Das Bundesarbeitsgericht hat die Stellung von Leiharbeitnehmern im Betrieb gestärkt. Bei der Feststellung des Wahlverfahrens für die Aufsichtsratswahl zählen Leiharbeitnehmer nun genauso wie Stammbeschäftigte mit. Ab einer bestimmten Zahl von Beschäftigten müssen Unternehmen in Deutschland mitbestimmte Aufsichtsräte einrichten, in denen auch Arbeitnehmervertreter sitzen. Grundsätzlich sind nun auch Leiharbeiternehmer mitzuzählen, wenn es um den mitbestimmten Aufsichtsrat geht. Das hat jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) geurteilt.
Bis zu dem Urteil war es nach bisheriger Rechtsprechung so, dass Leiharbeitnehmer zwar bei der Größe des Betriebsrates mitzählen, aber nicht bei den Schwellenwerten der Unternehmensmitbestimmung, also bei der Wahl von Aufsichtsräten.
Erstmals hat ein Gericht in höchster Instanz entschieden, dass Leiharbeitnehmer grundsätzlich auch dann mitzuzählen sind, wenn es um den mitbestimmten Aufsichtsrat geht.
Beim Reifenhersteller Goodyear Dunlop Tires Germany GmbH fanden im Jahr 2011 Wahlen zum Aufsichtsrat statt. Der Hauptwahlvorstand stellte eine Beschäftigtenzahl von insgesamt 8.340 Arbeitnehmern fest und rechnete dabei auch 444 Leiharbeiter mit ein.
In den Vorinstanzen und jetzt auch vor dem Bundesarbeitsgericht blieb der Antrag von 14 in dem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmern, den Hauptwahlvorstand zu verpflichten, die Wahl als unmittelbare Wahl durchzuführen, erfolglos. Der Beschluss des BAG sagt nun klar, dass die Aufsichtsratswahl als Delegiertenwahl durchzuführen ist, unter Einbeziehung bei der Leiharbeiter.
Es ist nun die erste Entscheidung dazu, ob Leiharbeiter auch bei der Unternehmensmitbe-stimmung und bei der Feststellung des Wahlverfahrens für die Aufsichtsratswahl genauso wie Stammbeschäftigte mitzählen.
Das ist in der Praxis wichtig, da Wahlen bei Fehlern anfechtbar und dann mit erheblichen Folgekosten verbunden sind.
Leiharbeiter waren schon bei der Wahl des Betriebsrats, bei Betriebsänderungen, bei Sozialplanverhandlungen und beim Schwellenwert zur Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes bereits gleichberechtigt.
Seit einer Entscheidung des BAG im März 2013 steht fest, dass Leiharbeitnehmer unter bestimmten Umständen bei der Ermittlung der Größe des Betriebsrates mitzuzählen sind. Für Aufsichtsräte gab es eine solche Entscheidung einer höchsten Instanz bisher nicht.
Ob Leiharbeitnehmer für das Erreichen der Schwellenwerte mitzuzählen sind, ist auch deshalb von Bedeutung, weil er darüber entscheidet, ob der Aufsichtsrat korrekt per Delegiertenwahl oder direkt zu wählen war.
Darüber, ob und wie diese Schwellenwerte überschritten werden, entscheidet das Bundesarbeitsgericht allerdings nicht. Über diese Frage muss die Zivilgerichtsbarkeit urteilen. Die Landgerichte und Oberlandesgerichte und damit in der letzten Instanz der Bundesgerichtshof werden diese neue Rechtsprechung einbeziehen und in kommenden Urteilen bekräftigen, dass Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen auch dann mitzuzählen sind, wenn über die Anwendung der Schwellenwerte der Mitbestimmungsgesetze entschieden wird.
Der Beschluss des BAG, die Aufsichtsratswahl als Delegiertenwahl durchzuführen, entspricht daher der vom Gesetz in § 9 Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz – MitbestG) vorgesehenen Regelwahlart. Dort heißt es:
§ 9 (1) Die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer (§ 7 Abs. 2) eines Unternehmens mit in der Regel mehr als 8.000 Arbeitnehmern werden durch Delegierte gewählt, sofern nicht die wahlberechtigten Arbeitnehmer die unmittelbare Wahl beschließen.
(2) Die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer (§ 7 Abs. 2) eines Unternehmens mit in der Regel nicht mehr als 8.000 Arbeitnehmern werden in unmittelbarer Wahl gewählt, sofern nicht die wahlberechtigten Arbeitnehmer die Wahl durch Delegierte beschließen.
(3) Zur Abstimmung darüber, ob die Wahl durch Delegierte oder unmittelbar erfolgen soll, bedarf es eines Antrags, der von einem Zwanzigstel der wahlberechtigten Arbeitnehmer des Unternehmens unterzeichnet sein muss. Die Abstimmung ist geheim. Ein Beschluss nach Absatz 1 oder 2 kann nur unter Beteiligung von mindestens der Hälfte der wahlberechtigten Arbeitnehmer und nur mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden.
Ab welcher Beschäftigtenzahl Kapitalgesellschaften einen arbeitnehmermitbestimmten Aufsichtsrat haben müssen, legen bereits drei Gesetze fest: die Gesetze über Montanmitbestimmung, beziehungsweise die „1976er-Mitbestimmung“ sowie das Drittelbeteiligungsgesetz. Die entsprechenden Schwellenwerte liegen bei 500 Beschäftigten (Drittelbeteiligungsgesetz), 1.000 Beschäftigten (Montanmitbestimmung), beziehungsweise 2.000 Beschäftigten (1976er-Mitbestimmung).
Ist also alles bestens geregelt? Mitnichten.
Das Bundesarbeitsgericht hat mit diesem Urteil die Rechte der Leiharbeitnehmer lediglich bei der Mitbestimmung im Betrieb gestärkt. Die wahlberechtigten Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen zählen nun für die Art der Wahl der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat mit. Nicht mehr und nicht weniger.
Weitere Infos: Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 4. November 2015, Aktenzeichen: 7 ABR 42/13
Quelle: DGB, BAG
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