Dem Antikriegsprotest die Spitze nehmen

Seitdem es in der BRD wieder ein Militär gibt, laden Verbände, seit den späten 1970ern vor allem Gewerkschaften, zum Antikriegstag ein. Hierzu ein Hinweis aus aktuellem Anlass.

Von Johannes Schillo

Das Gewerkschaftsforum hat bereits auf den neuen Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum Antikriegstag am 1. September 2025 aufmerksam gemacht und auch auf die zweifelhafte gewerkschaftliche Tradition, die damit in der BRD verbunden ist. Dabei wurde speziell an die Leistung der deutschen Gewerkschaftsführung erinnert, mit einer Mischung aus Abmildern und Abwürgen dem Protest gegen die Wiederbewaffnung in den 1950er Jahren die Spitze zu nehmen. Vorgestellt wurde dabei vor allem die Kritik, wie sie aus der gewerkschaftlichen Basisinitiative „Sagt NEIN!“ gekommen ist.

DGB weiter auf Kriegskurs – Wir sagen: NEIN! Nicht in unserem Namen!

Nur zur Erinnerung: Nachdem im Juli 1956 – ohne nennenswerten Widerstand der Gewerkschaften, wofür die DGB-Führung gesorgt hatte – die allgemeine Wehrpflicht beschlossen worden war und am 1.4.1957 die ersten Wehrpflichtigen in die Kasernen der Bundeswehr einzogen, riefen Jugendverbände aus der Tradition der Arbeiterbewegung zum ersten Antikriegstag auf. Die Einzelheiten kann man auf der Website der Bonner Friedenskooperative nachlesen, z.B. zu den Windungen und Wendungen, die die Teilnahme des DGB betrafen: „Die Bildung der SPD-FDP Regierung 1969 entzog dem Antikriegstag nach Ansicht von SPD- und DGB-Vertretern seine Existenznotwendigkeit, denn zur Friedenspolitik von Willy Brandt gäbe es ‚keine Alternative‘ – so die Begründung. Viele gewerkschaftliche Gruppen nahmen nur noch am Volkstrauertag teil.“

Das änderte sich dann erst, als 1979 mit dem „Nachrüstungs“-Votum von SPD-Kanzler Helmut Schmidt die Entspannungsära – aufbauend auf den bisherigen „Containment“-Erfolgen – konsequenterweise in eine neue Spannungsphase überführt wurde (vgl. dazu auch die kritischen Randglossen in Sachen SPD-Manifest). Zum Antikriegstag am 1.9.1979 rief der DGB bundesweit unter dem Motto „Nie wieder Krieg! Abrüstung – Gewinn für uns!“ auf. Ein Jahr später wurde dann der Antikriegstag am 1. September offiziell vom DGB-Bundesvorstand zum „Tag für friedenspolitische Aktionen der Gewerkschaften“ deklariert. An diesem Datum wird seitdem, obwohl es nicht mehr zu besonderer Mobilisierung der Mitgliederschaft kommt, festgehalten.

Hochzuhalten gibt es an dieser Tradition nicht viel, wie jetzt wieder „Sagt NEIN!“ betont hat. Eine wirkliche Antikriegsposition sei in dem aktuellen Aufruf nicht zu finden. Im Ton leise, im Inhalt „robust“ stimme die nationale Arbeitervertretung in den Chor derjenigen ein, die für die Herstellung einer neuen deutschen Großmachtrolle das Grundgesetz passend machen, Rüstungsanstrengungen in Billionenhöhe beschließen und dies im Rahmen des neuen Leitbildes „Kriegstüchtigkeit“ als unabweisbare Notwendigkeit propagieren. Kernsatz aus dem diesjährigen Aufruf des Dachverbandes: „Auch der DGB sieht die Notwendigkeit, die gemeinsame Verteidigungsfähigkeit Europas zu stärken.“ Der Wortlaut des „Sagt NEIN!“-Statements ist jetzt im Netz abrufbar. Weitere Informationen zur Auseinandersetzung mit der Gewerkschaftsführung finden sich auf der Website der Initiative.

Seit der „Zeitenwende“ vom Februar 2022 ist der DGB ja wieder in seinem Element, sich in einen Protest einzuklinken, paradigmatisch als Friedenskraft aufzutreten und die Sorgen der Mitglieder in eine verantwortungsbewusst gestaltete, die Aufrechterhaltung des sozialen Friedens und die Leistungskraft des Kapitalstandorts berücksichtigende Strategie einzubringen. 2022 kam er gleich mit dem Aufruf „Für Solidarität und Zusammenhalt jetzt!“, was von „Sagt NEIN!“ in seinen realpolitischen Klartext übersetzt wurde: „An der Heimatfront – die Reihen fest geschlossen!“ Die Basisinitiative setzt dagegen: Wir fordern vom DGB und seinen Mitgliedsgewerkschaften einen Bruch mit dem derzeit eingeschlagenen Burgfriedenskurs. Es sei hohe Zeit, endlich wieder unzweideutig, mit klarer antimilitaristischer Haltung auf der Seite der Friedensbewegung zu stehen, nicht auf Seiten der Strategen, Rüstungslobbyisten und Militärseelsorger. – Arbeiter schießen nicht auf Arbeiter! Das fordert „Sagt NEIN!“ gegen alle nationale Tradition.

 

 

 

 

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