfG erweitert Schutz vor Wohnungsräumung zur Erhaltung von Leben und Gesundheit

Die massiven Einkommenseinbußen in den vergangenen Jahren und die extremen Steigerungen der Lebenshaltungskosten haben dazu geführt, dass immer mehr Menschen ihre Mieten nicht mehr aufbringen können und von Obdachlosigkeit bedroht sind.

Einen Vorstoß der Linksfraktion im Januar 2021 im Bundestag, Zwangsräumungen per Gesetz zu verbieten, lehnten alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien, außer den Grünen, ab. Wie nötig ein Verbot der Zwangsräumung wäre, zeigen die Zahlen aus dem Jahr 2021, als fast 30.000 Zwangsräumungen durchgeführt wurden. Das waren 82 pro Tag.

Den politischen Akteuren ist die Zahl bekannt, aber sie halten bewusst daran fest, dass Zwangsräumungen Bestandteil des nach ihren Vorstellungen funktionierenden Wohnungsmarktes sind. Parallel dazu ist durch rigoroses Sparen der öffentlichen Hand das staatliche Hilfesystem zur Vermeidung von Räumung und Obdachlosigkeit massiv heruntergefahren worden und die hilfesuchenden Menschen sind sich selbst überlassen.

Für viele betroffene Menschen ist die Zwangsräumung eine extrem traumatische Situation, in der es immer wieder zu Gewalt gegenüber Vollstreckungsbeamten oder gegen sich selbst kommt, wenn die Selbsttötung der drohenden Obdachlosigkeit vorgezogen wird.

Da ist es erfreulich, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im März 2023 den Schutz vor Wohnungsräumung etwas erweitert hat und die Erhaltung von Leben und Gesundheit in den Vordergrund stellt.

Rund 30.000 Zwangsräumungen im Jahr 2021

Bis zum Jahr 2019 wurden nur die Zahlen der Vollstreckungsaufträge, nicht aber die der tatsächlich durchgeführten Zwangsräumungen statistisch erfasst. Das erschwerte in der Vergangenheit die unmittelbare Vergleichbarkeit. Die Zahl der Zwangsvollstreckungsaufträge lag in den vergangenen Jahren beständig über 50.000. Das Land Bayern hatte diese Statistik nie erhoben. Deswegen lag die Zahl der Anträge tatsächlich noch darüber.

Seit drei Jahren erhebt nun die Bundesregierung über die Länder die Zahlen der durchgeführten Zwangsräumungen. Im Jahr 2021 sind rund 30.000 Wohnungen in Deutschland zwangsgeräumt worden. Die meisten Zwangsräumungen gab es mit 8.656 in Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Bayern (3.432), Sachsen (2.667), Niedersachsen (2.285), Hessen (1.915), Baden-Württemberg (1.751), Berlin (1.668) und Sachsen-Anhalt (1.173). Es folgten Brandenburg (1.104), Rheinland-Pfalz (960), Hamburg (921), Mecklenburg-Vorpommern (873), Thüringen (855), Bremen (455) und das Saarland (286).

Eine Ursache für die Zwangsräumungen ist die Privatisierung des Wohnungsbestandes

Große Teile des Wohnungsbestandes der öffentlichen Hand und kommunalen Unternehmen wurden privatisiert und von den neuen Eigentümern unter Finanzmarktaspekten optimiert. Steigende Zwangsräumungen, meist mit der Obdachlosigkeit in der Folge, Verdrängung der Mieter aus gewachsenen Wohngebieten, Explosion der Mieten und Nebenkosten und fehlender Wohnraum sind Zeichen dafür, dass ein entspannter Wohnungsmarkt in Deutschland längst der Vergangenheit angehört.

Das Geschäft mit Wohnungen wird deshalb immer rentabler, weil die Nachfrage nach günstigem Wohnraum kräftig ansteigt. Die Vermieter sind nicht mehr auf die Einkommensschwachen, prekär Beschäftigten und Menschen die Hartz-IV/Bürgergeld  oder Wohngeld beziehen, angewiesen. Die Verlierer sind vor allem die Menschen, die bislang auf den Schutz des Sozialstaates angewiesen waren. Doch genau in dieser Situation und in diesem Aufgabenbereich versagen die staatlichen Stellen, sind  mehr oder weniger nutzlos geworden und verschärfen sogar noch das Wohnungsproblem. Das staatliche Korrektiv zum Markt ist zu dessen Spielball geworden. Am Beispiel der wachsenden Zwangsräumungen wird das Versagen der staatlichen Hilfen deutlich.

Wohnungen als Ware

Seit einigen Jahrzehnten ist zum potenziellen Investment geworden, was vorher entweder keine Ware oder strengen Regulierungen unterworfen war. Seien es (öffentliche) Wohnungen, Güter der Daseinsvorsorge, Gesundheit, Nahrungsmittel, landwirtschaftlicher Boden, CO2-Emmissionen und vieles mehr. Auch Immobilien, unabhängig davon, ob es sich um Wohn- oder Gewerbeimmobilien handelt, haben den Status eines Finanzprodukts erhalten und unterliegen einer Finanzialisierung.

Für die Unternehmen der Immobilienwirtschaft ist der Soziale Wohnungsbau unattraktiv geworden. Im Vergleich zum frei finanzierten Wohnungsbau gibt es geringere Rendite, Mietpreisbindungen und eine abschreckende Wirkung des Mieterklientels. Der Soziale Wohnungsbau ist so faktisch zum Erliegen gekommen und für Finanzinvestoren lohnt sich der Aufkauf ganzer Pakete von Mietwohnungsbeständen, begleitet von den großzügigen Gewinnversprechen der Hedgefonds.

Was passiert, wenn dann noch die Folgen einer verfehlten Wohnungspolitik hinzukommen, ist derzeit vor allem in den Ballungsgebieten und Universitätsstädten zu beobachten.

Zahl der Sozialwohnungen sinkt – Zahl der Wohnberechtigungsscheine steigt

Die Zahl der Sozialwohnungen sinkt beständig. Während 1987 noch 25 Sozialwohnungen auf 100 Mieterhaushalte kamen, sind es heute nur noch fünf. Gegenüber dem Jahr 2007 hat sich die Anzahl der Sozialwohnung fast halbiert, im Jahr 2021 gab es bundesweit nur noch 1,1 Millionen.

Rein rechnerisch ist allein im vergangenen Jahr alle 19 Minuten eine Wohnung vom Sozialwohnungsmarkt verschwunden, weil sie aus der Sozialbindung heraus fiel, aber nur alle 25 Minuten kam eine durch Neubau hinzu.

Allein um die Entwicklung aufzuhalten, werden rund 100.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr benötigt. Um diese Anzahl zu fördern, müssten Bund und Länder zusammen mindestens 12,5 Milliarden Euro pro Jahr bereitstellen.

Nach wie vor wird für den Einzug in eine Sozialwohnung der Wohnberechtigungsschein benötigt. Mit ihm wird der Anspruch aufgrund des Einkommens dokumentiert. Rund 40 Prozent der 22 Millionen Mieterhaushalte haben derzeit einen Anspruch auf das Dokument, doch werden für diese 8,8 Millionen Mieterhaushalte nur noch die 1,1 Millionen Sozialwohnungen bereitgestellt. Auch ist die Zahl der Mieter, die in Wohnungen von Genossenschaften oder Stiftungen als gut funktionierendes Gegenmodell zu den Privatwohnungen leben, auf nur 9 Prozent geschrumpft.

Krise des Hilfesystems

Die Studie „Zwangsräumungen und die Krise des Hilfesystems“ deckte den Skandal der massenhaften Zwangsräumungen am Beispiel von Berlin auf. Dort gibt es noch nicht einmal ein umfassendes Berichtswesen bzw. Statistiken dazu. Die Studie zeigt auf, dass der Sozialstaat auf diesem Feld nicht nur hilflos, sondern sogar nutzlos ist und dass er das Wohnungsproblem noch verschärft. Obwohl der Staat eigentlich das Ziel haben müsste, Zwangsräumungen zu verhindern und Miet- und Energiekosten der Menschen, die staatliche Hilfe erhalten, zu übernehmen, um die Wohnungslosigkeit zu verhindern, werden die Anträge dafür in den finanzschwachen Bezirken Berlins zu 85 Prozent abgelehnt.

Auch in den Ruhrgebietsstädten hat sich hier einiges geändert. Kommunale Mietbeihilfen gibt es schon lange nicht mehr. Bei den Darlehen ist man richtig knauserig geworden und droht auch schon mal der alleinerziehenden Mutter von drei Kindern mit dem Jugendamt, da sie nicht haushalten könne, eine Rabenmutter sei, die Miet- und Energieschulden auflaufen ließe.

Die in den staatlichen Leistungen festgelegten Sätze für die Wohnungsmiete halten schon lange nicht mehr mit der Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt Schritt. Immer mehr Bezieher von Arbeitslosengeld 2 und Grundsicherung bekommen vom Staat weniger Geld für die Miete, als sie tatsächlich bezahlen müssen und rutschen in die Überschuldung, die ein weiterer Schritt in die Zwangsräumung ist. Wenn die Schulden zu groß geworden sind, die Klage gegen eine Räumung vergeblich war, greift in den großen Städten der früher noch funktionierende Räumungsvollstreckungsschutz immer seltener. Die Menschen werden zunehmend schneller geräumt.

Obwohl die Kommune offiziell verpflichtet ist, die wohnungslosen Menschen unterzubringen, ist das in der Praxis immer öfter gar nicht möglich, weil die Wohnheime oder vorgehaltenen Wohnungen, die zur kurzfristigen Unterbringung gedacht sind, mit dauerhaft dort wohnenden Menschen belegt werden. Auch hier wittern Geschäftemacher schnelles Geld und bieten den Kommunen Plätze in ihren privatwirtschaftlich betriebenen Wohnheimen an – die Bewohner dürfen sie selbst aussuchen und eben auch die Aufnahme verweigern.

Den Weg aus dieser Situation heraus können staatliche Stellen kaum noch bieten, da es auch mittlerweile eine geänderte Wohnungsvergabepraxis gibt. Regelmäßig verlangen die Wohnungsunternehmen und Privatvermieter eine Schufa-Auskunft, nehmen keine Mieter mit früheren Mietschulden oder solche, die das Insolvenzverfahren durchlaufen und achten auch auf vorherige gute oder schlechte Meldeadressen. Also gerade von Menschen, die wegen Mietschulden wohnungslos sind, wird als Voraussetzung für ein neues Mietverhältnis, der Nachweis über ein mietschuldenfreies Vorleben verlangt.

Ebenso tragen die Jobcenter ihr Scherflein zur Misere der Zwangsräumungen bei. Sie treiben die Mieten in die Höhe, indem sie Umzüge in günstigere Wohnungen in den „Problemstadtteilen“ erzwingen und die Vermieter für die frei gewordenen Wohnungen einen neuen Mietvertrag mit höherer Miete abschließen können.

Zu einem weiteren Stolperstein in der Wohnungspolitik hat sich das Wohngeld entwickelt. Mieter, die keine Transferleistungen erhalten, können den Mietzuschuss beim Wohnungsamt beantragen. Wie groß der Bedarf ist, zeigen die Gesamtkosten von Bund und Ländern: Von 680 Millionen Euro im Jahr 2015 stieg die Auszahlung im vergangenen Jahr auf 1,31 Milliarden. Das Wohngeld fließt wie die anderen Mietzuschüsse auch, direkt in die Taschen der Vermieter und legitimiert die hohen Mieten noch.

Besser wäre es, von den subjektiven auf die objektiven Ausgaben zu wechseln, anstatt die Einzelmieter und damit die Vermieter zu unterstützen, sollte das Geld für den Bau von Wohnungen mit geringen Mieten verwendet werden.

Mittlerweile finden auch die Wohlfahrtsunternehmen kaum noch Wohnungen, die sie an ihre wohnungslosen Klienten vermieten oder für das „Betreute Wohnen“ nutzen können. Auch ihre Arbeit richtet sich mehr und mehr am Markt aus und selbst die wohnungslosen Klienten müssen noch Geld für die Leistungen der Hilfsorganisationen einbringen.

Steigt die Wohnungsnachfrage – nimmt die Räumungsneigung zu

Eine bisherige Annahme wird durch die Berliner Studie belegt: Dort, wo die Wohnungsnachfrage stark ansteigt, nimmt auch die Räumungsneigung der Vermieter zu, weil es immer attraktiver wird, nach der Räumung vom neuen Mieter eine viel höhere Miete zu verlangen. Deutlich wurde auch, dass das staatliche Hilfesystem Diskriminierung und Isolation der Hilfesuchenden noch befördert, da die einen vom Verwaltungspersonal alleingelassen werden und keine Unterstützung erfahren, die anderen werden willkürlich bevorzugt. Da läuft dann der gleiche Ausleseprozess wie auf dem Wohnungsmarkt selbst ab.

Als Fazit der Studie bleibt, dass das staatliche Hilfesystem nur bei einem entspannten Wohnungsmarkt rund läuft, eben nur dann, solange die Vermieter mit den Wohnungen auf die einkommensschwachen Menschen angewiesen sind. Die Vermieter schlagen immer häufiger die Übernahme von Mietschulden durch die Kommune aus und vermieten kaum noch an die Sozialen Träger, weil auf dem „freien Markt“ der Profit viel größer ist.

Die fatale Entwicklung in der Wohnungspolitik, wie sie in Berlin durch die Studie offenkundig wurde, ist aber auch auf andere Ballungsgebiete und Universitätsstädte übertragbar. So ist die Zwangsräumung mittlerweile ein legales Mittel für die  wohnungspolitische Marktregulierung geworden.

Für viele betroffene Menschen ist die Zwangsräumung aber eine psychische Ausnahmesituation in der es immer wieder zu Gewalt gegenüber Vollstreckungsbeamten oder gegen sich selbst kommt, wenn die Selbsttötung der drohenden Obdachlosigkeit vorgezogen wird.

Ein wenig Linderung hat den von Zwangsräumung betroffenen Menschen das Bundesverfassungsgericht nun beschert.

BVerfG erweitert Schutz vor Wohnungsräumung zur Erhaltung von Leben und Gesundheit

In seinem Urteil vom 23. März 2023 (2 BvR 1507/22) wurde die Verfassungsbeschwerde eines Schuldners zwar nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Räumung der Wohnung schon vollzogen war, doch wurde der Rechtsschutz der Schuldner bzw. säumiger Mieter gestärkt. Den Vollstreckungsgerichten wurde aufgetragen, in ihrer Verfahrensgestaltung die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, damit Verfassungsverletzungen durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ausgeschlossen werden und der sich aus dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ergebenden Schutzpflicht staatlicher Organe Genüge getan wird.

Das Gericht machte deutlich, dass die Entscheidung der Fachgerichte, dem Schuldner / Mieter ohne weitere Ermittlungen Vollstreckungsschutz zu verwehren, verfassungsrechtlich bedenklich ist. Dazu führte es aus (Rn. 39f, 44, 47; Listendarstellung durch soziale-schuldnerberatung-hamburg.de) :

  • „Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet die Vollstreckungsgerichte, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 765a ZPO auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte zu berücksichtigen. Eine unter Beachtung dieser Grundsätze vorgenommene Würdigung aller Umstände kann in besonders gelagerten Einzelfällen dazu führen, dass die Vollstreckung für einen längeren Zeitraum und – in absoluten Ausnahmefällen – auf unbestimmte Zeit einzustellen ist.
  • Ergibt die erforderliche Abwägung, dass die der Zwangsvollstreckung entgegenstehenden, unmittelbar der Erhaltung von Leben und Gesundheit dienenden Interessen des Schuldners im konkreten Fall ersichtlich schwerer wiegen als die Belange, deren Wahrung die Vollstreckungsmaßnahme dienen soll, so kann der trotzdem erfolgende Eingriff das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und das Grundrecht des Schuldners aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzen (vgl. BVerfGE 52, 214 <219 f.>; BVerfGK 6, 5 <10>).
  • Die Vollstreckungsgerichte haben in ihrer Verfahrensgestaltung die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, damit Verfassungsverletzungen durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ausgeschlossen werden und der sich aus dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ergebenden Schutzpflicht staatlicher Organe Genüge getan wird (vgl. BVerfGE 52, 214 <220 f.>; BVerfGK 6, 5 <10>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Januar 2021 – 2 BvR 1786/20 -, Rn. 27 m.w.N.).
  • Macht der Vollstreckungsschuldner für den Fall einer Zwangsräumung substantiiert ihm drohende schwerwiegende Gesundheitsgefahren geltend, haben sich die Tatsacheninstanzen – beim Fehlen eigener Sachkunde – zur Achtung verfassungsrechtlich verbürgter Rechtspositionen wie in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG regelmäßig mittels sachverständiger Hilfe ein genaues und nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild davon zu verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen mit einem Umzug verbunden sind, insbesondere welchen Schweregrad zu erwartende Gesundheitsbeeinträchtigungen voraussichtlich erreichen werden und mit welcher Wahrscheinlichkeit dies eintreten kann (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Juni 2022 – 2 BvR 447/22 -, Rn. 40).
  • Das Amtsgericht hat der sich aus dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ergebenden Schutzpflicht staatlicher Organe auch nicht dadurch Genüge getan, dass es die Betreuungsbehörde und die Stadt (…) mit der Bitte um Prüfung weiterer Maßnahmen von der drohenden Räumung in Kenntnis gesetzt hat. Das Gericht darf die Entscheidung über die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen im Rahmen der Zwangsräumung nicht dem Verantwortungsbereich Dritter überlassen 

Siehe auch Einstellung der Räumungsvollstreckung wegen beim Schuldner bestehender Gesundheits- oder Suizidgefahr (BGH  21.01.2016, Aktenzeichen: I ZB 12/15)“

Grundrechte gelten auch für Schuldner

Obwohl in dem o.g. Fall die Verfassungsbeschwerde eines Schuldners nicht zur Entscheidung angenommen wurde, geschah dies aufgrund der bereits erfolgten Zwangsräumung der Wohnung.

Das Gericht hat jedoch klargestellt, dass die Entscheidung der Fachgerichte, dem Schuldner bzw. Mieter ohne weitere Untersuchungen den Schutz vor Zwangsvollstreckung zu verwehren, verfassungsrechtlich bedenklich war.

Das Grundrecht gemäß Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) verpflichtet die Vollstreckungsgerichte nun, bei der Prüfung der Voraussetzungen gemäß § 765a der Zivilprozessordnung (ZPO) auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte zu berücksichtigen.

Das BVerfG stellt auch klar, dass eine angemessene Bewertung aller Umstände, die unter Berücksichtigung dieser Grundsätze vorgenommen wird, in besonderen Fällen dazu führen kann, dass die Zwangsvollstreckung für einen längeren Zeitraum oder in absoluten Ausnahmefällen sogar auf unbestimmte Zeit ausgesetzt wird.

Zwangsräumungen sind per Gesetz zu verbieten

Inwieweit das Urteil des BVerfG in der Praxis die Situation der Menschen bei der Zwangsräumung verbessert, bleibt abzuwarten.

Nicht warten sollte man aber nicht mit dem Start einer breit angelegte Kampagne, mit dem Ziel, endlich die Zwangsräumungen per Gesetz zu verbieten.

 

 

 

 

 

Quellen: Anfrage der Linksfraktion, Studie Zwangsräumungen und die Krise des Hilfesystems, konkret, WAZ, Pestel-Institut, Dt. Mieterbund,BVerfG, https://www.soziale-schuldnerberatung-hamburg.de 
Bild: stadtmission-nürnberg