Die wichtigsten Maßnahmen der aktuellen Militarisierung der Gesellschaft sind die massive Anwerbekampagne der Bundeswehr und die angekündigte, teilweise Reaktivierung der Wehrpflicht. Bei dieser Kampagne geht es nicht nur darum, die „Personalnot“ der Bundeswehr zu beheben, sondern auch um die Truppe wieder zur „Schule der Nation zu machen“. Dort sollen die jungen Menschen wieder „dienen lernen“ und die allgemeine Dienstpflicht wird als Gemeinschaft und „Solidarität in den Schützengräben“ beschworen.
Skandalös ist bei diesem Vorhaben, die zunehmende militärische Waffenausbildung minderjähriger junger Menschen, die mit dem Einverständnis ihrer Erziehungsberechtigten rekrutiert und an den Waffen geschult werden.
Da die Bundesregierung die Rekrutierung von Jugendlichen erlaubt, ist sie auch für die Risiken und Schäden verantwortlich. Es handelt sich hierbei um schwere Kinderrechtsverletzungen und gravierende Verstöße gegen die UN-Kinderrechtskonvention. Auch der UN-Kinderrechtsausschuss fordert ein Rekrutierungsalter von über 18 Jahren, um die weltweite Rekrutierung von Kindersoldaten auszuschließen. Der UN-Ausschuss fordert die Bundesregierung schon seit 2008 auf, das Rekrutierungsalter auf 18 Jahre anzuheben. Die Aufforderung wird aber bisher von der Bundesregierung mit dem Verweis auf eine Ausnahmeregelung für staatliche Armeen in einem Zusatzprotokoll der UN-Kinderrechtskonvention ignoriert.
Verantwortlich ist die Bundesregierung auch für die jugendlichen Opfer von sexueller Gewalt, Unfallschäden und verübter Selbsttötung.
Es ist nicht akzeptabel, dass Jugendliche in der Bundeswehr schweren Risiken ausgesetzt sind und es noch nicht einmal besondere Schutzmaßnahmen für sie gibt.
Die Bundesregierung scheint den Schutz von Minderjährigen vor Militarisierung inzwischen völlig aufgegeben zu haben.
In den vergangenen fünf Jahren hat die Bundeswehr insgesamt 7.681 Minderjährige rekrutiert. Im Jahr 2023 hat sie insgesamt 18.800 Menschen eingestellt, davon waren 1.996 unter 18 Jahre alt und 327 minderjährige Mädchen.
Jugendliche werden in der Bundeswehr schweren Risiken ausgesetzt und es fehlen besondere Schutzmaßnahmen
Daten aus dem Verteidigungsministerium für das Jahr 2022 belegen, dass 17-jährige Mädchen und Jungen bei der Bundeswehr großen Risiken ausgesetzt sind und körperliche sowie seelische Schäden erleiden. Mindestens 17 Minderjährige waren Opfer von sexueller Gewalt, mindestens acht kamen bei Unfällen zu Schaden und ein minderjähriger Soldat tötete sich selbst..
Fast jeder vierte Soldat der Bundeswehr ohne Einsatzerfahrung leidet unter psychischen Erkrankungen.
Während es in Schulen und Bildungseinrichtungen inzwischen strenge Regeln zum Schutz von Kindern und Jugendlichen gibt, werden Jugendliche in der Bundeswehr ohne jeden Schutz mit Erwachsenen zusammen untergebracht. Sie erhalten dasselbe gefährliche militärische Training und haben noch nicht einmal spezielle Ansprechpartner. In einem Drittel der Fälle sexueller Gewalt, die Minderjährige in der Bundeswehr in den letzten drei Jahren erleiden mussten, stehen Vorgesetzte unter Tatverdacht. Dies deutet auf Machtmissbrauch, ein systemisches Problem bei der Bundeswehr hin und es macht deutlich, dass die Bundeswehr kein Ort für Kinder und Jugendliche ist.
Verantwortlich ist die Bundesregierung
Die Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP hatten noch im Koalitionsvertrag vereinbart, dass nur Volljährige an der Waffe ausgebildet werden sollen. Die Bundeswehr argumentiert aber erfolgreich damit, dass ihre minderjährigen Rekruten gegenüber gleichaltrigen Berufseinsteigern im zivilen Bereich benachteiligt wären, wenn sie mit ihrer Ausbildung bis zum 18. Geburtstag warten müssten und die 17-Jährigen würden ja generell nicht in Einsätze geschickt.
Gleichzeitig werden die Auftritte von Jugendoffizieren der Bundeswehr an Schulen erheblich ausgebaut und Jugendliche bewusst angeworben. Der Einsatz ist schon gewaltig: Nach Angaben des Verteidigungsministeriums waren Mitte Juli diesen Jahres 85 Jugendoffiziersposten besetzt. 2023 hielten sie an Schulen und Hochschulen 3.460 Vorträge und erreichten damit etwa 90.000 Schüler und Studenten.
Auch hier weist das Verteidigungsministerium den Vorwurf der Militarisierung im Zusammenhang mit Jugendoffizieren zurück, diese würden sich auch der Diskussion mit militärkritischen Positionen stellen.
Die Anwerbungsversuche durch Jugendoffiziere in Schulen oder Karriereberater auf Berufsmessen sind immer erfolgreicher. Im Jahr 2023 waren 10.6 Prozent aller Rekruten nicht volljährig.
Das Ziel der Bundeswehr, mehr Jugendliche für die Ausbildung an der Waffe zu gewinnen und begeistern, ist im Zusammenhang mit der Kriegstüchtigmachung unserer Gesellschaft bis 2029 zu sehen. Kriegsminister Boris Pistorius (SPD) sieht darin ein zentrales Mittel, um die Truppenstärke anzuheben. Es sollen 400.000 Schüler einen Fragebogen ausfüllen, der nach geeigneten Rekruten abfragt und diese verpflichtend zu einem Musterungstermin einlädt.
Ergänzen sollen die Indoktrinationsversuche speziell ausgebildete Jugendoffiziere, Unterrichtsmaterialien mit dem Ziel, friedenspolitische Inhalte in „sicherheitspolitische“ Bildung umzuwandeln und die Propaganda in den (vor allem den „sozialen“) Medien und mit Werbekampagnen im gesellschaftlichen Leben begleiten.
Wie stark die Werbung der Bundeswehr auf Jugendliche wirkt, zeigt sich spätestens dann, wenn die jungen Menschen die Bundeswehr trotz Vertrages wieder verlassen wollen. Der rüde Umgangston und der alltägliche Militärdienst belasten sie enorm und können zu schweren psychischen Problemen führen kann.
Vereinte Nationen kritisieren die Bundesregierung wegen der gezielten Rekrutierung Minderjähriger
Die Vereinten Nationen kritisieren die Bundesregierung immer wieder wegen der gezielten Rekrutierung Minderjähriger und fordern sie schon seit 2008 auf, das Mindestalter für die Bundeswehr auf 18 Jahre zu erhöhen, so wie es 150 andere Länder bereits getan haben. Obwohl Deutschland die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert hat, plant die Bundesregierung hier keine Änderungen. Sie verweist immer wieder auf eine Ausnahmeregelung für staatliche Armeen in einem Zusatzprotokoll der UN-Kinderrechtskonvention. Diese wäre nur zulässig, wenn alle Kinderrechte der Konvention eingehalten werden könnten. Dass dies bei der Bundeswehr nicht der Fall ist, wurde vielfach belegt und wird durch die neuen Daten wieder bestätigt.
Die Haltung der Bundesregierung ist völlig rückständig, denn nur noch wenige Staaten weltweit nutzen die Ausnahmeregelung, mehr als dreiviertel aller Staaten rekrutieren Soldaten frühestens, wenn sie volljährig sind.
Junge Menschen werden skrupellos ausgenutzt
Die massive Anwerbekampagne der Bundeswehr und die angekündigte, teilweise Reaktivierung der Wehrpflicht sind wichtige Maßnahmen der aktuellen Militarisierung der Gesellschaft.
Während man an der Bildung junger Menschen offenbar hemmungslos sparen kann, sind sie für Kriegseinsätze und Aufrüstungsbestrebungen anscheinend gut genug.
Der direkte Einfluss der Bundeswehr auf den Unterricht verschlechtert nachhaltig die konkreten Bildungsbedingungen. Das Versprechen einer allseitigen Bildung, die jeden jungen Menschen zur kritischen Auseinandersetzung mit den herrschenden Zuständen befähigen sollte, wird angegriffen. Die Zukunftsängste der Jugend vor Krieg, schlechten Ausbildungsbedingungen, sinkenden Reallöhnen, Ausgrenzung, Abstieg und Wirtschaftskrisen nutzt die Bundeswehr schamlos aus. Sie stellt sichere und Abenteuer bietende Arbeitsplätze in Aussicht.
In der Wirklichkeit marschieren die jungen Menschen für die Interessen der Unternehmen in den Krieg. Sie sollen wieder „dienen lernen“, dabei dienen sie lediglich als Kanonenfutter.
Quellen: Schattenbericht Kindersoldaten 2007, 2013, 2019 (offizielle Dokumente im UN-Staatenberichtsverfahren zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention durch Deutschland), Studie „Why 18 matters – eine Analyse der Rekrutierung von Kindern“ (2019). Bild: Unter 18 nie! – Keine Minderjährigen in der Bundeswehr