DGB: Sechs-Punkte-Plan zur Umgestaltung des Hartz-IV-Systems

Der DGB zeigt sich alarmiert: Viel zu viele Arbeitnehmer werden nach dem Verlust des Jobs „ins Hartz-IV-System durchgereicht“. Die Gewerkschaften fordern deshalb eine Stärkung der Arbeitslosenversicherung und verbesserte Sozialleistungen.

Die Arbeitslosenversicherung müsse wieder das Sicherungssystem werden, das das Risiko der Erwerbslosigkeit im Regelfall absichert. Dazu müssten die Zugänge zum Arbeitslosengeld erleichtert werden. Ältere ab 50 Jahren sollten nach den Vorstellungen des Gewerkschaftsbundes bis zu sechs Monate länger Arbeitslosgengeld bekommen. Zudem dürfe die Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme die restliche Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld nicht verkürzen.

Den Langzeitarbeitslosen müsse eine echte Perspektive eröffnet werden dazu seien mehr und bessere Weiterbildungsmaßnahmen sowie öffentlich geförderte Arbeitsplätze für diejenigen, die heute nahezu chancenlos sind, nötig.

Der DGB fordert zudem ein verbessertes Wohngeld und ein höheres, einkommensabhängiges Kindergeld, um so Erwerbstätige aus dem Hartz-IV-System herauszuholen. Außerdem müssten die Hartz-IV-Regelsätze deutlich erhöht und in ihrer Struktur verändert werden, um Armut und Ausgrenzung zu überwinden.

In seinem Sechs-Punkte-Plan drängt der DGB  auf neue Regeln für Jobangebote. Zukünftig sollten – einheitlich sowohl in der Arbeitslosenversicherung als auch im Hartz-IV-System – nur solche Stellenangebote als zumutbar gelten, die sozialversicherungspflichtig sind und tariflich entlohnt werden. Kommt kein Tarifvertrag zur Anwendung, müssten die ortsüblichen Löhne maßgeblich sein.

„Deutscher Gewerkschaftsbund, Beschluss des Geschäftsführenden Bundesvorstandes vom 19.06.2017

Sechs-Punkte-Plan zur Umgestaltung des Hartz-IV-Systems

Soziale Teilhabe sichern und Langzeiterwerbslosen eine Perspektive schaffen

  1. Arbeitslosenversicherung stärken – Zugänge in Hartz IV vermeiden

Nach dem Verlust des Arbeitsplatzes werden zu viele Arbeitnehmer/innen direkt ins Hartz-IV-System durchgereicht, obwohl sie sozialversicherungspflichtig gearbeitet haben. Wer Arbeitslosengeld bezieht, findet vielfach keinen neuen Arbeitsplatz, bevor der Anspruch endet und stürzt ins Hartz-IV-System ab. Im Ergebnis wird nur noch jede und jeder dritte Erwerbslose von der Arbeitslosenversicherung betreut, während sich zwei Drittel der Erwerbslosen im Hartz-IV-System befinden.

Wir wollen die Arbeitslosenversicherung wieder stärken. Sie muss wieder das Sicherungssystem werden, das das Risiko der Erwerbslosigkeit im Regelfall absichert. Dazu sind die Zugänge zum Arbeitslosengeld zu erleichtern und mehr Erwerbslose dem Versicherungssystem zuzuordnen:

  • Der Zeitraum, in dem Anwartschaftszeiten gesammelt werden können, ist wieder von zwei auf drei Jahre zu verlängern (Rahmenfrist).
  • Die aktive Förderung älterer Erwerbsloser, insbesondere Maßnahmen beruflicher Weiterbildung, müssen ausgebaut und verbessert werden, um die Chancen auf eine Integration in den Arbeitsmarkt zu vergrößern. Die Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme darf die Rest-Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld nicht verkürzen.
  • Für Ältere ab 50 Jahren muss die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes um bis zu sechs Monate verlängert werden, falls eine Integration in den Arbeitsmarkt trotz verbesserter Förderung nicht früher gelingt.[1]
  • Alleinstehende Bezieher von Arbeitslosengeld, die ergänzend Hartz IV beziehen („ALG-I-Aufstocker“), sollen alle Leistungen aus einer Hand von den Arbeitsagenturen erhalten. Auch die Leistungen zum Lebensunterhalt und für die Wohnung werden von den Agenturen ausgezahlt. Die Kosten müssen aber vom Bund getragen werden.
  1. Armut trotz Arbeit überwinden, andere Sozialleistungen bedarfsdeckend ausgestalten

Hartz IV ist heute das Auffangnetz für sehr unterschiedliche Notlagen. Die Gesamtheit der Leistungsberechtigten ist eine äußerst heterogene Gruppe, nur eine Minderheit ist erwerbslos. Ein relevanter Teil der Leistungsberechtigten bezieht Hartz IV, weil das Erwerbseinkommen oder andere Sozialleistungen nicht reichen. Für viele Personengruppen ist eine Absicherung und Betreuung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende gar nicht passend und sachgerecht.

Wir wollen das massenhafte Aufstocken mit Hartz-IV-Leistungen überwinden. Wir wollen Personengruppen, deren vorrangiges Problem gar nicht ein fehlender Arbeitsplatz ist, aus dem Hartz-IV-Bezug herausnehmen und sachgerechter absichern. Keine Familie mit einem Einkommen aus Vollzeit-Erwerbstätigkeit sollte Hartz IV beziehen müssen, nur weil sie Kinder hat oder die Wohnkosten zu hoch sind.

Dazu sind Niedriglöhne und prekäre Beschäftigung zurückzudrängen sowie Sicherungslücken in anderen Sozialsystemen zu schließen, so dass ein ergänzender Bezug von Hartz IV nicht mehr erforderlich wird:

  • Die Tarifbindung muss weiter gestärkt werden, der Mindestlohn schrittweise weiter erhöht und die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen erleichtert werden. Prekäre Beschäftigungsformen müssen in reguläre Arbeit umgewandelt werden, beispielsweise die sozialversicherungsrechtliche und steuerliche Sonderbehandlung der Minijobs beendet werden. Hierzu hat der DGB konkrete Vorschläge unterbreitet.
  • Das Wohngeld muss so ausgestaltet werden, dass es bei Geringverdienern die Kosten der Wohnung tatsächlich deckt.
  • Beim Kinderzuschlag ist der maximale Zahlbetrag von heute 170 Euro deutlich zu erhöhen und nach dem Alter der Kinder zu staffeln.
  • Die Bundesausbildungsbeihilfe (BAB) und die Bundesausbildungsförderung (BAföG) müssen so ausgestaltet werden, dass sie in sich bedarfsdeckend sind und ein ergänzender Hartz-IV-Bezug überflüssig wird.
  • Aufgrund einer speziellen Regelung zur Verteilung des vorhandenen Einkommens auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, gelten heute auch Personen als hilfebedürftig, deren eigenes Einkommen für ihren Lebensunterhalt ausreicht. Sie unterliegen damit allen Auflagen und Pflichten des Hartz-IV-Systems. Wer seinen eigenen Lebensunterhalt decken kann und nur wegen der Mitgliedschaft in einerBedarfsgemeinschaft hilfebedürftig ist, sollte künftig nicht mehr als Hartz-IV-Leistungsberechtigter behandelt werden („vertikale statt horizontale Einkommensanrechnung“).
  1. Langzeiterwerbslosen eine Perspektive bieten

Der Arbeitsmarkt ist immer noch gespalten. Die positiven Trends auf dem Arbeitsmarkt gehen an den Langzeiterwerbslosen weitgehend vorbei. Die Zahl der Langzeiterwerbslosen nimmt kaum ab und die Betroffenheit von Erwerbslosigkeit über mehrere Jahre verfestigt sich. Langzeiterwerbslose sind eine heterogene Gruppe. Einigen fehlt nichts, außer einem Arbeitsplatz. Andere haben einen besonderen Förderbedarf aufgrund der lange andauernden Erwerbslosigkeit oder weil mehrere Risikofaktoren zusammentreffen. Obwohl bei Erwerbslosen im Hartz-IV-System ein erheblicher Qualifizierungsbedarf besteht, werden deutlich weniger Personen gefördert als im Versicherungssystem. Dabei ist Weiterbildung auch für Langzeiterwerbslose der Schlüssel für eine erfolgreiche Integration.

Wir wollen, dass Langzeiterwerbslose wieder eine echte Perspektive bekommen. Auch für diejenigen, die heute völlig chancenlos sind, muss Soziale Teilhabe und eine Einkommenserzielung über Erwerbsarbeit möglich gemacht werden.

Dazu muss die aktive Arbeitsförderung quantitativ und qualitativ ausgebaut werden. Notwendig sind u.a. folgende konkrete Maßnahmen:

  • Langzeiterwerbslose mit schlechter Integrationsprognose müssen eine intensivere Beratung und verstärkte Vermittlungsbemühungen erhalten.
  • Es muss sichergestellt sein, das jeder, der eine Weiterbildung benötigt, diese auch bekommt. Dazu ist ein Rechtsanspruch auf Weiterbildung vorzusehen. Dieser umfasst eine Weiterbildungsberatung und – sofern ein Qualifizierungsbedarf festgestellt wird – die Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme. Wie im Versicherungssystem sollte auch im Hartz-IV-System ein Haushaltstitel speziell für Weiterbildung verankert werden.
  • Die Rahmenbedingungen für Weiterbildung müssen so verbessert werden, dass mehr Teilnehmer/innen für Bildungsmaßnahmen gewonnen werden können und diese auch erfolgreich abschließen können. Untersuchungen zeigen, dass die schlechte Einkommenssituation während der Weiterbildung viele von der Teilnahme abhält. 1-Euro-Jobs dürfen nicht – wie heute – finanziell attraktiver sein als eine Bildungsmaßnahme. Zusätzlich zu den Erfolgsprämien für bestandene Prüfungen muss daher ein Zuschlag zu Hartz IV gewährt werden, wenn an einer Bildungsmaßnahme teilgenommen wird. Die Aufwandsentschädigung bei Ein-Euro-Jobs kann hier ein Maßstab sein. Es sollten vermehrt neue Lernformen ausprobiert werden, Weiterbildungen vermehrt auch in Teilzeit geboten werden sowie – falls erforderlich – eine unterstützende Begleitung erfolgen.
  • Ein Teil der Langzeitarbeitslosen hat wenig realistische Chancen – trotz Förderung und Weiterbildung – in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Für sie müssen Maßnahmen der öffentlich geförderten Beschäftigung angeboten werden. Primäre Funktion der geförderten Beschäftigung ist nicht, Übergänge in ungeförderte Beschäftigung zu erreichen. Vielmehr soll die Beschäftigung soziale Teilhabe über Erwerbsarbeit und eine Einkommenserzielung mittels Erwerbsarbeit sicherstellen und dazu beitragen, dass kommunale bzw. gemeinwohlorientierte Angebote ausgeweitet werden. Anders als bei Ein-Euro Jobs sollten diese Arbeitsplätze vollständig sozialversicherungspflichtig sein, dem allgemeinen Arbeitsrecht entsprechen und tariflich entlohnt werden. Sie müssen arbeitsmarktnah und sinnstiftend sein. Um Verdrängungseffekte weitgehend auszuschließen, sollten die Tarifparteien vor Ort über die Einsatzfelder der öffentlich geförderten Beschäftigung entscheiden. Die Förderung sollte auf gemeinwohlorientierte Arbeitgeber konzentriert werden, damit die eingesetzten Steuergelder auch der Allgemeinheit zu Gute kommen und um Wettbewerbsverzerrungen zwischen Markt konkurrierenden Unternehmen zu vermeiden. Eine Zielgruppe für öffentlich geförderte Beschäftigung sollten Haushalte mit Kindern sein, in denen beide Elternteile erwerbslos sind. Diese Gruppe hat ein extrem hohes Armutsrisiko. Der DGB hat gemeinsam mit der BDA bereits einen konkreten Aktionsplan zur verbesserten Förderung von erwerbslosen Eltern vorgelegt.

Geflüchtete Menschen werden nach ihrer Anerkennung zur weiteren Integration an das Hartz IV System überwiesen. Für ihre Eingliederung ist eine Förderung der beruflichen und sprachlichen Kompetenzen erforderlich. Derzeit ist diese Förderung unzureichend. Es muss sichergestellt werden, dass Eingliederungsvereinbarungen abgeschlossen werden, die eine ausreichende Förderung ermöglichen, und es müssen ausreichende Fördermaßnahmen zur Verfügung gestellt werden.

  1. Regelsätze erhöhen – soziale Teilhabe ermöglichen

Das in der Vergangenheit praktizierte Verfahren zur Bemessung der Hartz-IV-Regelsätze hat erhebliche Defizite und ist nach Einschätzung des DGB nicht geeignet, das soziokulturelle Existenzminimum zu bestimmen. Vielmehr wurden die Regelsätze politisch motiviert kleingerechnet.

Wir wollen eine grundlegende Neu-Ermittlung der Hartz-IV-Regelsätze. Das Verfahren muss transparent und realitätsgerecht sein und im Ergebnis zu Regelsätzen führen, die einen wirksamen Schutz vor Armut bieten und ein Mindestmaß an sozialer Teilhabe ermöglichen.

Der DGB hat gemeinsam mit anderen Akteuren im Bündnis für ein menschenwürdiges Existenzminimum Anforderungen an die Herleitung der Regelsätze formuliert:

  • Der Regelsatz soll zukünftig pauschal nur solche Ausgaben abdecken, die laufend und typischerweise bei allen Haushalten in ähnlicher Größenordnung anfallen. Andere Bedarfe, beispielsweise größere Anschaffungen mit investivem Charakter („weiße Ware“), die nur selten und in großen zeitlichen Abständen anfallen, werden über Einmalbeihilfen gedeckt. Hierdurch werden auch Darlehen vermieden, die sehr verwaltungsaufwändig sind.
  • Bei der Herleitung der Regelsätze müssen Zirkelschlüsse vermieden werden. Haushalte mit einem Einkommen unterhalb des Hartz-IV-Niveaus („verdeckte Armut“) müssen aus der Datenbasis zur Bestimmung der Regelsätze herausgenommen werden.
  • Die Regelsätze werden aus der Einkommens- und Verbraucherstichprobe abgeleitet. Dabei werden die Einkommen der unteren 15 Prozent (Regelsätze für Erwachsene) bzw. der unteren 20 Prozent (Regelsätze für Kinder) zugrunde gelegt. Diese Bezugnahme muss kritisch überprüft werden. Das Wenige, was die einkommensschwächsten Haushalte aufgrund stark begrenzter Mittel nur ausgeben können, darf nicht unreflektiert mit einer ausreichenden Bedarfsdeckung gleichgesetzt werden.
  • Willkürliche, sachlich nicht begründete Kürzungen der statistisch gemessenen Ausgaben einkommensschwacher Haushalte haben zu unterbleiben. D.h., das bisher übliche Herausrechnen angeblich für die Existenzsicherung irrelevanter Positionen (z.B. Kantinenessen, Weihnachtsbaum, Schnittblumen, Buntstifte für Schulkinder) wird beendet.
  • Der DGB spricht sich dafür aus, eine Sachverständigenkommission einzusetzen, bestehend aus Wissenschaftler/innen, Vertreter/innen der Tarifparteien, von Sozial- und Wohlfahrtsverbänden sowie von Betroffenenorganisationen. Die Kommission soll eine Empfehlung für den Gesetzgeber für armutsfeste und bedarfsdeckende Regelbedarfe entwickeln. Dabei kann sie auf bereits vorliegende Vorschläge zur Neuberechnung der Regelsätze aufbauen, die eine gute Diskussionsgrundlage darstellen.

5. Zumutbarkeitsregeln an Guter Arbeit ausrichten

Bei Pflichtverletzungen sieht das SGB II Sanktionen vor, die in erheblichen Kürzungen der Geldbeträge bestehen.

Grundsätzlich stehen Sanktionen in einem Spannungsverhältnis zur sozialpolitischen Funktion der Grundsicherung und zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben, nach denen ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten ist. Die Frage, ob das bestehende Sanktionssystem verfassungskonform ist, liegt zurzeit dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor. Aber auch unabhängig von verfassungsrechtlichen Überlegungen müssen die negativen Auswirkungen von so überbordenden Sanktionen korrigiert werden. Denn solche Sanktionsdrohungen wirken über die Sanktionierten hinaus generell disziplinierend auf alle Arbeitsuchenden. Da bei Hartz IV (fast) jede legale Arbeit als zumutbar gilt, wird Druck aufgebaut, auch prekäre, niedrig entlohnte Arbeit annehmen zu müssen. Die Sanktionsandrohung verschärft so die Macht-Asymmetrie auf dem Arbeitsmarkt zu Lasten der abhängig Beschäftigten und zu Gunsten der Unternehmen. Zudem können Sanktionen sozialpolitisch problematisch wirken, wenn Leistungsberechtigte nach einer Sanktion den Kontakt zum Jobcenter ganz abbrechen.

Wir wollen das bestehende Sanktionsregime mit Kürzungsschritten bei Pflichtverletzungen in Höhe von 30, 60 und 100 Prozent sowie die verschärften Strafen für unter 25-Jährige überwinden und zudem die Zumutbarkeitsregelungen am Leitbild „Guter Arbeit“ ausrichten:

  • Zukünftig sollen – einheitlich sowohl in der Arbeitslosenversicherung als auch im Hartz-IV-System – nur solche Stellenangebote als zumutbar gelten, die sozialversicherungspflichtig sind und tariflich entlohnt werden. Kommt kein Tarifvertrag zur Anwendung sind die ortsüblichen Löhne maßgebend.
  • Um Qualifikationen nicht zu entwerten und um eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration zu befördern, gelten in den ersten sechs Monaten der Erwerbslosigkeit Stellenangebote unterhalb des erworbenen Qualifikationsniveaus sowie Leiharbeitsverhältnisse nicht als zumutbare Arbeit, sie sind also freiwillig.
  • Integrationsziele und Schritte werden zwischen Jobcenter und Erwerbslosen einvernehmlich ausgehandelt. Eine solche auf Kooperation angelegte Arbeitsweise befördert nicht nur die Chancen auf einen erfolgreichen Integrationsprozess sondern trägt auch dazu bei, Konflikte und Sanktionsanlässe zu vermeiden.
  • Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sollten die bestehenden, existenzbedrohenden Sanktionsregelungen ausgesetzt werden.
  • Meldeversäumnisse sind der mit Abstand häufigste Grund für Sanktionen. Der DGB regt an, dass das Bundesarbeitsministerium ein Forschungsvorhaben vergibt, mit dem die Gründe für die NichtWahrnehmung von Terminen beim Jobcenter untersucht werden.
  1. Bürgerfreundliches Arbeiten im Jobcenter ermöglichen – Arbeitsbedingungen verbessern

Hartz-IV-Leistungen sind keine Almosen. Vielmehr besteht ein Rechtsanspruch auf die Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Trotzdem fühlen sich viele Hartz-IV-Leistungsberechtigte als Bittsteller. Ein Teil der Leistungsberechtigten erlebt die Jobcenter nicht als helfende Behörde. Die Antragsverfahren und die Arbeitsweise der Jobcenter werden oftmals als wenig bürgerfreundlich erlebt. Vergessen werden darf jedoch auch nicht, dass die Defizite des Hartz-IV-Systems auf beiden Seiten des Schreibtischs wirken und auch die JobcenterMitarbeiter/innen erheblichen Belastungen ausgesetzt sind.

Wir wollen die Rechte von Hartz-IV-Leistungsbeziehern stärken, eine bürgerfreundliche Arbeitsweise der Jobcenter ermöglichen und die Arbeitsbedingungen der Jobcenter-Mitarbeiter verbessern.

  • Besondere Verfahrensregeln, die Hartz-IV-Berechtigte heute gegenüber anderen Bezieher/innen vonSozialleistungen schlechter stellen, müssen überwunden werden. Die Rechtsposition der Hartz-IV-Bezieher/innen im Umgang mit den Jobcentern muss sich nach dem allgemeinen Regeln der Sozialgesetzbücher I und X richten. Dies gilt z.B. für die aufschiebende Wirkung von Widersprüchen.
  • Durch untergesetzliche, serviceorientierte Maßnahmen sollte die Arbeitsweise der Jobcenter bürgerfreundlicher gestaltet werden: So sollten beispielsweise Eingangsbestätigungen für eingereichte Unterlagen eine Selbstverständlichkeit sein und in dringenden Fällen auch eine Vorsprache ohne Termin möglich sein.
  • Die Arbeitsbelastung der Jobcenter-Beschäftigten muss vermindert und die Arbeitsbedingungen müssen verbessert werden. Wenn die Vorschläge des DGB zur Stärkung der vorgelagerten Sicherungssysteme umgesetzt werden, entlastet dies die Jobcenter. Das Personal muss aber in den Einrichtungen verbleiben und besser qualifiziert werden. Befristete Beschäftigung muss auf das unbedingt notwendige beschränkt bleiben.
  • Das verwaltungsinterne Ziel- und Steuerungssystem muss stärker an qualitativen Zielen ausgerichtet werden. So sollten beispielsweise auch das Erreichen von Zwischenschritten im Integrationsprozess, die Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen oder intensive Beratungs- und Betreuungsdienstleistungen positiv im Zielsystem gewürdigt werden“.

 

 

Bild: Sozialberatung Kiel