Die Völkerrechtswidrigkeit von Atomwaffen und daraus folgende Anforderungen an die deutsche Sicherheitspolitik

Vortrag von Otto Jäckel in der Veranstaltung „70 Jahre Russell-Einstein-Manifest“ am 5. Juli 2025 an der Universität Göttingen

Nach der “Göttlichen Komödie” von Dante enden Gewalttäter und Massenmörder in dem siebten und schrecklichsten Kreis der Hölle.
Hieran erinnerte der argentinische Staatsanwalt Julio Strassera – In dem Film “Argentina 1985 – nie wieder” gespielt von Ricardo Darin – in seinem Schlussplädoyer in dem Prozess gegen die Mitglieder der argentinischen Militärjunta. Gegen alle Widerstände und Morddrohungen hatte er die Beweise dafür erbracht, dass die von ihm angeklagten Generäle für die Verfolgung tausender Argentinierinnen und Argentinier durch Entführungen, Folter und Mord persönlich verantwortlich waren.

Das “nie wieder” steht auch und erst recht in allen Sprachen der Welt über dem Himmel von Hiroshima und Nagasaki. Es ist die dauernde Mahnung von Albert Einstein und Bertrand Russel, uns an unser Menschsein zu erinnern.
Und doch gibt es Christenmenschen, die offenbar den siebten Kreis der Hölle nicht fürchten und meinen, sie bräuchten neben US-amerikanischen Atomwaffen nun auch noch europäische oder gar eigene Atomwaffen, um damit zu drohen und sie gegebenenfalls auch einzusetzen. Der Focus der Amerikaner sei eben auf Südostasien gerichtet und ihre Bündnistreue Deutschland gegenüber nicht mehr sicher. Deshalb müsse Deutschland auch die stärkste konventionelle Armee in Europa bekommen, um eine Rolle in der Welt spielen zu können, die der ökonomischen Stärke des Landes als drittstärkste Volkswirtschaft entspricht.

Diese Christenmenschen heißen Friedrich Merz und Jens Spahn.

Schon fünf Tage nach der Bundestagswahl im Februar meldeten sie entsprechende Ansprüche an und Macron erklärte sich Mitte Mai bereit, die europäischen Partner unter den französischen atomaren Schutzschirm zu stellen.

Begleitet wird dies durch eine Medienkampagne vor allem in der FAZ, die zu dem Thema regelmäßig Gastbeiträge bringt, unter anderem von Christian von Soest, Professor an dieser Universität hier in Göttingen. Dabei stellt sich die Frage, wie 1. die Übernahme US-amerikanischer, französischer oder britischer Atombomben durch Deutschland mit den Regeln des Nichtverbreitungsvertrags NVV und 2., wie die Androhung des Einsatzes dieser Atomwaffen oder gar deren Einsatz durch deutsche Soldaten mit dem humanitären Völkerrecht vereinbar sein soll.

Was die ständig geübte Übernahme der Atombomben aus den von den US-Streitkräften bewachten Grüften auf dem Fliegerhorst in Büchel durch die Piloten des taktischen Luftwaffengeschwaders 33 der Bundesluftwaffe anbelangt, gilt eine einfache und auch für jeden Nichtjuristen sofort verständliche Regelung.
Artikel 2 des Nichtverbreitungsvertrags lautet: „Jeder Nichtkernwaffenstaat, der Vertragspartei ist, verpflichtet sich, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper weder herzustellen noch sonst wie zu erwerben und keine Unterstützung zur Herstellung von Kernwaffen oder sonstigen Kernsprengkörpern zu suchen oder anzunehmen“

Eine Ausnahmeregelung enthält der NVV nicht. Die geplante Annahme der Atomwaffen durch Streitkräfte Deutschlands, eines Nichtkernwaffenstaats, ist danach von allen möglichen vorstellbaren Vertragsbrüchen der klarste und eindeutigste Vertragsbruch.
Weil den USA und Deutschland dies von Unterzeichnung und Ratifizierung des NVV an völlig bewusst war und der Vertrag keinerlei Schlupflöcher enthält, durch die man zu einer legalen Übergabe der Atomwaffen im Rahmen der nuklearen Teilhabe gelangen kann, vertreten sie die Auffassung, dass der gesamte Vertrag nicht mehr gilt, wenn es zu einem bewaffneten Konflikt kommt.

Dies habe der amerikanische Außenminister Dean Rusk in einer in einem Brief an Präsident Johnson und die Mitglieder des US-amerikanischen Senats enthaltenen “Interpretationserklärung” vom 9. Juli 1968, acht Tage nach der Unterzeichnungszeremonie mitgeteilt. Dieser Brief sei auch an die Vertretung der damaligen Sowjetunion versandt worden, die ihn ohne Reaktion zur Kenntnis genommen habe. Die entscheidende Passage lautet: „Er – (der Vertrag) – behandelt nicht Regelungen über die Dislozierung von Kernwaffen auf alliiertem Hoheitsgebiet (also z.B. Deutschland), da diese keine Weitergabe von Kernwaffen oder Verfügungsgewalt darüber einschließen, sofern und solange nicht eine Entscheidung, Krieg zu führen getroffen wird, in welchem Zeitpunkt der Vertrag nicht mehr maßgebend wäre.”

Also keine Weitergabe im Frieden – wozu auch -, sondern erst, wenn ein bewaffneter Konflikt begonnen hat.

Aber war nicht gerade für diesen Fall der NVV abgeschlossen worden und verliert er nicht durch die Interpretation der USA und der NATO jeden Sinn?
Genau dieser Umstand ist es aber, der den Vorbehalt nach den Regeln des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge unwirksam macht. In Art. 19 heißt es hierzu: Ein Staat kann bei der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung eines Vertrags oder beim Beitritt einen Vorbehalt anbringen, sofern nicht der Vorbehalt mit Ziel und Zweck des Vertrags unvereinbar ist. Ein Vorbehalt des Inhaltes, wonach Atomwaffen an Nichtatomwaffenstaaten weitergegeben und von diesen angenommen werden können, um sie in einem Krieg einzusetzen, verkehrt die Intention des Vertrages in ihr genaues Gegenteil und ist damit unwirksam.

Im Übrigen ist ein Vorbehalt, um wirksam werden zu können, nach Artikel 23 allen Vertragsstaaten sowie sonstigen Staaten schriftlich mitzuteilen, die Vertragsparteien zu werden berechtigt sind. Die Information lediglich eines Staats – der damaligen Sowjetunion – erfüllt diese Anforderung eindeutig nicht.

Die Bundesregierung behauptet, Deutschland habe alle Staaten über den Vorbehalt informiert, mit denen Deutschland seinerzeit im Jahr 1968 diplomatische Beziehungen unterhalten habe. Das reicht nach Art 23 der Vertragsrechtskonvention jedoch für einen wirksamen Vorbehalt ebenfalls nicht aus. Die Information aller ist die Voraussetzung dafür, dass die angesprochenen Staaten sich dazu positionieren können, also erklären, ob sie den Vorbehalt akzeptieren oder ablehnen.

Der Kriegsvorbehalt der NATO-Staaten zum NVV ist daher unwirksam und rechtlich bedeutungslos. Er ist nichts weiter als die Ankündigung, sich nicht an den Vertrag halten zu wollen, und zwar gerade dann, wenn es darauf ankommt.
Wie steht es nun mit der Vereinbarkeit der Androhung des Einsatzes oder gar des Einsatzes der Atomwaffen durch die Bundesluftwaffe mit dem humanitären Völkerrecht?
Von Piloten, die in dem strategischen Luftwaffengeschwader 33 der Bundeswehr in Büchel gedient haben, wissen wir, wie einer ihrer wichtigsten Kampfaufträge lautet: Tiefflug nach Osten unterhalb der Erfassung durch die russische Luftabwehr, sodann Steilflug hoch über die Stadt Moskau, Abwurf der Atombombe und Rückflug in einem Looping, um nicht selbst von der Wirkung der Atombombenexplosion erfasst zu werden. In dem jährlichen Herbstmanöver Stead Fast Noon wird der Atomwaffeneinsatz im Verbund mit konventionellen Waffen trainiert.

Der Einsatz von Atomwaffen wird von der NATO stets von vorneherein als integraler Bestandteil jeder konventionellen Kriegsführung eingeplant, darunter z.B. auch ein nuklearer Erstschlag gegen einen Cyberangriff.
Ein Krieg, bei dem auch Atomwaffen eingesetzt werden, wird daher immer wahrscheinlicher.

Dabei hatte schon das Bezirksgericht von Tokio in dem Verfahren von Ryuchi Shimoda und anderen, die bei dem Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki verletzt worden waren oder ihre Angehörigen verloren hatten gegen den Staat Japan in seinem Urteil vom 07.12.1963 entschieden, dass der Atombombeneinsatz der USA gegen die seinerzeit geltenden Regeln des Völkerrechts verstieß. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, es gebe zwar kein formelles Verbot der Atomwaffen, ihr Einsatz habe aber gegen das völkerrechtliche Verbot verstoßen, wahllos eine unverteidigte Stadt zu bombardieren und somit bei der Verfolgung militärischer Ziele unterschiedslos Militärangehörige und Zivilisten zu töten. Zudem verstoße der Einsatz durch die dabei freigesetzte radioaktive Strahlung gegen das Verbot, unnötige Leiden hervorzurufen. Auf dem Stand des heute geltenden humanitären Völkerrechts wurde diese Argumentation dann weiterentwickelt in dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 08. Juli 1996.

Der Einsatz von Atomwaffen und schon die Drohung damit stehen generell im Widerspruch zu den in einem bewaffneten Konflikt verbindlich anzuwendenden Regeln des internationalen Rechts, insbesondere den Regeln des humanitären Völkerrechts. Dies ist die zentrale Erkenntnis des wichtigsten Rechtsprechungsorgans der Vereinten Nationen mit Sitz in Den Haag.

Zur Erstattung des Gutachtens beauftragt worden war der IGH durch eine Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Dezember 1994. Diesem Beschluss vorausgegangen war eine zivilgesellschaftliche Kampagne, initiiert von IALANA, IPPNW und dem von Bertha von Suttner gegründeten Internationalen Friedensbüro IPB, der sich weltweit Hunderte Initiativen angeschlossen hatten und die dem Gericht im Friedenspalast von Den Haag über eine Million Unterschriften übergab.

Das Gericht hatte sich bei seiner Untersuchung zunächst mit den bestehenden internationalen Verträgen und UN-Resolutionen beschäftigt, die sich mit Atomwaffen befassen und war zu dem Ergebnis gekommen, dass noch keine vertraglichen oder gewohnheitsrechtlichen Regeln bestünden, nach denen der Einsatz von Atomwaffen in jedem Fall erlaubt oder verboten sei.

Ein Verbotsvertrag wie für biologische oder chemische Massenvernichtungswaffen bestand zu dieser Zeit noch nicht.

Die Bundesregierung behauptet, Deutschland habe alle Staaten über den Vorbehalt informiert, mit denen Deutschland seinerzeit im Jahr 1968 diplomatische Beziehungen unterhalten habe. Das reicht nach Art 23 der Vertragsrechtskonvention jedoch für einen wirksamen Vorbehalt ebenfalls nicht aus. Die Information aller ist die Voraussetzung dafür, dass die angesprochenen Staaten sich dazu positionieren können, also erklären, ob sie den Vorbehalt akzeptieren oder ablehnen.

Der Kriegsvorbehalt der NATO-Staaten zum NVV ist daher unwirksam und rechtlich bedeutungslos. Er ist nichts weiter als die Ankündigung, sich nicht an den Vertrag halten zu wollen, und zwar gerade dann, wenn es darauf ankommt.

Wie steht es nun mit der Vereinbarkeit der Androhung des Einsatzes oder gar des Einsatzes der Atomwaffen durch die Bundesluftwaffe mit dem humanitären Völkerrecht?
Von Piloten, die in dem strategischen Luftwaffengeschwader 33 der Bundeswehr in Büchel gedient haben, wissen wir, wie einer ihrer wichtigsten Kampfaufträge lautet: Tiefflug nach Osten unterhalb der Erfassung durch die russische Luftabwehr, sodann Steilflug hoch über die Stadt Moskau, Abwurf der Atombombe und Rückflug in einem Looping, um nicht selbst von der Wirkung der Atombombenexplosion erfasst zu werden. In dem jährlichen Herbstmanöver Stead Fast Noon wird der Atomwaffeneinsatz im Verbund mit konventionellen Waffen trainiert.

Der Einsatz von Atomwaffen wird von der NATO stets von vorneherein als integraler Bestandteil jeder konventionellen Kriegsführung eingeplant, darunter z.B. auch ein nuklearer Erstschlag gegen einen Cyberangriff.
Ein Krieg, bei dem auch Atomwaffen eingesetzt werden, wird daher immer wahrscheinlicher.

Dabei hatte schon das Bezirksgericht von Tokio in dem Verfahren von Ryuchi Shimoda und anderen, die bei dem Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki verletzt worden waren oder ihre Angehörigen verloren hatten gegen den Staat Japan in seinem Urteil vom 07.12.1963 entschieden, dass der Atombombeneinsatz der USA gegen die seinerzeit geltenden Regeln des Völkerrechts verstieß. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, es gebe zwar kein formelles Verbot der Atomwaffen, ihr Einsatz habe aber gegen das völkerrechtliche Verbot verstoßen, wahllos eine unverteidigte Stadt zu bombardieren und somit bei der Verfolgung militärischer Ziele unterschiedslos Militärangehörige und Zivilisten zu töten. Zudem verstoße der Einsatz durch die dabei freigesetzte radioaktive Strahlung gegen das Verbot, unnötige Leiden hervorzurufen. Auf dem Stand des heute geltenden humanitären Völkerrechts wurde diese Argumentation dann weiterentwickelt in dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 08. Juli 1996.

Der Einsatz von Atomwaffen und schon die Drohung damit stehen generell im Widerspruch zu den in einem bewaffneten Konflikt verbindlich anzuwendenden Regeln des internationalen Rechts, insbesondere den Regeln des humanitären Völkerrechts. Dies ist die zentrale Erkenntnis des wichtigsten Rechtsprechungsorgans der Vereinten Nationen mit Sitz in Den Haag.

Zur Erstattung des Gutachtens beauftragt worden war der IGH durch eine Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Dezember 1994. Diesem Beschluss vorausgegangen war eine zivilgesellschaftliche Kampagne, initiiert von IALANA, IPPNW und dem von Bertha von Suttner gegründeten Internationalen Friedensbüro IPB, der sich weltweit Hunderte Initiativen angeschlossen hatten und die dem Gericht im Friedenspalast von Den Haag über eine Million Unterschriften übergab.

Das Gericht hatte sich bei seiner Untersuchung zunächst mit den bestehenden internationalen Verträgen und UN-Resolutionen beschäftigt, die sich mit Atomwaffen befassen und war zu dem Ergebnis gekommen, dass noch keine vertraglichen oder gewohnheitsrechtlichen Regeln bestünden, nach denen der Einsatz von Atomwaffen in jedem Fall erlaubt oder verboten sei.

Ein Verbotsvertrag wie für biologische oder chemische Massenvernichtungswaffen bestand zu dieser Zeit noch nicht.

Das Gericht hatte sich sodann den im bewaffneten Konflikt einzuhaltenden Regeln der Charta der Vereinten Nationen und des humanitären Völkerrechts zugewandt und folgendes festgestellt.

  1. Das Recht auf Notwehr in Art. 51 UN-Charta, wonach jeder Staat das Recht hat, sich gegen einen bewaffneten Angriff zur Wehr zu setzen, bis der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sich der Sache angenommen hat, unterliege bestimmten Einschränkungen, die sich aus den Grundsätzen der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergeben. Es gibt eine besondere gewohnheitsrechtliche Regel, wonach nur Maßnahmen gerechtfertigt sind, die zu dem bewaffneten Angriff im Verhältnis stehen und notwendig sind, um ihm zu begegnen.
  2. Darüber hinaus muss nach Ansicht des IGH jede der Verteidigung dienende Gewaltanwendung zugleich die für bewaffnete Konflikte verbindlichen Bedingungen des humanitären Völkerrechts erfüllen. Dazu zählen insbesondere das „Haager Recht“ über die Gesetze des Landkriegs, das die Mittel und Methoden beschränkt, den Feind in einem internationalen bewaffneten Konflikt zu schädigen, das „Genfer Recht“, das die Kriegsopfer schützt und darauf abzielt, das Leben kriegsunfähiger Angehöriger der Streitkräfte und unbeteiligter Personen zu schützen und schließlich das Recht, mit dem die Anwendung bestimmter Waffen wie erstickende Gase, Dumdum-Geschosse, die sich im Körper aufpilzen, biologische und chemische Waffen und Anti-Personen-Landminen verboten werden.
    Im Ergebnis gelangte er zu der Feststellung, dass Atomwaffen generell gegen das Humanitäre Völkerrecht verstoßen, weil deren Waffenwirkung nicht zwischen Kombattanten und Zivilisten unterscheidet, sie durch ihre radioaktive Strahlung unnötige Qualen verursachen und zu Schäden an der Umwelt und den Lebensgrundlagen der Menschen für zukünftige Generationen führen.
  3. Zudem verstoßen Atomwaffen gegen das Neutralitätsgebot, wonach das Territorium neutraler Mächte unantastbar ist, wie es schon in Artikel 1 des Haager Übereinkommens über die Rechte und Pflichten neutraler Mächte und Personen im Falle der Landkriegführung von 1907 hieß. Der Gerichtshof stellte klar, dass dieses Neutralitätsprinzip sich auch auf Schäden bezieht, die durch den Waffeneinsatz in einem kriegführenden Land verursacht werden.
  4. Einstimmig vertrat der Gerichtshof schließlich die Rechtsauffassung, aus Artikel 6 des Nichtverbreitungsvertrags und aus den Regeln des humanitären Völkerrechts ergebe sich die Verpflichtung, Verhandlungen in gutem Glauben zu führen und abzuschließen, die zu atomarer Abrüstung in allen ihren Aspekten unter strikter und effektiver internationaler Kontrolle führen.

Wie können die Atomwaffenstaaten und insbesondere die deutsche Bundesregierung nach diesen Erkenntnissen nun zu der Meinung gelangen, sie hätten einen kleinen Spalt in der Rechtslage gefunden, der sich doch für einen legalen Atomwaffeneinsatz öffnen könnte?
Angesetzt wird dabei an der folgenden weiteren Feststellung des Gerichts: “Aus den oben genannten Forderungen des Gerichts folgt, dass die Bedrohung durch die Anwendung von Atomwaffen generell im Widerspruch zu den in einem bewaffneten Konflikt verbindlichen Regeln des internationalen Rechts und insbesondere den Prinzipien und Regeln des humanitären Völkerrechts stehen würde;

Der Gerichtshof kann jedoch in Anbetracht des gegenwärtigen Völkerrechtsstatus und der ihm zur Verfügung stehenden grundlegenden Fakten nicht definitiv entscheiden, ob die Bedrohung durch oder die Anwendung von Atomwaffen in einer extremen Notwehrsituation, in der das reine Überleben eines Staates auf dem Spiel stehen würde, rechtmäßig oder unrechtmäßig sein würde.”

Der Gerichtshof hat damit zum einen deutlich gemacht, dass er bei seiner Entscheidung nicht das Überlebensrecht eines Staates aus den Augen verlieren dürfe, der sich in einer extremen Notwehrsituation von existenzieller Bedeutung befinde und er bezüglich der Legalität eines Atomwaffeneinsatzes in einer solchen Situation angesichts seiner mangelnden Kenntnis über die von Nuklearwaffenstaaten behauptete Möglichkeit, “saubere” Atomwaffen bauen zu können, keine abschließende Aussage treffen könne. Die Weigerung des Gerichtshofs, eine fiktive Frage voller unbekannter Voraussetzungen zu beantworten, kann nicht als ein “ja” interpretiert werden.

Wie der Präsident des IGH Mohammed Bedjaoui, der zuvor u.a. Dekan der Juristischen Fakultät der Universität von Algier und algerischer Justizminister und Außenminister war, in einem Vortrag auf einer Konferenz der IALANA in Costa Rica hierzu erklärt hat, konnte der Gerichtshof den Vortrag der Kernwaffenstaaten zu Atomwaffen, die angeblich nur eine schwache Wirkung entfalten, keine radioaktive Strahlung freisetzen oder gar auf intelligente Weise zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten unterscheiden, nicht überprüfen und hat die Frage daher offengelassen. Nach seiner Überzeugung handele es sich bei Waffen, die keine ionisierenden Strahlen freisetzen, im Übrigen gar nicht um Atomwaffen, da die Freisetzung von Radioaktivität gerade die Identität von Atomwaffen ausmacht.

Danach ist der Spalt, der sich für einen legalen Einsatz von Atomwaffen öffnet, auf fiktive, bis jetzt unbekannte Fälle beschränkt. Alle bisher bekannten Atomwaffen setzen eben ionisierende Strahlung frei und verursachen somit unnötige Leiden, treffen unterschiedslos Kombattanten und Zivilisten, sind in ihrer Wirkung nicht auf die Gegnerstaaten beschränkt und verursachen bleibende Schäden für die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen.

Es bleibt somit dabei, dass der Einsatz aller jetzt bekannter Atomwaffen ein größter anzunehmender Bruch aller wesentlichen Regeln des humanitären Völkerrechts darstellen würde, ein monströses Kriegsverbrechen.

Die Tatsache, dass die Atommächte sich inzwischen weiterhin beharrlich weigern, ihrer Pflicht zur Verhandlung über eine vollständige nukleare Abrüstung nachzukommen, führte zu einer neuen Initiative der Zivilgesellschaft. Die Internationale Kampagne gegen Atomwaffen ICAN initiierte erfolgreich die Verhandlungen über den Abschluss eines Atomwaffenverbotsvertrags unter der Ägide der Vereinten Nationen. Der Vertrag trat am 22. Januar 2021 in Kraft. Auf Initiative der an den Verhandlungen beteiligten Vertreter der IALANA wurden die Hinweise auf die in dem Gutachten des IGH genannten Grundsätze des humanitären Völkerrechts schon in die Präambel des Vertrags aufgenommen.
Mit der Ratifizierung des Atomwaffenverbotsvertrags setzen die Staaten die völkerrechtlichen Vorgaben des IGH-Gutachtens für ihr Staatsgebiet konsequent um. Sie machen ihr Staatsgebiet damit nicht nur zur atomwaffenfreien Zone, sondern bilden auch für die Atomwaffenstaaten ein zunehmendes Problem. Denn diesen ist es verwehrt, das Staatsgebiet der Vertragsstaaten des Atomwaffenverbotsvertrags mit Atomwaffen zu überfliegen oder mit Atomwaffen an Bord in deren Küstengewässer und Häfen einzufahren.

Der Atomwaffenverbotsvertrag ist ein großer Fortschritt für die weitere Delegitimierung der Atomwaffen. Je mehr Staaten ihm beitreten, desto mehr wird deutlich, dass es sich bei den Staaten, die an der atomaren Bewaffnung festhalten, um Parias handelt, die sich außerhalb der menschlichen Gemeinschaft stellen.

Es ist ein unerträglicher Zustand, dass Deutschland bisher nicht zu den Unterzeichnerstaaten des Atomwaffenverbotsvertrags gehört!
Wenn es um einen deutschen Beitrag zur nuklearen Abrüstung geht, haben die Vertreter der Bundesregierungen bisher stets darauf verwiesen, Deutschland verfolge eine Politik der kleinen Schritte.

Wir haben für solche kleinen Schritte folgende Ideen für Friedrich Merz und seinen Vizekanzler Lars Klingbeil:

  1. Beenden Sie den Übungsbetrieb mit Atomwaffen auf den Fliegerhorsten in Büchel und Nörvenich!
  2. Sagen Sie die Teilnahme deutscher Jagdflugzeuge an der Atomwaffenübung Steadfast Noon ab!
  3. Unterzeichnen Sie den Atomwaffenverbotsvertrag!

 

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Otto Jäckel ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht und Verwaltungsrecht und Vorstand von IALANA Deutschland e.V. (Vereinigung für Friedensrecht, deutsche Sektion der International Association of Lawyers Against Nuclear Arms) www.jaeckel-rechtsanwalt.de

 

 

 

 

 

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Bild: Castle_Bravo_Blast wiki